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Kontrollen bei Amazon: Der Vorgesetzte sieht alles – Amazon speichert alles

Dossier

Organize AW/AS: Amazon Workers Against Surveillance“… Amazon kontrolliert permanent die Leistung der Arbeiter. Und so funktioniert das Programm zur Leistungskontrolle: Der Amazon-Mitarbeiter scannt jedes Teil, das er einlagert, heraussucht oder in ein Paket packt. Dieser Scan-Vorgang wird sekundengenau aufgezeichnet und einem Vorarbeiter angezeigt. So kann er jeden Arbeitsschritt der Beschäftigten überwachen und sehen, ob ein bestimmter Arbeiter auch genügend Pakete packt, um die durchschnittliche Rate zu erfüllen. Er sieht auf seinem Display auch, wenn jemand mal für wenige Minuten nicht arbeitet. Geht es insgesamt nicht schnell genug, greift der Vorarbeiter ein. (…) Auf dieser Grundlage werden die Arbeiter offenbar verglichen. Obwohl es offiziell keine Akkordarbeit gibt, entsteht so de facto ein starker Druck, so viele Pakete wie möglich zu bearbeiten. (…) Die Folge: eine kontinuierlich steigende Durchschnittsrate, an der sich die Beschäftigten zu orientieren haben. Wer heute noch schnell genug ist, um weiter beschäftigt zu werden, kann schon morgen zu langsam sein – und damit vor dem Aus stehen…“ Beitrag von Sebastian Friedrich und Johannes Jolmes vom 15.10.2020 bei tagesschau.de externer Link aus der Panorama-Sendung am 15. Oktober 2020, siehe dazu sowohl hinsichtlich der ArbeiterInnen als auch der KundInnen:

  • [Oxfam-Studie] Big Brother beobachtet die LagerarbeiterInnen von Amazon und Walmart in den USA New
    Sowohl Amazon als auch Walmart investieren massiv in die hochgradig invasive technologische Überwachung ihrer Lagerarbeiter – eine Überwachung, die dann die übermäßige Ausbeutung der Arbeiter beider Unternehmen ermöglicht.
    Letzten Monat veröffentlichte die New York Times einen Artikel externer Link mit der Überschrift „Walmart will Filialleitern Mitgefühl beibringen“. In dem Artikel geht es um die „Manager Academy“ des Unternehmens, ein Programm zur Schulung von Führungskräften, das im Juli 2022 begonnen hat; die berüchtigten arbeiterfeindlichen Praktiken des Unternehmens werden darin erschreckend wenig diskutiert. Ich kritisierte damals die zahlreichen Auslassungen in dem Artikel und wies auf einige der vielen Probleme hin, die Walmart in seiner globalen Lieferkette mit den Arbeitnehmern hat und über die man in der Berichterstattung der Timesnicht viel erfährt. Das Unternehmen beschäftigt eine enorme Anzahl von Mitarbeitern in seinen Lagern; Amazons Lagerarbeiter haben in letzter Zeit die meiste Aufmerksamkeit von denjenigen erhalten, die sich mit den Rechten und der Sicherheit von Arbeitnehmern befassen, insbesondere im Hinblick auf die Technologie zur Überwachung von Arbeitnehmern, bei der Amazon ein Vorreiter ist. Ein neuer Bericht von Oxfam zeigt jedoch, dass die Lagerarbeiter von Walmart mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben wie ihre Kolleginnen und Kollegen.
    „At Work and Under Watch: Surveillance and suffering at Amazon and Walmart warehouses“ untersucht sowohl Amazon als auch Walmart. Walmart ist mit 1,6 Millionen Beschäftigten der größte private Arbeitgeber in den Vereinigten Staaten, während Amazon 1,1 Millionen Arbeitnehmer beschäftigt (wobei diese Zahl nicht die Heerscharen von Fahrern einschließt, die nicht als Amazon-Angestellte gelten). Obwohl der Ausbeutung der Beschäftigten in den 4.616 Walmart-Filialen viel Aufmerksamkeit gewidmet wurde, wird weniger über die Lagerarbeiter berichtet, die nach wie vor von entscheidender Bedeutung für den Betrieb des Unternehmens sind, und darüber, wie die Überwachung in das Walmart-Modell passt. Das sollte sich ändern: Schließlich sind die Arbeitspraktiken der beiden Unternehmen eng miteinander verbunden. Kurz nachdem Jeff Bezos Amazon gegründet hatte, begann er mit der Abwerbung von Walmart-Führungskräften, in der Hoffnung, auf den billigen Arbeitskräften und dem hohen Volumen der Logistik des älteren Unternehmens aufbauen zu können. Der erste war Rick Dalzell, ein IT-Leiter von Walmart, der die Data-Warehousing-Initiativen des Unternehmens leitete; Bezos machte ihn zum ersten Chief Information Officer von Amazon. Robert Davis, ein wichtiger Architekt des noch jungen E-Commerce-Geschäfts von Walmart, wechselte zu Amazon. (…)
    „Sie wissen genau … wann du arbeitest und wann nicht“, berichtet ein Lagerarbeiter von Walmart in Kalifornien den Forschern. Ein Amazon-Mitarbeiter in North Carolina vergleicht die Erfahrung mit dem “ Squid Gameexterner Link von Netflix: „Alle drei Tage werden die Ersthelfer zu [unserer] Anlage gerufen. Und wenn ich sage, dass es wie[Squid Game] ist, dann sieht man Kollegen, man sieht Freunde, einige Arbeiter haben Verwandte, man sieht Verwandte, die ohnmächtig werden, die auf der Trage aus ihrer Einrichtung gebracht werden.“ Wenn man sich verletzt, erklärt ein Walmart-Mitarbeiter in Kalifornien, ist es „fast immer deine Schuld. Die Geschäftsleitung würde darüber überhaupt nicht mit Ihnen verhandeln. Sie würden dafür bestraft werden, weil sie der Meinung sind, dass Sie unsicher arbeiten und alle anderen möglichen Gründe für Ihre Verletzung ignorieren.“
    Ein größerer Anteil sowohl der Amazon- als auch der Walmart-Beschäftigten gibt an, dass die Geschwindigkeit, mit der sie arbeiten, die ganze oder die meiste Zeit über von der Unternehmenstechnologie im Detail gemessen wird: 72 Prozent der Amazon-Beschäftigten und 67 Prozent der Walmart-Beschäftigten, verglichen mit 58 Prozent der Beschäftigten in einer anderen Umfrage aus dem Jahr 2023, die sich mit der gesamten Lagerbranche befasste. In ähnlicher Weise geben 77 Prozent der Amazon-Mitarbeiter und 62 Prozent der Walmart-Mitarbeiter an, dass die Technologie immer oder meistens erkennen kann, ob sie aktiv an ihrer Arbeit beteiligt sind. Das sind 47 Prozent der Beschäftigten in der Branche insgesamt. Bei diesem Maß an Überwachung geht es nicht nur um Kontrolle, sondern um die Grundlage für eine unerbittliche Beschleunigung. Drei Viertel der Amazon-Beschäftigten und 74 Prozent der Walmart-Beschäftigten geben an, dass sie sich zumindest zeitweise unter Druck gesetzt fühlen, schneller zu arbeiten, und mehr als die Hälfte der Beschäftigten in beiden Unternehmen berichten, dass es ihnen aufgrund der Produktionsraten zumindest zeitweise schwerfällt, auf die Toilette zu gehen.
