Mindestentgelt in der Landwirtschaft: Bei Saisonkräften wechselhaft

Dossier

Mindestlohn in Deutschland: Ein Schweizer Käse voller Ausnahmen„Zum Ende der Spargelsaison sprachen Vertreter der IG BAU die Saisonkräfte direkt auf dem Feld beziehungsweise an den Verkaufsständen. Angetroffen wurden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Polen, Kroatien, Ungarn und Rumänien, welche sich vor allem als Erntehelfer verdingen. (…) Es wurde festgestellt, dass für den größten Teil der angetroffenen Saisonkräfte das Mindestentgelt von zurzeit 7,40 Euro pro Stunde gezahlt wird. Für manche ist das Mindestentgelt ein höherer Lohn im Vergleich zum Vorjahr, manche bekamen sogar einen Stundenlohn über dem Mindestentgelt. Leider gab es aber auch Aussagen von landwirtschaftlichen Saisonkräften, welche nicht das Mindestentgelt erhalten. (…) Auch erhalten manche Erntehelfer, wenn sie Akkord arbeiten, Verdienste, die unter dem Mindestentgelt liegen…“ Beitrag von Ralf Helwerth bei der IG BAU vom 23.06.2015 externer Link („Überprüfung des Mindestentgelts in der Landwirtschaft: Wechselhaft!“) und dazu:

  • Händeringend gesucht, aber den Mindestlohn nicht wert? »Wir ernähren das Volk!« galt nur für die Landwirte, SaisonarbeiterInnen müssen immer weiter her kommen New
    Der deutsche Bauernverband forderte kürzlich, Erntehelfern aus dem Ausland keinen Mindestlohn zu zahlen. Dabei ist Lohndumping in der Branche längst gängige Praxis.
    (…) Mit Slogans wie »Wir ernähren das Volk!« erfuhren die Landwirte breite Unterstützung. Die besondere gesellschaftliche Relevanz der Nahrungsmittelproduktion kann nicht in Abrede gestellt werden. Dass Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeiter im damals wirkmächtig mobilisierten »Wir« der »Volksernährer« aber ausgeklammert wurden, ist eine bezeichnende Leerstelle. Denn die etwa 240.000 jährlich in Deutschland tätigen, fast ausschließlich aus dem Ausland kommenden Saisonarbeiter machen fast ein Drittel aller in der Landwirtschaft Beschäftigten aus. Besonders die Ernte saisonaler Sonderkulturen, wie Spargel, Gurken, Kohl, Hopfen, Wein und Erdbeeren, hängt von der Arbeit vorwiegend rumänischer und polnischer Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeiter ab. Dass osteuropäische Wanderarbeiter eine zentrale Rolle für die deutsche Ernte spielen, ist nicht neu. Wiederholte staatlich organisierte Versuche, deutsche Arbeiterinnen aufs Feld zu bringen, scheiterten stets krachend. (…)
    Im knallharten Preiswettbewerb basiert die Profitmarge vieler deutscher Landwirte auf der Überausbeutung migrantischer Saisonarbeiter. Äußerst harte Arbeit, entgrenzte Arbeitszeiten, bestenfalls bescheidene Unterkünfte und schlechte Bezahlung – für in Deutschland lebende Menschen ist dieser Deal schlichtweg zu unattraktiv. Unter diesen Bedingungen sind lediglich Arbeiter aus Ländern mit noch schlechteren Erwerbsmöglichkeiten dazu »bereit« oder wirtschaftlich gezwungen, in der saisonalen Ernte zu arbeiten.
