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Neue Protestwelle in Brasilien – nicht nur gegen Bolsonaros Corona-Politik

Dossier

Neue Protestwelle in Brasilien gegen Bolsonaros Corona-Politik200 Demonstrationen haben Ende Mai in allen Bundesstaaten Brasiliens gegen Bolsonaro statt gefunden – die bisher größten Proteste gegen den Präsidenten und seine Corona-Politik. Für den 19. Juni sind neue Proteste angekündigt. Die Schwere der Pandemie in Brasilien hat bisher die Linke von grossen Protesten abgehalten, nun ist aber die Stimmung umgeschwenkt, die politische Lethargie scheint durchbrochen… Nach mehr als 460.000 Corona-Toten fordern breite Bündnisse aus Gewerkschaften und sozialen Bewegungen den Abgang Bolsonaros, Impfungen für alle sowie finanzielle Hilfen. Es geht aber auch um Umweltschutz und gegen Rassimus… So die kurze Zusammenfassung des (engl.) Artikels von Tom Phillips am 29.5.2021 in The Guardian online externer Link – siehe weitere Informationen:

  • 2.10.21: Tausende fordern Rücktritt Bolsonaros in über 90 brasilianischen Städten New
    In Brasilien sind Zehntausende Demonstranten für eine Amtsenthebung von Präsident Bolsonaro auf die Straße gegangen. Sie werfen ihm Versagen in der Corona-Krise und Korruption im Zusammenhang mit der Pandemie vor. Zehntausende Menschen haben in mehr als 90 brasilianischen Städten am Samstag erneut gegen die Regierung von Präsident Jair Bolsonaro protestiert. Demonstranten zwischen dem Amazonas-Bundesstaat Roraima im Norden, wo viele Indigene leben, und dem von deutschen Einwanderern geprägten Rio Grande do Sul forderten unter anderem die Amtsenthebung Bolsonaros, mehr Impfstoffe gegen das Coronavirus und Arbeitsplätze in Zeiten der Pandemie. Verlässliche Angaben zu den Teilnehmerzahlen gab es nicht. Das Nachrichtenportal „G1“ berichtete aber von Kundgebungen in allen der 26 Bundesstaaten und dem Hauptstadtdistrikt…“ Meldung vom 03.10.2021 bei tagesschau.de externer Link, siehe auch den Thread vom 2.10. von Niklas Franzen externer Link: „„Weg mit Bolsonaro“: In ganz Brasilien finden heute Proteste gegen die rechtsradikale Regierung statt. Ich bin in Belém dabei...“
  • Brasilianische Bewegung der obdachlosen ArbeiterInnen besetzt die Börse von São Paulo gegen Hunger und Ungerechtigkeit in Brasilien 
    Wir besetzen die Börse von São Paulo, das größte Symbol für Spekulation und soziale Ungleichheit. Während Unternehmen profitieren, hungern die Menschen und die Arbeit wird immer prekärer. Diejenigen, die Bolsonaro dort halten, sind die Besitzer des Marktes! Dies ist das Gebäude der Börse von São Paulo. Hier wird der ganze Reichtum Brasiliens gehandelt. Hier werden die Milliardäre des Finanzsystems gebildet. Diejenigen, die auf Kosten unserer Armut reich werden. Hier finden wir, dass es zwei Brazilien gibt: Ein Brasilien der Parasiten des Finanzmarktes, die von der Miete leben und das andere, in dem Arbeiter von einer Nothilfe von 5,00 Reais am Tag überleben. Ein Brasilien mit der Rekordernte von Agronegocio und das Land mit den meisten Nahrungsmitteln der Welt. Das andere, mit 19 Millionen Menschen auf der Landkarte des Hungers und 9 Millionen in extremer Armut. Ein Brasilien, das unser Öl handelt und an ausländische Unternehmen liefert, und ein Brasilien, in dem Benzin mehr als 6,00 Reais und Gas mehr als 100,00 kostet, was Tausende von Menschen dazu veranlasst, auf Feuerholz zu kochen. Ein Brasilien, in dem Baufirmen den Immobilienmarkt und den Masterplan übernehmen und ein anderes mit mehr als 6 Millionen Familien ohne Wohnung und ohne Recht auf Stadt. Ein Brasilien, in dem Gesundheit zum Gut wurde, der Impfstoff wurde im größten Korruptionsskandal durch Bestechung gehandelt. Das andere Brasilien verlor mehr als 580.000 Menschenleben aufgrund der Nachlässigkeit einer Regierung des Todes. Ein Brasilien, wo der Aktienmarkt voller Aktien ist und ein Brasilien, wo der Aktienmarkt für die Mehrheit der Bevölkerung leer ist. Ein Brasilien, in dem 1% den Reichtum dominiert und die anderen 99% von den Krümel leben, die vom Tisch fallen. Ein Brasilien, wo das größte Schauspiel der Armen das Essen ist! Wenn alles teuer ist, ist Bolsonaro schuld!…“ Aus dem Thread (mit Video) vom 23.9.2021 von MTST externer Link (Bewegung der obdachlosen ArbeiterInnen) zu #TáTudoCaro#ACulpaÉdoBolsonaro. Siehe weitere Informationen und den Aufruf zum nächsten Aktionstag von #FORABOLSONAO am 2. Oktober:

    • „BRASIL REAL“: MTST e Frente Povo Sem Medo ocupam Bolsa de Valores em protesto contra a fome
      Bericht vom 23.9.2021 bei Brasil de Fato externer Link
    • Nächster Aktionstag von #FORABOLSONAO am 2. Oktober
      Am 2. Oktober besetzen die Menschen durch die Fora Bolsonaro erneut die Straßen und Plätze im ganzen Land, um staatseigene Unternehmen für die Rechte der Arbeiterklasse zu verteidigen, die unter hoher Inflation, Arbeitslosigkeit und Abschaffung öffentlicher Dienstleistungen leidet… So die Ankündigung von MST auf Twitter externer Link, siehe den (port.) Aufruf bei Campanha Fora Bolsonaro externer Link
  • Brasilianischer Unabhängigkeitstag 7.9.: 200 Gegendemonstrationen im ganzen Land gegen die Mobilisierung von Bolsonaro – weitere Fora-Bolsonaro-Aktionen ab 12. September 
