Amazon-Mitarbeiter im Warenlager in Erfurt stirbt während der Schicht nach vergeblicher Krankmeldung – KollegInnen berichten von hohem Druck

Dossier

UK-Petition „Amazon: Drop all targets by 15%“Am Dienstag, den 17. November, wurde ein Arbeitnehmer des Amazon Fulfilment-Centers in Erfurt-Stotternheim während der laufenden Frühschicht leblos auf der Toilette aufgefunden. Berichten zufolge soll der Beschäftigte vorher vergeblich versucht haben, sich bei seinem Vorgesetzen krank zu melden. Ver.di fordert Amazon auf, die Umstände dieses Todesfalls aufzuklären und die Arbeitsbedingungen am Standort zu verbessern. „Beschäftigte berichten uns von hohen Leistungsanforderungen, Urlaubssperren, fehlenden Lohn bei Krankmeldungen, ständigem Druck bei Unterschreitung willkürlicher Normen. Sie befinden sich zu großen Teilen in befristeten Arbeitsverhältnissen und berichten von Angst vor Arbeitsplatzverlust, wenn sie sich krankmelden oder zu langsam arbeiten“…“ Pressemitteilung vom 26.11.2025 von ver.di Landesbezirk Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen externer Link („Tod am Arbeitsplatz – Amazon-Mitarbeiter stirbt während Schicht. Ver.di fordert Aufklärung“) – siehe weitere Informationen:

  • Trotz berüchtigter Überwachung stundenlang auf der Toilette unentdeckt? Nach dem Todesfall bei Amazon in Erfurt: Arbeitsschutz und auch Staatsanwaltschaft ermitteln. New
    • Amazon-Lager in Erfurt: Der tote Mitarbeiter
      „… Bei Amazon in Erfurt steht nun ein schwarzer Bilderrahmen. Darin der Name und das Foto von dem Mann, der hier vor zwei Wochen sein Leben verloren hat. „In stiller Trauer nehmen wir Abschied von unserem Angestellten“, steht dort auf Englisch. Sein plötzlicher und „komplett unerwarteter“ Tod hinterlasse große Traurigkeit. Der Mann sei freundlich gewesen und hilfsbereit. Seiner Familie und allen, die ihm nahe standen, spreche man aufrichtiges Beileid aus. Unterschrieben ist die Trauerkarte mit: „Management, Betriebsrat und die Angestellten der Amazon Erfurt GmbH“.
      Der Mann war 59 Jahre alt, ein Deutsch-Algerier und Mitarbeiter im Amazon-Lager in einem Vorort von Erfurt. Sein Name ist der Redaktion bekannt. Am Morgen des 17.11. brach er während seiner Frühschicht auf der Toilette zusammen und starb an einem Herzinfarkt. Seitdem steht die Frage im Raum, welche Verantwortung Amazon trägt für den Tod dieses Mannes, mitten im „Black Friday“- und Weihnachtsgeschäft, dem stressigsten des ganzen Jahres.
      Die Tätigkeit „Picking“ ist besonders hart
      Seit rund 30 Jahren lebte der Mann in Deutschland. Er war lange selbstständig, betrieb mit seiner Frau einen Pizza-Lieferdienst mit 35 Angestellten und ein Café. Die Lokalzeitung beschrieb ihn einmal als hochmotivierten Unternehmer, für seine Arbeit mit dem Pizzabetrieb wurde er ausgezeichnet. Doch das ist lange her. Seit wann er im Logistikzentrum bei Amazon arbeitete, ist nicht bekannt. (…)
      Im Laufe seiner Schicht meldete er seinem Vorgesetzten, dass er sich unwohl fühle. So geht es aus Berichten von Mitarbeitern hervor, Amazon bestätigt das gegenüber der taz. Was danach passierte, darüber gehen die Erzählungen auseinander. Offiziell heißt es, mit dem Mitarbeiter sei vereinbart worden, dass er in die Pause gehe und danach entscheide, ob er nach Hause gehe. So sei man davon ausgegangen, dass er das Betriebsgelände verlassen habe und nach Hause gegangen sei. Viele Mit­ar­bei­te­r:in­nen halten diese Version nicht für glaubhaft. Mit­ar­bei­te­r:in­nen würden engmaschig kontrolliert im Logistikzentrum, heißt es. Wer gehe, müsse offiziell auschecken. Es falle also auf, wenn ein Kollege länger nicht an seinem Arbeitsplatz sei.
      Stundenlang auf der Toilette
      Offenbar lag der Mann nach seinem Zusammenbruch für rund zwei Stunden auf der Toilette, bevor er gefunden wurde. Amazon bestreitet das nicht, ein Sprecher stellt aber gegenüber der taz klar: „Wir möchten betonen, dass es sich bei dem tragischen Vorfall nicht um einen Arbeitsunfall handelte.“ (…)
      Auch Adorf [von der Gewerkschaft verdi] geht nicht so weit zu sagen, dass der Tod des Mannes ein Arbeitsunfall gewesen sei. „Aber der Mann hätte womöglich gerettet werden können, wenn ihm schneller geholfen worden wäre.“ Adorf meint damit nicht nur die Zeit, in der der Mann leblos auf der Toilette lag. Er meint auch eine neue Entwicklung bei Amazon in Erfurt: Erst vor Kurzem sei dort der Betriebssanitäter abgeschafft worden, sagt Adorf. „Ein Betriebssanitäter hätte die Warnzeichen erkennen und einen Notarzt rufen können.“
      Ein Sprecher von Amazon sagt gegenüber der taz, verdi versuche, ein falsches Bild des tragischen Geschehens zu zeichnen. Er bestreitet nicht, dass der Sanitäter gestrichen wurde, sagt aber, man habe in Erfurt das Ersthelfer-Programm erheblich ausgebaut. Knapp 300 Kol­le­g:in­nen seien entsprechend geschult worden, damit seien sämtliche Vorgaben um ein Vielfaches übererfüllt. (…)
      Nach dem Tod des Mitarbeiters hat Amazon die laufende Schicht unterbrochen und alle Angestellten bei vollem Lohn nach Hause geschickt. Damit reagierte das Unternehmen anders als vor drei Jahren in Leipzig: Als dort ein Mitarbeiter während seiner Schicht zusammenbrach und starb, lief der Betrieb einfach weiter.
      Einen Tag nach dem Tod des Mannes postet ein Verein von in Deutschland lebenden Algeriern sein Bild auf Facebook, dazu die Nachricht von seinem Tod. Zahlreiche Algerier hinterlassen unter der Nachricht Beileidsbekundungen
      …“ Artikel von Anne Fromm vom 4.12.2025 in der taz online externer Link