    Arbeiterinnen bei Walmart waren deutlich häufiger besorgt darüber, ob sie mit dem Produktionstempo mithalten könnten, ohne ihre Gesundheit und Sicherheit zu gefährden, was an frühere Berichte externer Link erinnert, wonach einige weibliche Lagerarbeiter bei Amazon Harnwegsinfektionen als Folge des Zeitdrucks, der sie davon abhält, die Toilette zu benutzen, entwickeln. (Frauen in beiden Unternehmen berichten auch deutlich häufiger über starke Schmerzen in allen Körperbereichen als Männer; bei Amazon melden Latina-Frauen die höchsten Verletzungsraten). Etwa die Hälfte der Beschäftigten in beiden Unternehmen gibt an, sich durch ihre Arbeit ausgebrannt zu fühlen. Noch überraschender ist jedoch, dass 41 Prozent der Amazon-Mitarbeiter angeben, in den letzten drei Monaten in irgendeiner Form dehydriert gewesen zu sein, während 91 Prozent der Walmart-Mitarbeiter dehydriert waren. Diese alarmierende Statistik deutet darauf hin, dass die Pausenregelungen von Walmart und die Verfügbarkeit von Wasser in den Lagern des Unternehmens bedauerliche und gefährliche Mängel aufweisen.
    All diese Überwachung behindert die kollektive Organisierung, die die Überausbeutung, der die Beschäftigten von Amazon und Walmart ausgesetzt sind, zu korrigieren beginnen könnte. Fast die Hälfte der Beschäftigten in beiden Unternehmen gibt an, dass sie „weniger mit [ihren] Kollegen sprechen, als sie wollen, weil sie befürchten, überwacht zu werden“. Ein Walmart-Beschäftigter in Kalifornien sagte gegenüber Oxfam: „Gelegentlich kann man sich mit Leuten unterhalten, aber davon wird einem wirklich abgeraten, denn wenn man zu viel Zeit mit Reden verbringt, geht das auf Kosten der Produktivität.“ (…)
    Um solche gefährlichen Arbeitsbedingungen zu beseitigen, müssen die Beschäftigten beiden Unternehmen die Hände zwingen. Aber sowohl Amazon als auch Walmart geben ein Vermögen für gewerkschaftsfeindliche Berater aus und bekämpfen die gewerkschaftliche Organisierung der Arbeitnehmer ebenso rücksichtslos wie sie um die Kontrolle des Einzelhandelsmarktes kämpfen. Während gewählte Beamte in einigen Bundesstaaten Gesetze verabschiedet haben, die von den Sorgen der Lagerarbeiter über unhaltbare Produktivitätsquoten geprägt sind, haben die Einzelhändler solche Regelungen bekämpft.
    Es gibt weitere gesetzgeberische Lösungen, um diesen Morast zu beseitigen: Die Verabschiedung des PRO-Gesetzes externer Link, um die Strafen für Arbeitgeber, die gegen Arbeitnehmerrechte verstoßen, zu erhöhen und die Gründung von Gewerkschaften zu erleichtern; das Gesetz zur Verhütung von Hitzeerkrankungen, Verletzungen und Todesfällen (Asunción Valdivia Heat Illness, Injury and Fatality Prevention Act), das Arbeitnehmer vor übermäßiger Hitze am Arbeitsplatz schützen würde; Gesetzesentwürfe zum Schutz der Arbeitnehmer vor invasiver Überwachungstechnologie und zur Einführung eines umfassenden bezahlten Krankenurlaubs sowie eines bezahlten Urlaubs aus familiären und medizinischen Gründen, der für alle Arbeitnehmer gilt; und eine Aufstockung der Mittel für Bundesbehörden wie das National Labor Relations Board, die Occupational Safety and Health Administration und die Equal Employment Opportunity Commission.
    Aber nur wenige dieser Maßnahmen werden von den gewählten Vertretern angemessen unterstützt, die mehr damit beschäftigt sind, den Lobbyisten von Amazon und Walmart zu gefallen, als mit der Gesundheit und Sicherheit ihrer angeblichen Wähler. Um solche Veränderungen zu erreichen, bedarf es einer viel nachhaltigeren Organisierung in beiden Unternehmen und der vereinten Unterstützung der Gewerkschaftsbewegung.
