Unternehmen mit Tarifvertrag zahlen fast doppelt so häufig Urlaubsgeld – Beschäftigte in Ostdeutschland gehen oft leer aus

Dossier

Ab in die Hängematte!„In Deutschland erhält knapp jeder zweite Beschäftigte Urlaubsgeld. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Online-Befragung des Internet-Portals www.lohnspiegel.de, das vom Tarifarchiv des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung betreut wird. Für die Analyse wurden die Angaben von mehr als 123.000 Beschäftigten aus dem Zeitraum von Anfang Januar 2018 bis Ende April 2019 ausgewertet. „Die Wahrscheinlichkeit, ob ein Beschäftigter Urlaubsgeld erhält oder nicht, ist dabei von mehreren Faktoren abhängig“…“ Pressemitteilung der Hans-Böckler-Stiftung vom 28. Mai 2019 externer Link zur Auswertung des WSI-Tarifarchivs und mehr daraus/dazu:

  • Lediglich 44 Prozent der Beschäftigten in der Privatwirtschaft erhalten Urlaubsgeld – in tarifgebundenen Betrieben ist der Anteil mit 72 Prozent deutlich höher New
    In den letzten Jahren sind Reisen und Unterkünfte fast überall deutlich teurer geworden. Für viele Beschäftigte ist deshalb das zumeist im Juni oder Juli ausgezahlte Urlaubsgeld ein wichtiger Faktor, um sich den wohlverdienten Jahresurlaub leisten zu können. Allerdings erhält mit 44 Prozent noch nicht einmal die Hälfte aller Beschäftigten in der Privatwirtschaft Urlaubsgeld. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Online-Befragung des Internet-Portals Lohnspiegel.de, das vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung betreut wird. Für die Analyse wurden die Angaben von mehr als 67.000 Beschäftigten aus dem Zeitraum von Anfang Mai 2024 bis Ende April 2025 ausgewertet.
    Ob Beschäftigte Urlaubsgeld erhalten oder nicht, hängt von mehreren Faktoren ab. Der mit Abstand wichtigste ist, ob im Betrieb ein Tarifvertrag gilt: In tarifgebundenen Betrieben der Privatwirtschaft erhalten 72 Prozent der Befragten Urlaubsgeld, verglichen mit 34 Prozent in Betrieben ohne Tarifvertrag. „Wer in einem Betrieb mit Tarifvertrag arbeitet, hat also deutlich bessere Aussichten auf Urlaubsgeld. Zugleich ist in tarifgebundenen Betrieben in der Regel auch das Grundgehalt höher als ohne Tarifvertrag“, sagt WSI-Lohnexperte Dr. Malte Lübker. „Tarifverträge lohnen sich also für die Beschäftigten nicht nur zur Urlaubszeit, sondern das ganze Jahr über.“ (…)
    Wie hoch das tarifliche Urlaubsgeld ausfällt, hängt von den genauen Regelungen in den einzelnen Tarifverträgen ab. Diese unterscheiden sich zum Teil erheblich: Die Spannbreite reicht von 186 Euro für die Beschäftigten in der Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern bis zu 2.820 Euro für die Angestellten der Holz und Kunststoff verarbeitenden Industrie im Tarifbezirk Westfalen-Lippe. Dies zeigt eine aktuelle Auswertung des WSI-Tarifarchivs für ausgewählte Tarifbranchen. Die Angaben beziehen sich jeweils auf Beschäftigte in der mittleren Vergütungsgruppe (ohne Berücksichtigung von Zulagen/Zuschlägen, bezogen auf die Endstufe der Urlaubsdauer). In den meisten Tarifbereichen ist die Höhe des Urlaubsgeldes vom Tarifentgelt abhängig, in einigen Bereichen wird hingegen lediglich ein pauschaler Betrag bezahlt. „Überall dort, wo vergleichsweise hohe Tariflöhne gezahlt werden, fällt auch das Urlaubsgeld deutlich üppiger aus“, sagt der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Prof. Dr. Thorsten Schulten. „In den klassischen Niedriglohnbranchen wird hingegen in der Regel nicht nur ein niedrigeres Urlaubsgeld gezahlt. Die Chance, überhaupt eine entsprechende Sonderzahlung zu erhalten, ist aufgrund der niedrigeren Tarifbindung auch deutlich geringer“, so Schulten.