    Lebhaft dürften die Bauernproteste 2023/24 gegen die von der Regierung Scholz beschlossene Abschaffung der Agrardieselrückerstattung in Erinnerung geblieben sein. Monatelang mobilisierten Bauernverbände und Landwirte zu Kundgebungen und Straßenblockaden und kippten letztlich die Regierungsmaßnahme. Mit Slogans wie »Wir ernähren das Volk!« erfuhren die Landwirte breite Unterstützung. Die besondere gesellschaftliche Relevanz der Nahrungsmittelproduktion kann nicht in Abrede gestellt werden. Dass Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeiter im damals wirkmächtig mobilisierten »Wir« der »Volksernährer« aber ausgeklammert wurden, ist eine bezeichnende Leerstelle. Denn die etwa 240.000 jährlich in Deutschland tätigen, fast ausschließlich aus dem Ausland kommenden Saisonarbeiter machen fast ein Drittel aller in der Landwirtschaft Beschäftigten aus.
    Besonders die Ernte saisonaler Sonderkulturen, wie Spargel, Gurken, Kohl, Hopfen, Wein und Erdbeeren, hängt von der Arbeit vorwiegend rumänischer und polnischer Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeiter ab. Dass osteuropäische Wanderarbeiter eine zentrale Rolle für die deutsche Ernte spielen, ist nicht neu. Wiederholte staatlich organisierte Versuche, deutsche Arbeiterinnen aufs Feld zu bringen, scheiterten stets krachend. So führte das Vorhaben, während der Covid-19 Pandemie über die Plattform daslandhilft.de inländische Saisonarbeiter zu finden, letztlich dazu, dass bulgarische und rumänische Erntearbeiter zu »systemrelevanten Fachkräften« erklärt und trotz pandemischen Grenzschließungen per Charterflug zur Rettung des Spargels aufs Feld geschickt wurden.
    »In der Debatte inszeniert sich der DBV als Vertreter des kleinen Mannes. Dabei vertritt er vor allem die Interessen von üppig subventionierten Großbetrieben.«
    Im knallharten Preiswettbewerb basiert die Profitmarge vieler deutscher Landwirte auf der Überausbeutung migrantischer Saisonarbeiter. Äußerst harte Arbeit, entgrenzte Arbeitszeiten, bestenfalls bescheidene Unterkünfte und schlechte Bezahlung – für in Deutschland lebende Menschen ist dieser Deal schlichtweg zu unattraktiv. Unter diesen Bedingungen sind lediglich Arbeiter aus Ländern mit noch schlechteren Erwerbsmöglichkeiten dazu »bereit« oder wirtschaftlich gezwungen, in der saisonalen Ernte zu arbeiten.
    Die schiefe Argumentation des Bauernverbands
    In der Debatte inszeniert sich der von Großbauern geführte DBV als Vertreter des kleinen Mannes. Dabei vertritt der mit Union sowie Landwirtschaftsministerium und Agrarindustrie eng verknüpfte Lobbyverband vor allem die Interessen von üppig subventionierten Großbetrieben und versucht nun die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Gemüse- und Obstproduktion auf dem Rücken der Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeiter zu verteidigen.
