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Konzertierte Aktion auf den Philippinen gegen „Sabotage und Terrorismus“: Schauprozesse gegen Journalisten, „Anti-Terror“-Polizeistaats-Gesetz und neue Angriffe auf Gewerkschaftsrechte

Gewerkschaftsdemonstration gegen das neue Anti-Terror-Gesetz auf den Philippinen im Juni 2020„… Beide Journalisten kündigten unmittelbar nach dem Schuldspruch an, sie werden weiterhin »gegen alle Arten von Attacken auf die Pressefreiheit« kämpfen. Ressa, Mitgründerin von Rappler und eine prominente Kritikerin von Präsident Rodrigo Duterte, ist 2018 vom US-Magazin Time zu einer der Persönlichkeiten des Jahres gekürt worden. In dem Verfahren ging es um einen 2012 erschienenen Artikel über mutmaßliche Verbindungen zwischen dem philippinischen Geschäftsmann Wilfredo Keng und Renato Corona, dem damaligen Vorsitzenden des Obersten Gerichtshof des Landes. Doch erst im Oktober 2017 reichte Keng Beschwerde gegen die Veröffentlichung des Artikels ein. (…) Keng ist ein enger Kumpan von Präsident Duterte und spielte in dieser Gerichtsposse den nützlichen Idioten. Duterte hatte schon während seiner über zwanzigjährigen Amtszeit als Bürgermeister von Davao City, der größten Stadt auf der südlichen Hauptinsel Mindanao, nie einen Hehl daraus gemacht, unerbittlich und notfalls gewaltsam gegen missliebige Kritiker vorzugehen. Vor allem auf investigative Journalisten hat er es abgesehen. Bereits Ende Mai 2016, drei Wochen nach seinem Wahlsieg bei der Präsidentschaftswahl am 9. Mai und einen Monat vor seinem offiziellen Amtsantritt, hatte er während einer Pressekonferenz in Davao unumwunden erklärt: »Nur weil du ein Journalist bist, bist du von Attentaten nicht ausgenommen, wenn du ein Hurensohn bist.« Und als Präsident hat Duterte mehrfach öffentlich angedroht, allzu kritische Journalisten mundtot zu machen. Bereits Anfang vergangenen Monats bekam ABS-CBN, das größte Unterhaltungs- und Mediennetzwerk in den Philippinen, die Wut des Präsidenten zu spüren. Am 5. Mai war ABS-CBN von der Nationalen Telekommunikationskommission angewiesen worden, seine Fernseh- und Rundfunkübertragungen einzustellen, nachdem das mit einer Duterte-Supermehrheit besetzte Repräsentantenhaus der Erneuerung einer Sendekonzession für den gleichnamigen Sender nicht zugestimmt hatte...“ – aus dem Beitrag „Maulkörbe verpasst“ von Rainer Werning am 19. Juni 2020 in der jungen welt externer Link zum Schauprozess in Manila. Siehe dazu auch einen weiteren Beitrag zu diesem aktuellen Schauprozess, sowie verschiedene kritische (gewerkschaftliche) Stellungnahmen gegen das neue „Anti-Terror-Gesetz“ und einen Solidaritätsaufruf gegen die Ausnutzug  der aktuellen Lage für einen Angriff auf Gewerkschaftsrechte durch Coca Cola:

„Starjournalistin Ressa verurteilt“ von Sven Hansen am 15. Juni 2020 in der taz online externer Link zum Schauprozess: „… Erst vier Monate später trat das Gesetz gegen Cyberkriminalität in Kraft. Keng klagte erst 2017 gegen Rappler. 2018 wurde die Klage abgewiesen, weil Gesetze nicht rückwirkend gelten. Doch später ließ das Gericht die Klage zu. Es wertete eine Rechtschreibkorrektur des Artikels am 19. Februar 2014, bei der ein Buchstabe getauscht wurde, als Neuveröffentlichung nach Inkrafttreten des Gesetzes. 2019 wurde Ressa sogar kurzzeitig verhaftet. In den Philippinen sind journalistische Standards niedrig. Doch mächtige Geschäftsleute und Politiker denunzieren auch Recherchen oft als Verleumdung und schicken insbesondere in den Provinzen Journalisten Killer auf den Hals. Das Land ist eines der weltweit gefährlichsten für Medienvertreter. Diese Morde werden fast nie aufgeklärt. Regierungskritiker und Medienrechtsorganisationen werten das Verfahren gegen Ressa und Rappler als Versuch der Regierung von Präsident Rodrigo Duterte, kritische Journalisten einzuschüchtern. Es sind noch weitere mutmaßlich politisch motivierte Gerichtsverfahren gegen Rappler anhängig…“