    300.000 DemonstrantInnen in 200 Städten Brasiliens demonstrierten am 7. September gegen die Mobilisierung von Bolsonaro, der für den Tag einen institutionellen Bruch angekündigt hatte. Die Demos für den Präsidenten am selben Tag fielen trotz massiver Finanzierung von Lobbygruppen kleiner aus als geplant. Gegen die Putschpläne Bolsonaros hat das bisher eher lose Buendnis „Direitos Já“ von 18 Parteien von links bis rechts nun eine Serie von Protesten geplant: am 12. September geht es wieder auf die Strasse gegen Bolsonaro, am 15.9. gibt es ein Onlineevent mit internationaler Beteiligung aus Kunst, Unterhaltung und Politik, am 18. September gehen Gewerkschaften und linke soziale Bewegungen auf die Strasse und Ende September soll es einen weiteren Protesttag geben. Ziel der Mobilisierungen ist die Absetzung des Präsidenten, für welche es zur Zeit verschiedene Optionen gibt: Das Wahlgericht hat genug Material zusammen, um die Wahl von Bolsonaro im Jahr 2018 wegen massivem Einsatz von Fake News fuer ungültig zu erklären, zögert aber wegen den Putschdrohungen des Präsidenten. Impeachment ist die andere Option… So die Zusammenfassung des (port.) Berichtes vom 7.9.21 bei Brasil de Fato externer Link – siehe dazu einige weitere Berichte über die Mobilisierung beider Seiten am Unabhängigkeitstag:

    • Anti-demokratische Machtdemonstration in Brasilien
      Bolsonaro mobilisiert zu großen Protesten. Anhänger fordern Auflösung des Kongresses und Eingreifen des Militärs. Drohungen an Oberstes Gericht. Auch viele Gegendemonstrationen im ganzen Land (…) Auch die Bolsonaro-Gegner zeigten sich am Dienstag zu Tausenden: Am Unabhängigkeitstag protestierte in 200 Städten und Gemeinden ein Bündnis aus rund 80 Gewerkschaften, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Parteien gegen Bolsonaro. Geschätzt 300.000 Menschen in Brasilien und im Ausland waren auf den Straßen. Im Zentrum von São Paulo sprach Guilherme Boulos vor 50.000 Menschen. Der prominente Koordinator der „Frente Povo sem Medo“ und der Bewegung der wohnungslosen Arbeiter (Movimento dos Trabalhadores sem Teto, TST) sagte: „Was das Leben von uns verlangt ist Mut. Und mit Mut werden wir den Völkermörder übertrumpfen“. Das Bündnis „Fora Bolsonaro“ forderte ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten. Die Demonstrierenden verteidigten die Demokratie und forderten „Essen auf dem Teller“. In São Paulo wurden 15 Tonnen Lebensmittelspenden an Bedürftige verteilt. Nach Einbruch der Dämmerung protestierten in der Hauptstadt Brasília zudem Hochhausbewohner mit einem zehnminütigen „Panelaço“, mit lärmenden Topfschlägen und „Fora-Bolsonaro“-Rufen an ihren Fenstern und Balkonen. Die nächsten Fora-Bolsonaro-Kundgebungen sind in für den 12. September geplant…“ Artikel von Eva von Steinburg vom 09.09.2021 bei amerika21 externer Link
    • Kräftemessen in Brasilien. Demonstrationen zum Unabhängigkeitstag von Gegnern und Anhängern des ultrarechten Präsidenten Bolsonaro. Eskalation bleibt aus
      Die Gegner von Jair Bolsonaro versuchten sich mit einem Abgesang auf den ultrarechten Präsidenten: Mit »Bolso ciao, ciao, ciao« dichteten sie am Dienstag (Ortszeit) im brasilianischen São Paulo ein bekanntes italienischen Partisanenlied um. Im Zentrum der Millionenmetropole hatten sich laut den Veranstaltern rund 50.000 Menschen zum Protest gegen Bolsonaro versammelt. Das sind zwar deutlich weniger als bei früheren Demonstrationen, aufgrund der polarisierten Situation im Land sprachen hinter der Kundgebung stehende Organisationen trotzdem von einem Erfolg. Ein Teilnehmer präzisierte gegenüber junge Welt: »Beim letzten Mal bin ich mit meiner Frau und Tochter gekommen. Dieses Mal sind beide wie viele unserer Freunde zu Hause geblieben. Aus Angst vor bewaffneten Anhängern des Präsidenten, die für Chaos sorgen.« Der 7. September ist der Unabhängigkeitstag in Brasilien. Seit Jahrzehnten organisiert zu diesem Anlass das Bündnis »Grito dos Excluidos« (Schrei der Ausgeschlossenen) – bestehend vor allem aus linken Basisgruppen mit Bezug zur Befreiungstheologie der katholischen Kirche – für soziale und demokratische Rechte einen Demonstrationszug über die Avenida Paulista im Herzen der Wirtschaftsmetropole São Paulo. In diesem Jahr waren jedoch die Bolsonaro-Jünger schneller und reklamierten den Ort für einen Auftritt des Präsidenten. Nach kurzem Streit mit der Stadtverwaltung akzeptierte das linke Bündnis schließlich einen anderen Kundgebungsort und stellte die Aktion unter das Motto »Fora Bolsonaro« – »Bolsonaro muss weg«. Gemäßigte Parteien wie die Sozialistische Partei Brasiliens (PSB) riefen ihre Mitglieder jedoch dazu auf, zu Hause zu bleiben, um Gewalt zu verhindern…“ Artikel von Jorge Lopes, São Paulo, in der jungen Welt vom 09.09.2021 externer Link
    • Brasiliens Präsident lässt demonstrieren: Für Bolsonaro auf der Straße
