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Völkergefängnis Kaschmir – der Alltag des indischen „Safran-Faschismus“

Speak Up! Sozialer Aufbruch und Widerstand in Indien

Speak Up! Sozialer Aufbruch und Widerstand in Indien

… Kaschmir ist derzeit nahezu vollständig von der Außenwelt abgeschnitten. Internetservice, Mobilfunknetz, Festnetz und kaschmirische Fernsehsender wurden blockiert und abgeschaltet. Mindestens 600 Politiker*innen und Aktivist*innen aus Kaschmir wurden von der indischen Regierung unter Hausarrest gestellt. (…) Geschäfte, Schulen, Büchereien, Tankstellen, Banken und Regierungsbüros blieben geschlossen. Nur einzelne ATM´s, Apotheken und Polizeistationen waren offen. Die Bevölkerung leidet unter mangelnder Nahrung und medizinischer Versorgung. Auch in der Zeit des BakrEid, des islamischen Opferfestes vom 10. August bist zum 14. August, ist diese Situation schlimm, da keine Lebensmittel gekauft werden können und nicht in der Moschee gebetet werden darf. Vor allem die Arbeiterklasse Kaschmirs leidet unter der Ausgangssperre sehr. Keine der von der indischen Solidaritätsdelegation interviewten Personen, außer ein Pressesprecher der Regierungspartei BJP (Bharatiya Janata Party), unterstütze die Aufhebung von Artikel 370 und 35A und die Art und Weise, wie diese erfolgte. Bisher konnte der Bundesstaat Jammu und Kaschmir alle Angelegenheiten, die weder Verteidigung noch Außenpolitik betrafen, selbst regeln. Die Zentralregierung in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi bedurfte zur Umsetzung von Maßnahmen der Einwilligung der Landesregierung von Jammu und Kaschmir.  Dieser Autonomie-Paragraph diente im Jahre 1947 dazu, die Beziehung zwischen der indischen Zentralregierung und der Regierung Jammu und Kaschmir zu regeln, und diesen zu integrieren. Für viele Menschen in Kaschmir ist dieser Artikel identitätsstiftend. Jetzt nach seiner Aufhebung, ist es der Zentralregierung in Neu-Delhi nun möglich, das Gebiet komplett zu vereinnahmen.  (…) Am 9. August protestierten 10.000 Menschen friedlich in Soura (Srinagar). Das indische Militär antwortete mit Gewalt und benutzten Streumunition. Zahlreiche Menschen wurden stark verletzt, einige verloren ihr Augenlicht. Erschreckend ist ebenfalls, dass sehr junge Kinder, vor allem Jungen, entweder von der Straße oder in der Nacht aus ihren Betten geholt und von der indischen Polizei für Tage inhaftiert und geschlagen werden. Einige Kinder sind noch nicht zurückgekehrt. Diese Strategie diene dazu, Angst unter der kaschmirischen Bevölkerung zu schüren. Frauen* und Mädchen* werden vom indischen Militär sexuell belästigt...“ – aus dem Beitrag „Geplante Eskalation“ von Chandrika Yogarajah am 20. August 2019 beim Lower Class Magazin externer Link, worin auch eine historische Skizze der Entwicklung Kaschmirs gegeben wird und ein knapper Einblick in die Widerstandsbewegungen der Region. Siehe dazu auch einen exemplarischen Beitrag bundesdeutscher Medien über die Ereignisse in Kaschmir und vier weitere Beiträge, die der Beseitigung von Verfassungsartikeln durch das Modi-Regime weitaus kritischer gegenüber stehen, sowie eine südasiatische Solidaritätserklärung mit Kaschmir – und den Hinweis auf unseren bisher letzten Beitrag zur Annexionspolitik der rechtsradikalen Modi-Regierung:

„Tote bei Gefechten in Kaschmir“ am 20. August 2019 bei der Deutschen Welle externer Link meldet in Unterstützung der indischen Aggression durch verschleiernde Formulierungen: „… Anfang August hatte Indien dem indischen Teil der Kaschmir-Region den Autonomiestatus entzogen und damit die Spannungen im Verhältnis zu Pakistan schlagartig erhöht. Seitdem nehmen die Auseinandersetzungen entlang der Kontrolllinie, der De-facto-Grenze zwischen den beiden Ländern im der Region Kaschmir, wieder zu. Mit der Neuregelung will die Führung in Neu Delhi das hauptsächlich von Muslimen bewohnte Gebiet stärker in das mehrheitlich hinduistische Indien integrieren. Bisher hatte die Region unter anderem eine eigene Verfassung und weitgehende politische Kompetenzen. Viele Kaschmirer sind gegen die Neuregelung. Aus Sorge vor Protesten hatte die Regierung mehrere Zehntausend Soldaten in die bereits militarisierte Grenzregion zu Pakistan geschickt. Pakistan beansprucht das Gebiet ebenfalls und bezeichnete die Abschaffung des Autonomiestatus als „illegal“. Seit der Unabhängigkeit des früheren Britisch-Indiens und der Trennung in Indien und Pakistan im Jahr 1947 haben die beiden Atommächte bereits zwei Kriege um Kaschmir geführt...“

„Kashmir Valley has seen many a lockdown but why this time it is so different“ am 19. August 2019 bei der IFJ externer Link ist ein Beitrag der Journalistenföderation, der schon direkter zur Sache kommt: Noch nie sei bei indischen Aktionen in Kaschmir die Medien-Blockade so aggressiv und total gewesen – MedienvertreterInnen sind weiterhin „not welcome“, trotz aller Angaben über Wiederzulassung dieser oder jener Informations- und Kontaktkanäle…

„“One Solution, Gun Solution”“ von Danish Siddiqui am 16. August 2019 im Caravan Magazine externer Link ist eine ausführliche Reportage aus dem besetzten Kaschmir direkt nach dem Einmarsch der indischen Armeeeinheiten  – unter anderem mit Gesprächen mit Angehörigen festgenommener Funktionäre der Kommunistischen Partei (ganz besonders des muslimischen Fundamentalismus verdächtig – jedenfalls in Augen des hinduistischen Fundamentalismus) und weiteren Verhafteten, unter Hausarrest stehenden unter Beobachtung stehenden Politikern, aber auch sozialer Aktivisten. Dies alles in einer Atmosphäre, die durch unendlich viel Stacheldraht und Armee-Kontrollen geprägt wird.

„Normalization of Hindutva politics and Saffron modernity in India“ von Chetan Sinha am 20. August 2019 bei Countercurrents externer Link ist ein Beitrag, der zum Thema hat, wie die fundamentalistische („Safran“) Modernisierung des Landes zum wesentlichen Inhalt hat, Minderheiten – auch so riesige Minderheiten wie die über 200 Millionen InderInnen muslimischen Glaubens – zu „hinduisieren“ oder aber: Sie zu vertreiben. Eine ausgesprochen interessante Analyse des Hindu-Fundamentalismus aktueller Prägung, der eben auch anders ist, als er es in seiner traditionellen Form war.

“Kashmir Has Been Turned Invisible” von Samreen Mushtaq und Mudasir Amin am 19. August 2019 im Jacobin Magazine externer Link ist ein Beitrag, der vor allem darauf abzielt nachzuzeichnen, wie regionale politische Kräfte in Kaschmir über Jahrzehnte hinweg für die indische Vorherrschaft gearbeitet haben – und nun wurden zahlreiche ihrer „Exponenten“ zum Dank dafür entweder verhaftet, unter Hausarrest gestellt oder mit Betätigungsverbot belegt…

„South Asia Solidarity with Jammu and Kashmir“ am 16. August 2019 im South Asian Citizens Web externer Link ist eine Solidaritätserklärung aus akademischen Kreisen sowohl aus Südasien, als auch mit Südasien befasster Wissenschaftler, in der das indische Vorgehen und die faktische Abschaffung der Verfassung samt des „historischen Kompromisses“ zu Kaschmir scharf kritisiert wird und darauf verwiesen, dass dies für die ganze Region – und nicht etwa nur für Pakistan – eine völlige Änderung der Situation bedeute. Unterzeichnet von bisher knapp 350 Menschen.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=153448
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