Wie schaffen wir die „große ökologische Transformation“?

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 24.10.2019 – wir danken!

Wie schaffen wir es in dieser „Zangenkrise“ (Klaus Dörre), von der jetzt zunächst die extremen Rechten (AfD) politisch profitieren können, diese durch die Gestaltung einer großen Tranformation zu überwinden? (https://www.fr.de/kultur/landtagswahlen-thueringen-will-ungleichheit-profitieren-13157988.html externer Link)

Ein großer Forschungsverbund von Sozialwissenschaftlern haben sich dem für die Bevölkerung weiter Landstriche empfundenen Kontrollverlust, von dem – insbesondere im Osten Deutschlands – immer weniger Menschen profitiern können, umfassend gewidmet. (https://www.springer.com/de/book/9783658259464 externer Link). Und nun stehen die Dynamisierungsimperative der Wachstumsgesellschaft selbst zur Disposition. (https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/200953000?context=projekt&task=showDetail&id=200953000 externer Link) In einer großen Abschlusskonferenz an der Jenaer Universität wurden dann die Ergebnisse breit vorgestellt. (https://www.great-transformation.uni-jena.de/kgtmedia/Programm/Hauptprogramm.pdf externer Link pdf)

Mit Blick auf die Landtagswahl in Thüringen hat Klaus Dörre, einer der wesentlichen Projektmanager dieses Projektes zur Großen Transfomation, diese zugespitzt auf die Situation des ostdeutschen Landes Thüringen noch einmal speziell ausgeführt. (https://www.fr.de/kultur/landtagswahlen-thueringen-will-ungleichheit-profitieren-13157988.html externer Link) Und das politisch so ernüchternde Ergebnis seiner Darlegungen ist: Setzt man allein auf Preismechanismen und die Besteuerung von Verbrauchern, wird das vor allem zu größeren Belastungen der kleinen Portemonnaies führen – obwohl zunächst feststellbar ist, dass die obersten zehn Prozent der Einkommensbezieher weltweit 49 Prozent der klimaschädlichen Emmissionen verursachen, die untere Hälfte dagegen lediglich 3 Prozent. (https://www.fr.de/kultur/landtagswahlen-thueringen-will-ungleichheit-profitieren-13157988.html externer Link)

So stellt Klaus Dörre als herausragende Schlussfolgerung fest: Das klimapolitische Ziel, die Wirtschaft bis 2050 vollständig zu dekarbonisieren, verwandelt den industriellen Klassenkonflikt in einen sozialökologischen Transformationskonflikt. (https://www.fr.de/kultur/landtagswahlen-thueringen-will-ungleichheit-profitieren-13157988.html externer Link) Und hierfür ist die Zivilgesellschaft ein sehr wesentlicher Handlungsfaktor, der nicht „obrigkeitlich“ ausgeschaltet bzw. behindert werden sollte. (https://www.heise.de/newsticker/meldung/Petitionsportal-Campact-verliert-Gemeinnuetzigkeit-4561692.html externer Link)

Und diese beiden Konfliktdynamiken sind wiederum auf mindestens drei Handlungsfeldern miteinander verschränkt. Das heißt, wir benötigen eine Nachhaltigkeitsrevolution, die freilich nicht ohne Sicherheitsgarantien für die Beschäftigten der Karbonbranchen zu haben sein wird.

Radikale Dekarbonisierung verbunden mit staatlichen Beschäftigungsgarantien – das ist der Kern eines Green New Deal (https://www.boell.de/de/navigation/oekologische-marktwirtschaft-green-new-deal-6656.html externer Link und https://www.zeitschrift-luxemburg.de/debatte-green-new-deal-teil-iii-den-green-new-deal-nicht-ablehnen-sondern-instandbesetzen/ externer Link), wie ihn auch die Democratic Socialists in den USA vorschlagen. (https://socialistforum.dsausa.org/issues/winter-2019/a-class-struggle-strategy-for-a-green-new-deal/ externer Link)

