Nichteinhaltung des Mindestlohns in Deutschland
„… Seit dem 1. Januar 2015 gilt in Deutschland ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn. Zwar belegen Forschungsergebnisse einen positiven Effekt auf Löhne am unteren Ende der Lohnverteilung, der mit der Einführung des Mindestlohns einhergeht. Dieser Befund bedeutet jedoch nicht, dass es keine Unterschreitung des Mindestlohns gibt. Wie viele Personen unterhalb der Mindestlohngrenze bezahlt werden, ist bisher nicht abschließend geklärt worden. Die Einschätzungen zu dieser Frage reichen von etwa 483.000 Personen im Jahr 2018 bis zu 2,4 Millionen Personen. In dieser Stellungnahme werden die Schwierigkeiten beschrieben, das Ausmaß der Nichteinhaltung mit den vorliegenden Datensätzen abzuschätzen…“ 12-seitige IAB-Stellungnahme 7/2020 verfasst von Duncan Roth in 10/2020
, siehe dazu:
- Systematische Manipulationen: Hunderttausende werden um Mindestlohn betrogen – einige Betroffene machen aus Angst um ihren Job sogar mit
„Wie stark der Mindestlohn steigen soll, darüber streitet die neue Bundesregierung seit den Koalitionsverhandlungen. Aktuell stehen allen Arbeitnehmern ab 18 Jahren mindestens 12,82 Euro pro Stunde brutto zu – bis auf wenige Ausnahmen. Trotzdem bekommen Hunderttausende Anspruchsberechtigte weniger Geld für ihre Arbeit. Nicht nur durch Schwarzarbeit, sondern auch durch Manipulation bei Unterlagen und Beschäftigungsverhältnissen. Aus Angst um ihren Job beteiligen sich einige Betroffene sogar aktiv an dem Betrug.
Wie viele Arbeitnehmer sind betroffen?
Die Mindestlohn-Verstöße spielen sich im Verborgenen ab. Deshalb gibt es keine genauen Zahlen, sondern nur Schätzungen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kommt bei den Daten aus dem Sozio-oekonomischen Panel auf fast sechs Prozent der Anspruchsberechtigten: Rund zwei Millionen Menschen verdienten demnach im Jahr 2021 weniger als den Mindestlohn, wie DIW-Experte Johannes Seebauer auf ntv.de-Anfrage mitteilt. Beim Sozio-oekonomischen Panel wurden Beschäftigte nach ihren Löhnen befragt. Zieht man hingegen die Angaben von Arbeitgebern aus der sogenannten Verdiensterhebung von Anfang 2022 heran, erhielten etwa 800.000 und damit zwei Prozent der Anspruchsberechtigten weniger, als ihnen zustand. (…) Neben Kontrollen im Tagesgeschäft führt die FKS regelmäßig bundesweite und regionale Schwerpunktprüfungen durch. Bei Verstößen drohen Geldbußen von bis zu 500.000 Euro. Effiziente Kontrollen sind laut DIW allerdings allein schon aus Personalmangel schwierig. (…)
Das Portal mindestlohnbetrug.de des ehemaligen Linken-Bundestagsabgeordneten Victor Perli listet als weitere Methoden unter anderem unerfüllbare Leistungsvorgaben auf – in der vorgesehenen Arbeitszeit ist diese Akkordarbeit nicht zu schaffen, Betroffene müssen also zwangsläufig länger arbeiten, bekommen aber nur die vereinbarten Stunden bezahlt. In anderen Fällen werden Lohnabzüge für angeblich „schlechte Arbeit“, Werkzeug oder Arbeitskleidung fällig.
