Der Zweck heiligt eben nicht die Mittel. Wie private Sicherheitsdienste in der Corona-Krise rechtswidrig für öffentliche Sicherheit und Ordnung sorgen

get out of controlIn zahlreichen deutschen Städten und Gemeinden werden private Sicherheitsdienste von den Kommunalverwaltungen beauftragt, um Einschränkungen wie Kontaktverbote aufgrund der Corona-Pandemie zu kontrollieren. Ähnlich wie Polizei und Ordnungsämter bestreifen Mitarbeiter/-innen von Sicherheitsfirmen den öffentlichen Raum, sprechen dabei Verfehlungen der Bürger/-innen an und lösten bisher gar Personenansammlungen auf. Mancherorts beließen es die Mitarbeiter/-innen der Dienstleister nicht nur bei Ansprache und Ermahnung sondern stellten die Personalien der Bürger/-innen fest und brachten die Corona-Verstöße, zwecks Einleitung von Bußgeldverfahren, zur Anzeige. Dabei wurde bisher nach dem Motto verfahren: “Der Zweck heiligt die Mittel“, weil den Mitarbeiter/-innen privater Sicherheitsdienste generell keine hoheitlichen Eingriffsbefugnisse wie Identitätsfeststellungen oder Platzverweisungen zustehen; die Übertragung hoheitlicher Befugnisse ist auch im Rahmen von kommunalen Beauftragungen nicht möglich. (…) Auf ein “Machtwort“ der Kommunalaufsicht im Bereich der Regierungspräsidien wartet man in dieser Sache wohl vergebens. Für die Sicherheitswirtschaft bietet die Corona-Krise die Möglichkeit sich gegenüber Polizei und Ordnungsämtern zu profilieren und sich aufzuwerten. “Police private partnerships“ sind für das Sicherheitsgewerbe für künftige und lukrative Beauftragungen durch die öffentliche Hand – an der Seite der Sicherheitsbehörden – von großer Bedeutung.“ Artikel von Jürgen Korell und Thomas Brunst vom 11. Mai 2020 – wir danken!

Der Zweck heiligt eben nicht die Mittel.
Wie private Sicherheitsdienste in der Corona-Krise rechtswidrig für öffentliche Sicherheit und Ordnung sorgen

In zahlreichen deutschen Städten und Gemeinden werden private Sicherheitsdienste von den Kommunalverwaltungen beauftragt, um Einschränkungen wie Kontaktverbote aufgrund der Corona-Pandemie zu kontrollieren.

Ähnlich wie Polizei und Ordnungsämter bestreifen Mitarbeiter/-innen von Sicherheitsfirmen den öffentlichen Raum, sprechen dabei Verfehlungen der Bürger/-innen an und lösten bisher gar Personenansammlungen auf. Mancherorts beließen es die Mitarbeiter/-innen der Dienstleister nicht nur bei Ansprache und Ermahnung sondern stellten die Personalien der Bürger/-innen fest und brachten die Corona-Verstöße, zwecks Einleitung von Bußgeldverfahren, zur Anzeige.

Dabei wurde bisher nach dem Motto verfahren: “Der Zweck heiligt die Mittel“, weil den Mitarbeiter/-innen privater Sicherheitsdienste generell keine hoheitlichen Eingriffsbefugnisse wie Identitätsfeststellungen oder Platzverweisungen zustehen; die Übertragung hoheitlicher Befugnisse ist auch im Rahmen von kommunalen Beauftragungen nicht möglich. Wie allen Bürger/-innen stehen Mitarbeiter/-innen privater Sicherheitsdienste im öffentlichen Raum lediglich die sogenannten Jedermannsrechte zur Verfügung. Dementsprechend sind sie wegen fehlender Rechtsgrundlage den Bürger/-innen nicht weisungsbefugt.

Trotz eindeutiger Rechtslage setzen zu viele Städte und Gemeinden alles daran private Sicherheitsfirmen, bspw. als “Citystreifen“, im Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu etablieren. Die Bürger/-innen sollen sich daran gewöhnen im öffentlichen Raum von „Firmenangestellten“ ermahnt, zur Personalienfeststellung aufgefordert und des Platzes verwiesen zu werden. Zurecht darf man sich fragen, wo hier der Einspruch der zuständigen Kommunalaufsichten der Regierungspäsidien (Mittelbehörden) bleibt?