      Brasilien steckt in der Krise, der rechtsextreme Präsident Bolsonaro ist unter Druck. Da mobilisiert er seine Anhänger, um in die Offensive zu kommen. Am Ende hatte es Jair Bolsonaro wieder einmal geschafft: Empörung auf der einen Seite, Begeisterung auf der anderen. Von einem Lautsprecherwagen aus brüllte Brasiliens Präsident am Dienstagnachmittag einer Menschenmenge zu, er werde nicht länger die Entscheidungen von Verfassungsrichter Alexandre de Moraes befolgen. Seine Geduld sei am Ende. Und dann rief er noch: „Ihr Penner, ich werde niemals eingesperrt werden!“ Zehnttausende waren am Dienstag, dem Unabhängigkeitstag Brasiliens, für „ihren Präsidenten“ auf die Straße gegangen. Viele Städte hatten sich seit den Morgenstunden in ein Meer aus Gelb und Grün gefärbt, den Nationalfarben Brasiliens. Auftakt des ultrarechten Protesttages machte ein Aufmarsch im Regierungsviertel der Hauptstadt Brasília. Seit Wochen hatten Bolsonaro-Anhänger*innen dahin mobilisiert. Viele Demonstrierende waren mit Buskolonnen aus anderen Bundesstaaten angereist. Der zweite große Auflauf fand am Nachmittag in São Paulo statt, wo laut Polizeiangaben 125.000 Bolsonaro-Fans zusammengekommen sein sollen. Regierungsvertreter*innen feierten das als „historisch“, doch die Teilnehmerzahlen blieben hinter den Erwartungen zurück. (…) Viele Demonstrierende trugen am Dienstag Schilder bei sich, die eine Schließung des Gerichtshofes und die Haft von Richter*innen forderten. Andere forderten ganz ungeniert eine Militärintervention. Was zudem auffiel: Viele Slogans auf Schildern waren in anderen Sprachen verfasst, etliche auch in deutsch. Es ist davon auszugehen, dass das mit den Treffen zwischen AfD-Politiker*innen und brasilianischen Rechtsradikalen zusammenhängt…“ Artikel von Niklas Franzen vom 8.9.2021 in der taz online externer Link
    • Bolsonaro putscht seine Anhänger auf. Brasiliens ultrarechter Präsident droht mit Verfassungsbruch am Tag der Unabhängigkeit
      „…Trotz wachsender Unzufriedenheit in der Bevölkerung kann sich der Präsident auf rund 20 Prozent der Brasilianer*innen verlassen. Und viele seiner Anhänger verehren den Pöbelpräsidenten mit fast schon religiösem Eifer. Bei ihnen kommen sein Radikalismus, die ständigen Provokationen und die ungehobelte Art gut an. Die Dauerkonflikte mit den demokratischen Institutionen bestätigen für viele Bolsonaro-Unterstützer*innen, dass ein Komplott gegen ihr Idol im Gang sei. (…) Neben Bolsonaro-Fans gingen in mehreren Städten auch Linke auf die Straße. Zehntausende marschierten beim »Schrei der Ausgeschlossenen«, einer antikapitalistischen Demonstration, die traditionell am Nationalfeiertag stattfindet. In São Paulo fand zudem eine Gegenkundgebung zum rechten Aufmarsch statt. Das Motto dort: »Weg mit Bolsonaro!«….“ Artikel von Niklas Franzen vom 08.09.2021 im ND online externer Link
    • Bolsonaros Feldzug gegen die Linke
      Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro instrumentalisiert Militär, Polizei und Justiz, um an der Macht zu bleiben. Gelungen ist ihm das mit der Hilfe von Liberalen und Zentristen, die die Linke mehr fürchten als Bolsonaros Autoritarismus. Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro scheint sich einiges bei Donald Trump abgeschaut zu haben. Zuletzt behauptete der rechte Demagoge wiederholt, seine politischen Gegner hätten das Wahlsystem manipuliert. Er werde deshalb eine etwaige Wahlniederlage nicht anerkennen, sofern nicht die von ihm vorgebrachte Wahlrechtsreform verabschiedet würde, mit der das vollständig elektronische Wahlsystem Brasiliens durch die Möglichkeit der Papierwahl ergänzt werden sollte. Zwar ist es dem brasilianischen Kongress gelungen, diese Forderung zu blockieren, doch der Autoritarismus, der sich in Bolsonaros Bemühungen um eine Verfassungsänderung gezeigt hat, gibt Anlass zur Beunruhigung. Drohungen, Einschüchterung, Zensur und Kriminalisierung sind die Mittel, mit denen Bolsonaro gegenüber regierungskritischen Personen und Organisationen seine Macht ausübt. (…) Die allgegenwärtige Korruption im Umfeld der Bolsonaro-Regierung könnte zu der Annahme verleiten, die Linke müsse die Politik der Kriminalisierung von den Rechten übernehmen. In einem solchen Szenario könnten die Sozialisten den Bolsonarismus mit dem Rückhalt einer linken Anti-Korruptionsbewegung herausfordern. Doch so attraktiv diese Strategie auch scheinen mag, ist der Linken davon abzuraten. Der Punitivismus ist sowohl eine moralische als auch eine juristische Ideologie. Er fördert die unkritische Unterstützung von Autoritäten, indem er der Justiz, der Polizei, dem Militär und den politischen Führungspersonen – ob gewählt oder nicht – einen höherwertigen Status zuweist. Diese Ideologie beruht auf der Annahme, dass bestimmte Gruppen – seien es die arbeitende Klasse, indigene Gemeinschaften oder soziale Bewegungen – von Natur aus kriminell sind. Die punitive Politik zeichnet sich also durch eine implizite Voreingenommenheit gegenüber den Unterdrückten aus. Deshalb legitimiert sie die Kriminalisierung des politischen Protests und rechtfertigt kriminelle Gewalt seitens der Eliten. (…) Auch die landbesitzende Klasse ist in ähnlicher Weise in der Lage, ungestraft Gewalt auszuüben. In ländlichen Gebieten kontrollieren die Grundbesitzenden ganze Regionen und werden fast nie für die Ermordung von Indigenen und Umweltaktivistinnen oder für das Inbrandsetzen von Wäldern zur Rechenschaft