    „Man muss einfach verstehen, dass … hinter den Paketen, die an deine Tür kommen, nicht nur ein wirklich ausgebeuteter Arbeiter steht, sondern dass es nicht so sein muss“, sagt ein Amazon-Arbeiter in Massachusetts. Ein anderer drückt es so aus: „Ich habe das Gefühl, dass wir ein goldenes Zeitalter erleben, in dem diese Leute so reich werden und so viel Reichtum konsumieren, und was man sieht, ist, dass nichts von diesem Reichtum an die Menschen weitergegeben wird, die ihn geschaffen haben.““ engl. Artikel von Alex N. Press vom 11.4.2024 in Jacobin externer Link („Big Brother Is Watching Amazon and Walmart Warehouse Workers“, maschinenübersetzt)
    Siehe dazu die Oxfam-Studie:

    • Bei der Arbeit und unter Beobachtung: Überwachung und Leid in den Lagerhäusern von Amazon und Walmart
      Amazon und Walmart sind die beiden größten privaten Arbeitgeber in den Vereinigten Staaten, und zusammen haben diese beiden Megakonzerne einen nie dagewesenen Reichtum angehäuft. Beide Unternehmen sind erfolgreich, weil sie neue Methoden entwickelt haben, um billige Waren mit beispielloser Bequemlichkeit und Geschwindigkeit an den amerikanischen Verbraucher zu bringen. Ihre übergroße wirtschaftliche Macht hat jedoch einen hohen Preis, insbesondere für Frauen und Angehörige der schwarzen, indigenen und farbigen Bevölkerung (BIPOC). Tatsächlich haben Amazon und Walmart Geschäftsmodelle geschaffen, die direkt von den Rassen- und Klassenungleichheiten in den Vereinigten Staaten profitieren und diese aufrechterhalten. Darüber hinaus erzielen beide Unternehmen hohe Profite aus immer repressiveren Formen der Kontrolle und finden immer neue Wege, um ihre Arbeiter auszubeuten, zu disziplinieren und ihre Produktivität zu maximieren. Amazon ist ein Pionier auf dem Gebiet der Überwachung und des Managements von Arbeitnehmern in seinen Lagerhäusern, und Walmart, das seit langem für repressive Praktiken zur Überwachung von Arbeitnehmern bekannt ist, tritt ebenfalls in eine neue Phase des beschleunigten Einsatzes von Technologien in seinen Einrichtungen ein.
      In diesem Bericht werden die Ergebnisse zweier kürzlich durchgeführter Erhebungen vorgestellt – der National Survey of Amazon Warehouse Workers und der National Survey of Walmart Warehouse Workers -, die beide die Rolle untersuchen, die neue Formen der technologiegestützten Arbeitnehmerüberwachung im Leben der Lagerarbeiter spielen. Die quantitativen Umfragedaten werden durch qualitative Ethnografie und Interviews mit Amazon- und Walmart-Arbeitern ergänzt. Auszüge aus diesen Interviews sind im gesamten Bericht enthalten, um einen Einblick zu geben, wie technologiegestützte Überwachung von den Arbeitern erlebt wird. Dieser Bericht zeigt, dass die von beiden Unternehmen angewandten Systeme zur Messung, Überwachung, Disziplinierung und Datenerfassung die Arbeitnehmer unangemessen bestrafen, ihre Mitsprache unterdrücken und negative Auswirkungen auf die Gesundheit, die Sicherheit und das Wohlbefinden der Arbeitnehmer haben…“ engl. Oxfam-Meldung am 10.4.2024 externer Link (maschinenübersetzt) zur

    • Wir erinnern an unser Dossier: Amazon überwacht, wo es kann – alles und alle. Kunden, Nutzer, Lieferanten, Drittanbieter…
  • Neue Umfrage: Amazon-ArbeiterInnen in 8 Ländern sagen, dass die aufdringliche Überwachung sie krank und ängstlich macht
    • Das Leben im Amazon-Panoptikum. Eine internationale Umfrage unter Amazon-Beschäftigten
      2021 veröffentlichte UNI Global Union ihren Bericht „Das Amazon-Panoptikum“, in dem das ausgeklügelte Überwachungssystem, das Amazon zur Kontrolle seiner Beschäftigten auf allen Ebenen des Unternehmens einsetzt, detailliert beschrieben wird – von Kameras in Lagerhallen über GPS-verfolgende Fahrer-Apps bis hin zu Türenklingeln. Dieses Jahr gab UNI eine internationale Umfrage unter Amazon-Beschäftigten in Auftrag, die von Jarrow Insights durchgeführt wurde und sich speziell auf die Untersuchung der konkreten Auswirkungen konzentrierte, die dieser technologische Überwachungsapparat auf die Menschen hat, die ihn erleben. (…) Sie richtete sich an Lagerarbeiter, Lieferfahrer und Bürokräfte in den Bereichen Technik und Kundendienst. (…) Wenn man die Antworten insgesamt betrachtet, ergibt sich ein klares Bild über alle Länder und Rollen hinweg. Die Mehrheit der befragten Arbeitnehmer äußerte die Ansicht, dass Amazons Überwachung ihrer Arbeitsleistung übermäßig und undurchsichtig ist, dass die Erwartungen unrealistisch sind und dass das Streben, diese unrealistischen Erwartungen zu erfüllen, sind und negative Auswirkungen auf ihre körperliche Gesundheit und, noch gravierender, auf ihre psychische Gesundheit haben...“ Aus der Einleitung zum Bericht von Jarrow Insights für UNI Global Union vom Januar 2023 externer Link (in mehreren Sprachen verfügbar), siehe auch:
    • Neue Umfrage: Amazon-Mitarbeiter in 8 Ländern sagen, dass die aufdringliche Überwachung sie krank und ängstlich macht
      Zusammenfassung der Studie vom 19.01.23 bei UNI externer Link mit einem Überblick der Daten
  • Amazon: Daten und Pakete – Kontrolle aller Beteiligten bis zur Zustellung an der Wohnungstür 
