Tarif- und Vertragsbruch durch Reeder sofort zu stoppen: Laschen ist Hafenarbeit

Dossier

Buch von Rolf Geffken: Arbeit und Arbeitskampf im Hafen. Zur Geschichte der Hafenarbeit und der Hafenarbeitergewerkschaft“Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) kritisiert scharf, dass zahlreiche Reeder und Charterer Tarif- und Vertragsbruch begehen, indem sie einen von den internationalen Sozialpartnern abgeschlossenen Tarifvertrag bislang nicht umgesetzt oder sogar erklärt haben, dass sie den gültigen Vertrag nicht einhalten. Hintergrund ist der IBF-Tarifvertrag vom Februar 2018 zwischen internationalem Gewerkschaftsverband ITF (International Transport Workers‘ Federation) und internationalem Arbeitgeberverband IMEC (International Maritime Employers Council), der u.a. regelt, dass in den Häfen weltweit Ladungssicherungsarbeiten auf Seeschiffen von Hafenbeschäftigten durchzuführen sind. (…) Aktuell führe dieser Tarifbruch dazu, dass UNIFEEDER als größter Marktteilnehmer in Europa am 22. Januar 2020 angekündigt habe, die Ladungssicherung zukünftig wieder durch Seeleute ausführen zu lassen – anscheinend unter dem Druck durch Reedereien wie X-Press, Mann Lines, Eimskip, Samskip und NCL, die sich von Anfang an nicht an die Vereinbarung gehalten haben. Die europäischen und kanadischen Gewerkschaften der Hafenbeschäftigten haben beschlossen, gemeinsam mit ihren Dachverbänden ITF und ETF diese Praxis zu bekämpfen…“ ver.di Pressemitteilung vom 24.01.2020 externer Link. Siehe dazu:

  • Lascherbetriebe in Hamburg: Arbeitskampf am Hafen geht weiter! New
    Im Sommer streikten tausende Beschäftigte der Nordseehäfen für bessere Arbeitsbedingungen. Trotz eines Teilerfolgs gibt es weiterhin Probleme. Zuletzt haben sich die Lascher:innen zu Wort gemeldet, die für die Sicherung von Containern zuständig sind, aber deren Firmen ihre Kosten immer schlechter decken können. Ein Interview mit Christian Warnke über die Situation seiner Berufsgruppe. (…) Es gibt vier Lasch- und Stauerbetriebe in Hamburg: Paul Grimm, Transpack, die HLG und Karl Tiedemann. Bei ihnen sind circa 500 Lascher:innen beschäftigt. Diese stehen unter der Leitung der HHLA. Das heißt, dass der Hamburger Hafen und Logistik AG bestimmt, wie die Lasche-Betriebe zu wirtschaften sind und wie die Werkverträge mit den Arbeitern geregelt sind. Die Lascher werden auch nicht mit einem Gehalt oder einem Stundenlohn vergütet. Es wird stattdessen mit Einheitspreisen pro gesicherter Schiffscontainer entlohnt. (…) Ver.di bezeichnet die Bezahlmethode als unfair, weil höherer Durchsatz den Terminalbetreibern zugutekommt, während sie bei geringerem Durchsatz die Verluste auf die Dienstleister abladen. Je mehr Containerbewegung die Dienstleister pro Brücke haben – und dementsprechend mehr Arbeitsaufwand und mehr Personal brauchen – umso weniger bekommen sie am Ende pro Container dafür. Auf der anderen Seite gibt es durch die Folgen der Pandemie oder durch Umbaumaßnahmen an den Terminals mangelnde Umschlagszahlen. Die Kräne oder Brücken schaffen dann weniger Container, das fängt niemand auf. Nur wenn das geforderte Pensum an Containern erreicht wird, wird auch voll gezahlt. Ansonsten gibt es Abzüge. Dann gibt es eine Klausel, die schimpft sich “höhere Gewalt”. Da kann alles Mögliche darunter fallen, wie Unwetter. Unsere Arbeitgeber nehmen dann kein Geld ein und wir müssen es dann ausbaden, mit teilweisem Lohnverzicht. Das war in der Vergangenheit häufig so. Die Chefs haben gesagt, ihnen würde es so schlecht gehen und wir müssten jetzt auf Geld verzichten. Dieses System herrscht seit mehreren Jahrzehnten. Wir haben uns gewerkschaftlich organisiert und gesagt: “Es reicht!” (…) Die Verantwortlichen der HHLA geben diese Verträge und Bedingungen vor und entweder nehmen unsere Geschäftsführer das so an oder eben nicht. Bis jetzt haben sie immer noch ihre Rosinen picken können, indem sie uns, den