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Erneuter Massenprotest in Mali: Für den Abzug der (vor allem) französischen Truppen, die nicht helfen, sondern unterdrücken

DFG-VK: Nein zum Militäreinsatz in Mali„… Frankreich ist im Januar 2013 in Mali interveniert, um separatistischen und islamistischen Kräften entgegenzutreten. Diese waren aus dem Norden, aus Libyen gekommen, nachdem die Nato Libyen überfallen und dort einen Regimewechsel erzwungen hatte. Seither befinden sich mehr als 4.000, seit Anfang diesen Jahres sogar über 5.000 französische Soldaten in Mali. Sie gehören zu einer internationalen Mission, der u.a. auch Deutschland, Kanada, die USA und sogenannte G5-Streitkräfte aus den Ländern Niger, Tschad, Mauretanien, Burkina Faso und Mali angehören. Mali ist nach seinem südlichen Nachbarstaat Ghana und Südafrika der drittgrößte Goldproduzent in Afrika. Es grenzt außerdem an Niger, wo Frankreich Streitkräfte stationiert hat und Drohnenbasen unterhält. Von dort bezieht Frankreich den Großteil des Urans für die Produktion seines Atomstroms. Im Februar kündigte die Macron-Regierung eine deutliche Eskalation der Intervention an. Die Zahl der französischen Soldaten, die an der sogenannten Operation Barkhane teilnehmen, wurde von 4.500 auf 5.100 erhöht, und einige kämpfen direkt an der Seite der G5-Truppen. Parallel zu der Ausweitung der französischen Intervention ist auch die Zahl ethnischer Massaker und außergerichtlicher Morde und Kriegsverbrechen angestiegen, wie Menschenrechtsorganisationen berichten. Milizen der Volksgruppe Dogon genießen laut zahlreicher Meldungen die stillschweigende Unterstützung der Regierung von Frankreichs Gnaden und der G5-Streitkräfte, wenn sie Massaker an den muslimischen Fulani (Fulbe) verüben. Die Fulani sind Nomaden, denen die Regierung Nähe zum Dschihadismus vorwirft. Am 23. März 2019 wurden 160 Bewohner eines Fulani-Dorfes von einer Dogon-Miliz massakriert, und bei einem Vergeltungsangriff kamen mindestens 95 Menschen zu Tode. Amnesty International veröffentlichte vor Kurzem einen Bericht, der beweist, dass sich die G5-Sicherheitskräfte, die Seite an Seite mit französischen Soldaten zusammenarbeiten, außergerichtlicher Hinrichtungen und Kriegsverbrechen schuldig gemacht haben…“ aus dem Bericht „Mali: Zehntausende fordern Rücktritt des Präsidenten“ von Will Morrow am 24. Juni 2020 bei wsws externer Link, der einleitend auch über die Auswirkungen der Epidemie – trotz deren die Demonstration stattfand – und die Formierungen der Politik der herrschenden Klasse Malis berichtet (unter anderem über das Wirken jener konservativen Kräfte, die jetzt am Zustandekommen der Proteste beteiligt waren, nachdem sie früher lange Jahre Bestandteil des Regimes waren). Siehe dazu auch einen Videobericht von dieser neuesten Demonstration, einen ausführlichen Beitrag aus der Vorwoche zu den politischen Kräften, die sich zu den Protesten zusammen finden und einen Hintergrundbeitrag zur konkreten Bilanz des Armee-Einsatzes jenseits der propagandistischen Mobilmachungs-Übungen:

  • „Mali in Aufruhr“ von Bernard Schmid am 11. Juni 2020 in der jungen welt externer Link zur „Vorbereitungsphase“ der neuerlichen Proteste in der Woche zuvor unter anderem: „… Die beiden Hauptredner der Kundgebung kommen aus ziemlich unterschiedlichen Lagern. Einer von beiden, Mahmoud Dicko, war bis 2017 einer der engsten Verbündeten von Präsident Ibrahim Boubacar Keïta. Letzterer, im August 2013 erstmals gewählt und 2018 im Amt bestätigt, wird allgemein nur mit dem Kürzel »IBK« bezeichnet und zählt zum islamisch-konservativen bis islamistischen Spektrum. Bei seiner ersten Wahl verhalf ihm Dicko zu vielen Stimmen aus dem religiösen oder konservativen Lager. Damals stand er noch dem »Hohen Islamrat« (HCI) vor, einer Vertretung des in die staatlichen Institutionen eingebundenen Klerus, der ein Wörtchen in der Politik mitreden, allerdings nicht direkt in die Regierungsgeschäfte eingreifen kann. Denn Mali ist nach dem