Hoheitliche Befugnisse für privaten Sicherheitsdienst in Empfingen (BAWü) wegen der Corona-Pandemie

get out of controlIm Baden-Württembergischen Empfingen soll wegen der Corona-Pandemie ein privater Sicherheitsdienst Polizei und Ordnungsamt bei der Kontrolle der BürgerInnen unterstützen. Dafür wurden MitarbeiterInnen einer örtliche Sicherheitsfirma, durch die Stadtverwaltung, mit hoheitlichen Befugnissen (z. B. Identitätsfeststellungen, Platzverweisungen) beliehen; eine ungewöhnliche Maßnahme wie Bürgermeister Ferdinand Truffner zugibt und ein “ein Novum im Kreis Freudenstadt“. (…) Wenn der private Sicherheitsdienst direkt mit der Baden-Württembergischen Landespolizei zusammenarbeitet, handelt es sich um ein “police private partnership“. Bei der Wahrnehmung hoheitlicher Sicherheits- und Ordnungsaufgaben durch private Sicherheitsdienste wird zudem von “public private security“ gesprochen. Das staatliche Gewaltmonopol der Bundesrepublik Deutschland und der Artikel 33 Abs. 4 Grundgesetz sehen derartige Beleihungen von “Privaten“ nicht vor. Alleine Amtsträgern (Polizeibeamte, Hilfspolizeibeamte) stehen hoheitliche Eingriffsbefugnisse nach deutschen Recht zu. (…) Die Maßnahmen richteten sich dementsprechend nicht gegen die Einheimischen sondern zum Schutz der Einheimischen. Mit anderen Worten ein Rechtsverstoß gegen Fremde ist zu tolerieren. Und so gibt es an der Empfinger “public private security“ keinerlei öffentliche Kritik – weder von der zuständigen Kommunalaufsicht noch von einer bürgerrechtlichen Organisation. (…) Ein privater Sicherheitsdienst, der im öffentlichem Raum einen Platzverweis erteilt, greift nachhaltig in die Freiheitsrechte der BürgerInnen ein und das darf auch nicht für die EinwohnerInnen aus Horb oder Haigerloch geschehen.“ Artikel von Jürgen Korell und Thomas Brunst vom 28.3.2020 – wir danken!

Hoheitliche Befugnisse für privaten Sicherheitsdienst

“(…) Es ist eine Premiere im Landkreis Freudenstadt: Eine private Sicherheitsfirma wird im Auftrag der Gemeinde Empfingen helfen, die öffentliche Ordnung im Zuge der aktuellen Corona-Krisensituation zu wahren. (…) Dies ist ein beispielloses Vorgehen im Landkreis, das es so noch nie gab. (…)“ (Südwest Presse, Neckar-Chronik, 21.03.20)

 

Im Baden-Württembergischen Empfingen soll wegen der Corona-Pandemie ein privater Sicherheitsdienst Polizei und Ordnungsamt bei der Kontrolle der BürgerInnen unterstützen. Dafür wurden MitarbeiterInnen einer örtliche Sicherheitsfirma, durch die Stadtverwaltung, mit hoheitlichen Befugnissen (z. B. Identitätsfeststellungen, Platzverweisungen) beliehen; eine ungewöhnliche Maßnahme wie Bürgermeister Ferdinand Truffner zugibt und ein “ein Novum im Kreis Freudenstadt“.

Empfingen ist eine Kleinstadt mit 4038 Einwohnern im Regierungsbezirk Karlsruhe. Im Gemeinderat dominiert mit absoluter Mehrheit die Unabhängige Bürgerliste. Etablierte Parteien haben im Empfinger Gemeinderat keine Stimme. Eine Corona-Infektion ist in Empfingen nicht bekannt. Trotzdem und auch nicht unberechtigt macht sich der Bürgermeister große Sorgen, weil die älteren Empfinger BürgerInnen im „Ort unterwegs sind und Schwätzchen halten“.

Die polizeiliche Zuständigkeit für Empfingen liegt bei der Polizeidienststelle in Horb. Doch dort wird abgewunken, wenn es um Kontrollen im Zuge der Corona-Pandemie in Empfingen geht. Die Personaldecke sei zu dünn und distanzbedingt sei die Polizeipräsenz in Empfingen sowieso recht überschaubar. Das Empfinger Ordnungsamt hat lediglich zwei Mitarbeiter im Vollzugsdienst und könne diese Aufgabe ebenso wenig abdecken.

So wird die Lösung bei dem privaten Sicherheitsdienst gesehen. Wenn der private Sicherheitsdienst direkt mit der Baden-Württembergischen Landespolizei zusammenarbeitet, handelt es sich um ein “police private partnership“. Bei der Wahrnehmung hoheitlicher Sicherheits- und Ordnungsaufgaben durch private Sicherheitsdienste wird zudem von “public private security“ gesprochen. Das staatliche Gewaltmonopol der Bundesrepublik Deutschland und der Artikel 33 Abs. 4 Grundgesetz sehen derartige Beleihungen von “Privaten“ nicht vor. Alleine Amtsträgern (Polizeibeamte, Hilfspolizeibeamte) stehen hoheitliche Eingriffsbefugnisse nach deutschen Recht zu.

Bürgermeister Truffner möchte aus Personalmangel beim städtischen Ordnungsamt zu dieser Sondermaßnahme greifen, die sich auf das Naherholungsgebiet am Tälesee beschränken und nur punktuell durchgeführt werden soll. Dabei betont er, dass sich am Tälesee nicht die Einheimischen aufhalten sondern Menschen aus Haigerloch oder Horb und „die sollen dort bleiben, wo sie herkommen“. Die Maßnahmen richteten sich dementsprechend nicht gegen die Einheimischen sondern zum Schutz der Einheimischen. Mit anderen Worten ein Rechtsverstoß gegen Fremde ist zu tolerieren.

Und so gibt es an der Empfinger “public private security“ keinerlei öffentliche Kritik – weder von der zuständigen Kommunalaufsicht noch von einer bürgerrechtlichen Organisation.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat hierzu bereits im Sommer 2018 erklärt, dass sie nicht tatenlos zusehen werde, wenn privaten Sicherheitsdiensten, durch staatliche Stellen (z. B. Kommunalverwaltungen), hoheitliche Befugnisse übertragen würden. „(…) Oliver Malchow, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), warnte deswegen: ‚Keine Übertragung hoheitlicher Rechte auf Private und Hände weg vom Gewaltmonopol.‘ (…)“ (pressreader.com, 07.07.18). Das die GdP nun zu diesem aktuellen Vorgang schweigt sollte zu denken geben.

Erst am 20.01.2020 urteilte das Frankfurter Oberlandesgericht, dass eine Übertragung hoheitsrechtlicher Aufgaben auf private Sicherheitsdienste bei der derzeitigen Rechtslage nicht möglich ist.

Ein privater Sicherheitsdienst, der im öffentlichem Raum einen Platzverweis erteilt, greift nachhaltig in die Freiheitsrechte der BürgerInnen ein und das darf auch nicht für die EinwohnerInnen aus Horb oder Haigerloch geschehen.

Artikel von Jürgen Korell und Thomas Brunst vom 28.3.2020 – wir danken!

Es war absehbar – siehe am 23. März 2020: Corona-Virus: Private Sicherheitsdienste sollen Versammlungen auflösen 

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=167880
nach oben