Es entsteht der Eindruck, als hätten die Beteiligten in ihrer Corona-Hysterie das staatliche Gewaltmonopol derart ausgedehnt, dass es sich um kein Monopol mehr handelt.

Erst im Januar 2020 stellte das OLG Frankfurt am Main klar, dass die Übertragung hoheitlicher Aufgaben auf private Dienstleister bei der derzeitigen Rechtslage (Art. 33 Abs. 4 GG) in Deutschland nicht möglich ist (Beschluss vom 3.1.2020, Az: 2 Ss-Owi 963/18).

Bei einer “public private security“, einer öffentlichen Beauftragung privater Sicherheitsdienste für den öffentlichen Raum, wird den Bürger/-innen, eine “private Amtsträgerschaft“ vorgegaukelt, die es im deutschen Verwaltungsrecht nicht gibt. Daran ändern auch Uniformen und polizeiliches Einsatz-Equipment (z.B. Handschellen, Schlagstock. Pfefferspray etc.) nichts.

Als sich zahlreiche Städte und Gemeinden – vorwiegend in Nordrhein-Westfalen (NRW) und Baden-Württemberg – anschickten, wegen den Corona-Beschränkungen, private Sicherheitsdienste auf ihre Bürger/-innen loszulassen, meldete sich in der Rheinischen Post (RP) Krefelds Oberbürgermeister zu Wort. Die RP schrieb am 23.03.20: “(…) Die Stadt verdoppelt die Zahl ihrer Streifen von Bediensteten des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOD), um die vom Land verhängte Kontaktsperre zum Schutz gegen das Coronavirus zu überwachen. Dazu werde im Moment verwaltungsintern geeignetes Personal ausfindig gemacht, anschließend geschult und den bereits vorhandenen Kräften zur Seite gestellt, sagte Ordnungsdezernent Ulrich Cyprian am Montag im Rathaus. An das Anheuern privater Sicherheitsdienste sei nicht gedacht. Diese Kräfte dürften keine hoheitlichen Aufgaben übernehmen, sagte Oberbürgermeister Frank Meyer. (…)“

Diese folgerichtige Einschätzung der Rechtslage teilt man vermutlich im Rathaus von Bad Salzuflen (NRW) nicht. Auf der eigenen Internetseite lässt die Stadtverwaltung seine Bürger/-nnen wissen: “Corona-Kontrollen Sicherheitsdienst unterstützt die Stadtverwaltung (…) Um auch weiterhin arbeitsfähig zu bleiben, engagiert die Stadt Bad Salzuflen ab sofort zusätzlich einen privaten Sicherheitsdienst. Bereits ab dem heutigen Tag (3. April 2020) wird die Firma Wachschutz Bielefeld Kontrollen im Stadtgebiet vornehmen. Jeder Mitarbeiter ist mit einem Ausweisdokument der Stadt Bad Salzuflen ausgestattet und ist an der Dienstkleidung des Wachschutzes Bielefeld zu erkennen. Bei den Kontrollen geht es darum, Menschenansammlungen zu verhindern, zu überprüfen, ob bestimmte Geschäfte geschlossen sind oder die angeordneten Schutzmaßnahmen umgesetzt werden. Die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes bringen selbst eine große Erfahrung mit und wurden bereits durch den städtischen Ordnungsdienst auf die Gegebenheiten vor Ort eingearbeitet. Der Sicherheitsdienst wurde beauftragt gegebenenfalls notwendige Personalien aufzunehmen, bei Bedarf erhalten die Sicherheitsleute hierbei Unterstützung von der Polizei. Eine tägliche Dokumentation sowie die Aufnahme von Personalien ermöglicht es dem Ordnungsamt jeden Fall zu prüfen. Ob ein Bußgeld verhängt wird, entscheidet weiterhin das Ordnungsamt.“ Interessant ist hierbei, dass man in Bad Salzuflen die Rechtsauffassung vertritt, die Dienstkleidung von “Wachschutz Bielefeld“ und das Ausweisdokument der Stadt Bad Salzungen hätten genug öffentlichen Charakter um Personalienfeststellungen durch die Sicherheitsfirma zu rechtfertigen.