    Richtig ist, dass die Lohnkosten in der arbeitsintensiven und wenig mechanisierten saisonalen Landwirtschaft, etwa mit bis zu 50 Prozent der Produktionskosten in der Spargelernte, verhältnismäßig hoch sind. Ebenso richtig ist der Verweis auf den gnadenlosen Preisdruck, der vom mächtigen Großhandel – Aldi, Edeka, Lidl/Kaufland und Rewe – auf Landwirte ausgeübt wird. Viele kleinere Höfe stehen vor dem Aus. Was macht nun den Mindestlohn von Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeitern zur entscheidenden Schraube, an der gedreht werden soll? Saisonarbeitskräfte hätten, so Bauernpräsident Rukwied, »ihren Lebensmittelpunkt schließlich nicht in Deutschland«. In anderen europäischen Ländern sei das Lohnniveau zudem deutlich geringer. Daraus ergibt sich für Rukwied notwendigerweise die Entlohnung von Saisonkräften unter Mindestlohnniveau. Zunächst suggeriert das lautstarke Klagen der Bauernverbände, dass die flächendeckende Bezahlung nach Mindestlohn bereits erreicht wäre. Das ist, vorsichtig gesagt, eine steile These. Dass insbesondere unter Großbetrieben, die Unterwanderung des Mindestlohns durch unzulässig hohe Abzüge für notdürftige Unterkünfte, Verpflegung oder Vermittlungsgebühren weit verbreitet ist, wurde durch gewerkschaftsnahe Recherchen zur Genüge belegt. (…)
    Auch die vielfach angeführte Behauptung, die Arbeiterinnen und Arbeiter würden angesichts der geringen Lebenshaltungskosten in ihren Herkunftsländern auch unter Mindestlohn viel verdienen, zerschellt an der Realität.Die Vorstellung einer reichen saisonalen Mindestlohnbeute, die aus Deutschland gen Osten entführt wird, wird dabei nicht nur von DBV, AfD und Union geteilt. Auch die brandenburgische SPD Agrarministerin und »Hühnerbaronin«, Hanka Mittelstädt, sieht »große Probleme« bei der Mindestlohnerhöhung, denn die Saisonkräfte so Mittelstädt, nähmen ihren Lohn wieder in die Heimat mit. Diese Darstellung der nominellen Sozialdemokratin deckt sich freilich schlecht mit den hohen Kosten für Unterkunft, Verpflegung sowie Steuern, die Saisonarbeiter in Deutschland bezahlen. Aber auch das laufend vorgebrachte Argument billiger Herkunftsländer kann angesichts hoher Inflationsraten und stark gestiegener Lebenshaltungskosten in vielen osteuropäischen Ländern getrost als mittelprächtige Arbeitgeber-Fiktion abgetan werden. Die sehr bequeme, selektive Realitätswahrnehmung der DBV-Spitze und ihrer politischen Unterstützer setzt sich durch das Ausblenden der drastisch gestiegenen Anreisekosten für Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeiter nach Deutschland nahtlos fort. (…)
    Das Interesse an staatlichen Anwerbeabkommen für Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeiter aus Drittstaaten – mit Georgien und Moldawien umgesetzt – sowie die Beobachtung, dass immer häufiger Studierende aus Usbekistan oder Kasachstan auf deutschen Äckern anzutreffen sind, deuten eher auf eine andere Entwicklung hin: Parallel zur Forderung nach der Absenkung des Mindestlohns wird bereits auf billige Arbeitkräftereservoirs im Kaukasus und Zentralasien geschielt. (…)
    Lebensmittelproduzenten verdienen Respekt und eine faire Entlohnung. Das schließt Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeiter mit ein. Aber auch die Nöte vieler kleiner Landwirte sind real. Die Marktbeherrschung und das Preisdiktat des Großhandels als mächtigsten Teil der Lieferkette machen eine faire Nahrungsproduktion in Deutschland zunehmend unmöglich. Dem stimmen auch viele Landwirte zu. Rewe, Edeka, Aldi und Lidl/Kaufland kontrollieren aktuell 85 Prozent des Lebensmittelmarktes und beeinflussen damit den Lebensmittelvertrieb und die Preisbildung massiv. Trotzdem bleiben die größten vier Lebensmittelhändler in der aktuellen politischen und journalistischen Debatte weitgehend außen vor. Der politisch bestens vernetzte Bauernverband ist daran maßgeblich mit Schuld. Angesichts dessen ist in naher Zukunft weder mit fairer Preisbildung noch mit anständigen Arbeitsbedingungen und Löhnen zu rechnen
    .“ Artikel von Markus Köck vom 1.8.2025 in Jacobin.de externer Link („Händeringend gesucht, aber den Mindestlohn nicht wert?“)
  • Rechtliche Prüfung im Bundesagrarministerium erlaubt keine Mindestlohn-Ausnahmen für Saisonkräfte – Bauernverband empört und bekommt „Entlastungen an anderer Stelle“ 
    • Nach rechtlicher Prüfung im Bundesagrarministerium: Keine Mindestlohn-Ausnahmen für Saisonkräfte
      Mindestlohn-Ausnahmen für Saisonkräfte in der Landwirtschaft sind nach einer Prüfung des Bundesagrarministeriums rechtlich nicht zulässig. Dies ergebe sich etwa aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz im Grundgesetz, teilte das Ressort mit. Der Mindestlohn sei als absolute Untergrenze gesetzlich verankert. Dies gelte für alle Jobverhältnisse, auch für kurzfristig Beschäftigte und Saisonkräfte. Zunächst berichtete die Rheinische Post darüber. Zuvor hatte sich Bundesminister für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat Alois Rainer (CSU) aufgeschlossen für Branchenforderungen nach Ausnahmen gezeigt und die juristische Prüfung in Auftrag gegeben. Der gelernte Metzgermeister sagte der dpa: „Mir war sehr wichtig, diesen Weg sorgfältig zu prüfen.“ Viele Betriebe stünden unter erheblichem Druck – besonders da, wo noch echte Handarbeit gefragt sei wie bei Obst und Gemüse.
