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Die südafrikanische Regierung praktiziert den Epidemie-Polizeistaat: Und erntet massiven Widerstand – auch gegen die Kreditaufnahme beim IWF

Das Plakat der südafrikanischen Xcluded Kampagne ab Februar 2020„… Am 06. August fanden Proteste für die Stromversorgung in der informellen Siedlung Siyangena statt. Die Demonstranten setzten Reifen und einen Golden Arrow-Bus auf, Golden Arrow Bus Services ist das größte öffentliche Verkehrsunternehmen in Kapstadt. Bei einer anderen Demonstration in der Nachbarschaft von Hout Bay versammelten sich Dutzende von Frauen in der Nähe der Polizeistation und forderten von der Stadt Kapstadt bessere „Beschäftigungsmöglichkeiten“. Die protestierenden Frauen verbrannten ebenfalls Reifen und Gummis. Am 01. August versuchten die Polizeikräfte, eine weitere informelle Siedlung zu räumen und niederzureißen, die auf privatem Land in der Nachbarschaft von Kraaifontein in Kapstadt gebaut worden war. „Die Strafverfolgungsbehörden wurden von rund 2.000 Demonstranten schwer angegriffen. Die Demonstranten zogen von der Marula Road weg, aber Beamte entfernten sie aus dem Gebiet. Die Demonstranten setzten auch die Tygerberg-Rennbahn in Brand und entfernten.“ Es gibt außerdem Berichte über ein Polizeifahrzeug, das mit einem Brandsatz angegriffenwurde. Einige Tage zuvor wurde ein Lastwagen von Afrikas größtem Lebensmitteleinzelhändler „Shoprite“ während eines kämpferischen Protestes in der Nachbarschaft von Mfuleni, Kapstadt, mit Molotow-Cocktails angegriffen…“ – aus dem Überblicksbeitrag „Kämpfe der Massen in Südafrika“ am 06. August 2020 bei Dem Volke Dienen externer Link – worin ein knapper Einblick in die große Zahl lokaler, militanter Proteste quer durch Südafrika gegeben wird. Siehe zum Thema vier weitere aktuelle und Hintergrund-Beiträge sowie die beispielhafte Stellungnahme zum IWF-Kredit des Gewerkschaftsbundes SAFTU:

  • „Schutzlos im Sturm“ von Christian Selz am 16. Juli 2020 in nd online externer Link berichtet unter anderem über die Zwangsräumungen: „… Ramaphosa verkündete deshalb am Sonntag Verschärfungen des seit Ende März geltenden Lockdowns. Nachts gilt seit Montag gar wieder eine Ausgangssperre. Wer nicht zur Arbeit oder zum Einkaufen muss, soll nach Möglichkeit auch tagsüber zu Hause bleiben. Für die Ärmsten des Landes wird jedoch genau diese Aufforderung immer wieder von den Behörden untergraben. Selbst während des harten Lockdowns wurden immer wieder Hüttensiedlungen geräumt und abgerissen, die ohne Erlaubnis errichtet worden waren. Zuletzt schlug ein Fall am Rande des Kapstädter Townships Khayelitsha hohe Wellen, wo Polizisten einen Familienvater splitternackt aus seiner Blechhütte zerrten und zu Boden warfen. Nachdem es ihm dennoch gelang, zurück in seine Behausung zu fliehen, rissen die Einsatzkräfte die Hütte um den noch immer darin kauernden Mann einfach ab. Die Tortur ist auf Handyvideos festgehalten, was Kapstadts Oberbürgermeister Dan Plato aber nicht davon abhielt, öffentlich zu behaupten, der Mann habe sich bewusst entkleidet, um die Behörden »schlecht aussehen zu lassen«. Nachbarn bestritten dies gegenüber der Nachrichtenplattform GroundUp. Der Mann habe zu Beginn des Einsatzes bereits aus seiner Hütte geschrien, dass er nicht herauskommen könne, da er sich gerade wasche. »Der einzige erkennbare Unterschied zwischen den entmenschlichenden Zwangsräumungen während der Apartheid und dem, was am Mittwoch passierte, ist, dass