Politisch könnte in Deutschland die weitere Stabilisierung einer solchen Perspektive mit einer Rot-Rot-Grünen Koalition wie in Thüringen wegweisend wirken. (https://taz.de/Landtagswahl-in-Thueringen/!5633124/ externer Link) Deshalb bleibt die wichtigste Frage für diese Wahl in Thüringen: Kann eine Regierung weitermachen, die in Deutschland nicht nur einzigartig, sondern auch bedeutsam für die politische Kultur ist? Diese Problemvertiefung könnte auch für die weiteren Diskussionen interessant werden…

Medien versuchen – im bisherige Medien-Regeln sprengenden Experiment – wie Rezzo es so gut vorgemacht hatte – in den Zeiten von „Friday for Future“ in einer angemesseneren Realitätsbeobachtung des Klimawandels (http://www.onefish.org/pariser-abkommen/ externer Link) diesem gerecht zu werden: Muss die Politik – zusammen mit den uns unterrrichtenden Medien – lernen, dass einerseits ihr bisheriger neoliberaler Paradigmen-Rahmen sie zum Scheitern verdammt, während andererseits die notwendigen regelgesetzten Beschränkungen sie aus dem „Amte“ fegen könnten.

Ich glaube, solche „Verschiebungen“ der öffentlichen Wahrnehmung hin zu einer klareren Realitätsbeobachtung hätten den begeisterten Demokraten Wolf-Dieter Narr (https://www.lebenshaus-alb.de/magazin/012571.html externer Link), wenn er sie noch hätte wahrnehmen können, einfach auch gefreut…

Der junge Youtuber Rezo hatte das systematisch so gut vorgeführt – über eine Million Klicks – dass sich die Medien eben jetzt doch ihre jeweils eigene suchen. (siehe noch einmal Rezo (https://www.youtube.com/watch?v=4Y1lZQsyuSQ externer Link )  Nun entdecken also auch noch zusätzlich die Medien ihre faktische Mittlertätigkeit… nachdem es Rezzo vorgemacht hatte … zwischen der Zivilgesellschaft, die gerade auch durch die Finanzverwaltung völlig sach- und demokratiewidrig unter Druck gesetzt wird (https://aktion.campact.de/gemeinnuetzigkeit/appell/teilnehmen-tw externer Link) und der praktisch werdenden Politik, die wiederum diesen Druck rausnehmen könnte. (Vgl. die Übersicht bei https://www.labournet.de/?p=12955)

So hat die „Süddeutsche“ jetzt gerade erst einmal das Projekt „Werkstatt Demokratie“ angestoßen (https://www.sueddeutsche.de/thema/Werkstatt_Demokratie externer Link). Und in Kooperation mit der Nemetschek-Stiftung (https://www.nemetschek-stiftung.de/stiftung-personen/ externer Link) setzen die LeserInnen das Thema. Und jetzt votierte eine Mehrheit bei der Online-Abstimmung für „Klimakrise – wie retten wir die Zukunft?“. Jetzt macht gerade den Anfang Michael Bauchmüller mit „Wir müssen schon mehr wollen.“ (https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/werkstatt-demokratie-klimakrise-1.4638313 externer Link) –  wenn wir den gesetzten klimapolitischen Zielen des Pariser Klima-Abkommens gerecht werden können.

Nachdem das bisherige Klimapaket der Bundesregierung so etwas wie ein „Rohrkrepierer“ war, weil die Politik davor zurückschreckt auch Verbote einzusetzen. um auf einen klimafreundlichen Pfad zu gelangen. (Michael Bauchmüller) haben die Politiker – leider – mehr die Gegenwart ihrer möglichen politischen Mehrheiten im Blick als die Zukunft – aus Angst ihren politischen Rückhalt zu verlieren. (Vgl. dazu „Millionenfache Unterstützung zum Klimawandel gab es schon: Mit „Fridays for Future“ millionenfach gegen den Klimawandel“ auf der Seite 6 f. bei https://www.labournet.de/?p=155184)

Die Abkehr von den Pariser Klimazielen sprang einem ja bei dem Klimapaket der Bundesregierung direkt ins Gesicht. Der Koordinierungskreis von „Friday for Future“ twitterte zu diesem Plan aus Berlin: „Das ist kein Durchbruch, sondern ein Ekklat“. (https://taz.de/Ergebnisse-aus-dem-Klimakabinett/!5627718/ externer Link)