Das Jobportal Stepstone führt aus: „Einige Arbeitgeber stellen ihren Angestellten Material- oder Essenskosten zu überhöhten Preisen in Rechnung und ziehen diese anschließend vom Lohn ab.“ In der Baubranche werden demnach sogar Insolvenzen vorgetäuscht: Kurz vor Fertigstellung eines Gebäudes „verschwinden“ Firmen und zahlen den letzten Lohn nicht mehr. Vor allem Arbeiter aus dem Ausland haben dann wenig Chancen, ihr Geld zu bekommen. Der Zoll erlebt zudem, dass einige Arbeitnehmer einer Bezahlung unterhalb des Mindestlohns sogar zustimmen – und aus Angst um ihren Arbeitsplatz bei einer Kontrolle behaupten, den Mindestlohn zu erhalten...“ Artikel von Christina Lohner vom 18.05.2025 in n-tv.de - Zahlreiche Verstöße gegen das Mindestlohn-Gesetz: Zoll kontrolliert Karnevals-Sicherheitspersonal in Köln
„Bei Kontrollen des Sicherheitspersonals im Kölner Straßenkarneval haben Zollbeamte zahlreiche Verstöße gegen das Mindestlohn-Gesetz aufgedeckt. Zwischen Weiberfastnacht und Samstag seien 124 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von 42 Sicherheitsfirmen kontrolliert worden, teilte das Hauptzollamt Köln am Sonntag mit. Bereits vor Ort hätten sich bei sechs Firmen erste Hinweise ergeben, dass dem Personal teilweise weit weniger als der zustehende gesetzliche Mindestlohn von zwölf Euro gezahlt werde. Eine Frau habe angegeben, dass sie nur acht Euro brutto pro Stunde bekomme. Bei den Kontrollen ergaben sich auch Hinweise auf Sozialleistungsmissbrauch und vereinzelt Schwarzarbeit. «Dass uns zwei dieser betroffenen Männer im Zuge unserer Befragung nicht mal sagen konnten, für wen sie gerade arbeiten, macht die Problematik der sogenannten Subunternehmerketten klar deutlich…“ Agenturmeldung vom 19. Februar 2023 in der Zeit online(„Zahlreiche Verstöße: Zoll kontrolliert Karnevals-Sicherheitspersonal“)
- Beim Mindestlohn wird gelogen und betrogen – auf dem Rücken der Beschäftigten
„In Deutschland wurde im Jahr 2015 der Mindestlohn eingeführt. Heute, 6 Jahre später, werden immer noch viele Beschäftigte um ihren Lohn geprellt und dem Staat entgehen Einnahmen aus Steuern und Sozialabgaben. Die Umgehung der Zahlung des Mindestlohns ist in bestimmten Branchen besonders häufig anzutreffen, vor allem im Hotel- und Gaststättengewerbe, Einzelhandel und bei den privaten Haushalten. Dort sind besonders hohe Zahlen von Verfehlungen beobachtet worden und die Umgehung wird im Regelfall über die Gestaltung der Arbeitszeiten, konkret über unbezahlte Mehrarbeit erreicht. Die vielen unterbezahlten Menschen wissen genau, dass sie in der vorgegebenen bezahlten Zeit die geforderte Leistung nicht erbringen können. Sie müssen sich ihrem Schicksal ergeben, weil man das nur nachweisen und bekämpfen kann, wenn die Arbeitszeiten auch konkret kontrolliert werden. Aktuell liegt der gesetzliche Mindestlohn bei 9,60 Euro die Stunde. Nach bisherigem Zeitplan soll er im Januar 2022 auf 9,82 Euro und im Juli auf 10,45 Euro steigen. Die neue Bundesregierung will den Mindestlohn nun schon früher als vorgesehen auf 12 Euro pro Stunde erhöhen. Da ist es an der Zeit, eine kleine Bilanz zu ziehen…“ Beitrag vom 11. Dezember 2021 beim Gewerkschaftsforum
Siehe auch allein aus der letzten Zeit im LabourNet Germany:
- Mindestlohn: 25 Milliarden Euro Schaden durch kriminelle Arbeitgeber. DGB fordert mehr Personal für FKS-Kontrollen
- DIW-Studie zum Mindestlohn: Nach wie vor erhalten ihn viele anspruchsberechtigte Beschäftigte nicht
- Ansatzpunkte für eine effektivere Durchsetzung von Mindestlöhnen
- Mindestlohnverstöße: Wenn der Betrug System hat
- Jeder zehnte Gastro-Betrieb verstößt gegen das Mindestlohngesetz
- Finanzkontrolle beim Mindestlohn zeigt: da wird gelogen und betrogen, auf dem Rücken der Beschäftigten
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