gezogen. Die Behörden gehen weniger energisch gegen Landbesitzende vor als gegen populäre Führungspersönlichkeiten der Bevölkerung. Rechte Journalistinnen und Politiker haben die Bewegung der Landarbeiter ohne Boden (Movimento dos Trabalhadores dos Sem Terra, MST) häufiger des Terrorismus, Diebstahls und gewalttätiger Übergriffe beschuldigt, als solche Vorwürfe tatsächlich im Rahmen polizeilicher und juristischer Untersuchungen erhoben wurden. (…) Angesichts der Bereitschaft liberaler Parteien, autoritäre politische Kräfte zu tolerieren oder sogar mit ihnen zusammenzuarbeiten, ist die zunehmende Kriminalisierung sozialer Bewegungen und der Opposition in Brasilien wenig überraschend. Bolsonaros Regierung hat abweichende Positionen unterdrückt, indem politische Gegnerinnen kriminalisiert, staatliche Gewalt institutionell legitimiert und kritische Stimmen durch die Justiz ausgeschaltet wurden. Die punitive Ideologie, die einer solchen Kriminalisierung zugrunde liegt, dient dazu, die gesamte Bevölkerung davon zu überzeugen, dass die Inhaftierung die einzige Lösung für gesellschaftliche Probleme ist. (…) Die punitive Ideologie ist in Brasilien so vorherrschend, dass sie sogar von Progressiven akzeptiert wird. Sie glauben ebenfalls, dass es keine bessere Autorität gibt als die Herrschaft des Gesetzes. Dieses legalistische Politikverständnis hat der Linken unverhältnismäßig geschadet. Denn soziale Bewegungen und andere linke Organisationen, die auf Formen des zivilen Ungehorsams oder direkte Aktionen zurückgreifen, werden dadurch de facto zu Verbrechern erklärt. (…) Politische Aktivistinnen des »Terrors« zu bezichtigen, ermöglicht es den Konservativen, die Praxis der direkten Aktion mit lebensbedrohlichen Angriffen auf die Allgemeinheit gleichzusetzen. (…) Die Anti-Terror-Gesetzgebung soll von Strafverfolgungsbehörden auch zur Einschränkung des Demonstrationsrechts genutzt werden können. Der überarbeitete Gesetzentwurf sieht vor, die Befugnisse der Geheimdienste und Sicherheitskräfte auszuweiten. Das Gesetz würde zudem bereits die Vandalisierung von Statuen aus politischen Gründen als terroristischen Akt einstufen, für den die beteiligten Personen eine Haftstrafe zwischen zwölf und dreißig Jahren erhalten könnten. Sollte es Bolsonaro gelingen, dieses Anti-Terror-Gesetz zu verabschieden, hätte das katastrophale Folgen für die Linke. (…) Der Einsatz des Gesetzes gegen gegnerische Kräfte der Regierung Bolsonaro stellt die Linke vor ernsthafte Probleme. Brasilianische Progressive haben einige Male versucht, die Politik der Bestrafung gegen die Elite einzusetzen. So ist in den letzten Jahren der Slogan »Gefängnis für Bolsonaro« bekannt geworden. Die Tatsache, dass Graswurzel-Bewegungen immer noch an dem naiven Glauben festhalten, sie könnten politische Unterdrückung abschaffen, indem sie sie kriminalisieren, ist äußerst alarmierend. Denn in Brasilien arbeiten Polizei und Justiz daran, unterdrückerische gesellschaftliche Verhältnisse aufrechtzuerhalten. Und wenn die Linke ihre derzeitige Malaise überwinden will, darf sie sich nicht an die Hoffnung klammern, dass sie sich auf ein korruptes und von Eliten besetztes Justizsystem verlassen kann, um Gerechtigkeit zu schaffen.“ Artikel von Sabrina Fernandes in der Übersetzung von Franziska Heinisch am 07.09.2021 bei Jacobin.de externer Link – ein wichtiger Hintergrundbeitrag
  • „Bolsonaro Raus“: Gewerkschaftsverbände rufen zu Einheit und massiven Protesten am Unabhängigkeitstag am  7. September auf  
    Der Präsident von Brasilien, Jair Bolsonaro, wettert weiter gegen die Judikative und sieht in den institutionellen Spannungen einen „Krieg, den es zu gewinnen gilt“. Der ultrarechte Staatschef mobilisiert die evangelikale Anhängerschaft zur Unterstützung bei der angekündigten Großdemonstration am 7. September und ruft die Bevölkerung auf, sich zu bewaffnen. (…) Der Staatschef rief die Bevölkerung dazu auf, Gewehre zu kaufen, „um nicht versklavt zu werden“, und versprach zugleich, dass die Demonstrationen am 7. September, dem Unabhängigkeitstag, an denen er selbst teilnehmen will, friedlich verlaufen werden. „Jeder muss ein Gewehr kaufen. Ein bewaffnetes Volk wird niemals versklavt werden. Ich weiß, dass es teuer ist, und es gibt einige Idioten, die sagen: „Nein, du musst Bohnen kaufen“. Mit der Anspielung begegnet er der Kritik an der zunehmenden Inflation und der Erhöhung der Kosten von Grundnahrungsmitteln wie Bohnen. Zu den Demonstrationen haben auch pensionierte und aktive Polizeibeamte aufgerufen. (…) Unterdessen haben zehn Gewerkschaftsverbände ein gemeinsames Manifest veröffentlicht externer Link und für den 7. September zu landesweiten Protesten gegen Bolsonaro aufgerufen. Alle politischen und sozialen Kräfte müssten sich zusammenschließen, um dem Autoritarismus des Präsidenten Einhalt zu gebieten und dringende Themen wie die Schaffung von menschenwürdigen Arbeitsplätzen, die Notwendigkeit von Sozialprogrammen und die Bewältigung der durch Covid-19 verursachten Gesundheitskrise zu diskutieren, heißt es darin. Den Gewerkschaften zufolge ist „der Präsident selbst dafür verantwortlich, dass es täglich zu Konfrontationen kommt, die ein Klima der Instabilität und ein schlechtes Bild von Brasilien schaffen“. Am 7. September werde sich dem Ruf „Bolsonaro Raus“ der „Schrei der Ausgeschlossenen in ganz Brasilien anschließen“. Gewerkschaften, soziale Bewegungen, soziale Einrichtungen und fortschrittliche Parteien werden sich daran beteiligen, kündigte der größte gewerkschaftliche Dachverband Brasiliens CUT an.“ Artikel von Isabella Friedrich vom 03.09.2021 bei amerika21 externer Link: „Präsident von Brasilien setzt auf Strategie der Spannung“
