Neues Territorialkommando der Bundeswehr für Inlandseinsätze

Dossier

Bundeswehr übt Straßenkrieg„… Die Bundeswehr bekommt ab Oktober 2022 ein Territoriales Führungskommando in Berlin. Neben dem Einsatzführungskommando, das von Schwielowsee bei Potsdam aus seit 2001 alle Auslandseinsätze der Bundeswehr führt, soll das neue Territoriale Führungskommando alle Einsatzaufgaben der Bundeswehr im Inland aus einer Hand koordinieren und befehligen. Laut Pressemitteilung des Verteidigungsministeriums ist es verantwortlich “für die operative Führung nationaler Kräfte im Rahmen des Heimatschutzes, einschließlich der Amts- und Katastrophenhilfe sowie der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit.” (…) Damit würde die Rolle der Bundeswehr vom Rettungsanker, im Falle der Überforderung ziviler Strukturen, zur zentralen Schaltstelle umgestellt. Die befürchtete Militarisierung des Katastrophenschutzes durch Zivil-Militärische-Zusammenarbeit würde somit auch strukturell in Form gegossen…“ IMI-Analyse 2022/32 von Martin Kirsch vom 23. Juni 2022 externer Link („Neues Territorialkommando: Truppenaufmarsch, Inlandseinsätze und Reformvorhaben“), siehe dazu:

  • Bundeswehr im Alltag: Zwischen Notfall und Normalität. Die Bundeswehr soll auch im Inland Präsenz zeigen New
    „… High Noon in München: Ende Oktober 2025 kam es bei einer Übung der Bundeswehr abseits des Kasernengeländes zu einem Zwischenfall. Es kam zu Friendly Fire, als Polizeikräfte, die durch besorgte Anwohner alarmiert worden waren, sich ein Feuergefecht mit Bundeswehr-Soldaten lieferten. Wenn auch die Münchner Episode glimpflich endete, offenbart sie eine Tragweite: Nämlich wie sehr militärische Präsenz inzwischen in den Alltag hineinreicht – ein Land soll den Umgang mit Krieg lernen. Wie weit ist die innere Zeitenwende?
    Schleichende Normalisierung
    Bundeswehr-Übungen im Inneren sind kein Novum.
    Doch verblüfft aktuell der Umgang: Nichtregierungsorganisationen wie die Informationsstelle Antimilitarismus warnen externer Link vor einem schleichenden Ausbau der Kooperationen zwischen der Polizei und dem Militär. Eigentlich verneint externer Link ein striktes Trennungsgebot, das aus den Lehren der innenpolitischen Macht der faschistischen Armee resultiert, die Zusammenarbeit.
    Doch wird jenes seit Jahren ausgehöhlt – beginnend mit der terroristischen Gefahr über hybride Bedrohungen bis hin zum Schutz kritischer Infrastruktur. Dabei formuliert der Thinktank Europäische Sicherheit und Technik offen, dass das Trennungsverbot – angesichts einer vermeintlicher Angriffe auf deutsche Infrastruktur – auf den Prüfstand gehört externer Link. (…) Zudem weht externer Link „ein bayerischer Wind“, getragen von immer weiter gefassten Befugnissen und immer stärkerer Bewaffnung, durch die Lande. Dabei sind die technischen Fähigkeitsgrenzen zwischen Armee und Polizei mittlerweile nahezu fließend, wie das Beispiel des Survivor R illustriert. Eigentlich hat nur die Armee Panzer, doch der „Survivor“ – ein halbe Million Euro teures Sonderfahrzeug – ist mindestens ein gepanzertes Fahrzeug. (…)
    Das Bild deutscher Städte und Bahnhöfe änderte sich: Seit dem ersten Tag des neuen Jahrzehnts durften deutsche Soldatinnen und Soldaten beim verpflichtenden Tragen ihrer Uniform kostenfrei Angebote der Deutschen Bahn nutzen. Nach Jahren der Unsichtbarkeit kehrten Soldaten in das Stadtbild und somit in das Gedächtnis der Gesellschaft zurück. Dabei sollten die intendierten psychologischen Effekte nicht bagatellisiert werden: (…) Die dem deutschen Militarismus nahestehende Zeitung „Zuerst!“ bringt zu Protokoll, was im Bendlerblock wie Bundestag erdacht wurde: die Öffentlichkeit soll an einen Krieg gewöhnt werden. Flankiert von umfassender Truppenwerbung: Jugendoffizier in der Schule, die Straßenbahnbemalung in Camouflage, Präsenz bei Karrieremessen oder die Zusammenarbeit im Forschungsbereich – selten schritt die Militarisierung öffentlicher Räume derart rasch voran. (…)
    Im Rahmenkonzept Gesamtverteidigung externer Link wird festgehalten, welche Aufgaben explizit auf die Bundeswehr übertragen werden sollen. Dazu gehören der Schutz kritischer Infrastruktur, Evakuierungen, Logistik, medizinische Unterstützung und die Koordination von Reserven. Konkret bedeutet dies, dass Soldaten im Bereich der Versorgung, der logistischen Transportleistungen, der Räumung, des Schutzes von Verkehrsknoten, der Unterstützung beim Grenzschutz und in bestimmten, vom Parlament bestimmten Ausnahmefällen auch bei direkten Sicherheitsaufgaben eingesetzt werden würden.Die Schaffung von Materiallagern, Übungen und das Anlegen von taktischen Reserven belegen die ernsthaften Absichten. (…)
    Kritiker stellen heraus, dass trotz der steten Betonung der parlamentarischen Kontrolle dynamische Lagen rasch andere Entscheidungswege provozieren, erforderlich machen oder schlichtweg ermöglichen könnten. Im sogenannten Verteidigungsfall würde die Exekutivmacht umverteilt. Zudem würden die Länderkompetenzen gegenüber dem Bund deutlich abgeschwächt. Zudem würden unter einer Notstandsverfassung, deren Aufrechterhaltung einer diffusen Mischung aus Bundeswehr und Polizei obliegen könnte, Dutzende Freiheitsrechte unterminiert. (…)
    Ein Eingreifen der deutschen Armee gegen die heimische Bevölkerung ist insbesondere aufgrund der eigenen deutschen Geschichte kritisch diskutiert. Doch sollte das „Security Gap“-Narrativ (wenn die Polizei überfordert ist, könnten militärische Kapazitäten attraktiv erscheinen) nicht unterschätzt werden. (…) Formal darf die Bundeswehr nicht – im großen Unterschied zur US-Nationalgarde – zur Niederschlagung von Demonstrationen eingesetzt werden. De facto sind die Barrieren längst gesenkt worden. Die Praxis dehnt die rechtlichen Grenzen, die erneut erweitert werden sollen, aus: So debattierte der Bundesrat Anfang September eine weitreichende Zusammenarbeit zwischen MAD und Verfassungsschutzbehörden. (…) Zentral ist, dass es im Windschatten der gigantischen Aufrüstung zu einer weitgehend widerstandslosen Normalisierung des Militärischen im Zivilen gekommen ist.“
    Beitrag von Luca Schäfer vom 9. Dezember 2025 in Telepolis externer Link

