»
Kirgisistan »
»
»
Kirgisistan »
»

Der kirgisische Präsident wollte „wieder übernehmen“ – das freute die EU, hat aber nicht geklappt. Während im ganzen Land (Gold)Bergwerke besetzt werden…

Protest gegen Wahlbetrug in Kirgisistan„… Auch die Regionen außerhalb der Hauptstadt blieben von den Entwicklungen nicht unberührt, da neun Goldminen, ein Kohlebauwerk und eine Goldraffinerie von bislang unbekannten Personen besetzt worden sind. Zu den betroffenen Bergwerken gehört unter anderen die zweitgrößte Mine des Landes Dscheruj des Unternehmens Alliance Altyn in der Region Talas mit einem geschätzten Goldvorkommen von 84 Tonnen. So berichtete der Sprecher der kommunalen Regierung Kubanytsch Kanybekow gegenüber dem kirgisischen Dienst des US-amerikanischen Mediums RadioFreeEurope/RadioLiberty, dass ein aggressiver Mob das Territorium der Anlage betreten habe solle, vor dem sich die ArbeiterInnen versteckt hätten. Anschließend habe die Gruppe in Büros und Lagerhallen Feuer gelegt, wovon auch verschiedene Videoaufnahmen zeugen. Im Anschluss erklärte die Pressestelle von Alliance Altyn gegenüber dem kirgisischen Medium 24kg, dass der Betrieb vorläufig eingestellt worden sei. „Unsere Arbeitnehmer wurden Gott sei Dank nicht verletzt. Wir können aber noch nicht voraussehen, wann wir den Betrieb wieder aufnehmen“, äußerte sich die Pressesprecherin von Alliance Altyn gegenüber der französischen Nachrichtenagentur AFP. Wie auch viele andere Minen unterliegt das Unternehmen einem ausländischen Mutterunternehmen, was in diesem Falle die russische Russkaja Platina Gruppe darstellt. (…) Im Zuge dieser Massenproteste haben die Regierenden wie auch die Unternehmen festgestellt, dass eine reine Vergabe von Lizenzen nicht mehr den Bergbau gegenüber der Bevölkerung legitimieren kann. Im Sinne einer Corporate Social Responsibility wurden entsprechende regionale Entwicklungsfonds angelegt, um etwa die Infrastruktur der Regionen zu verbessern oder Schulen zu erbauen. Doch auch diese Strategie führte nicht zu einer langfristigen Zufriedenstellung der Bevölkerung, da diese Fonds von korrupten BeamtInnen geplündert worden sind wie es etwa bei dem Kumtor Entwicklungsfond der Fall war.  Insgesamt zeichnet sich bereits seit Jahren ein Bild einer desillusionierten Bevölkerung ab, die entweder von Anfang an dem Bergbau kritisch gegenüberstand oder große Hoffnungen von Wohlstand hegte. Dementsprechend sind die jüngsten Ereignisse der letzten zwei Tage in erster Linie als ein Abbild von tief liegenden, strukturellen Problemen zu verstehen…“ – aus der Meldung „Besetzung von Minen im ganzen Land“ von Jana Rapp und Beril Ocaklı am 15. Oktober 2020 bei Novastan externer Link – worin die sozialen Hintergründe der aktuellen Situation und Entwicklung zumindest angedeutet wind. Siehe dazu auch einen aktuellen Beitrag zur Position der EU, einen Überblick über aktuelle Besetzungsaktionen, sowie zwei Hintergrundbeiträge zur Bedeutung der Goldbergwerkwerke in Kirgisistan – und den Hinweis auf unseren bisher letzten Bericht über die Revolte in Kirgisistan:

  • „EU betrachtet Präsident Dscheenbekow als einzige legitime Autorität Kirgistans“ von Etienne Combier am 13. Oktober 2020 ebenfalls bei Novastan externer Link meldet in einem Update von diesem Datum zur Position der EU: „… Am Montag, dem 12.Oktober, übermittelte der EU-Sonderbeauftragte für Zentralasien Peter Burian in einem Telefonat eine Botschaft des hohen Vertreters der EU für auswärtige Angelegenheiten Josep Borrell an Kirgistans Präsidenten. “Die Europäische Union bleibt ein aufrichtiger Freund und verlässlicher Partner Kirgistans, dem das Schicksal der parlamentarischen Demokratie nicht gleichgültig ist”, heißt es in besagter Botschaft. Wie Kaktus berichtet, sei die Europäische Union der Ansicht, dass der Präsident des Landes über eine ausreichende Anzahl von Kräften und Mechanismen verfüge, um die gegenwärtige Situation zu lösen. Darüber hinaus habe sich die EU bereit erklärt, eine mögliche Unterstützung zu prüfen, insbesondere bei der Durchführung neuer Parlamentswahlen in Kirgistan. Diese Botschaft erfolgt nur zwei Tage nach der umstrittenen Ernennung des neuen kirgisischen Ministerpräsidenten Sadyr Dschaparow...“
  • „Staatschef von Kirgisistan zurückgetreten“ am 15. Oktober 2020 bei der Deutschen Welle externer Link berichtet Unerfreuliches für die EU: „… Im Machtkampf in dem zentralasiatischen Land Kirgisistan gibt Präsident Sooronbaj Dscheenbekow sein Amt auf. „Ich halte nicht an der Macht fest“, sagte er in der Hauptstadt Bischkek. Er wolle nicht als Staatsoberhaupt in die Geschichte eingehen, das auf seine eigenen Bürger geschossen habe, so Dscheenbekow in einem Redetext, der von seinem Büro veröffentlicht wurde. Der 61-Jährige war erst seit 2017 im Amt. Er hatte zuletzt zwar seinen Rückzug signalisiert, den Zeitpunkt aber offen gelassen. Dscheenbekow argumentierte bislang, ein Präsidentenwechsel inmitten einer politischen Krise würde das Land ins Chaos stürzen. Demonstranten hatten in dem Hochgebirgsland an der Grenze zu China immer wieder seinen Rücktritt gefordert. Stunden später erklärte sich Regierungschef Sadyr Schaparow zum Präsidenten und teilte mit, dass er das Amt in Personalunion ausüben wolle. „Die Befugnisse des Präsidenten und des Ministerpräsidenten sind auf mich übertragen worden“, sagte er vor seinen Anhängern. Am Mittwoch hatte Schaparow mit Nachdruck darauf bestanden, dass Dscheenbekow sein Amt niederlegt. Hintergrund ist die von Fälschungen begleitete Parlamentswahl vor mehr als anderthalb Wochen. Dabei hatten zwei der Regierung nahestehende Parteien die meisten Stimmen erhalten. Viele Oppositionsparteien verpassten dagegen den Einzug ins Parlament...“
  • „Gold-digging in Kyrgyzstan“ von Taalaibek Amanov bereits am 18. Juni 2007 beim Institute for War and Peace Reporting externer Link war einer der ersten Berichte über Protestaktionen gegen den Goldbergbau internationaler Konzerne in Kirgisistan – hier wurde der damalige Ministerpräsident, bzw. seine Wagenflotte mit einem Steinhagel begrüßt. In dem Artikel werden aber auch die gesellschaftlichen Hintergründe dieser damaligen (wie, im Prinzip, heutigen) Proteste dargestellt, die sich unter anderem um gesundheitliche (Zyanid-Verwendung) und ökologische Probleme drehen – wovon über verschiedene Fälle seit 1998 berichtet wird.
  • „As Good as Gold?: The Recent Ups and Downs of the Kyrgyz Mining Industry“ von Dante Schulz am 10. September 2020 beim Caspian Policy Center externer Link (USA) ist ein Beitrag über die Bergbau-Wirtschaft in Kirgisistan insgesamt. Bergwerke bedeuten rund 30% des Bruttosozialproduktes des Landes, neben Gold werden auch Kohle, Kupfer, Quecksilber und weitere Metalle abgebaut. Gold ist jedoch der Haupt-Exportartikel. Was mit anderen Worten bedeutet: Offiziellen Angaben zufolge sind inzwischen nicht weniger als 92 Stellen im Land als „vergiftet“ kategorisiert. Was sowohl für die Bergarbeiter, als auch für die jeweiligen Bauern der Region erhebliche gesundheitliche Schäden bedeutet (für die Bauern beispielsweise auch noch eindeutiger Verlust an Tieren) – und deswegen immer wieder Grund für soziale und politische Proteste war – und ist…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=179628
nach oben