  • [Samstag, den 24. Juli 21] „Bolsonaro raus!“ – Tausende demonstrieren landesweit – Nicht nur die Unzufriedenheit über die Pandemiepolitik treibt die Protestierenden an 
    Dutzende Tausend Brasilianer*innen sind am 24. Juli in 20 der 26 Bundesstaaten des Landes erneut für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Jair Bolsonaro auf die Straßen gegangen. Es ist das vierte Mal, dass linke Parteien, Gewerkschaften und soziale Bewegungen zu Protesten gegen Bolsonaro aufrufen. Gleichzeitig ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Brasiliens Präsidenten: Er soll Vermutungen über Unregelmäßigkeiten bei den Verhandlungen um Covid-19-Impfstoffe geheim gehalten haben. Aus diesem Anlass war landesweit und international zu mehr als 400 Demonstrationen aufgerufen worden. Einer der ersten Protestzüge fand im Zentrum von Rio de Janeiro statt. Tausende Menschen, die meisten in Rot gekleidet und mit Masken gegen das Coronavirus, demonstrierten mit Plakaten, auf denen es etwa „Krimineller Korrupter raus!“, „Wir alle können es nicht mehr ertragen“, „Bolsonaro raus!“ oder „Die Revolutionen sind so lange unmöglich, bis sie unvermeidbar werden“ lautete. Hunderte zogen vom Zumbi dos Palmares-Denkmal bis zur Candelaria-Kirche im Zentrum der Stadt. Bis zum Nachmittag berichtete die brasilianische Presse mit Bildern von mit Demonstrierenden gefüllten Straßen über die zentralen Themen der Proteste: die Kritik am späten Beginn der Impfkampagne sowie an der ansteigenden Arbeitslosigkeit und die Forderung nach einer Erhöhung der Notfallhilfen für die ärmsten Bevölkerungsteile in der Pandemie…“ Aus dem Bericht am 25.7.2021 beim Nachrichtenpool Lateinamerika externer Link. Siehe dazu auch:

    • Protestos contra Bolsonaro rechaçam ameaça de golpe / Demonstranten gegen Bolsonaro weisen Putschdrohung zurück
      Der mittlerweile vierte Protesttag gegen die Regierung Bolsonaro seit Ende Mai am Samstag, den 24. Juli hat dieses Mal in mehr Orten mobilisiert, nämlich in 495 – damit ist die Mobilisierung auch definitiv in der Provinz angekommen. Die anhaltenden Proteste könnten eines der notwendigen Elemente für eine Amtsenthebung sein, aber dafür müsste sich auch die politische Krise weiter zuspitzen. Dies vermeidet Bolsonaro  bisher durch geschicktes Einbinden von konservativen Klientelparteien… So die Zusammenfassung des Artikels von Victor Ohana am 25.7.2021 bei CartaCapital.br externer Link samt einem Video
    • Siehe auch eine Sammlung von Videos im Thread von @PersonalEscrito vom 25.7.21 externer Link – dort wird von Protesten in über 500 Städten in Brasilien und weltweit gesprochen
    • Siehe für weitere Fotos und Videos #24JForaBolsonaro
    • Fora Bolsonaro / Brasilien gegen Bolsonaro: Fünfte Massenerhebung gegen Präsidenten. Corona weiter nicht im Griff
      Zehntausende Menschen sind erneut gegen die ultrarechte Regierung von Präsident Jair Bolsonaro auf die Straßen Brasiliens gegangen. Bei Demonstrationen im ganzen Land forderten sie am Sonnabend ein Amtsenthebungsverfahren gegen Bolsonaro, mehr Impfungen gegen das Coronavirus und wirtschaftliche Hilfen in der Pandemie, wie das Nachrichtenportal G 1 berichtete. Zu Protesten kam es in mindestens 27 Provinzhauptstädten, darunter Rio de Janeiro, São Paulo, Recife und Salvador sowie in der Hauptstadt Brasília. Nach Protesten im Januar, Mai, Juni und Anfang Juli war dies bereits das fünfte Mal, dass die Menschen im ganzen Land gegen Bolsonaro auf die Straßen gingen. Zu den Demonstrationen hatten Gewerkschaften und linke Gruppen aufgerufen. Auf Transparenten war zu lesen: »Bolsonaro – korrupter Völkermörder. Amtsenthebung jetzt« und »Wir wollen Impfungen, er Schmiergeld. Weg mit Bolsonaro«. Die Zustimmung zu Bolsonaros Amtsführung sinkt immer mehr. Anfang des Monats lehnten 51 Prozent der Befragten die Politik des Präsidenten in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Datafolha ab. Das war das schlechteste Ergebnis seit Bolsonaros Amtsantritt 2019. (…) Mittlerweile prüft ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss Bolsonaros Krisenmanagement in der Pandemie. Die Generalstaatsanwaltschaft hat eine Untersuchung gegen dessen Regierung wegen mutmaßlich überhöhter Abrechnungen beim Kauf von Astra-Zeneca-Impfstoffen eingeleitet. Der Präsident selbst sowie einige Mitglieder seiner Familie und seines Kabinetts könnten im Zusammenhang mit diesem Multimillionenkorruptionsskandal angeklagt werden, wie der lateinamerikanische Nachrichtensender Telesur berichtete. (…) Die Kritik der Demonstrierenden reichte am Sonnabend jedoch auch über die angesprochenen Probleme hinaus. Die Proteste richteten sich unter anderem gegen die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen. Die Menschen verlangten zudem mehr Anstrengungen im Kampf gegen den Hunger und die Umweltzerstörung sowie die Achtung der Rechte indigener Völker.“ Meldung in der jungen Welt vom 26.07.2021 externer Link
