Das Ende einer Großideologie? Mit dem Green New Deal gegen Neoliberalismus?

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 6.11.2019 – wir danken

degrowth 2014Endet diese Ära der Ungleicheit mit der Wirtschaftsideologie des Neoliberalismus? Der Neoliberalismus – mit seinem entgültigen Durchbruch in den 1970-er bzw. 1980-er Jahre nach dem „Ende von Bretton Woods“ und der damit beginnenden „Entfesselung“ der Finanzmärkte schuf eine neue Ära – vor allem der Ungleichheit – entpuppt sich doch als Großideologie der absoluten Marktfreiheit – für das Finanzkapital – als defizitär für die Überlebensfähigkeit der Gesellschaften (siehe schon die Unfähigkeit zur „großen ökologischen Transformation“ (https://www.labournet.de/?p=156370). Nun hat eine amerikanische Historikerin, Jill Lepore, in den langen historischen Abläufen diese Geschichte – vor allem für die USA – aufgezeichnet – und das wird jetzt gerade aktuell komplettiert durch Naomi Klein mit ihrem Plädoyer für einen Green New Deal.

Der Green New Deal greift zurück auf das Programm von Franklin D. Roosevelt. Mit diesem „New Deal“ genannten Programm hat der US-Präsident Franklin D. Roosevelt ab 1933 – als er gewähtlt worden war – geholfen die Folgen der Weltwirtschaftskrise zu überwinden. Und daran knüpft nun Naomi Klein an. (https://taz.de/!5638419/ externer Link)

Die moderne Version dieses Programms hat nun die demokratische Abgeordnete Ocasio-Cortez in den US-Kongress eingebracht. Und Naomi Klein unterstützt dieses Programm jetzt mit einem Buch „Warum nur ein Green New Deal unseren Planeten retten kann“.  (https://www.deutschlandfunkkultur.de/naomi-klein-fordert-green-new-deal-radikaler-appell-fuer.950.de.html?dram:article_id=462428 externer Link)

Man kann dieses Buch als Kampagnenschrift für den demokratischen US-Wahlkampf lesen, jedoch noch viel mehr als einen Versuch diese Idee des Green New Deal auch – entsprechend den Anforderungen der weltweiten Klimakrise – vor allem zu internationalisieren. Und beides ist so wichtig, da gerade auch US-Präsident Trump den Austritt der USA aus dem Pariser Klimaschutzvertrag verkündet hat. (https://taz.de/USA-treten-aus-Klimaabkommen-aus/!5639055/ externer Link)

Nun gilt es also auch diese Idee des Green New Deal zu internationalisieren, diese „House-Resolution 109“ soll eine Versorgung aus erneuerbarer Energie sicherstellen und insgesamt klimaneutral werden. Aber die dafür erforderliche Abschaffung der Kohle- und Ölindustrie muss gleichzeitig allen BürgerInnen gute und ausreichend bezahlte Arbeitsplätze garantieren. (https://taz.de/!5638419/ externer Link)

Und jetzt noch gleichzeitig das Ende der Großideologie Neoliberalismus – mit Naomi Klein speziell zum Green New Deal, aber auch nicht zuletzt mit der US-Historikerin Jill Lepore anhand der Geschichte der USA.

Die Historikerin Jill Lepore („Diese Wahrheiten – Eine Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika“) findet – zusamen mit vielen Historikern – ein Vergleich von Nixon und Trump ist idiotisch, Jill Lepore hat für ihr Buch noch alle lebenden Historiker angerufen, die an einer Untersuchung von 1974 über Präsidenten in der Geschichte der USA beteiligt waren, die eines Fehlverhaltens im Amt schuldig gemacht hatten. Und alle haben gelacht, als ich sie fragte, ob Nixon jetzt mit Trump und seinem Amtsenthebungsverfahren zu vergleichen sei: Der Vergleich mit Nixon sei idiotisch. Nixon hatte ein Rechtsbewußtsein – auch in dem Moment, als er das Recht gebrochen hatte. (https://www.fr.de/kultur/donald-trump-richard-nixen-vergleich-idiotisch-nixon-hatte-rechtsbewusstsein-13175282.html externer Link)

