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Pflegefall Pflege? Deutlich höhere Fehlzeiten als der Durchschnitt aller Beschäftigten und weitere Benachteiligungen

Dossier

Plakat der freiburger Protestaktion Pflege am Boden 2015„… „Wenn man sich heute die Situation in der Pflege anschaut, dann erinnert sie mich an das Familienbild der 50iger Jahre. Bei aller Vernachlässigung von Details zeigt sich darin ein Spiegel unserer Gesundheitsversorgung. (…) Oft sind die Arbeitsbedingungen schwierig, immer häufiger fallen Überstunden an und Dienstpläne ändern sich kurzfristig, und dies alles bei niedrigem Gehalt. Hinzu kommt, dass die Kranken- und Altenpflege durch körperlich und psychisch belastende Arbeit geprägt ist…“ Pressemitteilung des BKK-Dachverbands vom 7. Dezember 2022 externer Link zum BKK Gesundheitsreport 2022, siehe mehr zu aktuellen Zahlen und den Gesundheitsreport sowie Proteste:

  • Ambulant Pflegende in Deutschland: erschöpft, aber präsent New
    „Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern“ ist ein erklärtes Nachhaltigkeitsziel der Vereinten Nationen. Auch Arbeit wirkt sich auf die Gesundheit von Menschen aus. Gleichzeitig ist Gesundheit eine Voraussetzung für die Bewältigung von Arbeitsaufgaben. Die Ergebnisse einer Befragung von knapp 1.000 ambulant Pflegenden zeigen, dass hier betriebliche Maßnahmen nötig sind, um deren Gesundheit zu schützen und deren Wohlergehen zu fördern. Pflegende im ambulanten Bereich sind bei ihrer täglichen Arbeit hohen körperlichen und psychischen Anforderungen ausgesetzt, die sich langfristig negativ auf die Gesundheit auswirken können. Um dem entgegenzuwirken, müssen zunächst Anforderungen an ambulant Pflegende (…) sowie gestaltungsrelevante Faktoren (u. a. Trägerschaft, Größe und Spezialisierung des Pflegedienstes;…) identifiziert werden. Zudem ist es erforderlich, die Gesundheitssituation der Beschäftigten zu untersuchen, die im Fokus dieses Beitrages (…) steht. (…) Wie die dargestellten Ergebnisse zeigen, sind ambulant Pflegende gesundheitlich stärker beeinträchtigt als Beschäftigte anderer Berufe bzw. die Allgemeinbevölkerung. (…) Um dem UN-Nachhaltigkeitsziel eines gesunden Lebens auch für diese gesellschaftlich hochrelevante Berufsgruppe näher zu kommen, ist es nötig, deren Arbeitsbedingungen substanziell zu verbessern. (…) Ziel sollte sein, die Leistungserbringung an den Bedarfslagen der zu Versorgenden – statt monetären Gesichtspunkten – zu orientieren…“ Aus der Fakten-Darstellung vom Juli 2023 von Julia Petersen und Marlen externer Link bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA)
  • Pflege in Not: Pflegedienste in Mecklenburg-Vorpommern protestieren erneut unter dem Motto »Pflege macht arm« in mehreren Städten, am 1. September wieder 
