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Das christliche Klinikum Lippstadt verbietet nach Fusion Abtreibungen: Dagegen protestieren 60 ÄrztInnen und der Chefarzt der Gynäkologie klagt

Weg mit dem Paragraph 218In Lippstadt kämpfen Ärztinnen und Ärzte dafür, dass es weiterhin Schwangerschaftsabbrüche bei medizinischen Indikationen gibt. Die sind dort nicht mehr möglich, seit sich das evangelische und das katholische Krankenhaus zum christlichen Klinikum zusammengeschlossen haben. In der größten Stadt im Kreis Soest haben 60 Ärztinnen und Ärzte einen offenen Brief geschrieben. Darin forden sie, dass es weiterhin Schwangerschaftsabbrüche bei medizinischen Indikationen geben soll. Hintergrund: Nach der Fusion der beiden Lippstädter Krankenhäuser zum christlichen Klinikum gibt es seit dem 1. Februar keine Abtreibungen mehr, wenn schwere Missbildungen bei den Kindern zu erwarten sind. Das hatte die katholische Seite durchgesetzt…“ Meldung vom 03.03.2025 im WDR externer Link („60 Ärzte kämpfen für Schwangerschaftsabbrüche in Lippstadt“), siehe auch Infos zur Klage des Chefarztes und einen Spendenaufruf:

  • Abtreibungsverbot: Der Chefarzt, der seinen Arbeitgeber verklagt – wenn nötig bis vor Bundesarbeitsgericht New
    Joachim Volz wehrt sich gegen das katholische Arbeitsrecht, um medizinisch notwendige Abtreibungen durchführen zu können
    Was für ein beklemmendes Gefühl das sein muss. Zu wissen: Ich könnte helfen. Und zu wissen: Ich kann es nicht. Es ist Anfang März, als eine schwangere Frau Joachim Volz, den Chefarzt der Gynäkologie des Klinikums Lippstadt, kontaktiert. Zuvor hatte sie erfahren, dass ihrem Fötus ein großer Teil des Gehirns fehlt – Überlebenschancen gleich null. Ein klassischer Fall für eine Abtreibung aus medizinischen Gründen, Routine für Volz. Eigentlich. Wären nicht kurz zuvor das evangelische und katholische Krankenhaus der Stadt zusammengelegt worden. Seitdem gilt im Klinikum Lippstadt das »Arbeitsrecht der katholischen Kirche«. Und das heißt: Abbrüche nur noch bei akuter Lebensgefahr. Für den Frauenarzt unvereinbar mit seinem Gewissen: Über ihren Körper sollen Frauen entscheiden dürfen – und nicht die Kirche. Volz zieht gegen seinen Arbeitgeber vor Gericht. Sollte das Arbeitsgericht im Juli gegen ihn entscheiden, möchte er vor die nächste Instanz ziehen, wenn nötig bis vor Bundesarbeitsgericht. Es ist ein wichtiger Kampf, den der 67-Jährige zum Ende seines ereignisreichen Arbeitslebens aufnimmt. Volz verbrachte Zeit in einer Klinik in Namibia, im militärischen Sperrgebiet zu Angola; half beim Aufbau zweier Krankenhäuser in Kaschmir; bildete libyische und pakistanische Ärzt*innen aus. 2012 gründete er mit seiner Frau ein Kinderwunschzentrum in Bielefeld…“ Artikel von Anton Benz vom 11. Juni 2025 in Neues Deutschland online externer Link („Abtreibungsverbot: Der Chefarzt, der seinen Arbeitgeber verklagt“)
  • Keine Schwangerschaftsabbrüche in Lippstädter Klinikum trotz Klage
    Das christliche Klinikum Lippstadt darf dem Chefarzt der Gynäkologie offenbar verbieten, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Das ist am Dienstag auch ohne Urteil vor dem Arbeitsgericht Hamm klar geworden. Der Chefarzt der Gynäkologie des christlichen Klinikums Lippstadt klagt gegen das Verbot, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen – außer wenn die Mutter in akuter Lebensgefahr ist. Kirchliche Kliniken dürfen Abtreibungen verbieten: Die Kirche darf solche Anweisungen geben. So sieht der zuständige Arbeitsrichter zumindest die Gesetzeslage. Es geht sogar noch darüber hinaus. Der Arbeitgeber darf dem Chefarzt auch verbieten, in einer Nebentätigkeit in seiner eigenen Praxis in Bielefeld Abbrüche vorzunehmen. Das liege daran, dass der Mann als Chefarzt in besonderer Weise die Klinik repräsentiere. Ein Urteil wird frühestens im Juli gesprochen werden. (…) Außerdem hatte sich die Belegschaft in einem Protestbrief gegen die neue Regelung gewandt. Man wolle Paare in höchster Not nicht allein lassen. Das sei unchristlich…“ Beitrag von Franz Altrogge vom 22.04.2025 im WDR externer Link und dazu:

    • Zum Verbot des Christlichen Klinikums Lippstadt. Pressestatement von Pro Choice e.V. zum Gütetermin am Arbeitsgericht Hamm
      Kirchenrecht darf ärztliche Berufsfreiheit und Frauengesundheit nicht gefährden
      Mit Unverständnis und Empörung bewerten wir das Verbot des Christlichen Klinikums Lippstadt gegen seinen Chefarzt, Prof. Dr. med. Joachim Volz, Schwangerschaftsabbrüche im sowie  auch außerhalb des Klinikums durchzuführen. Dass das Arbeitsgericht Hamm dies bei einem  Gütetermin vergangene Woche auch noch bestätigt hat, ist sehr befremdend.
      Wir sehen es zudem als unzulässigen und verfassungswidrigen Eingriff in die ärztliche Berufsfreiheit an, dass Prof. Dr. Volz auch in seiner Privatpraxis in Bielefeld keine Abbrüche durchführen darf. Es widerspricht der ärztlichen Berufsordnung § 14 Absatz 1: „Ärztinnen und  Ärzte können nicht gezwungen werden, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen oder  ihn zu unterlassen“…“ Pressestatement von Pro Choice e.V. vom 28.4.2025 externer Link
    • [Spendenaufruf] Kirchenrecht darf ärztliche Berufsfreiheit und Frauengesundheit nicht gefährden
      Vom Christlichen Klinikum Lippstadt wurde dem Chefarzt der Gynäkologie, Geburtshilfe und Leiter des Perinatalzentrums untersagt, Schwangerschaftsabbrüche im Klinikum und in seiner Kassenarztpraxis (Kinderwunschpraxis FROG in Bielefeld) durchzuführen, außer in für die Schwangere lebensbedrohlichen Fällen. Das Verbot greift seit 1. Februar 2025, dem Tag der Fusion des evangelischen und des katholischen Krankenhauses in Lippstadt. Am evangelischen Haus war diese Gesundheitsversorgung von Schwangeren bis dahin möglich gewesen.
      Prof. Volz setzt sich gegen das Verbot vor dem Arbeitsgericht Lippstadt zur Wehr. Es ist möglich, dass das juristische Verfahren über mehrere Instanzen bis zum Bundesarbeitsgericht, Bundesverfassungsgericht und Gerichtshof der Europäischen Union gehen könnte. Bei dem Rechtsstreit geht es um grundsätzliche arbeitsrechtliche Fragen, nämlich insbesondere der, ob in einem säkularen Rechtsstaat „Kirchenrecht“ über dem staatlichen Recht, etwa wie hier, dem Grundrecht auf Berufsfreiheit, stehen darf. Darüber hinaus stellen sich allgemeine rechtspolitische Fragen. Der Fall zeigt – unabhängig von der rechtlichen Würdigung – dass offenbar gesetzlicher Nachjustierungsbedarf besteht. Denn die „Monopolisierung“ der medizinischen Versorgungsleistungen (eine staatliche Pflicht!) durch konfessionelle Träger führt, wie der Fall zeigt, zu weiteren Engpässen in der Versorgung der Bevölkerung.
      Anwaltlich wird Prof. Volz von Rechtsanwalt Dr. Till Müller-Heidelberg, Beirat des Instituts für Weltanschauungsrecht (ifw), vertreten.
      Gerichtsverfahren und Anwälte, auch die Organisation von Solidarität, kosten Geld. Pro Choice Deutschland e.V. unterstützt Prof. Volz auf seinem Weg, der nicht zuletzt auch klären soll, „ob eine solche frauenverachtende, menschenverachtende und verknöcherte Ideologie noch Bestand haben kann“ (Zitat Prof. Volz im Hellwegradio2)…“ Spendenaufruf von Pro Choice Deutschland e.V. externer Link für Prof. Dr. med. Joachim Volz, Lippstadt

Siehe auch unser Dossier: [Weltweiter Überblick] Kampf um Abtreibungsrecht: Wie Ultrakonservative die Menschenrechte auslegen

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=228587
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