Beschäftigten, dann irgendwann in die Tasche gegriffen haben und wir das Spiel natürlich auch mitgemacht haben. Logischerweise werden da Drohkulissen aufgebaut, orientiert an der prekären Lage der Arbeiter:innen. (…) Im Zuge der Lohnrunde wurde seitens der Gewerkschaft und der Beschäftigten eine starke Machtposition dargestellt, auch wenn der Abgang ziemlich enttäuschend war. Gerade in jetzigen Zeiten ist es für mich immer mehr deutlich, dass basisdemokratische Elemente nicht nur wichtig sind, sondern tatsächlich gewollt sind. Von der Basis. Von einfachen Leuten und Mitgliedern ist das gewollt und gefordert. Sie wollen an den Prozessen selbst teilnehmen und mitsprechen können. (…) Wir haben jetzt eine Kampagne gestartet in Form einer Unterschriftensammlung. Darin weisen wir auf diese Schieflage der Dienstleistungsverträge hin und fordern als ersten größeren Schritt ein Spitzengespräch mit den Verantwortlichen der HHLA selbst. Und ebenso mit dem Senat. Denn die HHLA ist zu fast 70 % in städtischer Hand. Dadurch hat das nochmal eine ganz andere Brisanz. Insbesondere, wenn man sich anschaut, wie Hamburg seit Jahren von sogenannten Sozialdemokraten regiert wird…“ Interview von Ayrin Giorgia vom 30.12.2022 bei Klasse gegen Klasse externer Link – Christian Warnke arbeitet im Hamburger Hafen für einen Dienstleister der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA)

  • Laschen ist Hafenarbeit. Gericht gibt Gewerkschaften recht: Das Lösen und Sichern von Schiffsladung ist Aufgabe der Hafenarbeiter, nicht der Seeleute 
    „Die derzeit um einen neuen Tarifvertrag kämpfenden Hafenarbeiter haben jüngst eine überraschende Stärkung erfahren: Anfang dieses Monats hat ein Rotterdamer Gericht nach langen Jahren einen Grundsatzstreit zugunsten sowohl von Seeleuten als auch ihrer Kollegen in den Häfen entschieden: »Laschen ist Hafenarbeit« – mit dieser Parole der betreffenden Gewerkschaftskampagne lässt sich der Richterspruch trefflich zusammenfassen. In einem seit mehreren Jahren anhängigen Rechtsstreit wurde bestätigt, dass Reeder und Schiffseigner die Besatzungen kleinerer Containerschiffe nicht anweisen dürfen, das »Laschen« – so nennt man das Lösen und Sichern von Containern – an Bord selbst zu erledigen, solange solche Lascharbeiten von Hafenarbeitern durchgeführt werden können. Nach Angaben von Verdi gilt dieses Urteil auch für deutsche Reeder. Das Verfahren geht zurück auf eine globale Tarifvereinbarung von Anfang 2018. Damals verständigten sich im philippinischen Manila Gewerkschaften und Unternehmer auf einen internationalen Rahmentarifvertrag für Seeleute, der unter anderem eine langjährige Fehlentwicklung beenden sollte: Er legte fest, dass mit Wirkung ab 2019 – in Nord- und Westeuropa sowie Kanada ab 2020 – das Laschen, wie früher üblich, dafür ausgebildeten Hafenbeschäftigten zu überlassen sei. Immer mehr Reeder insbesondere kleinerer Containerschiffe hatten nämlich schon seit Jahren die unschöne Praxis entwickelt, diese Aufgabe ihren Schiffsbesatzungen zu übertragen, um Geld zu sparen: Sie verkürzen so teure Hafenliegezeiten und müssen keine Hafendienstleistungen von kommunalen oder auch privaten Anbietern ankaufen – und die Seeleute bezahlen sie ja sowieso. Die Sache hat nur einen Haken: Ungeübte oder unerfahrene Seeleute derart komplizierte Arbeiten verrichten zu lassen, bedeutet eine Gefährdung sowohl der Seeleute als auch der Schiffssicherheit und damit zugleich ein Risiko für Ladung und Meeresumwelt. Traditionell ist das Laschen immer eine Aufgabe dafür besonders ausgebildeter Hafenarbeiter gewesen – Seeleute kümmern sich ums Schiff und müssen sich auf die qualifizierte Arbeit ihrer Kollegen an Land verlassen können. (…) Das Rotterdamer Gericht hat eine Entscheidung versucht, die aktuelle Gegebenheiten berücksichtigt: Reeder dürfen Lascharbeiten nur dann von ihren eigenen Seeleuten erledigen lassen, wenn in einem Hafen außergewöhnliche Bedingungen – etwa Sicherheitsmaßnahmen zur Pandemiebekämpfung – bordfremden Personen (wie Hafenarbeitern) das Betreten eines Schiffes verbieten. Die Regelung gilt, wie vom Rahmentarif vorgesehen, für Schiffe mit bis zu 170 Metern Länge: Auf Großcontainerschiffen ist die beanstandete Praxis ohnehin unüblich.“ Artikel von Burkhard Ilschner in der jungen Welt vom 19. Juli 2022 externer Link
