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Ägyptens Schlächter al-Sisi in Paris – und Macrons Ehrlichkeit: „Menschenrechte? Nebensache!“

Sisi not welcome - Kampagne in England, Juni 2015Gerade frisch von einer wichtigen internationalen Solidaritäts-Kampagne gezwungen, die willkürliche Festnahme von Menschenrechtsaktivisten rückgängig zu machen, kommt der Diktator aus Kairo zu Besuch nach Paris. Und während aus gutem Grund bundesdeutsche Medien den armen Monsieur Macron bedauern, der leider gezwungen sei, mit al-Sisi zusammen zu arbeiten, macht der französische Präsident ihnen einen dicken Strich durch ihre Milchmädchenrechnung. Und betont, die Zusammenarbeit sei freiwillig, weil man Ziele teile. (Weil der eine schon den Polizeistaat hat, den der andere anstrebt?) Die mediale Entschuldigungskampagne beiderseits des Rheins hat ihre wesentliche Ursache in folgender Reihenfolge: Die Waffen als Sisis kommen aus 1. Washington, 2, Berlin, 3. Paris. Aber Macron lässt die Republik ja schon immer für befreundete Diktatoren marschieren – siehe Guinea, Elfenbeinküste und Co… Siehe in der kleinen Materialsammlung dazu einen aktuellen Beitrag, einen gewerkschaftlichen Protestaufruf gegen den Besuch, einen Hintergrundbeitrag zur keineswegs freiwilligen aktuellen Freilassung mehrerer im November willkürlich inhaftierter Aktivisten in Ägypten – sowie zwei Beiträge, die deutlich machen, warum die Medien in der BRD Macrons Zynismus so intensiv verteidigen, wie es ihre Gesinnungsfreunde jenseits des Rheins tun…

  • „Macron und Sisi demonstrieren in Paris ihre Freundschaft“ von Judith Korman am 07. Dezember 2020 in der NZZ online externer Link über den Freundschaftsbesuch: „… Bereits zum dritten Mal sind Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und sein ägyptischer Amtskollege Abdelfatah al-Sisi am Montag in Paris zu bilateralen Gesprächen zusammengekommen. Nach einem ersten Frankreichbesuch Sisis im Oktober 2017 war Macron im Januar 2019 nach Ägypten gereist. Nun kam der ägyptische Staatschef erneut für mehrere Tage nach Paris. Bei einer kurzen Stellungnahme vor der Presse bekräftigten die beiden Staatschefs ihre «strategische Partnerschaft» und unterstrichen den gemeinsamen Einsatz für mehr Stabilität in Nordafrika und Nahost. (…) Für Frankreich ist Ägypten nach Katar und Saudiarabien der wichtigste Abnehmer von Rüstungsgütern. 2019 verkauften die Franzosen Waffen im Wert von mehr als einer Milliarde Euro nach Ägypten. In den Jahren zuvor lagen die Zahlen noch höher. Unter Macrons Vorgänger Hollande wurde unter anderem der Verkauf von 24 Rafale-Kampfflugzeugen, zwei Mistral-Kriegsschiffen und einer Fregatte abgewickelt. Wegen seiner Waffengeschäfte mit Ägypten steht Frankreich seit Jahren in der Kritik von Menschenrechtsorganisationen. Im Vorfeld von Sisis Staatsbesuch hatten 17 NGO, darunter Human Rights Watch und Amnesty International, Macron aufgefordert, klar Stellung zu beziehen zur Verfolgung von Oppositionellen und Menschenrechtlern in Ägypten und Druck auf den autoritär regierenden Sisi auszuüben. Erst kürzlich sorgte die Festnahme dreier führender Aktivisten der Ägyptischen Initiative für Persönlichkeitsrechte (EIPR), einer in Ägypten aktiven, gut vernetzten Menschenrechtsorganisation, international für Aufsehen. Sie wurden vergangenen Donnerstag auf internationalen Druck hin freigelassen. Macron begrüsste die Freilassung und räumte Meinungsunterschiede in puncto Menschenrechte ein, die offen zur Sprache gekommen seien. So habe er Sisi eine Liste von Personen vorgelegt, auf deren Freilassung man hinarbeite. Den Verkauf von Rüstungsgütern an Fortschritte bei den Menschenrechten zu knüpfen, lehnte er aber ab...“
  • „Al-Sisi und Macron: Ungewollte Partner“ von Kerstin Knipp am 07. Dezember 2020 bei der Deutschen Welle externer Link versucht Macron weiß zu waschen – und dies keineswegs nur aus bundesdeutscher Uneigennützigkeit (wie sich aus der unten darauf folgenden Meldung ergibt…): „… Kein Boykott, statt dessen Dialog. Auf diese Formel hat der französische Präsident Emmanuel Macron die künftige Haltung seines Landes gegenüber Ägypten gebracht. Zwischen beiden Staaten gebe es mit Blick auf Menschenrechte zwar Meinungsverschiedenheiten, doch über die rede man offen, erklärte der Präsident anlässlich des dreitägigen Staatsbesuchs seines ägyptischen Amtskollegen Abdel Fatah al-Sisi zu Beginn dieser Woche in Paris. „Ich würde unsere Zusammenarbeit in Verteidigungs- oder Wirtschaftsfragen nicht von diesen Meinungsverschiedenheiten abhängig machen. Zunächst einmal, weil ich an die Souveränität der Nationen und die Achtung unserer legitimen und gegenseitigen Interessen glaube.“ Mit diesen Worten versucht Macron den Protest zu beschwichtigen, den der Besuch al-Sisis in Frankreich bei Menschenrechtsorganisationen auslöste. Die ägyptische Regierung versuchte, der Kritik ein wenig den Wind aus den Segeln zu nehmen, in dem sie wenige Tage vor der Reise al-Sisis nach Paris drei im November verhaftete Aktivisten der „Ägyptischen Initiative für Persönliche Rechte“ (EIPR) aus dem Gefängnis entließ...“