  • IMI zum „Territorialen Führungskommando“ in Berlin: An der Grenze der Verfassungsmäßigkeit: Neue Schaltzentrale für Inlandseinsätze der Bundeswehr
    Am 1. Oktober hat das „Territoriale Führungskommando“ der Bundeswehr in der Julius-Leber-Kaserne in Berlin seine Arbeit aufgenommen: Eine „Schaltzentale für Inlandseinsätzeexterner Link. So nennt es Martin Kirsch von der Informationsstelle Militarisierung (IMI) externer Link. Er warnt davor, dass diese neue Einrichtung dazu beitragen könnte, dass der Einsatz der Bundeswehr im Inneren immer normaler wird – allen Gefahren und auch der Verfassung zum Trotz. Wir haben Martin Kirsch gefragt, was es mit dem „TFK“ genau auf sich hat.“ Interview vom 14. Oktober 2022 beim Radio Dreyeckland externer Link Audio Datei
  • Neues Territorialkommando – Kommandeur sieht Verfassungsrecht eher flexibel
    „… Erster Befehlshaber des TFK wird der Dreisternegeneral Carsten Breuer, der im vergangenen Jahr nach einem Ruf von Kanzler Scholz bereits als Krisenmanager für die nationale Impfkampagne im Kanzleramt residiert hatte (siehe IMI-Standpunkt 2021/062). Als künftiger Nationaler Territorialer Befehlshaber wird Breuer künftig zwei Kernaufgaben haben. Einerseits die Vorbereitung auf die Nationale Territoriale Verteidigung – die Verteidigung der Heimatfront im Kriegsfall – und die Aufgabe des aufmarschführenden Kommandos, von dem aus Truppenbewegungen von Bundeswehr und NATO durch die Bundesrepublik koordiniert werden. Und zweitens die Koordination sämtlicher Inlandseinsätze der Bundeswehr im Rahmen der sogenannten Amts- und Katastrophenhilfe (siehe IMI-Analyse 2022/32). Das Spektrum reicht dabei von Naturkatastrophen wie Hochwasser, Waldbränden und extremen Schneefällen über Pandemien bis hin zur Unterstützung der Polizei im Falle von großen Terroranschlägen. Entsprechende Szenarien am Rande des verfassungsrechtlich Möglichen werden bereit seit 2017 regelmäßig trainiert (siehe IMI-Analyse 2019/35). Mit welcher Perspektive Krisenmanager Breuer auf seinen verfassungsmäßig heiklen Job blickt, machte er bei einer Rede zur Außerdienststellung externer Link des Kommando Territoriale Aufgaben – dem kleineren Vorgängerkommando des TFK – am Vormittag des 26. September in Berlin deutlich. (…) Auch wir müssen immer wieder die Frage nach der Zweckmäßigkeit von Verfahren, von Verordnungen und Vorschriften stellen – immer jeden Tag in unserem täglichen Dienst.“ Etwas zugespitzt lässt sich Breuers Position wohl so zusammenfassen: nicht nur in der Not geht politisch/militärische Zweckrationalität auch mal vor Vorschriften, Gesetze … und die Verfassung?…“ IMI-Standpunkt 2022/039 von Martin Kirsch vom 28. September 2022 externer Link
  • Territorialkommando – Heimatschutzregimenter