So zeigt diese Klimaprogramm eigentlich nur, wie schwer sich ein zukunftsfähiges Deutschland gegen die Gegenwartsinteressen organisieren lässt – selbst dann wenn freitags die Zukuft dieses Landes auf die Straße geht. (https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/werkstatt-demokratie-klimakrise-1.4638313 externer Link)

Mißtrauen der Bevölkerung gegen die Politik ist dabei kein allein deutsches Phänomen, das hat auch die Gelbwesten-Bewegung in Frankreich offengelegt, die dafür zunächst vor allem als rechtsextrem-nationalistisch diffamiert wurde. (https://www.sueddeutsche.de/politik/frankreich-warnsignale-von-unten-1.4637710 externer Link)

Es ist also an der Zeit diese Bewegungen von unten angemessen einzuordnen, wenn die Politik mit ihrem Latein – gerade durch eine neoliberal-ideologische Beschränkung – an ihr Ende gelangt sit. (Vgl. z.B. auch die Seite 3 bei https://www.labournet.de/?p=155184)

Wie verschieden trifft der erforderliche Klimaschutz die verschiedenen Bevölkerungsgruppen? – Der ökologische Fussabdruck – (https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/serie-werkstatt-demokratie-klimaschutz-ist-eine-frage-des-geldes-1.4641338 externer Link)

Auto fahren, Fleisch essen, heizen – all das schadet dem Klima. Wenn das alles teurer wird, trifft es nicht unbedingt die größten Klimasünder am härtesten. Geklärt werden kann das vorläufig mit dem „ökologischen Fußabdruck“ – und wie sich dieser im jeweiligen Falle verringern lässt. Die Süddeutsche bringt dazu vier Beispiele fiktiver Personen, um dieser Frage auf den Grund zu gehen. (https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/serie-werkstatt-demokratie-klimaschutz-ist-eine-frage-des-geldes-1.4641338 externer Link)

CO2-Bepreisung – auch noch sozialverträglich gestaltet.

Um die „Klimaschädlinge“ zu reduzieren wird von Fachleuten gerade die Verteuerung des CO2-Preises vorgeschlagen. Die Experten des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) (https://www.mcc-berlin.net/en.html externer Link) empfehlen zum Beispiel diese höheren CO2-Preise (https://www.mcc-berlin.net/en/policy-dialogue/carbonprice.html externer Link) zusammen mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschun (DIW), das jedoch zusätzlich eine Sozialverträglichkeit der CO2-Bepreisung vorschlägt. (https://www.diw.de/sixcms/detail.php?id=diw_01.c.673222.de externer Link)

Gerade die Gelbwesten-Bewegung (siehe oben) hat gezeigt, wie eine alleinige Verteuerung politisch aus dem Ruder laufen kann. Die notwendige ökologische Transformation wird besser über Regeln vorgenommen.

Der Soziologe Klaus Dörre beschäftigt sich mit diesem Spannungsfeld aus ökologischer Transformation und sozialer Gerechtigkeit und erklärt mit dem Preis setze man beim Konsumenten an. Das hält er für einen effizienten Klimaschutz für grundsätzlich falsch. (https://www.freitag.de/autoren/elsa-koester/die-leute-brauchen-sicherheit externer Link) Dörre findet es wichtig in diesem für die Menschhiet so wichtigen Transformationsprozess die Individuen von diesen Entscheidungszwängen zu entlasten. Strikte Regeln sind für Klaus Dörre daher ein besserer Weg. Zum einen, weil sie Reich und Arm gleichermaßen treffen. Und zum anderen, weil sie wirkungsvoller sind. (https://www.freitag.de/autoren/elsa-koester/die-leute-brauchen-sicherheit externer Link)

Axel Troost sieht diese Auseinandersetzung zwischen CO2-Bepreisung und strikten Regeln pragmatisch: Die CO2-Bepreisung ist weder Superheld – noch Superschurke. (https://www.axel-troost.de/de/article/10070.co2-preis-weder-superheld-noch-superschurke.html externer Link)

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 24.10.2019 – wir danken!

Siehe zum Hintergrund im LabourNet Germany auch:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=156370
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