    • Zuvor zuletzt am 13.7. haben Brasilianer*innen in mehreren brasilianischen Städten erneut gegen die Pandemie-Politik der Bolsonaro-Regierung protestiert und Kerzen für die mehr als 535.000 Corona-Toten aufgestellt – siehe Fotos im Tweet von Niklas Franzen externer Link
  • 3. Juli: Die Brasilianer gehen gegen den Völkermord und die Korruption der Regierung Bolsonaro auf die Straße – Der Präsident ist gefährlicher als das Virus 
    Der Aufbau eines Generalstreiks sollte in der Einheit der sozialen Organisationen und Gewerkschaftsverbände auf der Tagesordnung stehen. Es wird immer dringender, Bolsonaro, Mourão und ihre Bande zu stürzen. Die Gründe sind zahllos: Stimulierung von Agglomerationen, Missachtung der Todesfälle und Masseninfektionen durch das Virus, der Arbeitslosigkeit und des Hungers, die jeden Tag wachsen und die Nation in dunkle Zeiten versetzen. Um den Kontext der völligen Verachtung noch schlimmer zu machen, sind die Nachrichten von der Regierung über Schemata der Zahlung von Bestechungsgeldern für den Kauf von Impfstoffen. Kurz gesagt: Damit Leute in der Regierung etwas Geld verdienen konnten, betrauerten Hunderttausende von Familien den Tod ihrer Angehörigen. Über die Skandale mit Korruptionsverdacht im Zusammenhang mit dem Kauf von Impfstoffen gegen Covid-19 ist bisher bekannt, dass ein Vertreter des Gesundheitsministeriums von einer zwischengeschalteten Firma die Summe von 1 Dollar für jede von der Regierung gekaufte Dosis verlangt hätte. Der Wert der Korruption könnte fast 1 Milliarde R$ für den Kauf von 200 Millionen Dosen des Impfstoffs von AstraZeneca erreichen. (…) Diese Realität unterstreicht die Notwendigkeit, auf die Straße zu gehen und die Mobilisierungen am 3. Juli sowie die zuvor für den 24. Juli geplante nationale Demonstration zu verstärken, denn wir wissen, dass nicht dieser Kongress unsere Probleme lösen wird, sondern das Volk auf der Straße, das sich vereint, um Bolsonaro und Mourão zu stürzen. Wir rufen die Gewerkschaftsverbände erneut auf, sich im Kampf zu vereinen und den Generalstreik aufzubauen, um das Land und die Produktion anzuhalten und mit einem tödlichen Schlag gegen diese Regierung zurückzuschlagen, die unseren Tod will...“ Teilweise Übersetzung des Aufrufs vom 1.7.2021 der CSP-Conlutas externer Link (auf Englisch), siehe auch:

    • Brasilien: „Gigantisches Korruptionssystem“: Staatsanwälte ermitteln gegen Jair Bolsonaro
      Die brasilianische Staatsanwaltschaft nimmt Vorermittlungen zur Rolle von Präsident Jair Bolsonaro in einem mutmaßlichen Korruptionsfall auf. Damit solle festgestellt werden, ob die Voraussetzungen für eine Anklage gegen den Staatschef vorliegen, teilte die Generalstaatsanwaltschaft mit. Zuvor hatten drei Senatoren vor dem Obersten Gericht Brasiliens eine Klage wegen des Verdachts der Amtspflichtverletzung gegen Bolsonaro eingereicht. Bolsonaro soll laut der Angaben der Senatoren über ein „gigantisches Korruptionssystem“ im Gesundheitsministerium informiert gewesen sein, aber nichts dagegen unternommen haben. Es geht um Korruption im Zusammenhang mit einem Vertrag über den in Indien hergestellten Corona-Impfstoff Covaxin im Wert von umgerechnet rund 250 Millionen Euro. Ein Strafverfahren gegen Bolsonaro vor dem Obersten Gerichtshof könnte zu seiner Amtsenthebung führen. Voraussetzung dafür wäre aber eine Anklageerhebung durch den Generalstaatsanwalt Augusto Aras, einen Bolsonaro-Verbündeten. Sein Stellvertreter Humberto Jacques de Medeiros, der ebenfalls dem Präsidenten nahesteht, hatte den Gerichtshof gebeten, die Klage abzuweisen. Richterin Rosa Weber lehnte dies jedoch ab. (…) Unterdessen sind aus Protest gegen das Coronavirus-Krisenmanagement von Jair Bolsonaro erneut zehntausende Menschen gegen den rechtsextremen Staatschef auf die Straße gegangen. „Bolsonaro Völkermörder“ und „Ja zu Impfungen“ stand am Samstag (03.07.2021) auf Transparenten zehntausender Demonstranten in der Metropole São Paulo zu lesen...“ Artikel von Stefan Krieger vom 04.07.2021 in der FR online externer Link
  • Online-Diskussionsveranstaltung des AKI am 29. Juni 2021: Zur Lage in Brasilien 