    Wie die Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ) bereits am 20. September 2022 berichtete, soll das neue Heimatschutzregiment 3 der Bundeswehr ab 2024 im niedersächsichen Nienburg aufgebaut werden. Zuvor hatten sich zentrale Figuren der niedersächsischen Regierungskoaltion aus SPD und CDU für eine Stationierung der Reservetruppe im Nordwesten stark gemacht. Zum 1. Oktober wird in Berlin das neue Territoriale Führungskommando der Bundeswehr offiziell an den Start gehen. (siehe IMI-Analyse 2022/32) Dort sollen künftig alle Inlandseinsätze der Bundeswehr koordiniert werden. Das Spektrum reicht von Hochwasser und Coronaeinsatz über mögliche Unterstützung der Polizei bei Terroranschlägen (in der verfassungsrechtlichen Grauzone) bis zur Organisation der Heimatfront im Kriegsfall. Dann wäre das neue Kommando sowohl für den Schutz von Kasernen und kriegswichtiger Infrastruktur, als auch für die Durchführung und Absicherung großer Truppen- und Materialbewegungen von NATO und Bundeswehr durch Deutschland zuständig…“ IMI-Aktuell 2022/462 vom 26. September 2022 externer Link
  • Bundeswehr im Inland: Neue Bürgerkriegszentrale
    Bundeswehr verfügt neuerdings über Führungskommando für »Heimatschutz«. Zu den Aufgaben zählen Terrorabwehr und Zerschlagung von Aufständen
    An diesem Montag stellen Bundeskanzler Olaf Scholz und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (beide SPD) in der Julius-Leber-Kaserne im Berliner Ortsteil Wedding das neugeschaffene »Territoriale Führungskommando« der Bundeswehr in Dienst. Es soll ab dem 1. Oktober rund um die Uhr insgesamt 550 Soldaten und 250 Zivilisten beschäftigen. Lambrecht hatte am 13. Juni in einem Tagesbefehl die Einrichtung des Kommandos angeordnet. »Der russische Einmarsch in der Ukraine« habe die Notwendigkeit unterstrichen, die Führungsorganisation der Streitkräfte »verstärkt auf die Anforderungen der Landes- und Bündnisverteidigung auszurichten«. Laut dem Befehl ist das Territorialkommando »verantwortlich für die operative Führung nationaler Kräfte im Rahmen des Heimatschutzes, einschließlich der Amts- und Katastrophenhilfe sowie der zivil-militärischen Zusammenarbeit«. Es nehme zugleich die Aufgaben als »aufmarschführendes Kommando« für nationale Verlegungen gemäß den Planungen der NATO wahr und organisiere die Verlegung alliierter Kräfte in Deutschland in enger Abstimmung mit den NATO-Kommandos. (…) Der Befehlshaber des neuen Kommandos, Generalleutnant Carsten Breuer, der vom Herbst 2021 bis Mai dieses Jahres den »Coronakrisenstab« im Bundeskanzleramt leitete, erklärte gegenüber dpa am Sonntag, mit der neuen Einrichtung solle die Reaktionsfähigkeit auf eine gezielte Destabilisierung zügig verbessert werden. Eine »hybride Einflussnahme auf die Sicherheitsarchitektur Deutschlands, also dieser Zustand, bei dem man sagen muss, das ist nicht mehr ganz Frieden, aber es ist auch noch nicht ganz Krieg«, sei der »Worst Case« für seine Zentrale. Die Vokabel »hybride Kriegsführung« öffnet der Willkür zum Erlass von Notstandsmaßnahmen Tür und Tor. Ihre Definition reicht vom militärischen Angriff über angeblichen wirtschaftlichen Druck bis zu Hackerattacken und Propaganda in Medien. »Dieses zu beherrschen«, so Breuer, »und zwar in der gesamten Bandbreite, das macht den Kern dieses Kommandos aus.« Es solle zudem die »Hülle für einen nationalen Krisenstab zur Verfügung stellen«. Der »Heimatschutz« kann marschieren.Artikel von Arnold Schölzel in der jungen Welt vom 26.09.2022 externer Link

Siehe zum Inlandeinsatz im LabourNet auch die Dossiers:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=205371
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