Die ILO beauftragt beim internationalen Gerichtshof ein Rechtsgutachten zum Schutz des (politischen) Streikrechts

Kampagne für ein umfassendes StreikrechtVom 6. bis 8. Oktober beginnt der Internationale Gerichtshof (IGH) mit öffentlichen Anhörungen im Zusammenhang mit der Bitte um ein Gutachten zum Streikrecht. Der Verwaltungsrat der ILO externer Link hat die Frage im Jahr 2023 im Rahmen des ILO-Übereinkommens Nr. 87 externer Link über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes an den IGH verwiesen. Zwanzig Staaten und fünf internationale Organisationen haben ihre Absicht bekundet, an den mündlichen gerichtlichen Anhörungen teilzunehmen. Der vom Gericht beschlossene Zeitplan der Anhörungen kann hier externer Link eingesehen werden. Der IGB wird am ersten Anhörungstag von10:15 bis 11:15 Uhr MESZ vor Gericht sprechen. Die Anhörungen werden live und auf Abruf in den beiden Amtssprachen des Gerichtshofes (Englisch und Französisch) auf der Webseite des IGH externer Link und auf UN Web TV externer Link übertragen…“ IGB-Meldung vom 7. Oktober 2025 externer Link („Streikrecht: Gericht beginnt Anhörungen“) – siehe mehr Infos:

  • Das (deutsche) Arbeitsrecht ist permanenter Völkerrechtsbruch: Der Internationale Gerichtshof prüft auch das Recht auf allgemein politische Proteststreiks New
    Ist das Streikrecht durch eine Bestimmung der Internationalen Arbeitsorganisation völkerrechtlich geschützt? Der Internationale Gerichtshof soll das jetzt prüfen
    In Griechenland haben Gewerkschaften am 14. Oktober zum Generalstreik gegen die Verlängerung der täglichen Arbeitszeit auf maximal 13 Stunden aufgerufen, in Belgien zum Streik gegen die geplanten Kürzungen der Renten und in Italien wenige Tage vorher gegen den Völkermord im Gaza. Und die Behauptung, politische Streiks seien nie erfolgreich, wird durch das jüngste Angebot der französischen Regierung widerlegt, die Erhöhung des Renteneintrittsalters bis Anfang 2027 auszusetzen. Dagegen waren die Beschäftigten immer wieder während ihrer Arbeitszeit auf die Straße gegangen. Ist es nicht merkwürdig, dass über diese politischen Streiks berichtet, aber nie gesagt wird, dass so etwas in Deutschland von vornherein illegal sein soll? Das deutsche Arbeitsrecht verstößt damit seit Jahrzehnten nicht nur gegen die Europäische Sozialcharta, sondern auch gegen das Übereinkommen Nr. 87 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Das deutsche Arbeitsrecht ist permanenter Völkerrechtsbruch.
    Mindeststandards bestimmen
    Gleichzeitig geht das Kapital aller Länder seit rund zehn Jahren auch direkt und aktiv gegen das Streikrecht als Völkerrecht vor. Aus diesem Grund hat der Verwaltungsrat der ILO gegen die Stimmen der Kapitalseite den Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag angerufen. Der Gerichtshof soll in einem Gutachten folgende Frage beantworten: Ist das Streikrecht der abhängig Beschäftigten und ihrer Organisationen durch das Übereinkommen über die Vereinigungsfreiheit (Nummer 87) geschützt?
    Zur Vorbereitung seines Gutachtens hat der Gerichtshof zwischen dem 6. und dem 8. Oktober 2025 Regierungen, Gewerkschaften und Unternehmerverbände angehört. Zum besseren Verständnis im Folgenden einige Hinweise zu den Akteuren und zur Vorgeschichte dieses Rechtsstreits (…)
    Das ILO-Übereinkommen Nr. 87 garantiert seinem Wortlaut nach nur die Freiheit, sich in Vereinigungen zusammenzuschließen. Die zuständigen Kontrollausschüsse der ILO legen jedoch schon seit Jahrzehnten dieses Übereinkommen so aus, dass damit auch das Streikrecht geschützt wird. Das Bundesarbeitsgericht hat diesen Zusammenhang in dem Satz zusammengefasst: »Tarifverhandlungen ohne Streikrecht wären kollektives Betteln.« Die ILO beschränkt jedoch den Zusammenhang zwischen Vereinigungsfreiheit und Streikrecht nicht auf die Notwendigkeit, in Tarifverhandlungen Druck auszuüben, und erlaubt auch politische Streiks. (…)
    Der Deutsche Bundestag hat dem ILO-Übereinkommen Nr. 87 zur Vereinigungsfreiheit schon vor Jahrzehnten zugestimmt. Es wurde auch ratifiziert. Doch das Bundesarbeitsgericht ignoriert die Stellungnahmen der ILO und hält bis heute – in offensichtlichem Widerspruch zu den Auffassungen der ILO-Ausschüsse – daran fest, dass weder Streiks zur Verbesserung der Wirtschafts- und Sozialpolitik noch allgemein politische Proteststreiks erlaubt sein sollen.
    Den Unternehmerverbänden sind diese Auslegungen der zuständigen Kon­trollausschüsse, die mit ihren Stellungnahmen das Verständnis für die Vereinigungsfreiheit über Jahrzehnte weiterentwickelt haben, schon lange ein Dorn im Auge. (…)
    Würden die ILO-Ausschüsse der Kapitalseite folgen, dass das Übereinkommen nur die Bildung von Vereinigungen, nicht aber das Streikrecht schützt, und deswegen zum Beispiel nicht mehr überprüft werden soll, ob ein Staat einen politischen Streik verbieten durfte, wäre auch das eine Auslegung des Übereinkommens Nr. 87, nur eben im entgegengesetzten Sinne wie bisher. Dann wäre die ILO nie dazu gekommen, überhaupt das Streikrecht anzuerkennen. Mit der Attacke auf das Übereinkommen Nr. 87 stürzte die Kapitalseite die ILO in eine schwere Krise. Es folgten Jahre des Stillstandes in diesem Konflikt. Dann entschied der Verwaltungsrat der ILO, die eingangs genannte Frage an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu richten.
    Wie lange noch?
    Sollte der Internationale Gerichtshof die bisherige Auslegung bestätigen, wäre das eine Stärkung der ILO-Ausschüsse. Das war die Position der spanischen ILO-Vertreterin während der Anhörung vor dem Internationalen Gerichtshof. Eine entsprechende Anerkennung durch den IGH würde den Druck auf die deutschen Arbeitsgerichte erhöhen, diese Ausschüsse und ihre Stellungnahmen nicht weiter zu ignorieren. Die deutsche Vertreterin bestand jedoch in derselben Anhörung darauf, dass der Schutz der Vereinigungsfreiheit zwar auch das Streikrecht schützen müsse, aber nur insoweit für die Durchsetzung tarifvertraglicher Regelungen gestreikt wird. Der deutsche Staat will also weiter die ILO-Standards für Streiks ignorieren
    …“ Artikel von Benedikt Hopmann in der jungen Welt vom 17.10.2025 externer Link („Deutsche Ignoranz.“)
  • Internationale Arbeitsorganisation der UN beauftragt Rechtsgutachten: IGH soll Streik­recht schützen
    Das Streikrecht steht unter Druck. Nun soll der Internationale Gerichtshof mit einem Rechtsgutachten Klarheit bringen. Das kann weltweit Folgen haben.
    Internationale Gewerkschaften haben den Internationalen Gerichtshof (IGH) aufgerufen, das Streikrecht eindeutig zu schützen. Eine Aushöhlung des Streikrechts werde Rechte von Arbeitnehmern schwächen, warnten Rechtsvertreter des Internationalen Bundes der Gewerkschaften vor dem höchsten Gericht der Vereinten Nationen in Den Haag.
    Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) der UN hat das Gericht mit einem Rechtsgutachten beauftragt. In der ILO sind gleichberechtigt Vertreter von Arbeitnehmern, Arbeitgebern und Regierungen vertreten. Das Gutachten soll feststellen, ob das Streikrecht unter die Konvention der Vereinigungsfreiheit von 1948 fällt und daher besonders geschützt ist.
    Das Streikrecht war und ist nach Darstellung der Rechtsvertreter der Gewerkschaften entscheidend für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen weltweit. Sie zitierten auch aus einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG), wonach Forderungen von Arbeitnehmern ohne Streikrecht nicht mehr als „kollektives Betteln“ wären (BAG, Urt. v. 10.06.1980, Az. 1 AZR 168/79).
    Auch Deutschland unterstützt die Auffassung, dass das Streikrecht durch die Konvention garantiert sei. Es sei eine „logische Konsequenz“, sagte die Leiterin der Rechtsabteilung im Außenministerium, Tanja von Uslar-Gleichen, vor den Richtern. Sie äußerte die Hoffnung, dass die Richter dies in dem Rechtsgutachten bekräftigten. (…)
    Seit gut zehn Jahren stellen die Arbeitgebervertreter in der ILO den besonderen Schutz des Streikrechts infrage. Das Gutachten des UN-Gerichts soll die Frage klären und den Konflikt lösen
    …“ Meldung vom 06.10.2025 von LTO externer Link

Siehe zu Angriffen auf das Streikrecht das Dossier: Du bist „systemrelevant“, wenn Dein Lohn nicht steigt, aber Dein Streik – mal wieder – verboten werden soll – weltweiter Überblick

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=231331
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