„Philippinische Gewerkschaften begehen Unabhängigkeitstag mit Protesten gegen Terrorgesetz“ am 12. Juni 2020 bei der Bauarbeiter-Internationale BWINT externer Link meldet zu (gemäßigten) gewerkschaftlichen Protesten: „… Trotz polizeilicher Drohungen und schlechten Wetters schloss sich der größte nationale Arbeitnehmerverband auf den Philippinen, Nagkaisa Labour Coalition, den Tausenden Demonstranten an, die den Unabhängigkeitstag überall im Land mit Protesten gegen das jüngst erlassene Anti-Terror-Gesetz begingen. In einer Stellungnahme sagte Sonny Matula, der Vorsitzende von Nagkaisa und des Verbands freier Arbeitnehmer (FFW), dass Terrorismus zwar falsch sei, das Anti-Terror-Gesetz allerdings ebenso verkehrt ist. „Arbeitnehmer verlassen sich beim Schutz ihrer Rechte und Interessen auf die Gewerkschaftsbewegung, nicht auf Terrorismus. Sie greifen auf Arbeitskampf und sogar Streik zurück, würden jedoch niemals Gewaltaktionen wählen, um auf ihre gerechten Forderungen zu drängen. Kurz gesagt, Arbeitnehmer sind gegen Terror“, so Matula. „Nach der Verabschiedung dieser drakonischen Maßnahme ist es nun allerdings möglich, die kollektiven Aktionen von Beschäftigten als Terrorakt einzustufen. Gewerkschaftsarbeit kann von der Regierung jetzt ganz einfach als Terrorismus kategorisiert werden“, betonte Matula…“