  • „Deutsche Patrouillenboote für Ägypten“ am 03. November 2020 bei nd online externer Link meldete zur Tatsache, dass keineswegs nur Herr Macron freundschaftliche Beziehungen zum Diktator in Kairo pflegt: „… Die auf der Peene-Werft in Wolgast produzierten Boote des Bremer Unternehmens Lürssen sind das größte vom Exportstopp direkt betroffene Rüstungsprojekt. Saudi-Arabien hat bei der Werft 35 Patrouillenboote bestellt. Bis zum Exportstopp waren erst 15 ausgeliefert, 7 weitere aber schon fertig produziert. 300 Arbeitsplätze seien durch den Exportstopp gefährdet, hieß es damals. Mit der Lieferung an Ägypten wurde jetzt nach zwei Jahren eine Kompensation gefunden. Politisch ist die Lösung aber äußerst heikel. Ägypten wird wie Saudi-Arabien wegen Menschenrechtsverletzungen kritisiert und ist wie Saudi-Arabien in den Jemen-Krieg involviert und mischt auch im Libyen-Konflikt mit. Die Opposition kritisiert die Exportgenehmigung scharf. »Die neuen Genehmigungen sind angesichts der Beteiligung Ägyptens am Jemen-Krieg skrupellos und ein erneuter Bruch des Koalitionsvertrags«, sagt Linke-Außenpolitikerin Sevim Dağdelen. Grünen-Außenexperte Omid Nouripour warf der Bundesregierung vor, den Bemühungen um Frieden in Libyen und die Achtung der Menschenrechte zu schaden. »Anstatt die katastrophale Menschenrechtslage dort zu verurteilen, genehmigt die Bundesregierung nun Rüstungsexporte. Das ist eine moralische Bankrotterklärung der Bundesregierung, aber vor allem einer SPD, die angetreten war für eine restriktive Genehmigungspolitik.« Ägypten zählt derzeit zu den besten Kunden der deutschen Rüstungsindustrie. In den ersten neun Monaten des Jahres war das Land mit einem Exportvolumen von 585,9 Millionen Euro Hauptempfänger von Kriegswaffen aus deutscher Produktion. So beliefert Thyssenkrupp Marine Systems Ägypten mit U-Booten...“
  • „Al-Sisi unter Druck“ von Sofian Philip Naceur am 22. Oktober 2020 in der jungen welt externer Link hatte von der zu jenem Zeitpunkt beginnenden internationalen Kampagne gegen die neuen willkürlichen Festnahmen in Ägypten berichtet: „… Die Liste der inhaftierten prominenten Aktivisten ist dabei seit 2019 erneut deutlich länger geworden. Neben der trotz Al-Sisis repressiver Politik stoisch weiter ihre Arbeit machenden linken Menschenrechtsanwältin Mahinour Al-Masry sitzen auch der palästinensisch-ägyptische Aktivist Ramy Shaath seit mehr als einem Jahr hinter Schloss und Riegel. Nach einer Protestwelle gegen Al-Sisi im September 2019 hatte das Regime das Vorgehen gegen Aktivisten, Anwälte und Journalisten abermals deutlich verschärft und seither Tausende Menschen verhaften lassen. »Ägyptische Gefängnisse sind lebensgefährlich für Gewerkschafterinnen, Journalisten und Menschenrechtsanwältinnen. Die Coronapandemie treibt die unhaltbaren Zustände auf die Spitze«, erklärt die Mitunterzeichnerin des Briefes und Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Christine Buchholz, gegenüber jW. In der Tat hat die Covid-19-Krise die Lage in Ägyptens Haftanstalten beträchtlich verschärft. Erst Anfang Oktober gab es im berüchtigten Tora-Gefängnis in Kairo einen Massenprotest, Hunderte Gefangene gingen in den Hungerstreik, nachdem die Behörden Kollektivstrafen gegen Internierte verhängt hatten, berichtete die unabhängige Internetzeitung Mada Masr. Die EU-Abgeordnete der Linkspartei, Özlem Demirel, kritisiert derweil EU-Hilfen für das Regime in Kairo. »Es ist unerträglich, dass man vor allem aus geostrategischen Erwägungen einen Putschisten wie Al-Sisi nicht nur politisch, sondern auch militärisch unterstützt, während er Menschenrechte mit Füßen tritt und jede Art von demokratischer Opposition mit aller Macht unterdrückt«, erklärt die Mitunterzeichnerin des Briefes gegenüber jW...“
  • Siehe zu Ägypten zuletzt am 20. November 2020: Der Militärdiktator Ägyptens mit „eiserner Faust“ gegen rebellierende Flüchtlinge, Menschenrechtsgruppen – und alles, was sich demokratisch bewegt
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=182897
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