    Am Freitag protestieren sie erneut landesweit für bessere Arbeitsbedingungen sowie mehr finanzielle Absicherung der Betreuung für ältere Menschen. Angaben des Netzwerks »Pflege in Not« zufolge gingen in Rostock, Neubrandenburg, Bad Doberan, Güstrow, Greifswald, ­Stralsund, ­Parchim, Schwerin und Wismar insgesamt gut 650 Menschen unter dem Motto »Pflege macht arm« auf die Straße. In Schwerin blockierten die Demonstrierenden kurzzeitig eine Straße – unter ihnen befanden sich die 90 Jahre alte Hildegard Grulke und Pflegekraft Alexandra Minkoley (Foto). Es war bereits der dritte landesweite Protest in kurzer Zeit. Ein Anliegen, das die Demonstrierenden einem Sprecher zufolge umtreibt, ist die lange Zeit, die vergeht, bis Rechnungen durch die Sozialhilfeträger beglichen werden. (…) Die nächste Aktion ist mit einer Sternfahrt aus acht Orten mit Ziel Schwerin für den 1. September angekündigt. Und auch damit soll es nicht enden. Ziel sei es, weiterzumachen, bis auf Bundesebene die versprochene Pflegereform umgesetzt werde, hieß es.“ Meldung in der jungen Welt vom 05.08.2023 externer Link („Die Beschäftigten der Pflegedienste in Mecklenburg-Vorpommern lassen nicht locker“), siehe das Netzwerk „Pflege in Not“ MV externer Link
  • Beschäftigte erkranken immer häufiger – besonders die Menschen, die im Care-Bereich arbeiten 
    Die neuen Gesundheitsreporte der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) haben es in sich. Die Fehlzeiten der Beschäftigten in Deutschland haben ein Rekordniveau erreicht, es wurde das höchste Ergebnis seit dem Start der Analysen im Jahr 1997 gemessen. Im Jahr 2022 lag der Krankenstand mit 5,5 Prozent um 1,5 Punkte über dem Vorjahresniveau. Das ist der höchste Wert, den die DAK-Gesundheit für ihre 2,4 Millionen erwerbstätigen Mitglieder ermittelt hat, im Durchschnitt fehlten die Beschäftigten fast zwanzig Tage mit einer Krankschreibung an ihrem Arbeitsplatz. Das ist ein Anstieg von 38 Prozent gegenüber dem Jahr 2021. Im Folgenden werden drei verschiedene Gesundheitsreporte der DAK zusammen dargestellt und die konkrete Arbeits- und Lebenssituation von Beschäftigten im Care – Bereich durchleuchtet. (…) Im Branchenvergleich zeigt die Analyse den höchsten Krankenstand im Gesundheitswesen mit 6,4 Prozent und einem Plus gegenüber dem Vorjahr von 1,7 Prozentpunkten. Die Beschäftigten in Krankenhäusern und Pflegeheimen hatten mit durchschnittlich 23,5 Fehltagen pro Kopf im Jahr die meisten Krankmeldungen. Den niedrigsten Krankenstand hatten Beschäftigte in der Datenverarbeitungsbranche mit 3,5 Prozent und durchschnittlich nur 12,8 Fehltagen pro Kopf und Jahr. (…) Überall in Deutschland fehlt Personal. Ständiger Personalmangel ist heute für fast die Hälfte der Beschäftigten eine Realität mit gravierenden Gesundheitsrisiken. Ein Viertel leidet unter Schmerzen, ein Drittel hat Schlafstörungen und mehr als die Hälfte ist komplett erschöpft. Der Krankenstand in Mangelberufen ist bereits heute mit bis zu 7,0 Prozent überdurchschnittlich hoch. 45 Prozent der Beschäftigten erleben regelmäßig in ihrem Arbeitsalltag Personalnot. Besonders betroffen sind Kranken- und Altenpflegekräfte sowie diejenigen, die in der Kinderbetreuung arbeiten. Die große Mehrheit von ihnen geht selbst krank zur Arbeit und betreibt Schindluder mit ihrer Gesundheit.