    „Seitengroß sind die Zeitungsanzeigen, zahlreich die Fernsehspots, in denen Amazon für seine Arbeitsbedingungen wirbt. Zu sehen sind immer Mitarbeiter*innen, die lächelnd von abwechslungsreicher Arbeit berichten, von Karrierechancen, Stolz und Spaß. Im Fachjargon heißt das „Employer-Branding-Kampagne“: Unternehmen versuchen, ein schlechtes Image zu verbessern und damit neue Arbeitskräfte anzuwerben. (…) Nur eines sparen die Berichte der gut gelaunten Menschen aus: die digitale Technik. Tatsächlich kann Amazon ohne sie nicht arbeiten. Das Geschäftsmodell weltweit und auch in den 18 deutschen Logistikzentren, 5 Sortierzentren und mehr als 50 Verteilzentren basiert auf einer Steuerung und Kontrolle der Arbeit durch Vernetzung und künstliche Intelligenz. Das „Amazon Fullfillment Center“, wie das Logistikzentrum intern heißt, ist ein riesiges Lager, in dem Menschen, direkt bei Amazon angestellt, Pakete befüllen. Zudem sind dort viele Leiharbeiter*innen beschäftigt. Die Verteilzentren werden von Amazon Logistics betrieben und bedienen die „letzte Meile“, stellen also die Ware an die Kund*innen zu. Diese Aufgabe übernimmt vor allem ein Netzwerk kleiner Lieferunternehmen, die als Subunternehmen bei Amazon unter Vertrag stehen. Hinzu kommt eine vergleichsweise kleinere Zahl soloselbstständiger Auftragnehmer*innen, die über die App „Amazon Flex“ Lieferaufträge erledigen. (…) Zentral für die Arbeit bei Amazon, egal wo, sind die digitale Überwachung und Kontrolle der Beschäftigten. Ohne die technologischen Hilfsmittel Scanner, App und Kameraüberwachung können Beschäftigte nicht in den Warenlagern oder Lieferzentren arbeiten. Dabei sammeln die Geräte permanent ihre Daten. So ist Amazon jederzeit darüber informiert, wo sich einzelne Angestellte gerade befinden, ob sie sich mit Kolleg*innen unterhalten, ob und wann sie pausieren oder wie viel Zeit sie für die Arbeit benötigen. (…) Wer die Vorgaben nicht einhält, also nicht schnell genug ist oder zu lange Pausen macht, wird verwarnt und muss mit einer Kündigung rechnen. Alle Beschäftigten stehen unter ständigem Performancedruck, lückenlos werden das Tempo ihrer Arbeit gemessen und die Leistungen mit anderen verglichen. Die hohe Geschwindigkeit führt in den USA zu deutlich mehr Verletzungen als in anderen Unternehmen der Branche. (…) Auch die soloselbstständigen Kuriere werden ganztägig durch die vorgegebene Route in der App „Flex“ gesteuert. In den USA und mittlerweile auch in Deutschland geht der Konzern noch einen Schritt weiter. Die „Mentor“-App erfasst Arbeitszeiten, das Fahrverhalten und die Nutzung des Telefons. Auf diese Weise wissen Vorgesetzte in Echtzeit, wie schnell Pakete zugestellt werden und treiben die Beschäftigten durch Anrufe und Textnachrichten zu schnellerer Leistung an. (…) Gewerkschaften und Datenschutzinitiativen kämpfen bereits seit Langem gegen solche Arbeitsbedingungen, in Deutschland und weltweit…“ Beitrag von Tina Morgenroth aus dem Atlas der digitalen Arbeit bei der DGB-Gegenblende am 29. Juni 2022 externer Link zum  56-seitigen Atlas der digitalen Arbeit externer Link
  • Amazon-Arbeiter:innen fordern Daten-Transparenz: Internationale Belegschaft wehrt sich Mithilfe der DSGVO gegen Überwachung 
    „Amazon-Lagerarbeiter:innen aus Deutschland, Großbritannien, Italien, Polen und der Slowakei haben heute Auskunftsersuchen gemäß Artikel 15 der DSGVO gestellt. Diese Aktion wir vom internationalen Gewerkschaftsverband UNI Global Union und noyb.eu koordiniert und soll Klarheit über Amazons Umgang mit den personenbezogenen Daten seiner Beschäftigten schaffen. Obwohl das Unternehmen ausgeklügelte Systeme zur Überwachung von Arbeitsabläufen und Arbeitnehmer:innen einsetzt, werden die Betroffenen bisher über die Verwendung ihrer personenbezogenen Daten im Unklaren gelassen. Amazon hat nun einen Monat Zeit, um die Verarbeitungschritte vollständig offenzulegen. (…) „Amazon mag einer der größten Konzerne der Welt sein, aber sie können nicht einen Algorithmus mit unseren Daten füttern und dann Leute feuern oder mit unseren Daten machen, was sie wollen. Als Arbeitnehmer haben wir ein Recht auf Privatsphäre und ein Recht darauf, Bescheid zu wissen.“ – Andreas Gangl, Vertrauensperson der deutschen Gewerkschaft „ver.di“ und Arbeiter, der eine Auskunftsersuchen eingereicht hat. (…) „Dies ist ein klassischer Fall von Informations- und Kontrollasymmetrie. Auf der einen Seite haben wir ein privates Unternehmen, das riesige Mengen an persönlichen Daten sammelt, und auf der anderen Seite haben wir Einzelpersonen, die in der Zwickmühle stecken und wirtschaftlich von ihren Arbeitsplätzen abhängig sind. Wir versuchen, dieses Ungleichgewicht durch koordinierte Auskunftsersuchen zu beseitigen.“ – Stefano Rossetti – Datenschutzjurist bei noyb. „Die Kombination aus Amazon‘s unersättlichem Appetit auf Daten und seinem gewerkschaftsfeindlichen Verhalten ist äußerst beunruhigend. Die Beschäftigten haben das Recht zu erfahren, ob ihre persönlichen Daten gegen sie verwendet werden damit sie ihre Rechte nach der DSGVO wahrnehmen können,“ – Christy Hoffman, Generalsekretärin von UNI Global Union (Zitat übersetzt aus dem Englischen)…“ Meldung vom 14. März 2022 von und bei noyb.eu externer Link, der europäischen Datenschutz-Plattform
  • Organize AW/AS: Amazon Workers Against Surveillance / Amazon Arbeiter*innen gegen Überwachung 
    STRESS NICHT, AMAZON! Ob Amazon, Alexa, Paketzusteller, Kundendienst oder in den Versandzentren: Amazon überwacht seine Mitarbeiter rund um die Uhr mit Apps, Handscannern, Browser-Tools und Kameras. Arbeiten bei Amazon ist überall stressig und gesundheitsgefährdend. PERMANENTE KONTROLLE IST NICHT NORMAL: Wer bei Amazon arbeitet, kennt das nur zu gut: Tools messen deine Leistung und das Management setzt dich unter Druck. KollegInnen werden krank, sie verlieren die Arbeit, weil sie nicht „schnell genug“ waren, werden vom Management gemobbt oder bekommen weniger Geld, wenn sie ihre Ziele nicht erreichen. SIE IST ILLEGAL! (…) ÜBERWACHUNG KANN GESTOPPT WERDEN! Es gibt viele Möglichkeiten, Überwachung zu stoppen: Man kann einen Betriebsrat wählen, Einfluss auf den bestehenden Betriebsrat nehmen, sich an Gewerkschaften wenden, die Datenschutzbehörde einschalten oder auf Schadenersatz klagen. Es gibt bereits Beispiele, in denen die Überwachung durch kollektives Handeln gestoppt wurde. Gemeinsam mit euch besprechen wir die Schritte und beantworten eure Fragen! Wir können juristische Schulungen in eurer Sprache und Diskussionsräume anbieten…“ Mehrsprachige Aktionsseite der neuen Initiative externer Link (auch auf Twitter externer Link) von Amazon-Arbeitern*innen, IT-Arbeiter*innen, Anwält*innen und Gewerkschaftsorganisator*innen – Hauptunterstützer: Tech Workers Coalition, Make Amazon Pay und Ver.di.
