[Buch] Die wunden Punkte von Google, Amazon, Deutsche Wohnen & Co.: Was tun gegen die Macht der Konzerne?

[Buch] Die wunden Punkte von Google, Amazon, Deutsche Wohnen & Co.: Was tun gegen die Macht der Konzerne?Lange sah es so aus, als ob die Konzerne übermächtig und unangreifbar wären. Diese Zeiten sind vorbei, denn viele Menschen organisieren und wehren sich, entwickeln Alternativen. Gemeinsam finden sie die wunden Punkte der Großunternehmen, die so vielfältig und zahlreich sind wie die Kämpfenden und ihre Methoden: Bei Google gründen sich Gewerkschaften, bei Amazon wird immer wieder gestreikt, ehemalige Deliveroo- Fahrer*innen bauen eine Genossenschaft auf … Für das Buch hat Nina Scholz mit zahlreichen Arbeiter*innen, Organizer*innen und Gewerkschafter*innen gesprochen; sie berichtet außerdem über den Kampf der Berliner*innen gegen die Immobilienkonzerne, an dem sie sich seit vielen Jahren selbst beteiligt.“ Umschlagtext des Buches von Nina Scholz im März 2022 im Verlag Bertz + Fischer erschienen. Siehe mehr Informationen zum Buch und als Leseprobe im LabourNet Germany das Kapitel „Kämpfen, wo andere Urlaub machen. Wider die Wildwest-Verhältnisse in der Tourismusbranche“ – wir danken!

  • Buch „Die wunden Punkte von Google, Amazon, Deutsche Wohnen & Co.: Was tun gegen die Macht der Konzerne?“ von Nina Scholz
  • Kämpfen, wo andere Urlaub machen. Wider die Wildwest-Verhältnisse in der Tourismusbranche
    Tourismus ist ein gigantischer Markt, lokal und weltumspannend, und es sah lange Zeit so aus, als sei kein Ende in Sicht – bis Corona kam und der Branche einen Dämpfer verpasste. (…) Doch die Erwerbstätigen profitieren selten von diesem Boom. Genau wie in anderen Dienstleistungsbranchen oder der Tech-Industrie wird die Goldgräberstimmung im Tourismusbereich von fehlender gewerkschaftlicher Repräsentation, von prekären Beschäftigungsmodellen und Scheinselbstständigkeit begleitet. Aber genau wie in diesen Branchen gibt es immer wieder Arbeiter*innen, die sich dagegen wehren, wie zum Beispiel die Flugbegleiter*innen der Billigairline Ryanair. (…) Auch wenn Ryanair an jeder Ecke spart, für eine Sache gibt die Firma dann doch Geld aus: »Sie beschäftigen die Crème de la Crème des Union Bustings«, sagt Neumaier, also der systematischen Bekämpfung, Unterdrückung und Sabotage von gewerkschaftlichen Tätigkeiten. Bei Ryanair etwa gebe es Strafmaßnahmen für gewerkschaftlich Aktive: »Beschäftigte mit Familien werden manchmal innerhalb weniger Tage in ein anderes europäisches Land versetzt. Das macht den anderen natürlich Angst.« Gerade im Tourismussektor zeigt sich also, dass ein Boom nicht zwangsläufig die Arbeitsbedingungen der Arbeiter*innen verbessert, zumal starke Gewerkschaften mit entsprechenden betrieblichen Verankerungen fehlen, die diese Bedingungen durchsetzen können. (…) Das sei auch möglich, weil die Belegschaften zersplittert seien, argumentieren die Autoren der Broschüre Organizing Ryanair: »Das Kabinenpersonal besteht bis heute mehrheitlich aus jungen Menschen aus verschiedenen europäischen Ländern, für die der Job bei Ryanair meist nur einen Lebensabschnitt auf dem Weg woandershin darstellt. Sie arbeiten in der Regel fern von ihren Heimatorten und die wenigsten wollen dort bleiben, wohin das Unternehmen sie versetzt. Als Arbeitsmigrant*innen ist ihnen eine eigenartige transitorische Identität eigen: Sie arbeiten in der Luft, also nicht am Wohnort, und sind aufgrund ihrer unkonventionellen Arbeits- und Lebensbedingungen kaum in die Gesellschaften, in denen sie wohnen und leben, integriert. Viele junge Kabinenbeschäftigte bleiben tendenziell unter sich, pflegen Freundschaften innerhalb der Crew und sprechen in der Regel auch nicht die Sprache, die an den Orten ihrer (vorübergehenden) Stationierung gesprochen wird.« Die Autoren argumentieren weiter, dass diese prekäre, entwurzelte Art des Arbeitens der Kabinenbeschäftigten eine progressive »transnationale Klassenidentität« hervorbringe, die eine klassische Gewerkschaftsarbeit in nationalem Rahmen aber herausfordere (…)
    Wenn es – für den Kunden oder für das Hotel – einmal nicht so reibungslos läuft mit der Buchung, wenn jemand eine Frage hat oder umbuchen möchte, landet er bei Artur Bogdanow oder eine*m seiner Kolleg*innen. Als Bogdanow bei Booking.com zu arbeiten begann, herrschte dort Start-up-Atmosphäre.
