Der Traum vom Fliegen? Urlaubschaos, Klimakrise, Pandemie – höher, schneller, weiter durch Betrug und auf Kosten von Menschen wie Natur

FlightDecreaseCovid19 (IATA)Sommerferien in Deutschland: Passagiere stranden zuhauf an Flughäfen, Flüge kommen zu spät, werden kurzfristig gecancelt oder verschoben. Gepäck kommt nicht da an, wo es hinsoll, jeder Plan ist zunichte gemacht. An den Flughäfen mangelt es an Arbeitskräften. In der Abfertigung, bei den Sicherheitsdiensten, in der Reinigung – Tausende wurden vor und während der Pandemie entlassen, circa 60% der Kolleg:innen sind raus und haben sich anderweitig orientiert. Diese Entwicklung ist nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch Teil einer politischen Entscheidung. Und Deutschland bildet keine Ausnahme: In sämtlichen Ländern weltweit scheint der Flugbetrieb über politische und wirtschaftliche Entscheidungen zusammenzubrechen. Außerdem ist er Teil der Klimakillerindustrie und eine globale Keimschleuder, wie nicht zuletzt die Coronapandemie verdeutlichte. Was sind die nationalen und internationalen Zusammenhänge und Hintergründe des aktuellen Flugchaos und wie lässt sich ein klimagerechter, planbarer Transport erkämpfen? Ein umfangreicher Überblick von Anne Engelhardt vom 1. Juli 2022 über den mehrfachen Skandal am Himmel wie am Boden:

Der Traum vom Fliegen? Urlaubschaos, Klimakrise, Pandemie – höher, schneller, weiter
durch Betrug und auf Kosten von Menschen wie Natur

Sommerferien in Deutschland: Passagiere stranden zuhauf an Flughäfen, Flüge kommen zu spät, werden kurzfristig gecancelt oder verschoben. Gepäck kommt nicht da an, wo es hinsoll, jeder Plan ist zunichte gemacht. An den Flughäfen mangelt es an Arbeitskräften. In der Abfertigung, bei den Sicherheitsdiensten, in der Reinigung – Tausende wurden vor und während der Pandemie entlassen, circa 60% der Kolleg:innen sind raus und haben sich anderweitig orientiert. Diese Entwicklung ist nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch Teil einer politischen Entscheidung. Und Deutschland bildet keine Ausnahme: In sämtlichen Ländern weltweit scheint der Flugbetrieb über politische und wirtschaftliche Entscheidungen zusammenzubrechen. Außerdem ist er Teil der Klimakillerindustrie und eine globale Keimschleuder, wie nicht zuletzt die Coronapandemie verdeutlichte. Was sind die nationalen und internationalen Zusammenhänge und Hintergründe des aktuellen Flugchaos und wie lässt sich ein klimagerechter, planbarer Transport erkämpfen? Ein Überblick von Anne Engelhardt vom 1. Juli 2022 über den mehrfachen Skandal am Himmel wie am Boden

Systemfehler Fliegen

Laut Petra Wetzels Artikel „Heute kein Bording“ (erschienen am 16. Juni 2022 in der ver.di Publik externer Link) warnen Betriebsräte an den deutschen Flughäfen vor einem Systemzusammenbruch, sollten die 5.500 fehlenden Positionen, nicht binnen kürzester Zeit besetzt werden. Allein die Sicherheitsüberprüfung des neuen Personals kann 12 Wochen in Anspruch nehmen – bis dahin ist die Saison schon wieder vorbei. Bei so viel Panik vor „Systemzusammenbruch“ können die Krankenpfleger:innen in NRW wahrscheinlich nur müde lächeln. Sie streiken schon in der neunten Woche und kämpfen tagtäglich um nicht weniger als Menschenleben. Aber wenn es um den Urlaub und die heilige Tourismusindustrie geht, da hört der Spaß bzw. der Arbeitskräftemangel auf. Jetzt sollen kurzfristig Kolleg:innen aus der Türkei für die „Saisonarbeit“ nach Deutschland gebracht werden. Immerhin fordert Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) nun einen einheitlichen Tarifvertrag für das Bodenpersonal, lehnt Leiharbeit ab und will die Flughafenbetreiber in die Pflicht nehmen („Statement zum Flugchaos“ vom Redaktionsnetzwerk Deutschland am 29. Juni 2022 externer Link).