      Bauernverband empört
      Bauernpräsident Joachim Rukwied sprach angesichts des Prüfungsergebnisses von einem “schwarzen Tag” für die Erzeugung von Obst, Gemüse und Wein. „Diese Entscheidung lässt jedes Bekenntnis zu einer heimischen Landwirtschaft zu einer Farce werden“, sagte er der Rheinischen Post. Die Produktion werde ins Ausland verlagert. „Unsere heimischen Erzeugnisse bei Obst und Gemüse werden deutlich teurer werden, und die Inflation wird massiv angeheizt.“ (…)
      Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland haben grundsätzlich Anspruch auf die Zahlung eines Arbeitsentgelts in Höhe des geltenden Mindestlohns. Allerdings gibt es nach § 22 MiLoG auch Ausnahmen, wie z. B. Beschäftigte unter 18 Jahren oder langzeitarbeitslose Personen, für die der gesetzliche Mindestlohn nicht gilt. Ausnahmen für Saisonarbeitskräfte bzw. Erntehelfer sind im Gesetz indes nicht vorgesehen
      .“ Redaktionelle Meldung vom 15.07.2025 bei LTO externer Link, siehe auch:
    • Keine Mindestlohn-Ausnahmen für Erntehelfer
      Die Agrarlobby hatte Sonderregeln für die Bezahlung von Saisonarbeitern gefordert. Doch das wäre ein Verstoß gegen das Grundgesetz, zeigt eine Prüfung des Landwirtschaftsministeriums. Nun soll es andere Entlastungen geben. Mindestlohn-Ausnahmen für Saisonkräfte in der Landwirtschaft sind nach einer Prüfung des Bundesagrarministeriums rechtlich nicht möglich. Dies ergebe sich etwa aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz im Grundgesetz, teilte das Ressort mit. Der Mindestlohn sei als absolute Untergrenze gesetzlich verankert. Dies gelte für alle Jobverhältnisse, auch für kurzfristig Beschäftigte und Saisonkräfte. (…)
      Bundesagrarminister Rainer sagte, die schrittweise Erhöhung stelle viele Höfe vor große Herausforderungen. Am Ende müsse sich der Anbau wirtschaftlich tragen. »Deshalb setzen wir auf Entlastungen an anderer Stelle.« So würden Bürokratiekosten reduziert, die Stromsteuer gesenkt, und es gebe wieder Entlastungen beim Agrardiesel
      …“ Meldung vom 15.07.2025 im Spiegel online externer Link
  • Sowohl die Gewerkschaft „Initiative Grüne Gewerke“ als auch „Gemeinsam gg die Tierindustrie“ verurteilen die Angriffe auf Mindestlohn für Saisonarbeiter*innen 
    • Skandal: Bauernverband und Landwirtschaftsminister fordern Dumpinglöhne für Saisonarbeiter*innen
      „… Die Saisonarbeit, z.B. in der Erntehilfe, ist in großen Teilen durch Überausbeutung geprägt. Die Arbeit wird überwiegend von nicht-deutschen Arbeitskräften verrichtet. Bis zur Einführung des Mindestlohns waren Dumpinglöhne bei Agrarunternehmen an der Tagesordnung. Immer wieder wehren sich die Beschäftigten z.B. durch wilde Streiks gegen miese Arbeitsbedingungen und Unterschlagung von Löhnen.