Vorbild der früheren Kolonialmacht Frankreich eine laizistische Republik, auch die christliche Minderheit kommt etwa in den öffentlich-rechtlichen Medien gleichberechtigt vor. (…) Der 55jährige Dicko selbst vertritt eine politisierte Vorstellung von Religion, ohne jedoch mit Gewalt einen Gottesstaat errichten zu wollen. Er wird in der Regel zur quietistischen Richtung des Salafismus gezählt, also jener Strömung, die anders als die dschihadistischen Salafisten nicht anstrebt, »gottlose« Regierungen zu stürzen und andere an ihre Stelle setzen zu wollen, sondern die Gesellschaft eher durch Predigten, das Vorbild guter Taten, Sozialarbeit sowie Agitation und Propaganda zu beeinflussen sucht. Im April 2019 trat er von seinem Amt beim HCI zurück. Im September gründete er eine neue Organisation, die CMAS (Koordination der Bewegungen, Vereinigungen und Sympathisanten), mit der er nun gegen die Regierung opponiert. Der andere Hauptredner, Clément Dembélé, ist ein 46jähriger Hochschullehrer. 2010 legte er in Frankreich eine Doktorarbeit in vergleichender Literaturwissenschaft vor. Bekannt wurde er vor allem als »Antikorruptionsaktivist«. Er appelliert, auf nichtreligiöser Basis, an die Zivilgesellschaft und ihren wachsenden Unmut. Aufgrund seiner lauten Kritik wurde er am 9. Mai auf extralegale Weise durch die Generaldirektion für Staatssicherheit (DGSE) – einen Inlandsnachrichtendienst – festgenommen, vierzehn Tage lang verhört und am 23. Mai wieder freigelassen. Dieses »Kidnapping«, wie viele sagen, löste seinerseits Protest aus. Hinter beiden und den zahllosen anderen Protestierenden steht eine breite Koalition aus Oppositionskräften, unter ihnen unterschiedliche parlamentarische Parteien, NGO und religiöse Zirkel, die sich unter dem Namen »Sammlung der patriotischen Kräfte« zusammengeschlossen haben. Ihr gehören unter anderem die CMAS, aber auch das oppositionelle Parteienbündnis »Front für die Rettung der Demokratie« (FSD) oder die bürgerinitiativenähnliche Vereinigung »Espoir Mali Koura« an...“
  • „Der Unmut in Mali über die ausländische Intervention wächst“ von Martin Ling bereits am 29. Mai 2020 in neues deutschland online externer Link berichtete vor vier Wochen: „… Salif Keitas Meinung wird in Mali vielfach geteilt. Anfang Januar – sieben Jahre nach Beginn der von Frankreich geführten Militäroperationen in Mali, zirkulierten Videos in sozialen Netzwerken, bei denen rund 300 Demonstranten in Bandiagara in Zentral-Mali UN-Fahrzeugen den Weg versperrten. Laut lokalen Medien und der französischen Nachrichtenseite France24 riefen die Menschen: »Nieder mit MINUSMA«, wie die UN-Blauhelmmission in Mali in Kurzform heißt. Frauen und Kinder sollen am Ortseingang Steine auf die Blauhelmsoldaten geworfen haben. In der Hauptstadt Bamako hielten Demonstranten Schilder, auf denen sie neben dem Ende MINUSMA den Rücktritt von Präsident Ibrahim Boubacar Keita forderten. Die MINUSMA hat fast 14 000 Soldaten im Land stationiert, darunter bis zu 1100 deutsche. Die französische Barkhane-Mission hat 4700 französische Soldaten vor Ort. Dazu kommen zwei EU-Missionen und die multinationale Eingreiftruppe G5-Sahel (Niger, Tschad, Mali, Burkina Faso, Mauretanien). Sie stecken offensichtlich in einer Sackgasse. Angeheizt von einer starken antifranzösischen Stimmung wird in den Sahelstaaten der G5 die Kritik am Einsatz lauter. Die Truppen aus dem Ausland seien nutzlos und sogar Teil des Problems. Die Fakten geben den Kritikern recht. In den ersten drei Monaten dieses Jahres hat sich die Menschenrechtslage »sehr verschlechtert«. So lautet das Fazit eines zehnseitigen Berichts der MINUSMA. 598 Vorfälle wurden in diesem Zeitraum registriert, gut 61 Prozent mehr als zwischen Oktober und Dezember 2019…“
  • Siehe zuletzt am : Massive Kritik an der Fortsetzung des Kriegseinsatzes: Was soll die Bundeswehr in Mali „schützen“ – die Wehrdörfer?
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=174483
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