Lepore stützt sich in ihrer Geschichte eben auf die Werte Lincolns und einer von den drei Werten ist neben Demokratie die Gleichheit. (https://www.theguardian.com/books/2019/jan/26/these-truths-review-jill-lepores-lincoln-us-history externer Link)

Es war ein Fehler in den 1980-er und 1990-er Jahren eine Globalisierung loszutreten, ohne die Notwendigkeit zu sehen, den Nationalstaat als liberale (der Ausdruck in den USA bedeutet auch sozial – siehe Paul Krugman „The conscience of a liberal“: https://krugman.blogs.nytimes.com/ externer Link) Körperschaft zureichend zu stützen.

Und es ist schwierig nur amerikanische Gründe für die Wahl von Trump anzuführen, wenn es Trump-ähnliche Figuren in ganz Europa gibt. Es sind eindeutig Kräfte am Werk, die größer sind als eine Nation, um rechte, populistische und nationalistische Politiker in den verschiedenen Teilen der Welt an die Macht zu bringen.

Die populistischen Kräfte erwuchsen aus der sozialen Ungleichheit, den Fehlern der ökonomischen Globalisierung und den Menschen, die durch den technologischen Wandel zurückgelassen wurden. Und sie beinhalten das Versagen der „Ideen“ – eben eines Lincoln – die nur einer ungehemmten Globalisierung – eben ohne Staat – das Wort redeten. (Vgl. zum Beispiel für Deutschland den Abschnitt „Der Weg zum großen Kurswechsel“ bei Stephan Schulmeister (https://www.prozukunft.org/v1/der-weg-zur-prosperitaet/ externer Link) auf den Seiten 99 f.)

Das hatte dann zur Folge, dass nur noch die Rechten es waren, die über einen Nationalstaat redeten – und sich zu den einzigen Nationalisten machten. Das hat dann eben auch den Weg geebnet für Politiker wie Trump in den USA. (https://www.fr.de/kultur/donald-trump-richard-nixen-vergleich-idiotisch-nixon-hatte-rechtsbewusstsein-13175282.html externer Link)

Mit diesem großen historischen Überblick über die Geschichte der USA hat die Historikerin Lepore einen gewaltigen Einblick in die Geschichte der USA (https://www.thesetruthsbook.com/ externer Link) – sowie in die immer wieder kehrende Dummheit – vor allem in ökonomischen Dingen – vorgelegt. Die USA versucht jetzt gerade wieder mit dem Green New Deal diese Fehlentwicklung im ökonomischen Denken zu überwinden. (https://www.vox.com/energy-and-environment/2018/12/21/18144138/green-new-deal-alexandria-ocasio-cortez externer Link) Dieses Werk von Jill Lepore stand in den USA gerade wochenlang auf den Bestsellerlisten!

Aber in Deutschland unter einem sozialdemokratischen Finanzminister findet die alte neoliberale Leier noch ihre ziemlich ungebrochene Fortsetzung .

Einschub: Der Neoliberalismus wurde mit „fake news“ über die Ursache der Weltwirtschaftskrise 1929 ff. begründet.

An dieser Stelle muss ich dringend empfehlen, sich noch einmal in dem Opus Magnum von Stephan Schulmeister (https://www.prozukunft.org/v1/der-weg-zur-prosperitaet/ externer Link) das Kapitel „Restauration der Marktreligiosität: Gegenaufklärung bereitet den Boden für den Wechsel der „Spielanordnung“ auf den Seiten 75 ff. anzuschauen, weil hier klar wird, dass die Neoliberalen – deren Maximen auch die Sozialdemokratie mit ihrer „Wende“ am Anfang des 20. Jahrhunderts unter Gerhard Schröder zu huldigen begann – Freiheit mit Unabhängigkeit verwechseln.