„Gewerkschaftsführer bei Coca-Cola Philippinen, die das Recht ihrer Mitglieder auf sichere Arbeit verteidigten, wegen ‚Wirtschaftssabotage’ entlassen!“ am 17. Juni 2020 bei der IUF externer Link (Nahrungsmittelinternationale) ruft zur Solidarität auf, und macht auch deutlich, dass die „Anti-Terror“ Maßnahmen bereits gegen gewerkschaftliche Rechte eingesetzt werden: „Die Beschäftigten der Coca-Cola-Fabrik in San Fernando in der Provinz Pampanga, die sich nach dem Tod eines nahen Verwandten eines Fabrikarbeiters, zu dem er Kontakt gehabt hatte, grosse Sorgen wegen des Ansteckungsrisikos machten, hielten am 28. März ein dringendes Gewerkschaftstreffen ab. Gewerkschaftsfunktionäre teilten den Mitgliedern auf dem Treffen mit, dass sie die Entscheidung einzelner Mitglieder, weiterzuarbeiten oder zu Hause zu bleiben, wenn sie befürchteten, sich selbst oder andere anzustecken, entsprechend den Empfehlungen der Regierung respektieren würden. Sie berichteten auch über den aktuellen Stand der Verhandlungen über die Forderungen der Gewerkschaft in Bezug auf Gefahrenzulagen, eine Entschädigung für Beschäftigte, die sich wegen des Lockdowns nicht an ihren Arbeitsplatz begeben konnten, sowie Transport- und andere Fragen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Notstand. Im Anschluss an das Treffen ergriff der Präsident der Gewerkschaft, Alfredo Marañon, der auch der Nationale FCCU-Präsident ist, spezielle Vorsorgemassnahmen, um die Produktion im Fall eines Personalmangels aufrechtzuerhalten, da die Fabrik schon mit einem reduzierten Personalbestand arbeitete. Statt auf die Forderungen der Gewerkschaft einzugehen, reagierte das Management zwischen dem 6. und dem 8. April mit der Verhängung von Disziplinarmassnahmen gegen 7 Gewerkschaftsfunktionäre und -mitglieder in den Betrieben in San Fernando und Canlubang, darunter Alfredo Marañon, Belarmino Tulabut and Danilo Pineda, wobei es sie der ‘Wirtschaftssabotage’ bezichtigte. Die drei Führer wurden am 8. Mai entlassen. Das Management verschärfte die Vergeltungsmassnahmen, nachdem der Nationale FCCU-Generalsekretär Brendo Enriquez am 18. Mai ein Protestschreiben wegen der Entlassungen an das Coca-Cola-Management gerichtet hatte, das er mit seinen Mitgliedern und der IUL teilte.   Enriquez ist wegen ‘Besudelung’ des Rufes des Konzerns und anderer angeblicher Verstösse gegen Coca-Colas Disziplinarordnung diszipliniert worden und steht vor der Entlassung. Am 9. Juni wurden 20 Gewerkschaftsmitglieder in San Fernando entlassen, weil sie an einer friedlichen Protestaktion gegen die Entlassung ihrer gewählten Führer vor der Fabrik teilgenommen hatten. Die protestierenden Beschäftigten trugen Masken, wahrten die physischen Abstände und hatten sich mit der örtlichen Polizei auf Vorgehensweisen geeinigt. Trotzdem wurden sie verhaftet. Nach mehreren Stunden wurden sie freigelassen, nachdem die Anschuldigungen nach Intervention von Alfredo Marañon, der die Aktion als Teil eines laufenden Arbeitskonflikts verteidigt hatte, fallengelassen worden waren. Das Ministerium für Arbeit und Beschäftigung der Philippinen ist wegen des Pandemie-Notstands handlungsunfähig; das normale Berufungsverfahren gegen unberechtigte Entlassung steht derzeit nicht zur Verfügung. Coca-Cola macht sich die Pandemie zunutze, um grundlegende Gewerkschaftsrechte zu attackieren. Die Coca-Cola-Betriebe in den Philippinen sind vollständig im Besitz der Coca-Cola Company in Atlanta, USA, und werden von ihrer Bottling Investments Group (BIG) geführt. Die Verantwortung für die Einschüchterung, die Entlassungen und die Drohungen gegen unseren Mitgliedsverband und dessen Mitglieder liegt eindeutig bei der Coca-Cola Company...“

„Manifesto of Unity against the Anti-Terrorism Bill of 2020 in the Philippines“ am 13. Juni 2020 bei Europe Solidaire externer Link dokumentiert, ist eine gemeinsame Protesterklärung gegen das sogenannte Anti-Terror-Gesetz, das darin als eine „Maßnahme die ausschließlich der Unterdrückung von Kritik“ diene abgelehnt wird. Unterzeichnet ist die Erklärung von zahlreichen Organisationen der Philippinen und vor allem asiatischer Nachbarstaaten, aber auch etwa von einer Reihe AkademikerInnen aus Kanada vor allem und weiteren Ländern.

„Philippines: SENTRO condemns government’s sweeping new police powers, reaffirms commitment to defending democratic rights“ am 11. Juni 2020 bei der IUF externer Link dokumentiert die Stellungnahme des Gewerkschaftsbundes Sentro gegen das neue Gesetz, in der ebenfalls unterstrichen wird, dass dies auch einen Angriff auf gewerkschaftliche Rechte bedeute…

„No solution to health, unemployment crisis while Duterte clings to power“ am 12. Juni 2020 beim Gewerkschaftsbund KMU externer Link (Facebook) ist eine Stellungnahme des linken Gewerkschaftbundes, in der die Verurteilung des neuen Gesetzes zusammen damit negativ bewertet wird, dass die Regierung unwillig sei, die ganz aktuellen Probleme der Erwerbslosigkeit durch die Epidemie sowie der damit verbundenen Probleme im Gesundheitswesen anzugehen und nur darauf aus sei, ihre reaktionäre Macht zu festigen…

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=174223
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