      Mit der Forderung nach einer Aussetzung des Mindestlohns setzen Bauernverband und Landwirtschaftsminister bewusst auf eine Deregulierung des Niedriglohnsektors und eine Verfestigung des Systems der strukturellen Diskriminierung. Es dürfte zudem nicht lange dauern, bis Tönnies, Amazon & Co. Ausnahmeregelungen auch für „ihre“ Beschäftigten fordern.
      Wir stellen uns daher klar auf die Seite derer, die Tag für Tag gegen Lohndumping, prekäre Beschäftigungsbedingungen und rassistische Diskriminierung kämpfen
      .“ Pressemitteilung vom 5. Juli 2025 von Gemeinsam gg die Tierindustrie externer Link
    • Gewerkschaft Initiative Grüne Gewerke verurteilt Bauernverband-Angriffe auf Mindestlohn scharf: Finger weg von unseren Leuten – gleicher Lohn für gleiche Arbeit!
      „Mit Entsetzen und Wut reagiert die Gewerkschaft Initiative Grüne Gewerke (IGG FAU) auf die Vorstöße zu Ausnahmen beim Mindestlohn von Bauernverbandspräsidenten Rukwied und Bundeslandwirtschaftsminister Rainer. Die Gewerkschaft droht mit Kampfmaßnahmen, fordert einen generellen Politikwechsel und eine Angleichung der Arbeitsbedingungen für Saisonkräfte. Sie fordert außerdem 15€ als Minimallohn für alle Beschäftigten der Branche. Vor allem migrantische Saisonarbeitskräfte machen etwa ein Drittel der landwirtschaftlichen Beschäftigten in Deutschland aus. Sie arbeiten vor allem in arbeitsintensiven Sonderkulturen und kleinen bis mittelgroßen Landwirtschaftsbetrieben. Sie gehören schon jetzt zu der Berufsgruppe mit der schlechtesten Bezahlung, den längsten Arbeitstagen, sowie den meisten (oft auch tödlichen) Unfällen. Die IGG fordert eine komplette Angleichung der Arbeitsverhältnisse für migrantische Saisonkräfte u.a.hinsichtlich Sozialversicherung, Löhnen und Arbeitsrechten. In ihrem betrieblichen Grundsatzpapier hat die Gewerkschaft im Mai 2025 per Urabstimmung den Kampf für 15€ als Lohnuntergrenze für alle Beschäftigten in den Bereichen Gartenbau, Forst, Landwirtschaft und Umweltberufe beschlossen. (…) Kleine und mittlere Betriebe brauchen derweil andere Unterstützung: Schutz vor Flächenaufkäufen von Spekulant:innen, Unterstützung für kleinteiligere, ökologische Produktionsweisen, Bruch der Einzelhandelsmonopole bei der Preisfestlegung. “Bei weiterer Ungleichbehandlung migrantischer Saisonkräfte verlieren alle Beschäftigten in der Landwirtschaft, auch jene, die vom Mindestlohn nicht ausgenommen werden sollen, da sie keine Stellen mehr finden oder ihre Verhandlungsposition geschwächt wird. Der aktuelle Vorstoß dürfte eine der heftigsten Angriffe auf die Beschäftigten einer ganzen Branche in den letzten Jahren in Deutschland sein. Wir rufen alle Kolleg* innen der Branche auf sich gegen diese Dreisdigkeit zu organisieren!” Die IGG fordert die längst überfällige Absetzung des Bauernverbandspräsidenten Rukwied, ruft Bäuer:innen zur Organisation in anderen Verbänden auf und bereitet sich sowohl auf betriebliche als auch politische Aktionen für den Fall von Mindestlohnunterschreitungen vor.“ IGG-Statement vom 4. Juli 2025 externer Link
  • Arbeitsministerium (SPD) lehnt Mindestlohn-Ausnahmen für ausländische Saisonkräfte ab – Agrarminister Rainer (CSU) kann sich das vorstellen
    Sollen ausländische Saisonkräfte weniger als den Mindestlohn bekommen? Agrarminister Rainer (CSU) kann sich das vorstellen – im Gegensatz zu Arbeitsministerin Bas (SPD). Der Vorstoß erntet weiter scharfe Kritik.