Dies kann an Franklin Roosevelts Begründung für die „Economic Bill of Rights“ (Januar 1944) verdeutlicht werden: „Wahre persönliche Freiheit kann es ohne wirtschaftliche Sicherheit nicht geben. Hungrige Menschen ohne Arbeit sind der Stoff, aus dem Diktaturen gemacht werden.“

Und wer fragt – gerade in der Sozialdemokratie heute, die dafür historisch mit einer gewissen Sensibilität ausgestaltet sein sollte – trotz der ständig wachsenden weltweit immer weiter steigenden Ungleichheit (https://www.perlentaucher.de/buch/anthony-atkinson/ungleichheit.html externer Link) – noch danach, wem die Theorien nützen?

Mit ihrer These, dass die Regulierung von Finanzmärkten unnötig sei,weil destabilisierende Spekulation sich selbst eleminiere. (Oh, das konnten wir in der letzten Finanzkrise so schön erleben – und es geht mit der Bankenrettung ja immer weiter so! (Siehe dazu auch Gerhard Schick von „Finanzwende“: https://gerhardschick.net/category/themen/finanzmaerkte/nachhaltige-finanzmaerkte/ externer Link oder auch noch 10 Jahre Finanzkrise: https://gerhardschick.net/2017/08/17/10-jahre-krise-finanzwende-steht-noch-aus/ externer Link)

Deshalb sei ja in einer freien Marktwirtschaft eine aktive Konjunkturpolitik ohnehin nicht nötig. (Friedman) Es sei ja gerade der Staat der schwere Störungen verschulde (sic!) So wurde die neoliberale Theorie zur ideologischen Waffe – zum Nutzen des Finanzkapitals. Und so musste gerade die Überwindung der Weltwirtschaftskrise 1929 f. durch den amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt durch die „Neoliberals“ auch noch umgedeutet und verdreht werden:

Deshalb versuchte Friedman – gemeinsam mit Anna Schwartz – am Beispiel dieser Deperession der 1930-er Jahre zu zeigen, dass diese Krise durch die Notenbank – eine staatliche Institution! – verursacht und vertieft wurde. (Schulmeister, S. 87 f. – bzw. ausführlich noch Stephan Schulmeister „Die Große Depression, der New Deal und ihre Bewertung… “ (https://www.econstor.eu/bitstream/10419/129032/1/wp_483.pdf externer Link pdf)

Also „fake news“ sind keine Erfindung von Trump, sondern bilden die Basis für die Verbreitung des Neoliberalismus.

Zwischendurch sei uns ein Blick in die Literatur einer Dystopie gestattet: Müssen wir uns in einer Dystopie mit einer zwanghaft durchgestzten Ideologie wieder finden?

Robert Harris hat dies in seiner Dystopie über zwanghaft durchgesetzte Ideologien „Der zweite Schlaf“ – im Rückblick aus einer fernen weit vor uns liegenden Zeit (https://www.zeit.de/angebote/buchtipp/harris/der-zweite-schlaf/index externer Link) – gemäß Bernd Graf so auf den Punkt gebracht wie Goya in seinem „Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer“ (https://www.wikiwand.com/de/Der_Schlaf_der_Vernunft_gebiert_Ungeheuer externer Link) – und wie schon bei Eco (Namen der Rose) schickt Harris seinen Helden in ein Rennen um einen unerbittlichen, geheim gehaltenen Glaubensstreit – und es geht auch bei Harris um die – natürlich mittelalterliche – Deutungshoheit, um das, was gesagt und gewusst werden darf. (https://www.sueddeutsche.de/kultur/robert-harris-portrait-schriftsteller-der-zweite-schlaf-1.4663042?reduced=true externer Link) – Und je mehr der Held weiß und von dieser Welt erfährt, umso mehr erweist sich diese Ordnung als brüchig…

Und nach diesem dystopischen Blick wieder „zurück“ in unsere Welt:

Und so wurde und wird heutzutage wieder der Boden bereitet für den Populismus. – Aber die Sozialdemokratie ist in ihrer ideologischen – neoliberal fundierten – Verblendung (vgl. wie der Finanzminister von der SPD mit den Großkonzernen in den Steueroasen für Steuerhinterziehung steht, um das Finanzkapital zu mehren (https://sven-giegold.de/bundesregierung-eu-steueroasen/ externer Link) jetzt langsam am Verschwinden – wenn sie nicht zu einer Kehrtwende finden kann.