  • ver.di: Lascharbeiten müssen durch Hafenarbeiter erfolgen 
    “Weltweit werden über 90 Prozent aller Handelsgüter über den Seeweg transportiert. Dahinter steht eine komplexe Lieferkette. Ohne Seeleute blieben viele Regale der Kaufhäuser leer, gäbe es kaum Weihnachtsgeschenke unter dem Weihnachtsbaum und auch der Onlinehandel hätte Probleme mit der Warenlieferung, da diese Produkte häufig ebenfalls über den Seeweg kommen. Die Waren werden in großen Containern verladen, welche an Bord der Handelsschiffe meterhoch übereinandergestapelt und entsprechend gesichert werden müssen. Dies geschieht in den großen Umschlaghäfen dieser Welt. Viele Seehäfen, so auch die deutschen Seehäfen, stellen dafür speziell ausgebildetes Fachpersonal zur Verfügung – sogenannte Lascher. Den Seeleuten sollten nach ihrer mehrwöchigen und anstrengenden Zeit an Bord, eine angemessene Ruhephase zustehen, die sie während der Liegezeit im Hafen nutzen könnten. Das ist jedoch häufig nicht der Fall, kritisiert die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di). Seit einigen Jahren streiten ver.di und Reedereien darüber, wer an Bord von Seeschiffen die Ladungssicherungsarbeiten durchführen soll. 2018 verständigten sich die International Transport Workers Federation (ITF) und Joint Negotiation Group (JNG) auf globaler Ebene, die Verträge in diesem Punkt anzupassen und die Non-Seafarers-Work-Clause beispielsweise ab dem 1.Januar 2020 in allen deutschen Seehäfen und Häfen Nordeuropas derart umzusetzen, dass Ladungssicherungsarbeiten auf Handelsschiffen nicht von Seeleuten sondern von Hafenarbeitern durchgeführt werden. Diese Vereinbarung werde bis heute nicht konsequent von Reedereien und Charterern umgesetzt, kritisiert ver.di. Gemeinsam mit der ITF sowie anderen europäischen Hafengewerkschaften (European Transport Workers Federation, die Gewerkschaften Nautilus NL, FNV Havens) wurden daher rechtliche Schritte eingeleitet, um die Einhaltung der Verträge durchzusetzen. Die Komplexität der Gesamtthematik macht eine umfassende gerichtliche Überprüfung der verschiedenen Sach- und Rechtsfragen erforderlich. (…) „Gleichzeitig arbeiten wir aber mit Blick auf die Brisanz und Komplexität der Problematik parallel zum Rechtsverfahren an darüberhinausgehenden, nachhaltigen Lösungen“, so die Gewerkschafterin. Eine politische Lösung, wie etwa eine eindeutige Festschreibung in den jeweiligen Hafenverordnungen, wie und durch wen die sogenannten Lascharbeiten in deutschen Häfen durchzuführen sind, wäre eine solche Regelung. Eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Politik, Verwaltung und Gewerkschaften sei aktuell im gemeinsamen Austausch und arbeite an Lösungskonzepten. Wie hoch die Notwendigkeit ist, den Gesamtprozess lösungsorientiert voran zu treiben, zeige die Corona-Krise. ver.di liegen Belege vor, wonach Charterer ihren Besatzungen Landgang verweigern und Lascharbeiten durch Hafenarbeiter ablehnen, so die Gewerkschafterin. Diese körperlich schwere Arbeit solle den z.T. sehr erschöpften Seeleuten, die seit Monaten auf ihre Ablösung warten, zugemutet werden. Im Hafen dagegen würden ausgeruhte und qualifizierte Hafenarbeiter auf ihren Einsatz warten…“ ver.di-Pressemitteilung vom 04.12.2020 externer Link
  • Stellungnahme der ITF zur Beschwerde von Reedern im Kurzstrecken- und Feederverkehr bei der Europäischen Kommission 