Doch der Systemzusammenbruch droht nicht nur an deutschen Flughäfen. Wer sich den Spaß machen möchte, kann beispielsweise auf FlightAware.com die „Misery Mapexterner Link einschalten und das Drama von Verspätungen und gecancelten Flügen an US-Flughäfen verfolgen. In Dänemark hat die Airline SAS über den Sommer 4.000 Flüge gestrichen. (dän. Artikel von Peter Keiding am 13. Juni 2022 im Fagbladet externer Link). An den zwei großen europäischen Drehscheiben London Heathrow und Paris Charles de Gaulle sieht es nicht weniger chaotisch aus, wie Bloomberg am 30. Juni 2022 externer Link (engl.) meldete.

Der Traum vom Ausbeuten

In dem 1970er Jahren wurde das Monopol von staatlichen Flughafengesellschaften weltweit aufgebrochen, Billigfluglinien wie Eurowings, Ryanair und Easyjet konkurrieren nun gegen die ehemals staatlichen Fluglinien wie Lufthansa, British Airways, TAP usw – oder bis vor kurzen Alitalia.

All diese sogenannten „low cost airlines” stehen momentan in der Kritik und deren Maschinen größtenteils am Boden. Für die Lufthansa-Tochter Eurowings forderte ver.di unlängst einen „Krisengipfel“, um im Interesse von überarbeiteten Kolleg:innen und gefrusteten Passagier:innen eine Lösung zu finden (ver.di-Pressemitteilung vom 28. Juni 2022 externer Link). Wie diese Lösung aussehen soll, wird bisher nicht erläutert. Der Druck unter den Kolleg:innen ist jedoch offensichtlich hoch, wenn ver.di problemlos für die 20.000 Lufthansa-Beschäftigten eine Lohnerhöhung von 9,5% und mindestens 350 Euro bei einer einjährigen Laufzeit aufstellen kann (ver.di-Pressemitteilung vom 22. Juni 2022 externer Link). Jedoch geht dieser Trend dem entgegen, was in den letzten Jahrzehnten in der Luftbranche an Lohnraub und Ausbeutung orchestriert wurde – und zwar weltweit.

Ähnlich wie bei der Flexibilisierung der Arbeitskräfte im Seeverkehr haben Billigfluggesellschaften versucht, den ‚Himmel zu öffnen‘, um die Arbeitskosten zu senken, indem sie auf Arbeitskräfte aus Niedriglohnregionen zurückgreifen. Daraufhin haben nicht zuletzt große Flugunternehmen wie Lufthansa eigene Billiglinien ausgegründet, wie Germanwings und Eurowings.

Das Geschäftsmodell der Billigfluglinien, das ursprünglich von der US-Gesellschaft Southwest Airlines nach der Flexibilisierung des Luftverkehrs im Jahr 1970 ins Leben gerufen wurde, beruht auf der Idee eines ‚Busses mit Flügeln‘: Nur eine Klasse, Self-Check-in, geringer Service, d.h. keine kostenlosen Mahlzeiten oder Getränke, Nutzung sekundärer Flughäfen mit geringerer infrastruktureller Anbindung für die Passagiere, dafür mit geringen Gebühren für die Unternehmen und schnelleren Abfertigungszeiten aufgrund geringerer Flughafenüberlastung. Was jedoch das Kabinenpersonal und die Flughafenmitarbeiter:innen betrifft, so beschäftigen Unternehmen wie Ryanair in jedem Bereich der Branche externe Unternehmen. Check-in, Bodenabfertigung, Betankung, Wartung usw. werden an unabhängige Dritte vergeben, was für die Unternehmen ein besonders effektiver Weg ist, um Kosten zu senken, Verantwortung abzugeben, die Flexibilität zu erhöhen und – nicht zuletzt – die Belegschaft zu entmachten [1].