    Brasilien beklagt in der Pandemie 470.000 Corona-Tote. Präsident Bolsonaro hat die Pandemie immer wieder als „kleine Grippe“ verharmlost und die Bevölkerung aufgerufen, nicht weinerlich zu sein. In einer aktuellen Fernsehansprache gab er sich plötzlich als Impf-Befürworter. Er versprach in seiner Rede, dass jeder Brasilianer, der es wünsche, bis Ende des Jahres eine Impfung erhalte. Seine jüngste Ankündigung hat dem landesweit organisierten Proteste zusätzlichen Schub gegeben. Die Demonstranten klagen Bolsonaro wegen Völkermord an. Sie fordern die sofortige Absetzung des ultrarechten Machthabers. Aufgerufen zu den Protesten haben Soziale Bewegungen wie „Povo sem Medo“ und „Brasil Popular“ sowie Gewerkschaften und unabhängige Organisationen. Am 29. Mai fanden in 150 Städten Demonstrationen statt. Allein in Rio de Janeiro waren über 10.000 Demonstranten auf den Straßen. Es gab Banner mit Aufschriften wie „Die Regierung ist gefährlicher als das Virus“. Hoffnung macht die Aussicht, dass Lula in der 2022 anstehenden Präsidentschaftswahl wieder antreten und Bolsonaro ablösen könnte. In einer Diskussionsveranstaltung wollen wir diskutieren, wie aussichtsreich ein Wahlsieg Lulas ist. Darüber hinaus soll über die aktuelle Corona Lage informiert und die wirtschaftliche Entwicklung Brasiliens analysiert werden. Nicht zuletzt wollen wir uns mit der Lage der brasilianischen Gewerkschaften beschäftigen. Wir freuen uns, dass Andreas Behn, der das Regionalbüro des DGB Bildungswerks in Brasilien leitet, als Referent zur Verfügung steht.“ Arbeitskreis Internationalismus der IGM Berlin zur Diskussionsveranstaltung mit Unterstützung des Brasilien Solidaritätskomitees Mannheim am 29. Juni 2021 ab 20:00 Uhr bis 21:30 Uhr – Anmeldung bitte bei AKI-IGMETALL@GMX.de um den Zugang zur ZOOM Sitzung zu erhalten
  • Brasilien: landesweite Massendemonstrationen und mehr als 500.000 Corona-Tote 
    Am Samstag kam es in Brasilien zum zweiten Mal zu landesweiten Massenprotesten gegen die Regierung des faschistischen Präsidenten Jair Bolsonaro und seine Reaktion auf die Corona-Pandemie. Diesmal beteiligten sich noch mehr Menschen als an den Demonstrationen am 29. Mai. Laut den Veranstaltern waren es 750.000 Menschen in den Hauptstädten der Bundesstaaten, Dutzenden weiteren brasilianischen Städten und sogar im Ausland. Ebenfalls am Samstag erreichte in Brasilien die Zahl der Toten durch Covid-19 den schlimmen Meilenstein von 500.000. Diese erschütternde Zahl ist das Ergebnis einer bewusst verfolgten Politik, die ungehindert weitergeht und die im Kern ein sozialer Mord ist. Diese Politik ist es auch, die Hunderttausende auf die Straße treibt. (…) Der Grund für diesen explosionsartigen Anstieg der Infektionen liegt vor allem in der umfassende Wiederaufnahme der wirtschaftlichen Aktivitäten und des Schulbetriebs, die im Interesse des kapitalistischen Profitstrebens und entgegen der Empfehlungen von Experten für öffentliche Gesundheit durchgeführt wurde. Ein weiterer wichtiger Faktor war die Ausbreitung der hochansteckenden Variante des Corona-Virus P.1, die zuerst im Bundesstaat Amazonas auftauchte. Auch dies ist ein grauenvolles Ergebnis der Experimente vonseiten der herrschenden Klasse mit der Herdenimmunität. Die ungehinderte Ausbreitung des Corona-Virus führte zur Überlastung der Intensivstationen in allen Bundesstaaten, und damit zum „größten Zusammenbruch des Gesundheits- und Krankenhaussystems in der Geschichte Brasiliens“, wie es die öffentliche Gesundheitsbehörde Fiocruz formulierte. (…) In seiner Beschreibung der aktuellen Lage in Brasilien nannte Nicolelis mehrere kritische Faktoren: der „Zusammenbruch des Krankenhaussystems ist noch nicht überwunden… mehrere Varianten des Virus dringen ins Land ein“, hinzu kommt das langsame Voranschreiten der Impfungen und die Lockerung der Isolationsmaßnahmen. Das groteske Symbol für Letzteres ist das Fußballturnier Copa América, das dieses Jahr in Brasilien stattfindet. (…) Abgesehen von der höheren Zahl der Teilnehmer waren die Proteste am Samstag auch von verstärkten Versuchen der Führung oben genannter Parteien geprägt, sie in politische Kundgebungen zur Vorbereitung der Wahl 2022 zu verwandeln. (…) Abgesehen von der Anwesenheit der PT, deren Anführer und Anhänger Flaggen hielten, beteiligten sich auch der PT-nahe Gewerkschaftsbund CUT und andere Gewerkschaftsbünde, die diesmal die Proteste formell unterstützt hatten, an den Demonstrationen von Samstag. Durch ihre Teilnahme zeigen die Gewerkschaften ihre Unruhe mit Blick auf das Anwachsen von politischem Widerstand in der Arbeiterklasse. Diese reaktionären Organisationen werden alles versuchen, die rebellierenden Arbeiter dem Kapitalismus unterordnen und ihre Proteste zu unterdrücken. Diese Absicht zeigt sich auch in dem bürokratischen Manöver, mit denen die Gewerkschaften die Arbeiter vor den Protesten demobilisierten. Am 18. Juni, einen Tag vor den Demonstrationen, riefen die Gewerkschaften zu einem „landesweiten Tag der Mobilisierung an den Arbeitsplätzen“ auf. Diese „Mobilisierung“ ist ein völliger Betrug. Obwohl verschiedene Teilen der Arbeiterklasse jüngst in den Kampf getreten sind, um Angriffe zurückzuschlagen, lehnen die Gewerkschaften einen Streik offen ab...“ Bericht von Tomas Castanheira vom 21.6.2021 bei wsws externer Link (Werbung für die Vierte Internationale wie immer weg geschnitten) – siehe auch:

    • „Bolsonaro raus“: Großdemonstrationen in Brasilien gegen den Präsidenten