    In der Debatte um Ausnahmen vom Mindestlohn für Saisonkräfte in der Landwirtschaft geht das Bundesarbeitsministerium auf Distanz zu Agrarminister Alois Rainer (CSU). Die Zahlung eines geringeren Lohns für Saisonarbeitskräfte „wäre eine unzulässige Diskriminierung sowohl nach europäischem als auch nach nationalem Recht“, sagte eine Sprecherin des Arbeitsministeriums am Mittwoch in Berlin. Das Landwirtschaftsministerium will sich trotzdem eingehender mit der Angelegenheit befassen. Rainer hatte sich offen für eine Forderung von Bauernpräsident Joachim Rukwied gezeigt, Saisonarbeitskräften weniger als den gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen. Für das Bundesarbeitsministerium sei klar, „dass der Mindestlohn eine absolute Untergrenze ist und branchenübergreifend gilt“, sagte hingegen die Sprecherin des Ressorts von Bärbel Bas (SPD) am Mittwoch. Es gehe beim Mindestlohn darum, „ein Mindestmaß von Arbeitnehmerschutz“ zu sichern. „In einzelnen Branchen Ausnahmen zuzulassen, wäre mit diesem Ziel nicht vereinbar.“ Die Sprecherin verwies außerdem darauf, dass im Koalitionsvertrag keine Ausnahme vom Mindestlohn verabredet sei…“ Meldung vom 25.06.2025 im Migazin externer Link („Kritik ebbt nicht ab“)
  • Bauernverbandspräsident will für Saisonarbeitskräfte nur noch 80% des Mindestlohnes – IG BAU versteht dies korrekt als Vorschlag zur Arbeitszeitverkürzung
    • „Das ist die unterste Einkommensgrenze, daran wird nicht gerüttelt. IG BAU reagiert auf Rukwied-Aussage, dass Saisonarbeitskräfte künftig nur noch 80 Prozent des Mindestlohns bekommen sollen
      „Also wenn die Saisonarbeitskräfte dann auch nur noch 80 Prozent des Gesamtvolumens arbeiten müssen, bin ich mit dem Vorschlag einverstanden.“ Ironisch antwortet der stellvertretende Bundesvorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt Harald Schaum, der unter anderem für die Landwirtschaftsbranche zuständig ist, auf die jüngste Äußerung des Bauernverbandspräsidenten Joachim Rukwied. Danach sollen die Saisonarbeitskräfte künftig nur noch 80 Prozent des Mindestlohnes bekommen. „Der Name sagt es ja schon, Mindestlohn. Unter diese äußerste untere Grenze sollte das Entgelt nicht fallen, damit die Menschen einigermaßen davon leben können. Wieder soll bei den Arbeitskräften, die oftmals an der Armutsgrenze leben, gespart werden. Da sagen wir ganz klar nein, daran wird nicht gerüttelt.“
      Ohnehin gäbe es heute schon Ausnahmeregelungen für Arbeitgeber in der Landwirtschaft. So sei eine kurzfristige Beschäftigung unter bestimmten Voraussetzungen sozialversicherungsfrei. Bei der Krankenversicherung werde mit dem Abschluss einer Gruppenkrankenversicherung gespart. Diese habe längst nicht so viele Leistungen wie eine gesetzliche Krankenkasse. Das Einkommensteuergesetz ermögliche darüber hinaus unter bestimmten Bedingungen eine Pauschalbesteuerung von fünf Prozent des Arbeitslohns, was den Arbeitgebern Bürokratie erspare. Schließlich könnten Betriebe die täglichen Kosten für Unterkunft und Verpflegung direkt vom Lohn abziehen. „Und das wird weidlich ausgenutzt. In unseren jährlichen Monitorberichten sind das oftmals bis zu 50 Prozent des Lohns“, sagt Schaum.