Ryanair beschäftigt für seine Kabinenbesatzungen sehr junge Arbeiter:innen aus der europäischen Peripherie. Dieses Vorgehen wurde nach der europäischen Krise 2009 noch vereinfacht; die Regierungen in Staaten wie Portugal entschieden sich für starke Einschnitte in den Sozialstaat und die Arbeitsregulierung. Daher kommen die meisten Ryanair-Beschäftigten entweder aus Irland, Spanien, Griechenland oder Portugal – den sogenannten PIGS-Staaten, die laut der damaligen deutschen bürgerlichen Medienkampagne als faul und verschwenderisch degradiert wurden, um hierzulande die massiven Eingriffe aus der deutschen Politik in die dortigen Arbeitsmärkte zu rechtfertigen. Die Billigfluganbieter nutzen die europäischen Einkommensunterschiede zwischen den Staaten und die Prekarität der Arbeiter:innen in der europäischen Peripherie aus. Für die meisten jungen portugiesischen Arbeiter:innen ist ein Job bei Ryanair auf den ersten Blick vielversprechend, da sie in anderen Sektoren keine vergleichbaren stabilen Verträge oder Löhne finden. Die Arbeitsbedingungen haben jedoch viele Kolleg:innen gezwungen, das Unternehmen nach kurzer Zeit zu verlassen [2]. Die Löhne z.B. in Portugal sind niedrig, aber auch die Lagegebühren für Flugzeuge. Das will sich Easyjet natürlich auch nicht entgehen lassen:

„… Nun sollen weitere 275 Flugbegleiter*innen gehen, ihre Arbeitsplätze nach Portugal verlagert werden, genauso wie weitere sieben Maschinen. Easyjet will noch billiger fliegen. Und kündigt das ausgerechnet während der laufenden Tarifrunde mit ver.di an. ‚Es geht nur ums Profitmachen‘, sagt Holger Rößler, der die Verhandlungen mit Easyjet für ver.di führt. Ein Manager der Fluglinie habe ihm gesagt: ‚Wir müssen die Flugzeuge dort haben, wo sie das meiste Geld bringen.‘ Und tatsächlich liegen da Welten zwischen Portugal und Deutschland: In Portugal sind die Flughafengebühren niedriger und auch das Personal ist dort deutlich billiger zu haben…“ (Artikel von Petra Wetzel „Heute kein Bording“ am 16. Juni 2022 in der ver.di Publik externer Link).

Vor dem Hintergrund des Öffnens von Fluglinien und Bodenpersonal für Leiharbeits- und Zeitfirmen, was nicht auch zuletzt durch die EU vorangetrieben wurde, ist die aktuelle Krise ein absolut hausgemachtes, bzw. wirtschaftspolitisch herbeigeführtes Problem. Nicht zuletzt haben viele der Kolleg:innen, die heute den Hut nehmen, gegen solche Maßnahmen europaweit immer wieder gestreikt und protestiert (siehe dazu u.a. unsere LabourNet-Beiträge Dossier zu Protest gegen neue EU Flug-Richtlinie; Dossier zum EU weiten Protesttag gegen EU Flug-Richtlinie; Beitrag zu dramatischen Anstieg von Scheinselbstständigkeit in Flugbegleitung).

