Privatschulen: Der Ausverkauf des Bildungssystems

Dossier

Keine Privatisierung von Schulen! Änderung des Grundgesetzes und der Begleitgesetze jetzt stoppen!In den vergangenen Jahren gab es Zeiten, in denen wöchentlich zwei neue Privatschulen die Pforten für den Nachwuchs öffneten. Warum die Privatisierung des Schulwesens gefährlich für die Gesellschaft ist und man den Versprechungen der Verfechter_innen nicht allzu viel Glauben schenken sollte, erklärt unser Autor Lukas Daubner in dieser Antwort auf den pro-Artikel von letzter Woche...“ Artikel vom 7.12.2015 im Bildungsblog „Was bildet ihr uns ein?“ externer Link und mehr daraus/dazu:

  • Die Flucht in die Privatschulen: Wie das Versagen der Bildungspolitik zur sozialen Spaltung führt New
    „Die Bildungsrepublik Deutschland befindet sich im freien Fall. Bundesweit verlassen 50 000 Jugendliche jedes Jahr die weiterführende Schule ohne Abschluss. Jedes fünfte Kind geht von der Grundschule ab, ohne den Mindeststandard im Rechnen, Schreiben oder Lesen erreicht zu haben. (…) Und auch die Lehrkräfte fühlen sich immer häufiger überfordert: 43 Prozent von ihnen arbeiten in Teilzeit. Gleichzeitig erreichen die Krankmeldungen Rekordwerte (…) Ein Viertel leidet schon während der aktiven Zeit an Burnout. Hinzu kommt, dass bundesweit mehr als 12 000 Stellen unbesetzt sind. (…) Angesichts dieser alarmierenden Zustände verwundert es nicht, dass sich Privatschulen eines stetig wachsenden Zuspruchs erfreuen. (…) Aber stimmt es wirklich, dass Privatschulen die besseren Schulen sind und ihre Schüler:innen bestmöglich auf den Arbeitsmarkt vorbereiten? So pauschal kann man das auf keinen Fall sagen. Im Gegenteil: Es gibt viele gute Argumente dafür, dass öffentliche Schulen die besseren Schulen sind – oder jedenfalls sein können. (…) Mit der Wahl der „richtigen“ Schule sollen dem eigenen Nachwuchs Milieunähe und vorteilhafte Netzwerkeffekte zugesichert werden. So versucht sich die Mittelschicht, die nicht mehr sicher sein kann, ihren gesellschaftlichen Status generationsübergreifend verbessern bzw. auch nur aufrechterhalten zu können, von der Unterschicht abzugrenzen. (…) Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass sich der sozioökonomische Status von Schüler:innen (und deren Familien) öffentlicher eindeutig von dem privater Bildungseinrichtungen unterscheidet: So sind die Eltern von Privatschüler:innen weitaus häufiger vermögend als diejenigen, deren Kinder eine öffentliche Schule besuchen, und verfügen fast doppelt so häufig über die allgemeine Hochschulreife. Dies ist jedoch aus gesellschaftspolitischer Perspektive höchst problematisch: So sieht das Grundgesetz unzweideutig vor, dass Privatschulen nur gestattet sind, wenn die „Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird“ (Art. 7 Abs. 4 S. 3 GG). (…) Öffentliche Schulbildung wirkt dabei insofern als Garant für eine relative Gleichverteilung des gesellschaftlichen Wohlstands, als sie Kindern unabhängig vom sozioökonomischen Status des Elternhauses den Zugang zu vielversprechenden Karrierewegen öffnet. (…) Gerade in Zeiten von Populismus und Demokratieverdrossenheit wäre es deshalb dringend geboten, diese Kernfunktion von Schulen wieder stärker in den Blick zu nehmen. Individuelle Wahlfreiheit und quasi personalisierte Bildungsangebote mittels Privatschulen mögen aus persönlicher Perspektive vielversprechend klingen. Aus gesellschaftlicher Perspektive indes sind sie fatal…“ Beitrag von Tim Engartner und Michael Schedelik aus Blätter Ausgabe April 2024 externer Link
  • Ungleichheit überwinden. UNESCO-Weltbildungsbericht 2021/2022 ruft zu Regulierung des nichtstaatlichen Bildungssektors auf
  • Studie: Privatschulen sind staatlich geförderte Ungleichheit
    Privatschulen müssten nach dem Grundgesetz eigentlich allen Kindern offen stehen. Doch stattdessen herrsche „eine sehr hohe soziale Selektivität“, kritisiert Michael Wrase, Sozialforscher und Ko-Autor einer neuen Studie. Er fordert eine stärkere Regulierung dieses Schulbereiches. Privatschulen neigen zu einer immer größeren Abschottung, weil der Staat nicht genügend reguliert und kontrolliert: Das ist eine Erkenntnis der neuen Studie aus dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Sie befasst sich insbesondere mit der Situation in den Bundesländern Berlin und Hessen…“ Michael Wrase und Mathias Greffrath im Gespräch mit Korbinian Frenzel beim Deutschlandfunk Kultur vom 13. Juli 2017 externer Link Audio Datei (Länge des Podcasts: 7 Min., abrufbar bis zum 19. Januar 2018)
  • Weiter aus dem Artikel vom 7.12.2015 im Bildungsblog „Was bildet ihr uns ein?“ externer Link: „Privatschulen werden in der Diskussion oft gleichgesetzt mit exzellenter Betreuung, innovativen Lehrkonzepten und super Ausstattung: Bei staatlichen Schulen kommen diese Assoziationen selten. Die grundlegende Diagnose ist auch richtig: das staatliche Schulwesen ist träge. Und, es ist marode. Beides zusammen ergibt eine schlechte Mischung. An nicht wenig Schulen ist der größte Wunsch der Kinder – in Berlin ist das Problem mehr als bekannt –, auf saubere und heile Toiletten gehen zu können. Warum auch wir dem Rat von Kirkes an Odysseus und seine Mannschaft folgen und uns die Ohren mit Wachs verstopfen sollten, um den Verheißungen der Sirenen Privatschullobby nicht zu folgen, zeige ich auf den folgenden Zeilen. Ähnlich wie in der antiken griechischen Sage, sind auch die Versprechen der Privatschulverfechter_innen verheißungsvoll. Sie werden als Inseln des perfekten Lernens in einem Meer von staatlicher Tristesse dargestellt. (…) Nun, das Argument, dass viele private Schulen eine bessere Ausstattung und auch innovativere Lehr- und Lernkonzepte haben, als die staatlichen Gegenstücke, ist vielfach richtig. Dies ist aber jeweils nur möglich, weil wohlhabende Eltern, und manchmal auch Gönner_innen, das benötigte Geld zuwenden. (…) Privatisierung ist eine Flucht des Staates vor seiner Verantwortung, daher muss die Forderung an die Politik weiterhin und mit viel Nachdruck sein: nehmt die Verantwortung wahr und finanziert das Schulwesen ausreichend. Es muss daran gearbeitet werden, dass Schulen kreativer werden und ihre Schülerinnen und Schüler individuell und angemessen beschulen! Eine schleichende Privatisierung des Schulwesens kann nicht die Lösung sein. Bildung ist – wie Wasser – keine Ware, die auf einem freien Markt veräußert werden darf. Sie ist ein staatlich (!) verbrieftes Grundrecht…“

Siehe auch:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=90384
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