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Während die Besetzung Kaschmirs waffenstarrend weiter geht, eifert die indische Regierung im nächsten Angriff ihren Nazi-Vorbildern nach: Millionenfache Ausbürgerung in Assam

Speak Up! Sozialer Aufbruch und Widerstand in Indien„… Indien hat fast zwei Millionen Menschen für praktisch staatenlos erklärt: Die Regierung im nordöstlichen Bundesstaat Assam veröffentlichte am Samstag ein neues Staatsbürgerregister mit 31,1 Millionen Namen, wie indische Medien berichteten. Die 1,9 Millionen Einwohner des Bundesstaates, deren Namen nicht in der neuen Liste verzeichnet sind, haben damit praktisch keine Staatsbürgerschaft mehr. Sie haben nun 120 Tage Zeit, gegen die Entscheidung Einspruch einzulegen. Indien hat in den vergangenen Tagen zusätzliche Sicherheitskräfte in Assam stationiert, weil es Proteste erwartet. Die indische Regierung argumentiert, die neue Liste diene dazu, „illegale Einwanderer“ aus dem mehrheitlich muslimischen Nachbarland Bangladesch zu identifizieren und zurückzuschicken. Assam teilt mit Bangladesch eine rund 260 Kilometer lange Grenze, die an vielen Stellen nicht bewacht ist. Um als Staatsbürger zu gelten, mussten die Einwohner von Assam beweisen, dass sie oder ihre Familien bereits vor der Gründung von Bangladesch 1971 in Assam gelebt haben. Assam hat nach Kaschmir den zweithöchsten Anteil von Muslimen in Indien. Gut 34 Prozent der Einwohner Assams sind muslimisch, 62 Prozent sind Hindus. Kritiker sehen in dem Vorstoß der indischen Regierung den Versuch, die religiösen Minderheiten in dem mehrheitlich hinduistischen Land zu schwächen. Innenminister Amit Shah fordert seit längerem, eine Staatsbürgerschaftsregister wie in Assam für ganz Indien zu erstellen…“ – aus der epd-Meldung „Plötzlich zwei Millionen Staatenlose“ vom 31. August 2019 externer Link (hier bei der taz) über den neuen Vorstoß der fundamentalistischen Scharfmacher. Zu den reaktionären Offensiven der Modi-Regierung in Assam und Kaschmir drei weitere aktuelle Beiträge und der Hinweis auf unsere letzte Materialsammlung zu dieser Politik:

  • „Fast zwei Millionen Menschen in Indien verlieren ihre Staatsbürgerschaft“ von Viktor Funk am 01. September 2019 in der FR online externer Link zeichnet unter anderem kurz Einzelschicksale nach: „… „Ich bin und bleibe Inder“ sagt Sanaullah. Er will die Entscheidung vor einem Gericht anfechten – eine Option, die nicht alle Betroffenen haben. Vielen fehlen das Geld, die Zeit oder die Unterlagen, um beweisen zu können, dass sie indische Staatsbürger sind. Rund 1,9 Millionen Einwohner des nordöstlichen Bundesstaates Assam finden sich nicht im neuen Staatsbürgerregister mit 31,1 Millionen Namen. Sie haben damit praktisch keine Staatsbürgerschaft mehr. Die Regierung hat ihnen 120 Tage Zeit eingeräumt, gegen die Entscheidung Einspruch einzulegen. Doch in der Praxis bedeutet dies herzlich wenig. Besonders armen Indern fehlen Geburtsurkunden oder Schulzeugnisse, mit denen sie beweisen könnten, dass sie und ihre Familien bereits vor 1971 in Assam ansässig waren. „So viele echte indische Staatsbürger haben keine Papiere“, lamentiert ein Beamter im Bhramaputratal im Westen von Assam. „Sie sind arm, und es ist wirklich nicht ihre Schuld.“ Am Samstag sammelten sich überall in Assam Einwohner, um auf der neuen Liste nach ihren Namen zu suchen. In Apotheken, auf Märkten und Print Shops hatten Angestellte ihre Laptops zur Verfügung gestellt. Die Stimmung war angespannt. Mohendra Das, ein Tagelöhner, ist nicht auf der Liste zu finden. Er verdient 300 Rupien (umgerechnet 3,80 Euro) pro Tag, manchmal auch weniger. Er trägt eine gelbe Plastiktasche voller Papiere. Mehrmals ist er zu Hearings gegangen, um seine Identität zu klären. „Jedes Mal habe ich einen Tag Lohn verloren.“ Jetzt, da er ausgeschlossen ist, weiß er nicht, was er tun soll. „Brauche ich diese Unterlagen jetzt überhaupt noch?“…
  • „»Der dunkelste Tag«“ von Natalie Mayroth am 22. August 2019 in der jungle world online externer Link zum Ausmaß der Repression in Kaschmir unter anderem: „… Die Terrorgefahr weiß die indische Regierung allerdings auch für sich zu nutzen. Unmittelbar vor der Ankündigung, Jammu und Kaschmir den Sonderstatus zu entziehen, hatte Indien ­gemeldet, es gebe eine Terrorwarnung für die Region. Darauf folgten die Entsendung von Truppen, eine erste Kommunikationssperre und bald danach die totale Blockade. Dabei seien einfache Bürger in ihren Häusern eingesperrt worden, sagt Jaan Nissar Lone. »Wenn die Inder nicht an die Demokratie glauben, warum sollten wir Kaschmiris es?« fragt der aus Kaschmir stammende Musiker, der in Mumbai lebt. Politikerinnen und Poli­tiker, die für ein säkulares Indien eintreten, seien festgenommen worden, so Lone. Darunter ist die ehemalige Regierungschefin Kaschmirs (2016 – 2018), Mehbooba Mufti (PDP). »Heute ist der dunkelste Tag der indischen Demokratie«, twitterte sie kurz vor ihrer Inhaftierung am 5. August. Durch die einseitige Entscheidung der Bundesregierung mache Indien sich zu einer Besatzungsmacht, schrieb sie weiter, seit diesem Tag gab es keine weiteren Tweets mehr. Ihre Tochter Iltija Mufti sagte ausländischen Medien, die internationale Gemeinschaft müsse handeln, denn die Menschen in Kaschmir seien »wie Tiere eingesperrt« und sie habe Angst um ihr Leben. Agenturen meldeten mutmaßliche Übergriffe von Polizisten und Soldaten auf Kaschmiris, während die Regierung friedliche Bilder aus dem Bundesstaat verbreitete. Erst allmählich wird das Ausmaß der Repression in Jammu und Kaschmir deutlich...“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=153843
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