Doppelter Betrug

Die globale Luftindustrie verkauft Geschwindigkeit. Kein anderes Transportmittel verfügt über die Fähigkeit, Güter und Menschen in 800 Stundenkilometer von einem zum anderen Punkt zu transportieren. Die Globalisierung ist mit dem Ausbau von Flughäfen und Airlines in riesigen Schritten vorangetrabt. Jetzt stagniert sie – zusammen mit der Industrie, die ihren Stoffwechsel, den Austausch von Waren gegen Geld, die Akkumulation von Kapital in früher ungeahnten Geschwindigkeiten beschleunigte. Gleichzeitig ist die Luftfahrt dadurch auch zentral für Nationalstaaten, für die sie staatliche Grenzen absichern kann, Personal – auch militärisches – bewegt, und wichtige Güter wie Medizin und seltene Erden verschifft.

Vor dem Hintergrund ist es kein Wunder, dass nahezu jeder Staat seine eigene Luftfahrtgesellschaft aufgebaut hat. Diese sind jedoch oft nicht mehr im öffentlichen Besitz (s.o.), obwohl häufig durch staatliche Subventionen aus den zyklischen und speziellen Krisen (Vulkanausbruch, 11- September Anschlag, Pandemie etc.) gerettet. Trotz Krisen können Aktionäre weiterhin satte Gewinne einstreichen und gleichzeitig Stellen abbauen. More Perfect Union erklärt in einem im Juni 2022 veröffentlichten Video externer Link (engl.) sehr ausführlich, wie Unternehmen während der Pandemie in den USA sowohl durch Staatssubventionen weiterhin Gewinne einfahren und Arbeiter:innen entlassen konnten, obwohl ihnen das im Zusammenhang mit den Subventionen eigentlich verboten wurde. Sie benutzen unter anderem Systeme wie Frühberentung und Beurlaubungen. In den USA wurden daraufhin bis Herbst 2021 über 56.000 Arbeitsplätze vernichtet. Und das obwohl Airlines bis 11 Monate im Vorraus Flüge planen – wissend, dass sie für diese angebotenen Flüge gar kein Personal zur Verfügung haben, weil sie dieses ja gerade gekündigt haben. Das bedeutet, sie verkaufen Flugticket, für die sie Gewinne einstreichen, für Flüge, die es voraussichtlich gar nicht geben wird. Das nennt man schlichtweg Betrug. Laut des Videos von More Perfect Union, haben sich US Airlines im Jahr 2021 geweigert, insgesamt 10 Milliarden US Dollar an Kund:innen zurückzuzahlen. Die Airlines haben auf Staatsgeldern weitergemacht und gleichzeitig noch Kund:innen bezahlen lassen, für ein Produkt, dass es nicht gibt.

Auch in Deutschland wurde die Pandemie für Stellenabbau genutzt. Am Flughafen Düsseldorf hat das Unternehmen Peipenbrock/DSW die Krankentage von Kolleg:innen mit staatlich subventioniertem Kurzarbeitergeld bezahlt, statt die normale Lohnfortzahlung fortzuführen (LabourNet-Dossier zum Flughafen Düsseldorf und Piepenbrock/DSW). Die Logistik Firma Wisag Aviation hatte direkt nach dem ersten Lockdown angekündigt, 800 Stellen in Berlin abbauen zu wollen, angeblich würde man laut dem damaligen Geschäftsführer durch eine neue Software ohnehin 60% der Stellen einsparen können. Was aus dieser Software geworden ist, wissen wir nicht. Dass diese 60% der Stellen momentan fehlen, ist jedoch offensichtlich (Siehe dazu auch LabourNet-Dossier zum Stellenabbau bei Wisag). In der gleichen Zeit hatte der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport AG stundentischen Angestellten wortlos gekündigt und sich geweigert, ausstehende Löhne auszuzahlen, wogegen diese klagen mussten. Das geschah, trotz eines Reingewinns von Fraport im Jahr 2019 von 450 Millionen Euro (Siehe LabourNet-Dossier zu Studentische Aushilfen bei Fraport AG). Von Lufthansa ganz zu schweigen…