    Zu den Branchen mit relativ niedrigem Urlaubsgeld gehört neben der Landwirtschaft auch das Hotel- und Gaststättengewerbe. In Bayern erhalten Tarifbeschäftigte dort 240 Euro extra, in Sachsen sind es 195 Euro. Mit Beträgen zwischen 1.000 und 2.500 Euro sind die Sonderzahlungen demgegenüber z. B. in der Papier verarbeitenden Industrie, in der Metallindustrie, in der Druckindustrie, im Kfz-Gewerbe, im Versicherungsgewerbe, im Einzelhandel, im Bauhauptgewerbe und in der Chemischen Industrie erheblich höher
    …“ Pressemeldung der Hans-Böckler-Stiftung vom 03.06.2025 externer Link zur neuen Auswertung des WSI-Tarifarchivs
  • WSI: 46 Prozent aller Beschäftigten bekommen Urlaubsgeld – 73 Prozent in Unternehmen mit Tarifvertrag
    „In Deutschland erhalten etwas weniger als die Hälfte (46 Prozent) aller Beschäftigten in der Privatwirtschaft Urlaubsgeld. (…) Unter den Bedingungen der Corona-Krise sei das Urlaubsgeld in diesem Jahr für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besonders wichtig (…) Gerade im Niedriglohnsektor haben viele Beschäftigte in Kurzarbeit teilweise empfindliche Einkommenseinbußen hinnehmen müssen. (…) Ob ein Beschäftigter Urlaubsgeld erhält oder nicht, hängt von mehreren Faktoren ab. Der mit Abstand wichtigste ist die Tarifbindung. So erhalten 73 Prozent der Beschäftigten in tarifgebundenen Unternehmen der Privatwirtschaft Urlaubsgeld, gegenüber nur 35 Prozent der Beschäftigten in Unternehmen ohne Tarifvertrag (…) Während im Osten 33 Prozent der Beschäftigten Urlaubsgeld erhalten, sind es im Westen 48 Prozent. (…) Schließlich erhalten Männer mit 49 Prozent häufiger Urlaubsgeld als Frauen, von denen nur 41 Prozent eine entsprechende Sonderzahlung bekommen. (…) Die Höhe des tarifvertraglich vereinbarten Urlaubsgeldes fällt je nach Branche sehr unterschiedlich aus: Zwischen 155 und 2.558 Euro bekommen Beschäftigte in der mittleren Vergütungsgruppe dieses Jahr als tarifliches Urlaubsgeld…“ Pressemeldung der Hans-Böckler-Stiftung vom 28. Mai 2021 externer Link zur neuen Auswertung des WSI-Tarifarchivs
  • Weiter aus der Pressemitteilung der Hans-Böckler-Stiftung vom 28. Mai 2019 externer Link zur Auswertung des WSI-Tarifarchivs: „… „Mit Abstand am wichtigsten ist die Frage, ob im Unternehmen ein Tarifvertrag gilt.“ Beschäftigte, die in einem tarifgebundenen Unternehmen arbeiten, sind klar im Vorteil: 69 Prozent von ihnen erhalten ein Urlaubsgeld. Bei den Beschäftigten ohne Tarifvertrag sind es hingegen lediglich 36 Prozent. „Die Chance auf ein Urlaubsgeld ist damit in tarifgebundenen Unternehmen fast doppelt so hoch“, so Schulten. „Beschäftigte in Unternehmen ohne Tarifbindung sind somit gleich doppelt im Nachteil: In aller Regel liegen schon die Grundgehälter unter dem entsprechenden Tarifniveau und zusätzlich fehlt ihnen ein tariflich verbriefter Anspruch auf Urlaubsgeld.“ Von den Beschäftigten in Kleinbetrieben (unter 100 Beschäftigte) gaben in der Lohnspiegel-Erhebung nur 37 Prozent an, Urlaubsgeld zu bekommen. In größeren Betrieben (über 500 Beschäftigte) lag der Anteil mit 61 Prozent wesentlich höher. Außerdem gibt es große regionale Unterschiede: Während im Westen fast die Hälfte (49 Prozent) der Beschäftigten einen Zuschuss zur Urlaubskasse bekommen, ist dies in den ostdeutschen Ländern nur bei einem Drittel der Fall (35 Prozent). „Hier wirkt sich die geringe Tarifbindung in Ostdeutschland spürbar zu Lasten der Beschäftigten aus“, erläutert Schulten. Ein weiterer Faktor ist, dass in Ostdeutschland weniger Großbetriebe angesiedelt sind. Insgesamt erhalten Männer deutlich häufiger Urlaubsgeld (50 Prozent) als Frauen (41 Prozent)…“
  • Tarifflucht zulasten der Arbeitnehmer
    Der deutschen Wirtschaft geht es blendend. Dennoch steigen immer mehr Arbeitgeber aus den Tarifverträgen aus, um Gehaltserhöhungen zu umgehen oder Urlaubsgeld zu kürzen. Gewerkschaften sind entsetzt.“ Tagesthemen-Reportage von Jannik Pentz vom 1. Mai 2018 bei Tagesschau.de externer Link (Videolänge: 2:35 Min.)

Siehe zum Urlaubsgeld auch:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=149680
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