    Damals hatte das Unternehmen nicht mehr als hundert Beschäftigte in Berlin, sagt er. Im Sommer 2018 waren es bereits um die tausend. Anfangs seien die Arbeitsbedingungen gut gewesen, doch mit dem rasanten Wachstum wuchsen auch die Probleme (…) Wie hart die Kämpfe im Tourismussektor sind, davon kann die ehemalige Belegschaft des Wombat’s Hostels in Berlin-Mitte ein Lied singen. Für kurze Zeit war es Deutschlands einziges Hostel mit Betriebsrat, bevor die Unternehmenschefs zum Gegenschlag ausholten (…)
    Die Tourismusindustrie treibt die Mieten in die Höhe und ist ein Beschleuniger prekärer Arbeitsbedingungen. Außerdem ist sie für viele Umweltschäden verantwortlich. Was ist also die Lösung? Gar nicht mehr reisen? Neoliberale Diskurse wie der um die »Flugscham« legen das nahe und individualisieren das Problem. Die (fast ausschließlich weiblichen) spanischen Reinigungskräfte von Las Kellys haben einen konstruktiveren Vorschlag…“ Kapitel 4 von Nina Scholz samt Inhaltsverzeichnis des Buches und auch über Airbnb etc.
  • Kein zahnloser Tiger. Neue Betriebsräte und Union Busting in Tech-Unternehmen
    Nicht nur bei Booking.com und Gorillas werden Betriebsräte gegründet, auch andere Tech-Arbeiterinnen und -arbeiter kommen auf den Gedanken. (…) Gerade in den bisher unregulierten Branchen steigt die Nachfrage nach Betriebsräten, berichten Gewerkschaftssekretäre. Der Verdi-Sekretär Oliver Hauser erzählt, »dass das Bewusstsein für Mitbestimmung in vielen Betrieben wächst«. Ein Problem sei aber, dass viele erst die Gewerkschaft kontaktieren, wenn es schon zu spät ist, also die Kündigungen schon ausgesprochen wurden. Die Arbeitsbedingungen in den Startups sind auch bei weitem nicht so rosig, wie die Klischees von Kickertischen, flachen Hierarchien und kostenlosem Obstbuffet vermuten lassen. Zehn Prozent der Angestellten arbeiteten 2017 mehr als der bundesdeutsche Durchschnitt, Frauen verdienen elf Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen, Startupbeschäftigte sind um 65 Prozent häufiger von Diskriminierung betroffen als der europäische Durchschnitt, und sie verdienen sieben Prozent weniger als der bundesdeutsche Durchschnitt. Tarifverträge sind Mangelware. Um Tech-Arbeiterinnen und -arbeiter zu unterstützen, hat der in Berlin lebende Programmierer Yonatan Miller, ein gebürtiger New Yorker, einen deutschen Ableger der Tech Workers Coalition gegründet (…) Über hundert Jahre nach Verabschiedung des ersten Betriebsrätegesetzes am 13. Januar 1920 ist, das zeigen die Beispiele von Gorillas, Booking, Wombats und N26, diese Organisationsform auch heute nicht totzukriegen…“ Artikel von Nina Scholz in der jungen Welt vom 24.03.2022 externer Link als Vorabdruck aus ihrem Buch
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=199557
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