      Bis Ende Juni will die Mindestlohnkommission bekannt geben, wie viel die unterste Lohngrenze künftig betragen wird, in der Diskussion sind 15 Euro. „Ich hoffe darauf. Für die extrem harte Arbeit auf den Feldern, in den Weinbergen, auf den Höfen und anderen Orts ist das nicht mehr als recht und billig“, so Schaum abschließend.“ Pressemitteilung vom 23.06.2025 der IG BAU externer Link zu

      • Vorschlag des Bauernverbands: Agrarminister Rainer offen für Mindestlohn-Ausnahmen für Saisonarbeiter
        „… Bundesagrarminister Alois Rainer (CSU) hat sich offen für die Forderung des Deutschen Bauernverbandes gezeigt, den Mindestlohn für Saisonarbeiter zu kürzen. „Meine Fachleute prüfen, ob es einen rechtssicheren Weg gibt, Ausnahmen vom Mindestlohn möglich zu machen“, sagte Rainer dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Die Bundesregierung stehe grundsätzlich zum Mindestlohn, aber er nehme die Sorgen der Obst- und Gemüsebauern sehr ernst. „Ohne die wichtige Unterstützung der Saisonarbeitskräfte könnten viele Betriebe ihre Ernte nicht einbringen. Gerade lohnintensive landwirtschaftliche Betriebe stellt die Erhöhungen des Mindestlohns vor finanzielle Herausforderungen.“ Im Koalitionsvertrag sei außerdem vereinbart, kurzfristige Beschäftigung auf 90 Tage auszuweiten. So können nicht berufsmäßig tätige Saisonarbeitskräfte länger sozialversicherungsfrei beschäftigt werden.“ Erleichterungen für Landwirte ergäben sich auch durch die Wiedereinführung der Agrardiesel-Subventionen.“ Artikel von Daniela Vates vom 24. Juni 2025 in RND externer Link
    • DGB pocht auf einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn
      Forderungen nach einer Absenkung des gesetzlichen Mindestlohn für Saisonarbeitskräfte erteilt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) eine klare Absage. DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell sagte am Dienstag in Berlin: „Wir brauchen keinen Mindestlohn zweiter Klasse. Der gesetzliche Mindestlohn ist eine allgemeine flächendeckende Lohnuntergrenze, die für alle gelten muss.