Ende des Einschubs.

Deshalb noch einmal zurück zu Jill Lepore, der Historikerin:

Der Populismus trat durchaus auch schon am Ende des 19. Jahrhunderts auf – und ist seitdem auch nicht mehr  verschwunden. Zunächst war es ein Populismus der Linken – kein Sozialismus, wenn er auch große Verwandtschaft mit ihm hatte. Als der Sozialismus in Europa auftrat, trat zur selben Zeit ein linker Populismus in den USA auf. Er vereinte Lohnarbeiter und Farmer und schloss eine Kritik an Konzernen und Finanzoligarchien ein und an der wachsenden Monopolisierung der Wirtschaft.

Der Weg, der zum Verschwinden dieses Populismus führte, war der, dass fortschrittliche Reformer im frühen 20. Jahrhundert – von den 1890-ern bis hin zu den 1930-er Jahren, mit dem New Deal von Franklin Roosevelt, die Klagen und Beschwerden der Arbeiter und Farmer ernst nahmen. (https://www.fr.de/kultur/donald-trump-richard-nixen-vergleich-idiotisch-nixon-hatte-rechtsbewusstsein-13175282.html externer Link) Und immerhin stieg mit dem New Deal zwischen 1933 und 1937 um 43 Prozent, (vgl. Schulmeister, aao., Seite 43 – aber auch noch die Seite 10 sowie die Seite 73)

Nun wurden eben Konzerne reguliert, sodass die starke Ungleichheit beim Einkommen abnahm. Das war in dieser Ära wirklich erfolgreich. (Vgl. zum New Deal und auch dem „Glass-Steagall-Act“ (Trennbanken), der erst von Clinton in den 1990-ern wieder aufgehoben wurde…. – mit dem letztendlich dann wieder klaren „Erfolg“ der Finanzkrise 2008 f.: https://stephanschulmeister.wifo-pens.at/fileadmin/homepage_schulmeister/files/New_Deal_Keynes_Gesellschaft_2015.pdf externer Link pdf – und weiter zur Finanzkrise 2008 f.: https://www.bundestag.de/resource/blob/583094/85832e07b1fc8e1b24b78d729f5e76c7/Dr-Stephan-Schulmeister-data.pdf externer Link pdf)

Diese Geschichte hat Jill Lepore in ihrem großen Werk „Die Wahrheiten“ für die USA noch einmal ausführlich zusammengefasst. (https://www.chbeck.de/lepore-wahrheiten/product/27670813 externer Link)

Und vielleicht können diese Erkenntnisse doch auch noch hierzulande – diesseits der heuchlerischen AfD – ihre Wirkung entfalten? Oder müssen wir mit diesen „unseren“ Politikern weiter in der Unfähigkeit zur „Großen Transformation“ verharren – und uns damit dieser Dystopie von Robert Harris „entsprechen“, dass unser Denken über ökonomische Dinge einfach weiter einem Denkverbot im Interesse des Finanzkapitals erhalten bleibt? (https://www.labournet.de/?p=156370)

Am plastischten hat das der Kabarettist Georg Schramm in seiner bekannten Philippika (= leidenschaftliche Rede) der Krieg der Reichen gegen die Armen uns nahe gebracht, indem er den Super-Reichen Warren Buffet einfach mit seiner klaren Analyse zitiert. (http://friedensblick.de/5119/georg-schramm-wir-befinden-uns-im-krieg/ externer Link)

Und die Netzfrauen haben diesen Zustand noch einmal ganz differenziert vorgetragen. (https://netzfrauen.org/2016/01/18/reiche/ externer Link)

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 6.11.2019 – wir danken

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=156922
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