      Am Samstag sind Menschen in mehr als 400 brasilianischen Städten auf die Straße gegangen, um den Rücktritt von Präsident Jair Bolsonaro (parteilos) zu fordern. Auslöser war Bolsonaros Entschluss, die Fußballmeisterschaft „Copa América“ im Land durchzuführen, obwohl die Zahl der Corona-Toten weiterhin drastisch zunimmt. Die Demonstrierenden forderten unter anderem auch ein humaneres Wirtschaftsmodell. (…) Der Protest wird vom Bündnis „Weg mit Bolsonaro“ (Campanha Fora Bolsonaro) organisiert, das soziale Bewegungen und linke Parteien wie die Arbeiterpartei (PT), die Partei Sozialismus und Freiheit (PSOL) und die kommunistische Partei Brasiliens (PCdoB) zusammenbringt. Diesmal schlossen sich auch die Gewerkschaftszentralen an. Der Protest verlief friedlich, ohne Zwischenfälle und weitgehend unter Einhaltung der Hygiene-Maßnahmen. Die politischen Organisationen fordern die Regierung auf, wieder eine allgemeine monatliche Nothilfe von 600 Reais einzuführen, um die sozioökonomische Krise zu lindern, sowie die Einhaltung von Gesundheitsstandards in Verbindung mit dem Netzwerk der Volksärzte, um das hohe Niveau der Ansteckung von Covid-19 zu bekämpfen. Weitere Akteur:innen des Tages waren die Indigenen, die in mehreren Bundesstaaten demonstrierten, um Respekt für ihre Kultur und ihr Land zu fordern…“ Artikel von Isabella Friedrich vom 23.06.2021 bei amerika21 externer Link
  • Corona-Pandemie: Massenproteste gegen Bolsonaro
    Mit dem Slogan „Für das Leben“ protestierten Ende Mai Tausende Menschen in mehr als 200 brasilianischen Städten gegen die Führung von Präsident Jair Bolsonaro. Kritisiert wird insbesondere sein Umgang mit der Pandemie, die mittlerweile mehr als 460.000 Menschen das Leben gekostet hat. Es handelt sich um die ersten Massenproteste seit dem medizinischen Notstand. (…) Allein in Río de Janeiro gingen an diesem #29M, wie der Protesttag in den sozialen Medien beworben wurde, rund zehntausend Menschen auf die Straße und skandierten Parolen wie „Bolsonaro raus“, „Bolsonaro Völkermörder“, „Impfung jetzt“ oder „Weg mit dem Bolsovirus“. Ziel war es, die Impfprozesse im Land voranzutreiben und finanzielle Unterstützungen für die am stärksten betroffenen Wirtschaftszweige zu fordern. Laut der Agentur Deutsche Welle wurde zugleich auch gegen die Abholzung im Amazonas und gegen Rassismus protestiert. Auch in Brasília, Belén, Curitiba, Manaos, Fortaleza und San Pablo fanden Massendemonstrationen statt. Die Proteste waren in Reaktion auf eine Reihe von Veranstaltungen zur Unterstützung der Regierung Bolsonaro organisiert worden, die an zwei vergangenen Wochenenden stattgefunden hatten. Der Präsident besitzt aktuell jedoch kaum Zustimmung: Laut der letzten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Datafolha stehen nur noch 24% der Bevölkerung hinter Bolsonaro. Initiatoren der Proteste waren Gewerkschaften, linke Parteien und soziale Bewegungen. „Auf den Straßen zu sein und zu kämpfen ist ein deutliches Statement, mit dem wir sagen: Es reicht!“, verkündete ein Sprecher der Arbeiterpartei PT (Partido de los Trabajadores)...“ Bericht vom 29. Mai 2021 aus la diaria am 6. Juni 2021 bei npla externer Link
  • In Brasilien neuer Proteststurm nach Bolsonaro-Rede im TV
    Corona-Schwenk des Präsidenten mit „fataler Verspätung“. Schon vor einer Woche starteten landesweite Massenproteste. Nächste Mobilisierungen für den 19. Juni angesetzt. Landesweite Massenproteste gegen den ultrarechten brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro (parteilos) haben begonnen. Zuletzt gab es am Mittwoch einen spontanen Proteststurm: Der Staatschef hatte sich abends in einer fünfminütigen Fernsehansprache an seine Landsleute gewandt. Nach der Übertragung brach in den großen Städten des Landes auf Balkonen und Straßen ein lautstarker Proteststurm los: Bolsonaro-Gegner schlugen auf Töpfe, schmetterten Topfdeckel zusammen, buhten und forderten tausendfach „Bolsonaro raus!“ (…) Wegen Völkermord klagen die Demonstranten im ganzen Land Bolsonaro an. Schon vor einer Woche starteten deshalb landesweite Massenproteste. Sie fanden am 29. Mai in mindestens 150 brasilianischen Städten statt. Die Demonstranten fordern die sofortige Absetzung des ultrarechten Machthabers, der die Pandemie immer wieder als „kleine Grippe“ verharmlost hatte. Aufgerufen zu den Protesten haben Soziale Bewegungen wie „Povo sem Medo“ und „Brasil Popular“ sowie Gewerkschaften und unabhängige Organisationen. (…) In der Stadt Recife ging die Polizei gewaltsam gegen friedliche Demonstranten vor. Sie setzte Tränengas, Gummigeschosse und Pfefferspray ein. Die Politikerin und Anwältin Liana Cirne von der linken Arbeiterpartei (PT) wurde von der Policia Militar verletzt, als sie mutig versuchte, mit den Beamten zu sprechen. Das Video davon ging viral. Zu den Repressionen sagte sie: „Die Polizei in Recife war bereit, Demonstranten zu verletzen und zu töten.“ (…) Unter dem Hashtag #19JForaBolsonaro organisieren die Sozialen Bewegungen den nächsten landesweiten Kampftag gegen den ultrarechten Präsidenten, dessen Umfragewerte auf einem Tiefstand sind. Neben der sofortigen Amtsenthebung ist ein weiteres Ziel der Protestierenden eine Anhebung der Sozialhilfe…“ Artikel von Eva von Steinburg vom 05.06.2021 bei amerika21 externer Link
  • Siehe zur Lage in Brasilien u.a. vom Januar 2021: Der nationale Gesundheitsdienst SUS in Brasilien: Die letzte Rettung in der Epidemie. Die Rechtsregierung rettet „ihre Leute“ auch: Private Krankenversicherungen dürfen Beiträge um 100% erhöhen…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=190694
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