    Die Betroffenen berichten von Erschöpfung, Schlafstörungen, Schmerzen, starkem Termin- und Leistungsdruck, Überstunden und versäumten Pausen. Beschäftigte, die Personalmangel erleben, können in der Freizeit oft nicht abschalten, verzichten auf Sport und finden wenig Zeit für Hobbys, Familie und Freunde. Stress und Druck einerseits sowie fehlende Erholung und Ausgleich andererseits beeinflussen noch einmal die Gesundheit negativ. (…) Von den Beschäftigten, die regelmäßig Personalmangel erleben, sagen nur 31 Prozent, dass ihr Betrieb sich für das Wohlergeben seiner Mitarbeiter engagiert. Nur ein Fünftel gibt an, dass in der täglichen Arbeit Gesundheitsaspekte überhaupt berücksichtigt werden. Bei dem Versuch, die betrieblichen Aufgaben unter den Zwängen des Personalmangels zu meistern, wird aktuell in vielen Unternehmen die gesundheitliche Dimension völlig ausgeblendet.“ Beitrag vom 17. Mai 2023 in gewerkschaftsforum.de externer Link
  • Zum Internationalen Tag der Pflegenden: Krankenstand bei Pflegekräften auf Rekordhoch 
    „Beschäftigte in der Pflege waren im vergangenen Jahr häufiger krankgeschrieben als je zuvor. Um fast 40 Prozent ist der Krankenstand in der Pflege von 2012 bis 2022 gestiegen. Mit durchschnittlich 28,8 Fehltagen im Jahr 2022 lagen die Pflegekräfte zudem rund 57 Prozent (10,5 Tage) über dem Durchschnitt aller bei der Techniker Krankenkasse (TK) versicherten Beschäftigten. Das zeigt eine aktuelle Auswertung der TK anlässlich des Internationalen Tags der Pflegenden am 12. Mai. „Schon seit Jahren beobachten wir durchgehend hohe Fehlzeiten bei den professionell Pflegenden. Der aktuelle Rekordwert verdeutlicht einmal mehr, wie stark diese Berufsgruppe belastet ist – durch den fordernden Arbeitsalltag, den Personalmangel aber auch die Auswirkungen der Corona-Pandemie“, sagt Thomas Ballast, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der TK. Nur wer selbst gesund ist, kann jedoch auch andere pflegen. Die TK unterstützt Pflegeeinrichtungen dabei, gesundheitsfördernde Maßnahmen und Strukturen zu schaffen – für die Mitarbeitenden ebenso wie für die Pflegebedürftigen. Jedoch müssen auch die Arbeitsbedingungen so gestaltet werden, dass sie die Pflegekräfte bestmöglich unterstützen, betont Ballast: „Nur mit den notwendigen Reformen im Krankenhaus- und Pflegebereich kann eine echte Entlastung bewirkt werden.“ (…) Am häufigsten krankgeschrieben waren Pflegekräfte 2022 aufgrund von psychischen Erkrankungen und Atemwegserkrankungen (jeweils rund 5,8 Tage), gefolgt von Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems (rund 4,9 Tage). Insbesondere bei den Fehltagen aufgrund von Atemwegserkrankungen zeigt sich ein extremer Anstieg im Vergleich zum Vorjahr, in welchem Pflegekräfte durchschnittlich 2,3 Tage mit dieser Diagnose ausfielen. Auch bei anderen Berufsgruppen haben die Fehltage aufgrund von Atemwegserkrankungen von 2021 auf 2022 zugenommen. Wie bereits in den Vorjahren ist auch 2022 ein Unterschied zwischen Beschäftigten der Altenpflege und der Krankenpflege festzustellen. Altenpflegekräfte waren im Schnitt viereinhalb Tage mehr krank (32,1 Tage) als Krankenpflegekräfte (27,5 Tage)…“ TK-Pressemitteilung vom 11. Mai 2023 externer Link

  • Kranke Pflege. Anstieg um mehr als 44 Prozent in elf Jahren beim Krankenstand in den Pflegeberufen 
    Der AOK-Bundesverband hat sich zu Wort gemeldet mit mehr als bedenklichen Zahlen vor dem Hintergrund des sowieso schon enormen Personalmangels in der Pflege und den kontinuierlich steigenden Anforderungen wie auch einer zunehmenden Nachfrage nach Pflegeleistungen, vor allem in der Langzeitpflege. »Nie zuvor waren Beschäftigte in der Pflege so oft krankgeschrieben wie im vergangenen Jahr: Drei von vier Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die professionell pflegen, haben sich 2022 mindestens einmal arbeitsunfähig gemeldet. Insgesamt fielen sie an 8,8 Prozent aller Arbeitstage aus, so oft wie nie zuvor. 2021 hatte dieser Anteil noch bei 7,2 Prozent und vor elf Jahren sogar bei 6,1 Prozent gelegen. Damit ist der Krankenstand in der Pflege in den vergangenen elf Jahren um 44,2 Prozent gestiegen.« Das geht aus einer aktuellen Analyse der Arbeitsunfähigkeitsdaten des AOK-Bundesverbandes hervor. (…) »Der Krankenstand-Vergleich mit anderen Berufsgruppen zeigt: Die knapp 700.000 AOK-versicherten Beschäftigten in der Pflege lagen im vergangenen Jahr durchschnittlich bei 32 Arbeitsunfähigkeitstagen (AU-Tage) je AOK-Mitglied und damit acht Fehltage (30,6 Prozent) über dem Durchschnitt aller bei der AOK versicherten Berufstätigen.« (…) Es ist ein besonders problematischer Teufelskreis, der hier erkennbar wird. Bei einer bereits vorhandenen erheblichen Personalmangellage in vielen Einrichtungen und Diensten reißen die überdurchschnittlich hohen Krankenstände der Beschäftigten weitere Löchern in die fragilen Dienstpläne, denn es handelt sich um Tätigkeiten, die beispielsweise in den Pflegeheimen an 7 Tagen in der Woche 24 Stunden lang erbracht werden müssen, wo man die Arbeit nicht liegen lassen kann. Was dann natürlich bei denen, die noch an Bord sind, zu einer strukturellen Überlastung führt und diese verstärkt, weil man in der Not, die auf Dauer gestellt wird, immer auf den Rest zurückgreifen muss, was bei vielen von denen die eigene Ausfallwahrscheinlichkeit nach oben treibt.