  • Das Amazon-Panoptikum. Ein Leitfaden für ArbeiterInnen, Organisationen und politische Entscheidungsträger 
    Wenn ein Kunde einen Artikel auf der Amazon-Website anklickt, erlebt er einen schnellen, reibungslosen und bequemen Kauf- und Lieferprozess, der ihm einen schnellen, reibungslosen und bequemen Kauf- und Lieferprozess, der ihm fast sofortigen Zugang zu einer unendlichen Auswahl an Konsumgütern ermöglicht. Was sie nicht sehen, sind die Kaskadeneffekte, die durch diesen Klick in Gang gesetzt werden, und die die von Amazons Unternehmensalgorithmen gesteuert werden und direkt auf den eigentlichen Motor des Ein-Klick-Konsummodells des Unternehmens: die Arbeiter. Die Arbeiter, die in Amazons Lagerhäusern (oder „Fulfillment Center“) beschäftigen oder die Pakete ausliefern, erleben eine Form der Arbeit, die von Algorithmen kontrolliert und geleitet wird. Algorithmen gesteuert und gelenkt wird, was sich in intensivem Druck ausdrückt, um „Rate“ zu machen – zum Beispiel 100 Artikel pro Stunde aus den Regalen des Lagers zu holen oder 30 Pakete pro Stunde in den Straßen von Berlin oder Barcelona auszuliefern. Um Druck auf seine Mitarbeiter zu schnellerem Arbeiten zu zwingen, die Einhaltung der Unternehmenskultur zu überwachen oder sogar gewerkschaftlichen Aktivismus auszuspionieren, setzt Amazon setzt Amazon eines der aufdringlichsten und durchdringendsten Systeme der Arbeitsplatzüberwachung, das die Welt je gesehen hat…“ Aus der Einleitung zur englischen Studie von UNI Global Union externer Link „The Amazon Panopticon“ über die aufdringlichen und allumfassenden Überwachungssysteme für Amazon-Arbeiter – Amazon Fast Purchasing – wirft ein Licht auf die schädlichen Auswirkungen dieses Systems auf seine 1,3 Millionen Arbeiter. Amazon-Lagerarbeiter und -Fahrer sind ständig einer Hochdruckumgebung ausgesetzt, die ihre Körper kaputt macht und sie letztlich zur Kündigung zwingt…
  • [E-Commerce und “Beschleunigung der Arbeitskräfte”] Amazonisierung – die Zukunft des Kapitalismus 
    Interview von Tatiana Cozzarelli und Maryam Alaniz von Left Voice mit dem Soziologieprofessor Jake Alimahomed-Wilson, redigiert veröffentlicht von ‚Klasse gegen Klasse‘ am 25. Mai 2021 externer Link, in dem der Mitherausgeber von “The Cost of Free Shipping: Amazon in the Global Economy” die Grundzüge seiner Theorie darlegt. Jake Alimahomed-Wilson: „Ich habe den größten Teil meiner Karriere damit verbracht zu untersuchen, wie Kapitalismus durch Logistik funktioniert und welche Auswirkungen Neoliberalismus und kapitalistische Ausbeutung, Rassismus und Gewalt auf Arbeiter:innen entlang der gesamten globalen Lieferkette haben. Ich begann damit einige Jahre zuvor, als ich mit Immanuel Ness das Projekt “Choke Points“ (dt. Engpässe) abschloss. Ich hielt Vorträge auf der ganzen Welt, von New York über London bis Paris. Viele Fragen, die uns von Organisatoren, Aktivist:innen und Leuten in der Arbeiter:innenbewegung gestellt wurden, betrafen Amazon. Ich hatte zu dem Zeitpunkt gerade meine eigenen Nachforschungen über Amazon begonnen. Ich war sehr daran interessiert, mich aus arbeits- und logistischer Sicht mit dem Unternehmen zu befassen. Schließlich kam ich mit Ellen Reese in Kontakt, die Professorin an der UC Riverside in der Region Inland Empire in Südkalifornien ist. Die Stadt ist bekannt als die Lagerhauptstadt der Welt. Gemeinsam haben wir an einer Idee für ein Buch über Amazon gearbeitet, welches die Perspektiven von Arbeiter:innen und Aktivisten enthält. (…) Im Buch argumentieren wir, dass der E-Commerce zu einer sogenannten “Beschleunigung der Arbeitskräfte” führt. Diese Entwicklung wird durch das weltweit größte E-Commerce-Unternehmen vorangetrieben: Amazon. Arbeiter:innen müssen jetzt schneller und unter größerem Druck arbeiten. Im Zusammenhang damit stehen, wie wir sie nennen, “Technologien zur Überwachung und Kontrolle von Arbeiter:innen”, die Unternehmen nutzen, um ihre Arbeiter:innen auszuspionieren. Arbeiter:innenbewegungen werden bis ins kleinste Detail kodifiziert. Das alles hat zu einer zunehmenden Rassifizierung der Arbeiter:innenschaft geführt. BIPoC (Black, Indigenous and People of Color) und insbesondere WoC (Women of Color) sind überproportional oft in den am meisten zermürbenden, meist überwachten Jobs in der E-Commerce-Branche vertreten. Amazon treibt dies voran, was für eine sehr kleine Gruppe von überwiegend Weißen und männlichen Führungskräften zu einem immensen Profit führt. (…) Wir haben gesehen, dass Amazon auf der ganzen Welt in den härtesten und am meist überwachtesten Jobs überwiegend BIPoC Arbeiter:innen beschäftigt; insbesondere in den USA sind Schwarze und Latinx Arbeiter:innen überproportional oft als Lagerarbeiter:innen angestellt – der am schlechtesten bezahlte Job im gesamten Amazon-Konzern. Sie sind in Führungspositionen unterrepräsentiert und überrepräsentiert in den harten, Burnout-anfälligen Jobs, die zu hohen Verletzungsraten führen…“
  • ver.di erhebt schwere Vorwürfe gegen Amazon – Totale Überwachung setzt Beschäftigte massiv unter Druck