Letzteres gefilmt und von Tausenden in sozialen Medien geteilt wurde«, kommentierte Mikhail Moosa vom Institute for Justice and Reconciliation auf dem Nachrichtenportal News24. Die Rechtsberatungsstelle Legal Ressource Centre hat inzwischen Klage gegen die Räumungen eingereicht, auch die Südafrikanische Menschenrechtskommission ist mit dem Fall befasst. Die Stadtverwaltung hat eine »unabhängige Untersuchung« in Auftrag gegeben – allerdings bei exakt der Anwaltskanzlei, von der sie sich in bisherigen Räumungsfällen vertreten ließ. Selbst die Gerichte konnten die Behörden bisher nicht stoppen. In Kapstadt verzeichnete die Stadtverwaltung zwar erst im April eine krachende Niederlage vor dem höchsten Gericht, das urteilte, dass die Räumung von 49 Hütten während der höchsten Lockdown-Stufe illegal war, und die Behörden sogar verpflichtete, den Opfern die Baumaterialien wieder auszuhändigen. Dem kam die Stadt zwar nach, doch inzwischen wird weitergeräumt, auch im selben Township. In Johannesburg zogen die Behörden ihre Räumungsklage gegen eine Gemeinde, die auf einer städtischen Brache eine Siedlung errichtet hatte, erst zurück und schickten dann ohne überhaupt einen Gerichtsbeschluss zu beantragen die »Red Ants«, eine für ihre Brutalität berüchtigte Privatarmee, die unter Deckung von Polizeikräften auf Bewohner einschlug, mit Gummigeschossen um sich schoss und etliche Hütten niederriss. Auch in Durban, wo eine ähnliche Melange von staatlichen Kräften und privaten Räumtrupps seit Jahren mit teils tödlicher Gewalt gegen Hüttenbewohner vorgeht, kam es zuletzt erneut zu Vertreibungen. Edward Molopi vom Socio-Economic Rights Institute of South Africa spricht von mindestens 800 Fällen seit Ende März. Die Behörden berufen sich dabei stets darauf, dass die Hütten unbewohnt wären…“
  • „Im Schatten der Pandemie“ von Lutz van Dijk am 19. Juli 2020 in der taz online externer Link fasst aus Anlass des diesjährigen Mandela-Days die Entwicklung so zusammen: „… Mandela Day 2020 bedeutet auch, dass nicht nur die Wirtschaft in Südafrika einen Sturzflug nahm wie in Ländern Europas auch, sondern die extremen Unterschiede zwischen Arm und Reich in Südafrika neu aufgebrochen sind und wie eine Ohrfeige für die Träume Mandelas wirken. Nicht nur millionenfache Arbeitslosigkeit, sondern unerträgliche Hungersnot bei all jenen, die sich zuvor noch mit Tagesjobs und Handel in Grauzonen über Wasser hielten. Seit dem ersten Covid-19-Fall am 5. März gelang es zunächst, die Infektionsrate mit einem strengen Lockdown ab dem 26. März für gut zwei Monate weitgehend unter Kontrolle zu halten. Feldlazarette für rund 28.000 Patienten und Quarantänezentren mit 38.000 Betten konnten in dieser Zeit für jene gebaut werden, die sich in beengten Township-Wohnverhältnissen nicht selbst isolieren können. Westliche Kommentatoren lobten die „Widerstandsfähigkeit“ junger afrikanischer Gesellschaften. Als sich jedoch der Protest gegen die Not auch nicht mal mehr mit einem Einsatz von 13.000 Soldaten kontrollieren ließ und es bereits zu Überfällen auf Supermärkte kam, lockerte die Regierung ab dem 1. Juni die Vorschriften: Ausgangssperren wurden aufgehoben. zahlreiche Geschäfte und Fabriken konnten mit Auflagen wieder beginnen. Das, wovor Präsident Cyril Ramaphosa gewarnt hatte, trat ein: Die Infektionszahlen explodierten, kaum ein Krankenhaus war dem Ansturm von Patienten gewachsen, zumal sich auch Schwestern und Ärzte infizierten. Inzwischen ist Südafrika nach den USA, Brasilien und Indien weltweit an vierter Stelle, was die Zunahme von Infek­tionszahlen angeht: Täglich gibt es derzeit mehr als 13.000 registrierte neue Fälle, über 350.000 Infektionen waren es am Sonntag insgesamt. Fast 5.000 Menschen sind gestorben. Mittlerweile musste die Regierung einige Lockerungsmaßnahmen, wie die Aufhebung des Alkoholverbots, wieder zurücknehmen…“