    Mit dem Thema „Gesundheitsrisiko Personalmangel“ hat sich auch der DAK Gesundheitsreport 2023 detailliert auseinandergesetzt: Andreas Storm (Hrsg.) (2023): Gesundheitsreport 2023. Analyse der Arbeitsunfähigkeiten. Gesundheitsrisiko Personalmangel: Arbeitswelt unter Druck externer Link . Beiträge zur Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung Band 44, Hamburg: DAK-Gesundheit, April 2023 (…) Die Beschäftigten in der Krankenpflege, in der Altenpflege und in der Kinderbetreuung haben ihre Arbeitszeit aufgrund der hohen Arbeitsbelastung zu einem deutlich höheren Anteil bereits reduziert oder erwägen diesen Schritt, was den Druck in diesen Beschäftigtengruppen weiter erhöht. Das aber wird den angesprochenen Teufelskreislauf weiter antreiben.“ Beitrag vom 26. April 2023 von und bei Stefan Sell externer Link
  • … Beschäftigte in der Altenpflege (33,2 AU Tage je Beschäftigte) und Krankenpflege (25,7 AU-Tage je Beschäftigte) weisen deutlich höhere Fehlzeiten auf als der Durchschnitt aller Beschäftigten (18,2 AU-Tage je Beschäftigten). Diese Differenz ist in den letzten beiden Corona-Pandemiejahren sogar noch größer geworden (Fehlzeiten in 2019: 22,7 AU-Tage je Beschäftigten bei den Gesundheits- und Krankenpflegekräften, 29,0 AU-Tage je Beschäftigten bei den Altenpflegekräften, bzw. 18,4 AU-Tage je Beschäftigten bei allen Beschäftigtengruppen). Vor allem weisen Pflegekräfte überdurchschnittlich viele Fehltage aufgrund von Muskel-Skelett-Erkrankungen (Altenpflege 9,5 AU Tage; Krankenpfleger 6,5 AU-Tage je Beschäftigte) und psychischen Störungen (Altenpflege 7,3 AU-Tage; Krankenpfleger 5,5 AU-Tage) auf. „Der große Block ist die körperlich schwere Arbeit, die zu Problemen wie Rückenbeschwerden führen kann. Dann haben wir unregelmäßige Arbeitszeiten, Nacht- und Schichtarbeit. Das kann eben von den Störungen des biologischen Rhythmus über Konzentrations- und Schlafstörungen bis hin zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen. Kritisch für die Beschäftigungssituation und auch den Pflegekräftemangel ist, dass viele Pflegekräfte sagen – das sind ungefähr zwei Drittel –, so, wie sie jetzt arbeiten müssen, können sie nicht bis zum normalen Renteneintrittsalter arbeiten. Das heißt, wir haben hier ein Potenzial für Frühberentung. Und das ist kritisch in der Zeit, wo man eh Personalmangel hat“, erklärt Prof. Dr. Holger Pfaff, Direktor des Instituts für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft der Universität zu Köln…“ Pressemitteilung des BKK-Dachverbands vom 7. Dezember 2022 externer Link zum 497-seitigen BKK Gesundheitsreport 2022 externer Link

Siehe auch:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=206783
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