    Anlässlich der heutigen Anhörung im Europäischen Parlament zu Unternehmenspraktiken des US-Konzerns Amazon in Europa erhebt die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) schwere Vorwürfe gegen den Handelsriesen. „Die Betriebspolitik bei Amazon ist gekennzeichnet durch eine aggressive Strategie innerbetrieblicher Kontrolle, die immer wieder auch Profiling und Datenschutzverstöße beinhaltet“, so Orhan Akman, ver.di-Bundesfachgruppenleiter für den Einzel- und Versandhandel. Konkret wirft ver.di dem Konzern vor, mittels Künstlicher Intelligenz und digitaler Prozesse die Beschäftigten rund um die Uhr zu scannen. „Amazon-Beschäftigte in Deutschland klagen darüber, dass jeder ihrer Arbeitsschritte durch den Einsatz entsprechender Software getrackt würde“, so Akman. Visuelle oder akustische Signale sorgten permanent dafür, dass die Unternehmenskontrolle immer wieder ins Bewusstsein gerufen werde: „Rot heißt: Der Beschäftigte ist inaktiv. Auch wenn es um eine minimale Arbeitsunterbrechung geht, werden Beschäftigte angesprochen“, berichtet der Gewerkschafter. Jeder kleinste Fehler habe ein sogenanntes Feedback zur Folge. Außerdem seien alle Scanner standardmäßig mit Mikrofonen ausgestattet, berichteten die Beschäftigten. Zwar bestritten die konzerninternen Datenschützer das Abhören durch die installierten Mikrofone, doch Akman fürchtet, die Optimierung des Arbeitsprozesses fiele am Ende extrem zu Lasten der Beschäftigten aus. „Durch den Einsatz von Kameras, Mikrofonen und Scannern werden die Beschäftigten zu gläsernen Menschen. Das macht enormen psychischen Druck und vor allem krank“, sagt der Gewerkschafter…“ ver.di-Pressemitteilung vom 27.05.2021 externer Link
  • Patente als feuchter Traum von Amazon 
    In seinem Artikel „Capitalism’s Wet Dream: Amazon’s Patents Signal the Future It Hopes to Achieve“externer Link am 7. Mai 2021 beim kanadischen The Bullet beschreibt Alessandro Delfanti auf Grundlage von Patenten, die Amazon hat registrieren lassen, dass die vorellige Automation der Operationen von Amazon unwahrscheinlich ist. Der Fokus der Patente liegt darauf, menschliche Arbeitskraft noch stärker als bisher zu überwachen, zum Beispiel durch elektronische Brillen, und so die Arbeit noch stärker zu optimieren und zu intensivieren. Statt der menschenleeren Fabrik droht Automation, in der die Automaten die Anweisungen geben für noch schnelleres Arbeiten…
  • Spitzelkönig Amazon. Onlinegigant überwacht Arbeiter mit spezieller Software. Landesdatenschutzbeauftragte Niedersachsens greift ein. Verdi warnt vor »demokratiefreier Konzernzone« 
    „… Neben renitenten Arbeitern bedrängen nun auch Datenschützer den Konzern. Mit gutem Grund: Amazon wird bereits seit Jahren für den Einsatz von Überwachungstechnologie in seinen Warenumschlagpunkten kritisiert. Nach Berichten von Tagesschau.de vom Dienstag schlägt die niedersächsische Landesbeauftragte für Datenschutz, Barbara Thiel, Alarm. Der Vorwurf: Mit einer speziellen Software kann die Arbeitsleistung der Beschäftigten offenbar ohne Unterlass kontrolliert werden. (…) Ein Amazon-Arbeiter aus Leipzig, der anonym bleiben will, bestätigte am Dienstag gegenüber jW: »Die betriebsinterne Überwachung soll uns disziplinieren, ganz klar.« Würden bestimmte von der Geschäftsführung festgelegte Effizienzkriterien von einzelnen Beschäftigten nicht erfüllt, suchten Manager, die ständig in den Hallengängen auf und ab laufen, rasch das Gespräch mit ihnen. »Alle sollen sich beobachtet fühlen«, so der Logistikarbeiter. Die Landesdatenschutzbeauftragte Thiel bestätigte laut Tagesschau.de gegenüber »Panorama«, man habe dem Amazon-Standort im niedersächsischen Winsen untersagt, »ununterbrochen jeweils aktuelle und minutengenaue Quantitäts- und Qualitätsleistungsdaten ihrer Beschäftigten zu erheben und diese zu nutzen«. Amazon wirkt gelassen. »In dem uns vorliegenden Bescheid hält die Behörde fest, dass wir nicht daran gehindert sind, die bestehenden Softwaresysteme weiter zu nutzen«, teilte ein Konzernsprecher auf jW-Nachfrage am Dienstag mit. Offene Fragen zur Datenerhebung würden nun gerichtlich geklärt. (…) Auch Verdi schaltet sich ein. Orhan Akman, bei der Gewerkschaft zuständig für den Einzel- und Versandhandel, erklärte am Dienstag im jW-Gespräch: »Amazon agiert wie ein kontrollgetriebener Überwachungsstaat.« Der Konzern dürfe nicht zu einer demokratiefreien Zone werden, in dem Manager gegenüber den Beschäftigten schalten und walten können, wie sie wollen. Deshalb müssten die Datenschutzbehörden in allen Ländern und im Bund gegen den Dauerspitzel aktiv werden. Das Ziel: Amazon das Handwerk legen.“ Artikel von Oliver Rast in der jungen Welt vom 02.12.2020 externer Link – siehe dazu:

    • „Verfahren gegen Amazon“ am 01. Dezember 2020 bei tagesschau.de externer Link berichtet aus Niedersachsen: „… Amazon zählt damit nicht nur zu den großen Gewinnern der Corona-Pandemie, sondern auch zu den wertvollsten Unternehmen der Welt. Doch der Online-Gigant steht seit Jahren für den Umgang mit seinen Angestellten in der Kritik, insbesondere hinsichtlich ihrer Überwachung. Nach Berichterstattung des ARD-Magazins Panorama im Oktober über eine hierfür eingesetzte Software beanstandet nun die niedersächsische Landesbeauftragte für Datenschutz einige Funktionen dieser Software. In Panorama hatten Beschäftigte darüber geklagt, dass im Arbeitsalltag selbst menschliche Grundbedürfnisse kaum erfüllt werden könnten. Im Zentrum des Vorwurfs steht dabei ein Computerprogramm, mit dem die Leistung der Mitarbeiter offenbar permanent kontrolliert werden kann. Der Amazon-Arbeiter scannt jedes Teil, das er einlagert, heraussucht oder in ein Paket packt. Dieser Scan-Vorgang wird sekundengenau aufgezeichnet und einem Vorarbeiter angezeigt. So kann er jeden Arbeitsschritt der Beschäftigten überwachen und sehen, ob ein bestimmter Arbeiter auch genügend Pakete packt. Ein Vorarbeiter schilderte in Panorama, wie er auf seinem Display sieht, wenn ein Mitarbeiter mal für wenige Minuten nicht arbeitet. Die niedersächsische Landesbeauftragte für den Datenschutz bestätigte nun Panorama, man habe dem Amazon-Standort im niedersächsischen Winsen untersagt, “ununterbrochen jeweils aktuelle und minutengenaue Quantitäts- und Qualitätsleistungsdaten ihrer Beschäftigten zu erheben und diese zu nutzen”. In Winsen steht eines der modernsten Amazon-Zentren in Europa. Diese Entscheidung könnte Signalwirkung für ganz Deutschland haben, denn Amazon nutzt die Software bundesweit. Auf NDR-Anfrage teilt ein Amazon-Sprecher mit, dass man den Bescheid nicht akzeptiere. “Anders als die Behörde sind wir der Meinung, dass auch die Art und Weise der Datenerhebung rechtmäßig ist. Deshalb werden wir die Entscheidung der Behörde gerichtlich überprüfen lassen.” Der Bescheid ist noch nicht rechtskräftig. Bis zum 3. Dezember kann Amazon dagegen Klage einreichen. “Die Totalüberwachung durch Amazon ist das genaue Gegenteil von guter und sicherer Arbeit”, so André Scheer von der Gewerkschaft ver.di…“
    • Und international: Gegen Amazons Spionage-Regiment: Gewerkschaften in Spanien und Großbritannien mobilisieren zum Widerstand – Verfahren gegen Totalüberwachung in Niedersachsen
  • Überwachung am Arbeitsplatz: Amazon spioniert seinen Beschäftigten in Leipzig hinterher
    Der größte Online-Händler der Welt fürchtet sich vor gewerkschaftlicher Selbstorganisation. Interne E-Mails zeigen, wie Amazon die Zusammenkünfte seiner Angestellten detailliert dokumentiert. Auch vor dem Einfluss von Umweltaktivist:innen sorgt sich der Konzern. (…) Journalistin Gurley zitiert aus internen E-Mails externer Link des „Global Security Operations Center“, dem inneren Überwachungsapparats von Amazon. Dort heißt es, dass 339 Beschäftigte an dem Streik in Leipzig teilgenommen hätten, darunter jedoch keine Führungskräfte. Weiter heißt es, das seien „46,37%“ der Personen, die Amazon für den Streik erwartet hatte. Die E-Mails zeigen, wie der Konzern die Selbstorganisation seiner Beschäftigten bis hin zur Identifizierung von Einzelpersonen überwacht. Insbesondere Führungskräfte scheinen demnach unter gezielter Beobachtung zu stehen. Amazon streitet das ab. Auf Nachfrage von netzpolitik.org schreibt ein Sprecher, dass es „nie eine Beobachtung der Aktivitäten durch operative Mitarbeiter vor Ort“ gab. Außerdem wird deutlich, wie detailliert die interne Überwachungseinheit des Konzerns Streiks dokumentiert und Prognosen erstellt, die anschließend korrigiert werden. (…) Ein nun bekannt gewordener interner Bericht aus dem Jahr 2019 zeigt zudem, dass Amazon sich vor Protesten durch Umweltaktivist:innen in Deutschland fürchtet externer Link. Die Social-Media-Aktivitäten von Greenpeace, Extinction Rebellion und Fridays for Future werden demnach genau beobachtet. In dem Bericht wird laut Gurley beispielsweise ein Greenpeace-Video beschrieben und vermerkt, dass es bereits das „dritte Video über Amazon in zwei Wochen“ sei und ein Boykott „nicht ausgeschlossen“ werde könne. Ein Amazon-Sprecher schreibt an netzpolitik.org, dass es falsch wäre „diese Aktivitäten zu skandalisieren oder zu behaupten sie wären ungewöhnlich“. (…)Die nun veröffentlichten internen Dokumente sind nur ein weiteres Puzzleteil in den Enthüllungen über Arbeitnehmer-Überwachung bei Amazon. Gewerkschaftsvertreter:innen aus 15 Ländern forderten deshalb bereits im Oktober die Europäische Kommission auf zu prüfen, ob der Konzern gegen europäisches Recht verstößt externer Link.“ Artikel von Marie Bröckling vom 26.11.2020 bei Netzpolitik externer Link

  • Die pickende Reservearmee. Kontrolle und Rotation: Amazon überwacht permanent seine Belegschaft und tauscht Beschäftigte aus
    Der Onlineriese Amazon präsentiert sich gerne als freundliches und faires Unternehmen. Inmitten der ersten Welle der Coronapandemie lobte der Chef von Amazon Deutschland, Ralf Kleber, in einem Imagevideo überschwenglich seine Angestellten. Die Arbeit, die diese gerade leisteten, sei wichtiger denn je. Die Picker, Packerinnen und Lieferanten seien, so Kleber, »Amazon-Heldinnen und -Helden«. Wie eine Heldin fühlt sich Lisa Reisner* allerdings nicht behandelt. Sie arbeitet seit mehreren Jahren im niedersächsischen Winsen an der Luhe in einem der modernsten Amazon-Versandlager in Europa. Der Arbeitsdruck sei enorm, sagt sie. Je nach Abteilung muss sie in der Stunde mehrere hundert Waren einlagern oder picken. Schafft sie die vorgegebene Rate nicht, stehe schnell ein »Area Manager«, eine Art Vorarbeiter, neben ihr. »Wir werden behandelt wie Roboter, die nicht richtig funktionieren«, erzählt Reisner. (…) In