Die globale Keimschleuder

Eigentlich müssten Fluglinien während dem Ausbruch von Pandemien eher Schmerzensgelder an betroffene Personen und vor allem Arbeiter:innen zahlen, als umgekehrt subventioniert zu werden. Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass Flughäfen pandemische Drehkreuze sind, dass aufgrund der Geschwindigkeit des Reisens, Viren schneller von Ort zu Ort gelangen können, als bei jedem anderen Transportmittel. Schon Häfen galten immer wieder als Brutstätten von Cholera, Gelbfieber, unterschiedlichen Formen von Pest und anderen Seuchen. Bereits 1851 gab es eine erste europaweite “Sanitary Conference” um gemeinsame Strategien gegen den Ausbruch und die Verbreitung von Seuchen über Transportwege zu finden [3]. Mit der Globalisierung und der Zunahme von Lufttransport hat sich die Lage jedoch nochmal verschärft und es war lediglich eine Frage der Zeit, bis es zu einer globalen Ausbreitung von Krankheiten kommen würde. Während die Terroranschläge vom 11. September 2001 zu einem Verlust des Vertrauens in Fluglinien führte und neue Sicherheitskonzepte entwickelt wurden, um Passagiere und vor allem Frachtgut zu schützen, steht solche eine Entwicklung in Bezug auf die Pandemie bisher überhaupt nicht im Vordergrund. Die Vorschrift Masken zu tragen oder sich die Hände regelmäßig zu desinfizieren, wurde gekippt. Andere Lösungen, wie der Einbau von Luftfiltern, usw. scheinen bisher nicht dringend genug zu sein. Dabei ist Teil der Wahrheit, dass ein Teil des Personalmangels im Flugwesen darauf zurückzuführen ist, dass Kolleg:innen permanent dem Virus ausgesetzt waren und einfach schlichtweg daran gestorben sind. Zudem hat der Arbeitsstress während der Pandemie enorm zugenommen, Depressionen, Panikattacken, Schlafstörung sind vor allem unter Flugpersonal angestiegen und haben auch zu hohen Krankenausfällen geführt [4]. Wer kann schon permanent einem potentiell tödlichen Virus, vielen unbelehrbaren Passagieren und einem fehlenden Sicherheitskonzept ausgesetzt sein, ohne irgendwann kaputt zu gehen?

Quo Vadis Luftfahrt?

Nun könnten wir mit Blick auf die steigenden Temperaturen und den letzten Klimabericht des IPCC externer Link (engl.) einfach sagen, endlich ist dieser Mist vorbei. Als während der Pandemie viele Flugzeuge am Boden standen, nahm die Hitze in vielen Städten ab, der Schadstoffanteil in der Erdatmosphäre ebenfalls, in Sao Paulo konnte man durch den schwindenden Smog wieder den Sonnenuntergang sehen. Jedoch wissen wir, dass Kapitalist:innen lieber den Planeten zerstören, als auf ihre heißgeliebten (das kann ja mittlerweile wörtlich verstanden werden) Profite zu verzichten. Ein Artikel von Caroline Delbert vom 28. Juni 2022 externer Link (engl.) berichtet, dass laut einer neuen Studie die Zunahme der Raumflüge die Erdtemperatur in kurzer Zeit um 4 Grad anheizen könnte. Wie J. Mijin Cha am 21. Juni 2022 in der Berliner Gazette externer Link schrieb, wird uns also technologischer Fortschritt nicht retten:

„… Eine sinnvolle Reduzierung der Treibhausgasemissionen erfordert (…) eine systematische und institutionelle Reform, die die kapitalistische Ausbeutung in all ihren Formen beendet – die Ausbeutung natürlicher Ressourcen, die Ausbeutung von Menschen durch eine Politik der Inhaftierung, die Ausbeutung von Reichtum durch missbräuchliche Finanzpraktiken und die Ausbeutung von Arbeitskraft. Das Beenden der Nutzung fossiler Brennstoffe erfordert mehr, als Kohle, Öl und Gas einfach nur im Boden zu halten. Es erfordert ein Umdenken bei den Strukturen und Institutionen, auf denen die Gesellschaften aufgebaut sind…“