    • Nach Amazon-Todesfall in Erfurt: Deutliche Worte von der Landesregierung
      Nach dem Bekanntwerden eines Todesfalls auf dem Gelände von Amazon in Erfurt fordert die Politik Aufklärung. (…) Gegenüber unserer Redaktion bestätigte Amazon den Vorgang und wehrte sich gegen die Vorwürfe. Nach dem Bekanntwerden des Todesfalls bei Amazon in Erfurt gibt es nun deutliche Worte von der Landesregierung und von der Fraktion der Linken.
      Erfurt: Reaktionen nach Todesfall in Amazon-Logistikzentrum
      Der Arbeitsschutz wurde nach Thüringen24-Informationen am 18. November durch Verdi über den Todesfall informiert. Am Donnerstag (27. November) war die Behörde nach eigenen Angaben vor Ort, um den Sachverhalt aufzuklären. (…)
      Amazon machte deutlich, dass es sich bei dem Vorfall um keinen Arbeitsunfall gehandelt haben soll. Im Zentrum der Verdi-Vorwürfe steht, dass der betroffene Mitarbeiter zuvor vergeblich versucht haben soll, sich krank zu melden. Amazon weist diesen Vorwurf zurück…“ Beitrag von Benjamin Pogadl vom 03.12.2025 in thueringen24.de externer Link