der klassischen Fabrik des vergangenen Jahrhunderts liefen die Fließbänder schneller, um die Mehrwertrate zu erhöhen. Im digitalen Kapitalismus des 21. Jahrhunderts steigt die Rate. Als Lisa Reisner vor vier Jahren bei Amazon in Winsen anfing, habe sie in der Abteilung knapp 200 Teile die Stunde gepickt. Nach und nach stieg die Rate. Mittlerweile liege sie bei 350. »Die Arbeit ist die gleiche geblieben, aber jetzt müssen wir fast doppelt soviel arbeiten«, sagt Reisner. Die Rate steigt auch deshalb, weil Amazon vor allem auf prekäre Beschäftigungsverhältnisse setzt. Peter Birke von der Universität Göttingen schätzt, dass am Standort in Winsen zu Hochzeiten bis zu 50 Prozent der Beschäftigten befristet sind. (…) In Leipzig, wo sich eines der insgesamt 13 großen Distributionszentren in Deutschland befindet, war Michael Wolff auch mal befristet angestellt. Er beschreibt diese Zeit als ein Ausscheidungsrennen. Alle hätten versucht, noch schneller und schneller zu arbeiten, um die erhoffte Vertragsverlängerung zu erhalten. »Ich habe jeden Tag 200 Prozent gegeben und bin nach der Arbeit völlig kaputt ins Bett gefallen.« Mittlerweile arbeitet er unbefristet bei Amazon und lässt sich nicht mehr so den Takt vorgeben – auch weil der Betriebsrat Druck auf die Geschäftsleitung gegen diese Form der Arbeitshetze aufgebaut hat. (…) Arbeitssoziologe Birke vermutet, dass Amazon bewusst dort Standorte eröffnet, wo sich das Beschäftigungsmodell realisieren lässt: »Dass Amazon etwa in Winsen ist, liegt wohl auch daran, dass es in der Region ein hohes Potential arbeitender Armer gibt.« Das Reservoir der pickenden Reservearmee macht sich Amazon zunutze, um die Ausbeutung zu intensivieren – und auf Basis der Arbeit ihrer »Heldinnen und Helden« Rekordumsätze einzufahren.“ Artikel von Sebastian Friedrich in der jungen Welt vom 04.11.2020 externer Link
  • Fatale Überwachung: Der Druck auf die Mitarbeiter*innen im Amazon-Zentrum Winsen ist hoch. Da kann es schon mal zu Unfällen kommen wie im Fall von Marc S. 
    “Für die vierte Operation an Armen und Händen ist Marc S. nach Hamburg gekommen. Er sitzt in einem Café nahe dem Hauptbahnhof und krempelt die Ärmel hoch: „Hier“, sagt er und zeigt auf eine Narbe am Daumen. Das war der Arbeitsunfall, dann folgten Komplikationen und eine zweite OP, an der anderen Hand eine dritte und jetzt der Ellenbogen. Marc S. hat anderthalb Jahre bei Amazon in Winsen gearbeitet. Der Druck, dem er dort ausgesetzt war, hat Spuren hinterlassen. (…) „Die Manager kommen dauernd zu dir“, sagt S. im Gespräch mit der taz. „Sie zeigen dir deine Arbeitsleistung als Graph auf einem Laptop und sagen: ‚Du bist schnell, das ist gut. Aber du musst noch schneller werden’. Der Druck ist immens.“ Marc S. arbeitete schnell, wie er sagt, „so schnell wie drei zusammen“. Bis er sich verletzte. S. war im „Receive-“, also Annahmebereich, als „Production Supervisor“ tätig. Im Annahmebereich stehen die Mitarbeiter*innen an Fließbändern, schneiden hereinkommende Kartons auf, scannen die Ware und legen sie auf ein Fließband auf Kniehöhe. Der leere Karton kommt auf ein Band, das über den Köpfen entlangläuft. So geht es Paket für Paket, im Akkord. (…) Amazon-Mitarbeiter*innen holen sich ihr Arbeitsmaterial wie Sicherheitshandschuhe und spezielle Sicherheitsmesser an einem Automaten. Der/die Mitarbeiter*in scannt den Dienstausweis und bestellt per Tastenkombination die gewünschte Ware, wie beim Snackautomat am Bahnhof. „Aber wenn du schon mehrere Klingen für dein Sicherheitsmesser verbraucht hast, kriegst du keine neue“, sagt Marc. Also habe er die Kartons mit der Faust durchboxt, um sie anschließend zu falten. Bis dabei sein Daumen umknickte: Bänderriss. Auch sein Ellenbogen hat dabei Schaden genommen, genauer der Nerv, der bis zum Ring- und Zeigefinger reicht. Die beiden Finger seiner rechten Hand sind taub. Amazon hat ein spezielles Vorgehen dafür, befristet angestellte Mitarbeiter*innen, die nicht so schnell arbeiten wie andere oder irgendwie negativ auffallen, loszuwerden. Es gibt feste Tage für solche indirekten Entlassungen, sie heißen „Release Days“ (auf deutsch: „Tag der Freilassung“). Auch S.’ Vertrag wurde nach anderthalb Jahren nicht verlängert, obwohl er schnell genug gearbeitet habe. S. ist sich sicher, dass der Grund dafür in der langen Krankschreibung nach dem Betriebsunfall liegt. (…) In den anderthalb Jahren, die S. am Standort Winsen gearbeitet hat, habe es fünf Arbeitsunfälle in seiner Abteilung gegeben, sagt er. Hundert Mitarbeiter*innen pro Schicht arbeiteten dort, am gesamten Standort sind es laut Amazon 1.900. Der Multikonzern selbst gibt zu Arbeitsunfällen keine Zahlen heraus. Er betont: „Amazon legt größten Wert auf die Sicherheit und Gesundheit seiner Mitarbeiter und hat Millionen von Dollar investiert, um einen sicheren Arbeitsplatz zu schaffen.“ Artikel von Katharina Schipkowski vom 28.10.2020 in der taz online externer Link
  • siehe auch international: Amazon überwacht, wo es kann – alles und alle. Aber: Amazon kann nicht überall – schon gar nicht dort, wo der Widerstand zu groß ist

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=179879
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