Tatsächlich gibt es bereits eine Menge Initiativen und Ansätze, deren Vernetzung immer dringender wird, um die bereits einbrechende Klimakatastrophe zu mildern. Das 9 Euro Ticket, das allein im Juni 21 Millionen mal verkauft wurde, hat gezeigt, dass viele durchaus bereit sind, auf das Fliegen und das Auto zu verzichten. Allerdings ist hierzu der Ausbau der Strecken, eine höhere Taktung der Verbindungen und mehr Züge und Personal dringend notwendig (siehe LabourNet-Dossier zu #ZüegestattFlüge und das Dossier zum Check Out – Degrowth Flugindustrie). Jedoch wurden bisher eben lieber die Betrugsgeschäfte der Fluglinien staatlich subventioniert, die Automobilbranche und gerade eben 100 Milliarden für Rüstung, anstelle des massiven Ausbaus der öffentlichen Infrastruktur. Busse, Bahnen, Schienen und Bahnhöfe sind eine super Alternative zum Fliegen. Außerdem könnten Urlaube und Wochenarbeitszeiten so angepasst werden, dass eben auch mal längere Reisen durch Europa mit dem Zug möglich sind. Hinzukommen unnötige Reisen. Nicht für jeden Vortrag, jeder wissenschaftlichen Konferenz muss man dringend einen halben Tag über die Erde jetten, die Luft verpesten, einen JetLag erleiden. Es geht auch online.

Auch die Internationale Transportarbeiter:innenföderation (ITF) beschäftigt sich mit öffentlichem Transport. Sie schreiben in einer Stellungnahme vom 30. März 2021 externer Link (engl.):

„… Ein sicherer, erschwinglicher und qualitativ hochwertiger Nahverkehr in den Städten ist nicht nur der Schlüssel zu sauberer Luft und Emissionssenkungen, sondern auch zum Schutz der Beschäftigten an vorderster Front, die im vergangenen Jahr jeden Tag ihr Leben riskiert haben, um uns zu schützen. Die Pandemie hat sich unverhältnismäßig stark auf die Gesundheit von Verkehrsbeschäftigten ausgewirkt, und viele Mitglieder der der ITF angeschlossenen Gewerkschaften in aller Welt sind daran gestorben. Allein die Amalgamated Transit Union (ATU) in den Vereinigten Staaten hat im vergangenen Jahr mehr als 140 Mitglieder verloren. Der öffentliche Verkehr ist eine Lebensader für unsere Gemeinden, und es ist an der Zeit, dass wir ihn auch so behandeln…“

Ohne einen von Bewegungen und Arbeiter:innen gemeinsam organisierten Bruch mit der kapitalistischen Produktionsweise und ihren raketenbegeisterten Profiteuren, wird es nicht zu einem Transport- und Klimawandel kommen.

Anmerkungen

1) Siehe hierzu auch den Artikel: Harvey, Geraint; Turnbull, Peter (2015): Can labor arrest the “sky pirates”? Transnational trade unionism in the European civil aviation industry. In: Labor History 56 (3), S. 308-326.

2) Siehe hierzu auch die Studie von Boewe, Jörn; Butollo, Florian; Schulten, Johannes (2021): Organizing Ryanair. Die transnationale Gewerkschaftskampagne bei Europas Billigfluglinie Nummer Eins. 63 Bände. Berlin: ANALYSEN.

3) Harris, Ali S.; Keil, Roger (2010): Securitizing Networked Flows: Infectious Diseases and Airports. In: Stephen Graham (Hg.): Disrupted cities: when infrastructure fails. New York: Routledge, S. 97-110.

4) Görlich, Yvonne; Stadelmann, Daniel (2020): Mental Health of Flying Cabin Crews: Depression, Anxiety, and Stress Before and During the COVID-19 Pandemic. In: Frontiers in psychology 11, S. 1-8.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=202309
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