      Für Saisonarbeitskräfte, die hierzulande kurzfristig beschäftigt sind, gelten in der Sozialversicherung bereits heute Sonderregelungen, die die Bundesregierung auf Betreiben der Union sogar ausweiten will. Laut Koalitionsvertrag soll die sozialversicherungsfreie Höchstdauer für solche Beschäftigungen von derzeit 70 auf künftig 90 Tage angehoben werden. Schon diese Maßnahme sehen wir als DGB kritisch und lehnen sie ab. Viele Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeiter in der Landwirtschaft tragen bereits jetzt unverhältnismäßig hohe Kosten für Unterkunft und Verpflegung, wodurch ihr effektiver Stundenlohn oft unter das Mindestlohnniveau sinkt. Statt weiterer Ausnahmen brauchen wir faire Arbeits- und Lebensbedingungen vor Ort
      .““ DGB-Pressemitteilung vom 24. Juni 2025 externer Link
    • Dankbarer des Tages: Joachim Rukwied
      Bauernpräsident Joachim Rukwied ist Großgrundbesitzer in der achten Generation. Wie man Anfang des 19. Jahrhunderts mit Leibeigenen umging, weiß er vermutlich aus der eigenen Familienerzählung: Frondienst, zur Belohnung einen Schlag mit dem Knüppel. Dass diejenigen, die heute die ganze Arbeit – vom Pflügen bis zur Ernte – machen und hierzulande euphemistisch gern Erntehelfer genannt werden, überhaupt einen Lohn bekommen, geht Rukwieds Achim gegen den Strich. Im Interview mit der Rheinischen Post (Montagausgabe) schlug er vor, »Saisonarbeitskräften« künftig nur noch 80 Prozent des Mindestlohns zu zahlen. Denn die haben ihren Lebensmittelpunkt ja ohnehin nicht in Deutschland. So ist das mit den Besitzenden. Die reden gern darüber, was sie noch nicht haben, selten über das, was sie schon haben. Was da zusammenkäme, weiß die IG BAU: Für kurzfristige Beschäftigte müssen Agrarkapitalisten keine Sozialversicherung zahlen. Die Gruppenkrankenversicherung, in der Saisonarbeitskräfte oft versichert sind, bietet zwar deutlich weniger Leistungen, ist aber billiger. Die Pauschalbesteuerung des Arbeitslohns bedeutet weniger Bürokratie. Und nicht zuletzt: Unterbringung und Verpflegung der Wanderarbeiter sind weniger ein Kostenfaktor als eine zusätzliche Einnahmequelle für die Großgrundbesitzer…“ Porträt von Susanne Knütter in der jungen Welt vom 24.06.2025 externer Link
    • Schäbigkeitsgrenze nicht unterschreiten
      „„Den Mindestlohn von 15 € gerade denen streitig zu machen, die auf Äckern und Höfen bei Hitze und Kälte und sieben Tage in der Woche die Drecksarbeit machen, ist schäbig und dient allenfalls der Agrarindustrie und den Lebensmitteldiscountern“, sagt Peter Kossen, Priester, Menschrechtsaktivist und Vorsitzender des Vereins „Aktion Würde und Gerechtigkeit“, der Arbeitsmigranten kostenlose Rechtsberatung und Sprachkurse anbietet. Noch bevor die Mindestlohnkommission ihren Vorschlag veröffentlicht hat, fordert der Bauernverband eine offizielle Unterschreitung des Mindestlohns für Saisonarbeiter. „Die Aushöhlung sozialer Standards ist allein dem Profitinteresse der industriellen Landwirtschaft und des Handels geschuldet, sicher nicht der Existenzsicherung bäuerlicher Landwirtschaftsbetriebe“, sagt Kossen, und weist auf die körperliche Belastung gerade auch in der landwirtschaftlichen Arbeit hin. „Aus der Beratungsarbeit wissen wir, wie den Arbeitern ohnehin für Unterkunft, Verpflegung und Transport große Teile des Mindestlohns wieder aus der Tasche gezogen werden.“ Kossen weist daraufhin, dass es ein in der EU gültiger Standard und eine Frage von Gerechtigkeit ist, dass Menschen, die diese Arbeiten tun, mit ihrem Verdienst oberhalb der Armutsgrenze liegen. „Gerade die untersten Einkommensgruppen trifft die Teuerung der vergangenen Jahre am härtesten. Deshalb muss der neue Mindestlohn mindestens 15 € betragen. Auch in der Landwirtschaft darf diese Schäbigkeitsgrenze nicht unterschritten werden.““ Pressemitteilung der „Aktion Würde und Gerechtigkeit e. V.“ vom 24.6.2025 zum Mindestlohn für die Landwirtschaft (per e-mail)
    • Siehe zum aktuellen Hintergrund das Dossier: Die Mindestlohnanhebung 2025 muss stärker ausfallen – 15 Euro in Sicht?

Siehe auch:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=82455
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