    “Über die Presse haben die ITF und ihre Mitgliedsorganisationen erfahren, dass Schiffsbetreiber im Kurzstrecken- und Feederverkehr bei der Generaldirektion der Europäischen Kommission eine Beschwerde eingereicht haben. Diese bezieht sich auf die Klausel über nicht von Seeleuten durchzuführende Tätigkeiten, die so genannte „Hafenarbeiterklausel“, im IBF-Tarifvertrag. Sie schützt Seeleute davor, zur Durchführung gefährlicher Ladungsumschlagstätigkeiten verpflichtet zu werden. Der Vertrag wurde auf freiwilliger Basis ausgehandelt und zwischen der ITF als Vertretung der Seeleute und der Gemeinsamen Verhandlungsgruppe (JNG) als Vertretung der Reeder abgeschlossen. Über diese Klausel wurde in gutem Glauben verhandelt, und die ITF erwartet, dass Unternehmen, die Seeleute beschäftigten, sie genauso erfüllen wie den übrigen Teil des Vertrages. Die Hafenarbeiterklausel zielt darauf ab, die Sicherheit von Seeleuten bei der Arbeit an Bord von Schiffen zu erhöhen, indem angemessene Arbeits- und Ruhezeiten eingehalten werden, Übermüdung reduziert wird und eigens dafür ausgebildete Beschäftigte diese gefährliche Aufgabe ausführen. Die Hafenarbeiterklausel verstößt nicht gegen das Wettbewerbsrecht der EU. Die ITF, FNV Havens und Nautilus NL(beide Niederlande) sowie ver.di (Deutschland) haben in jüngerer Zeit Rechtsmittel eingelegt, um die Klausel durchzusetzen. Die Beschwerde scheint eine taktische Reaktion auf diese rechtlichen Schritte zu sein und die Absicht zu verfolgen, die Einhaltung der Hafenarbeiterklausel zu umgehen. Die Beschwerdeführer lehnen es bislang ab, der ITF den Inhalt ihrer Beschwerde mitzuteilen. Aus diesem Grund kann die ITF nicht ausführlicher dazu Stellung nehmen.“ Presseerklärung vom 12.06.2020 bei Internationale Transportarbeiter-Föderation externer Link
  • Seeleute zum Sichern der Ladung aufgefordert. Gewerkschaft wirft Reedern Vertragsbruch vor 
    “… Für Europa und Kanada hatte die ITF auf ausdrücklichen Wunsch der Unternehmer sogar einer Ausnahme zugestimmt, so dass die Hafenarbeiterklausel (»Dockers’ clause«) hier erst Anfang dieses Jahres in Kraft trat. Nun aber stellt Verdi fest, dass gerade hiesige Reeder die Anwendung dieser Dockers’ clause verweigern: Während deren Umsetzung in der restlichen Welt kein Problem war, erläutert Verdi-Sekretär Christian Schadow auf Anfrage, werde sie »in den höchst entwickelten Volkswirtschaften dieser Welt zum Problem gemacht«. Die meisten Unternehmen hätten »diese Frist ungenutzt verstreichen lassen und auf Zeit gespielt« – statt etwa in der Übergangsfrist Leute auszubilden – »oder erklärt, den bestehenden Vertrag nicht einzuhalten«. Mit diesem Tarif- und Vertragsbruch würden sich die meisten Feeder-Reeder einen Kostenvorteil gegenüber vertragstreuen Mitbewerbern verschaffen. Schadow: »Die Reeder und Charterer der reichsten Länder der Welt wollen auf Kosten der Gesundheit und Sicherheit ihrer eigenen Beschäftigten ihre Gewinne maximieren.« Die kritisierte Branche schießt zurück: Die Regelung sei ja nicht allgemein verbindlich, und es gebe noch offene Fragen, hieß es etwa vom Schiffsmaklerverband. Zudem hätten zahlreiche Häfen insbesondere der Ostsee gar nicht die nötigen Fachkräfte fürs Laschen. Schadow reagiert verärgert: Ja, in einzelnen kleinen skandinavischen Häfen seien Ausnahmen mit der örtlichen Gewerkschaft vereinbart, das sei »nie ein Problem gewesen«. Es sei aber »im höchsten Maße unredlich«, dies nun auch für große Häfen zu verallgemeinern. Und er verwies darauf, dass etwa in russischen Häfen auf keinem Schiff durch die Besatzung gelascht werde. In Antwerpen sei das Laschen sogar schon seit 1972 per Verordnung den Hafenarbeitern vorbehalten – Tarifvertragstreue sei also ohne die behaupteten Wettbewerbsnachteile möglich.“ Artikel von Burkhard Ilschner in der jungen Welt vom 28.01.2020 externer Link

Siehe auch vom SBaltic Week of Action: Laschen ist Hafenarbeit

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=161763
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