  • „Nötige Überlebenshilfe“ von Christian Selz am 31. Juli 2020 in der jungen welt externer Link zu sozialen Maßnahmen – die erkämpft werden mussten – und die Drohungen des IWF: „… Vor diesem Hintergrund erscheinen die nun verkündeten Pläne zur Einführung eines Grundeinkommens auch wie eine Lehre aus dem eigenen Versagen. Die Unterstützung soll demnach ebenfalls an alle Südafrikaner zwischen 18 und 59 Jahren gezahlt werden. Anders als bei den stockenden Coronasonderhilfen soll diese unabhängig von Einkommen und Vermögen der Empfänger gewährt werden. Allerdings dürfte sie ebenfalls karg ausfallen. Wie die Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg bereits Ende Juni unter Berufung auf ein internes Diskussionspapier des regierenden African National Congress (ANC) berichtete, steht derzeit eine monatliche Zahlung von 500 Rand (26 Euro) im Raum. Damit läge das Grundeinkommen nicht nur deutlich unter der offiziell niedrigsten Armutsgrenze, die laut der staatlichen Statistikstelle »Stats SA« derzeit bei 810 Rand (42 Euro) liegt, sondern sogar noch unterhalb der Grenze zur Ernährungsarmut (Food Poverty Line) von 561 Rand (29 Euro). (…) Ein funktionierendes Grundeinkommen könnte diese Folgen lindern. Bei 33 Millionen potentiellen Empfängern würde es die Staatskasse jährlich 198 Milliarden Rand (gut zehn Milliarden Euro) kosten. Zur Einordnung: Das Coronanothilfepaket umfasst 500 Milliarden Rand. Diese Summen sind für das Land kein Pappenstiel. Die RSA wies 2018 nach IWF-Angeben eine Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung nach Kaufkraftparität von 13.630 US-Dollar (11.594 Euro) aus. Damit rangiert das Land zwar in Afrika in der Spitzengruppe, zählt im Weltmaßstab allerdings zur ärmeren Hälfte der 193 erfassten Staaten. In einem internen Strategiepapier der Regierung geht man deshalb davon aus, dass 50 bis 60 Prozent der für das Grundeinkommen benötigten Mittel durch zusätzliche Lohnsteuern direkt wieder eingenommen werden. Entscheidend dürfte nun sein, ob sich Ministerin Zulu innerhalb des ANC mit ihren Plänen durchsetzen kann und die Finanzierung geklärt wird. Wie die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf die Leiterin des »Studies in Poverty and Inequality Institute«, Isobel Frye, berichtet, sei das Grundeinkommen innerhalb des ANC bereits vor zehn Monaten diskutiert worden – damals aber am Veto des Finanzministeriums gescheitert. Auf Anfrage von Reuters wollte sich die Behörde nun nicht zu dem Vorhaben äußern. Am Montag war bekanntgeworden, dass die RSA den mit 4,3 Milliarden US-Dollar (3,6 Milliarden Euro) bisher weltweit größten Coronanotkredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) bewilligt bekommen hat. Den entsprechenden Antrag hatte Finanzminister Tito Mboweni gegen starke Widerstände innerhalb des ANC durchgesetzt. An sogenannte Strukturanpassungsmaßnahmen soll der Kredit zwar zunächst nicht gekoppelt sein. Doch genau derlei »Reformen« erklärte der IWF in seiner Mitteilung bereits für die Zeit nach der Pandemie für nötig...“
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