Fast spöttisch die Artikel-Überschrift von insuedthüringen.de am 04.04.20: “Auf uneinsichtige Thüringer kommen teure Strafen zu (…) Wie die Polizei am Sonntagmorgen mitteilte, entdeckten am Samstagabend Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes in Sonneberg zehn Jugendliche, welche sich im Stadtzentrum getroffen hatten. Da sie sich weigerten, den Security-Mitarbeitern Angaben zu ihren Personalien zu machen, musste die Polizei eingreifen.(…)“ Auch hier existiert keine Rechtsgrundlage, welche die Mitarbeiter/-innen des Sicherheitsdienst für ihr Handeln hätten geltend machen können. Stattdessen haben sie sich, bei ihrem Einsatz gegen die Jugendlichen, der Amtsanmaßung und der Nötigung schuldig gemacht. Das die Polizei hier die Anzeigen der “Privaten“ kritiklos aufnimmt und sich zum willfährigen Erfüllungsgehilfen macht, versteht sich von selbst. Der Thüringische Landtagsabgeordnete Steffen Dittes (Linke) schrieb (per E-mail) am 06.04.20 hierzu: “(…) Wir werden in einer Telefonkonferenz mit dem Innenministerium darauf hinweisen und darum bitten, dass dies entsprechend noch einmal kommuniziert wird. (…)

“Stadt Borgholzhausen fährt strengen Kurs bei Corona-Bußgeldern“, berichtete das Haller Kreisblatt am 09.05.20. In der Stadt im Kreis Gütersloh in NRW haben die Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma viel mehr Corona-Verstöße zur Anzeige gebracht als Polizei und Ordnungsamt zusammen. “(…) Immerhin 63 Bußgelder hat die Stadt bislang wegen Verstößen gegen das Kontaktverbot verhängt – darunter befinden sich sogar zwei Wiederholungsfälle. Damit kommt Pium zwar nicht an Steinhagen (83 Verfahren bis zum 1.Mai) heran, liegt aber deutlich vor Versmold (13 bis Anfang Mai) und sogar Bielefeld (25 bis vor einer Woche). Einige Anzeigen kommen von der Polizei, ansonsten wurden sie ausschließlich von einem Sicherheitsdienst eingeleitet, den das Ordnungsamt mit der Kontrolle abends und am Wochenende beauftragt hatte. „Das Ordnungsamt selbst hat auf seinen gelegentlichen Streifgängen zu den Dienstzeiten keine Bußgelder verhängt“, betont Speckmann. Doch sei auch der Sicherheitsdienst mit Augenmaß vorgegangen und habe es in weniger schwerwiegenden Fällen bei einer Ermahnung belassen. „Die 63 Bußgelder deuten daher schon auf stärkere Vergehen in größeren Gruppen und eher uneinsichtige Reaktionen der Betroffenen hin“, weist der Bürgermeister auf einige Unbelehrbare hin. (…)“

Bei den geschilderten Sachverhalten ist zu beobachten, dass bezüglich der Feststellung von Corona-Verstößen – und den damit verbundenen Bußgeldverfahren – durch private Sicherheitsdienste eine Eigendynamik einsetzt, welche es ermöglicht, dass die aktuelle Rechtslage komplett ausgeblendet wird. Stadtverwaltungen, Ordnungsämter und die Polizei müssten wissen, dass eine Grenze überschritten wird, wenn sich “Private“ behördliche Eingriffsbefugnisse anmaßen und den Bürger/-innen eine Amtsträgerschaft vorgaukeln. Diesbezüglich ist aber weder von Widerstand noch von Strafanzeigen (Amtsanmaßung u. Nötigung) gegen überhebliche Mitarbeiter/-innen privater Sicherheitsdienste zu lesen.

Auf ein “Machtwort“ der Kommunalaufsicht im Bereich der Regierungspräsidien wartet man in dieser Sache wohl vergebens. Für die Sicherheitswirtschaft bietet die Corona-Krise die Möglichkeit sich gegenüber Polizei und Ordnungsämtern zu profilieren und sich aufzuwerten. “Police private partnerships“ sind für das Sicherheitsgewerbe für künftige und lukrative Beauftragungen durch die öffentliche Hand – an der Seite der Sicherheitsbehörden – von großer Bedeutung.

Artikel von Jürgen Korell und Thomas Brunst vom 11. Mai 2020 – wir danken!

Siehe auch:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=172310
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