    • Todesfall von Amazon-Mitarbeiter in Erfurt: Staatsanwaltschaft ermittelt
      „… Nach dem Todesfall im Amazon-Logistikzentrum Erfurt ermittelt nun die Staatsanwaltschaft. Das bestätigte eine Sprecherin MDR THÜRINGEN am Freitag. Demnach ist ein sogenanntes Todesermittlungsverfahren anhängig. Weitere Details nannte die Sprecherin nicht. Nach Informationen von MDR THÜRINGEN wurde am 17. November ein 59 Jahre alter Mitarbeiter leblos auf der Toilette gefunden.
      Das Unternehmen bestätigte den Todesfall. Ein Amazon-Sprecher sagte dazu, das Unternehmen sei tief bestürzt. Angehörigen seien Hilfsangebote unterbreitet worden, psychologisches Personal sei für die Mitarbeiter vor Ort
      …“ Meldung vom 28. November 2025 von MDR THÜRINGEN externer Link
  • Todesfall bei Amazon in Erfurt: Mitarbeiter stirbt – Verdi fordert Aufklärung
    Im Amazon-Logistikzentrum Erfurt ist es am Montag vergangener Woche zu einem Todesfall gekommen. Nach Informationen von MDR THÜRINGEN wurde ein 59 Jahre alter Mitarbeiter leblos auf der Toilette gefunden. Das Unternehmen bestätigte MDR THÜRINGEN den Todesfall. Ein Amazon-Sprecher sagte dazu, das Unternehmen sei tief bestürzt. Angehörigen seien Hilfsangebote unterbreitet worden, psychologisches Personal sei für die Mitarbeiter vor Ort.
    Verdi erhebt Vorwürfe gegen Amazon
    Die Gewerkschaft Verdi erhob Vorwürfe gegen das Unternehmen und wiederholte Kritik an den Arbeitsbedingungen, die die Gewerkschaft schon seit Jahren äußert. Der Amazon-Sprecher sagte dazu, es handele sich nicht um einen Arbeitsunfall. Die Gewerkschaft versuche, ein falsches Bild von dem Geschehen zu zeichnen.“ Meldung vom 26. November 2025 von MDR THÜRINGEN externer Link
  • Todesfall in Amazon-Lager: ver.di fordert Aufklärung
    Prestige-Tower in Berlin, doch in den Verteilzentren herrschen beim Online-Händler Amazon immer noch Dauerüberwachung und permanenter Druck – und erneut hat es einen Todesfall gegeben. ver.di fordert: Gute und gesunde Arbeit, abgesichert durch einen Tarifvertrag – jetzt. Die Beschäftigten selbst sind auch nach über zwölf Jahren weiter auf einen langen Arbeitskampf eingestellt, national und international und vor allem solidarisch, Streiks inbegriffen (…)
    Hohe Leistungsanforderungen, Urlaubssperren, fehlender Lohn bei Krankmeldungen
    „Beschäftigte berichten uns von hohen Leistungsanforderungen, Urlaubssperren, fehlenden Lohn bei Krankmeldungen, ständigem Druck bei Unterschreitung willkürlicher Normen. Sie befinden sich zu großen Teilen in befristeten Arbeitsverhältnissen und berichten von Angst vor Arbeitsplatzverlust, wenn sie sich krankmelden oder zu langsam arbeiten“, so Adorf. [Gewerkschaftssekretär bei ver.di Thüringen]
    Bei Amazon in Erfurt arbeiten mehrheitlich migrantische Beschäftigte, die meisten davon aus Drittstaaten wie Syrien, Iran, Afghanistan oder afrikanischen Staaten. Arbeitshetze und Druck treffen auf die Existenzängste der migrantischen Beschäftigten mit oft unsicheren Aufenthaltstiteln. Die Beschäftigten fürchten, dass mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes auch ihr Aufenthaltstitel auf dem Spiel stehen könnte. Amazon nutzt diese Situation ohne Skrupel und moralische Bedenken aus.
    „Ob diese Arbeitsbedingungen zum vorliegenden Todesfall beigetragen haben, ermittelt hoffentlich die Staatsanwaltschaft. Wir wissen aber sicher, dass die Arbeitsbedingungen bei Amazon, die uns Beschäftigte schildern, krank machen. Die Arbeitsbedingungen bei Amazon sind für viele, vor allem migrantische Beschäftigte ein toxisches Gemisch aus Angst, Druck und Sanktionen.“ Matthias Adorf, Gewerkschaftssekretär bei ver.di Thüringen…“ Aktualisierung vom 26.11.2025 im ver.di-Amazon-Dossier externer Link
  • „… Ruhe in Frieden
    Wie wenig Amazon seine Belegschaft wertschätzt, zeigt sich in Erfurt: Vor 10 Tagen verstarb ein Mitarbeiter während seiner Schicht im Amazon Fulfillment-Centerin Erfurt-Stotternheim. Zuvor verweigerte der Vorgesetzte die Krankmeldung des Mitarbeiters. Amazon streitet jegliches Versagen ab. Ein verändertes Amazonplakat gedenkt der Person.Im Jahr 2022 starb ein weiterer Mitarbeiter bei der Arbeit im Werk Leipzig. Um keinen Umsatz einzubüßen, lief der Betrieb einfach weiter. Das Management ließ die Leiche des Verstorbenen mit Pappe abdecken. Freya Schwarz bekundet ihr Beileid: „Wir sind traurig und wütend. Amazon hat keine Skrupel, der Mensch ist für den Konzern nichts wert. Wir sagen: Niemand ist vergessen. Ruhet in Frieden.“..“ Aus „Anti-Amazon-Adbustings zum Black Friday“, Beitrag von AntiAmazonAktion am 27.11.2025 bei indymedia externer Link mit Fotos

Wir erinnern an die bisherige „Bilanz“ von Amazon, im LabourNet dokumentiert:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=232369
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