Lohnrunde 2022 Seehäfen: Für „tatsächlichen Inflationsausgleich“ für HafenarbeiterInnen

Dossier

Wir sind der Hafen! Solidarität von Notruf NRWVer.di verlangt für die rund 12.000 Beschäftigten in den 58 tarifgebundenen Betrieben in Niedersachsen, Bremen und Hamburg unter anderem einen nicht näher bezifferten „tatsächlichen Inflationsausgleich“ sowie eine Erhöhung der Stundenlöhne um 1,20 Euro. Das bedeutet bei Löhnen von derzeit knapp unter 15 Euro bis gut 28 Euro pro Stunde eine Gehaltssteigerung um bis zu 14 Prozent. Die Arbeitgeberseite bietet bislang zwei Erhöhungsschritte in diesem und im nächsten Jahr von 3,2 und 2,8 Prozent und Einmalzahlungen von insgesamt 600 Euro an. Siehe die Meldungen bei ver.di Verkehr – Maritime Wirtschaft externer Link und hier dazu:

  • Die Tarifrunde 2022: Automatisierungsangriff im Hamburger Hafen – Einschätzungen eines Hafenarbeiters New
    „… Aber anstelle der Träume der Unternehmensberater könnte hierdurch auch eine in einem Betrieb zusammengefasste, noch stärkere Belegschaft entstehen, die sich schlechte Bedingungen nicht diktieren lässt.
    Während dieser Kampf um die Umstrukturierung noch offen ist, befindet sich die HHLA bei der Automatisierung des Burchardkais auf der Zielgeraden. Es gibt Vereinbarungen, um 500 Arbeitsplätze durch Altersteilzeitregelungen abzubauen, d. h. die alten Kampferfahrenen werden rausgekauft. Das Projekt »Automatisierung im laufenden Betrieb« verschlingt Unsummen. Keiner der Zeitpläne konnte bisher auch nur annähernd eingehalten werden. Der letzte Test einer jahrelang geplanten Softwareumstellung endete im Desaster.
    Durch Automatisierung wird die Containerproduktivität am Schiff nicht erhöht. Aber das Ersetzen der Straddle-Carrier-Fahrer durch automatische Fahrzeuge ermöglicht es, die Kontrolle über die Arbeitsabläufe zurückzugewinnen. Das nimmt den Hafenarbeitern einen wichtigen Machtfaktor. Von den vier Arbeitsplätzen pro Gang mit der meisten Macht gehen so drei (!) verloren. Für selbstorganisierte Go-Slow Aktionen wird der Spielraum sehr klein. Natürlich werden dabei auch die hohen Löhne eingespart und die Maschinenlaufzeiten erhöht.
    Die HHLA verspricht sich von der Automatisierung deutliche Mengenzuwächse. Diese Luftblase wird durch keine Wirtschaftsprognose untermauert. Stagniert der Containerumschlag weiter wie in den letzten zehn Jahren, dann müssen bis zu 400 weitere Arbeitsplätze abgebaut werden.
    Retuschiert wird das ganze durch die mediale Diskussion über die COSCO- und MSC-Beteiligungen an der HHLA und über die anscheinend so heftige Konkurrenz durch die viel produktiveren, weil viel stärker automatisierten Häfen Rotterdam und Antwerpen. In Wirklichkeit nutzen die Unternehmer die aktuelle Flaute, um mit Privatisierungen die Renitenz der Arbeiter (in den Medien heißt das: nicht konkurrenzfähige Kosten pro Container) abzuräumen und den Boden für weitere Automatisierungen zu bereiten…“ Aus dem Interview mit Hamburger Hafenarbeiternexterner Link aus der Wildcat 112, Herbst 2023 externer Link aus Anlaß des wilden Streiks im Hamburger Hafen online gestellt – siehe dazu unser Dossier: „Es herrscht Psychokrieg“. Die HafenarbeiterInnen in Hamburg bei HHLA bangen um Jobs und Tariflöhne durch (Teil)Privatisierung
  • Seehäfen: Bundestarifkommission stimmt Tarifergebnis zu – nix mit „tatsächlichem Inflationsausgleich“
    „Die ver.di-Bundestarifkommission Seehäfen hat auf ihrer heutigen Sitzung (5.9.22) dem mit dem Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) am 23. August 2022 erzielten Tarifergebnis für rund 12.000 Beschäftigte in deutschen Nordseehäfen nach eingehender Diskussion zugestimmt; damit tritt der Tarifvertrag in Kraft. „Unser Ziel war ein echter Inflationsausgleich, um die Beschäftigten nicht mit den Folgen der galoppierenden Preissteigerungen allein zu lassen. Das ist uns für die allermeisten Betriebe gelungen“, sagte ver.di-Verhandlungsführerin Maya Schwiegershausen-Güth. „Ohne den außerordentlichen Einsatz der Kolleginnen und Kollegen, die mit Warnstreiks und Demonstrationen für ihre Ziele eingetreten sind, wäre dies nicht möglich gewesen.“ ver.di-Pressemitteilung vom 5. September 2022 externer Link („Seehäfen: Bundestarifkommission stimmt Tarifergebnis zu“)
  • Klare Schwächen. Verdi-Tarifkommission entscheidet am Montag über Abschluss für Hafenbeschäftigte 
    „»Das Ergebnis ist lächerlich!« textete ein sichtlich Unzufriedener im Facebook-Profil der Verdi-Fachgruppe Maritime Wirtschaft – gemeint war der am 23. August bekanntgegebene Tarifabschluss für rund 12.000 Hafenbeschäftigte in Emden, Wilhelmshaven, Bremerhaven, Brake, Bremen und Hamburg. Verdis Bundestarifkommission (BTK) will am kommenden Montag »endgültig« über Annahme oder Ablehnung des Abschlusses entscheiden. Zuvor hatte es in den vergangenen elf Tagen eine sogenannte Rückkopplungsphase in allen Betrieben gegeben, um »in Versammlungen und betrieblichen Treffen« das Ergebnis zu diskutieren und zu erklären. Weil, so Verdi in einem »Tarifinfo« vom 24. August, fast 90 Prozent der BTK-Mitglieder der Empfehlung zur Annahme des Ergebnisses zugestimmt hätten, soll von einer Mitgliederbefragung abgesehen werden; statt dessen erhält die BTK das letzte Wort. Zwar sind – derzeit – im Web und etlichen Netzwerken mehr positive als ablehnende Kommentare zum erzielten Tarifabschluss zu finden. Aber das ist bekanntlich nicht unbedingt repräsentativ. Auffällig ist vielmehr, dass die Phalanx der Neinsager und Zweifler deutlich höher ausfällt als bei früheren oder vergleichbaren Tarifabschlüssen. Und immer wieder wird auch der Ruf nach einer Urabstimmung laut. Das mag daran liegen, dass mittlerweile immer mehr Details des Abschlusses bekanntwerden, die klare Schwächen der Vereinbarung zwischen Verdi und dem Zentralverband deutscher Seehafenbetriebe (ZDS) enthüllen. So gibt es beispielsweise erheblichen Unmut über die vereinbarte Laufzeit von zwei Jahren rückwirkend ab 1. Juli: Zum einen war Verdi von Anfang an und auf Druck aus den Betrieben mit der Forderung »zwölf Monate« in die Verhandlungen gestartet und hatte dies auch bis kurz vor dem Abschluss immer wieder angemahnt. Zum anderen hatte der ZDS selbst anfangs eine 24-Monate-Laufzeit verlangt, dies aber Ende Juni unter dem Eindruck der ersten Warnstreiks auf 18 Monate reduziert. Eine Erklärung von Verdi, warum nun doch zwei Jahre vereinbart wurden, ist in den bisherigen Stellungnahmen nicht zu finden. Ein weiterer Schwachpunkt scheint die Staffelung der Lohnerhöhungen: Am meisten erhalten die Beschäftigten in Kategorie-A-Unternehmen, den sogenannten Vollcontainerbetrieben. Etwas weniger gibt es für »B-Betriebe«, in denen alles umgeschlagen wird, was nicht containerisiert ist – Stückgut, Projektladung, Massengut und ähnliches. Und schließlich sind da noch die »C-Betriebe«, Unternehmen, die wegen aktueller wirtschaftlicher Probleme vorübergehend unter einem gesonderten Beschäftigungssicherungstarifvertrag arbeiten, der aber den Beschäftigten einiges abverlangt, etwa Mehrarbeit oder Zulagenkürzungen. Für diese ohnehin Benachteiligten sind gerade mal 3,5 Prozent Erhöhung im ersten und 2,5 Prozent im zweiten Laufzeitjahr vorgesehen: Die Tarifrunde hatte aber begonnen mit dem erklärten solidarischen Ziel – gerade auch getragen von A- und B-Beschäftigten –, vor allem die C-Betriebe überproportional anzuheben; kein Wunder also, dass das Ergebnis empört…“ Artikel von Burkhard Ilschner in der jungen Welt vom 3. September 2022 externer Link, siehe auch:

    • Ergebnisse der Streiks in den deutschen Nordseehäfen: „Da muss wohl nachgearbeitet werden“
      Im Kampf um mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen ist diese Woche eine Einigung erzielt worden, die auf Zufriedenheit bei den Hafenarbeiter:innen trifft. Zumindest wenn man der Berichterstattung über die Einigung folgt. Dass dem mit Nichten in Gänze so ist, berichten Jana Kamischke und Deniz Askar Dreyer im Morgenmagazin. Jana ist ver.di Mitglied, Hafenarbeiterin und Vertrauenleutesprecherin bei HHLA und Deniz ist auch ver.di Mitglied, Hafenarbeiter und Vertrauenleutesprecher bei Eurogate Hamburg.“ Interview bei Radio Corax am 26.08.2022 beim Audioportal Freier Radios externer Link Audio Datei (Audio, 24 Minuten)
  • Abschluss in der Tarifrunde Seehäfen: Akzeptabel, aber hinter den Möglichkeiten 
    Die Streiks der 12.000 Hafenarbeiter*innen in den deutschen Seehäfen hatten international Aufsehen erregt. Die Forderung nach einem echten Inflationsausgleich klang kämpferisch. Das Ergebnis liegt über den Abschlüssen in anderen Branchen, bedeutet aber 2023 trotzdem einen Reallohnverlust.
    Vor dem Hintergrund der Krise im Logistiksektor haben nicht nur die Hafenarbeiter*innen eine neue Machtposition. In Düsseldorf und London Heathrow haben Flughafenbeschäftigte 18% Lohnerhöhungen durchgesetzt. Die Arbeitsbelastung bleibt jedoch bestehen, wer will schon nach der Kurzarbeit zurück in einen derart prekären, das Klima zerstörenden Sektor kommen? Viele Arbeitsstellen bleiben leer.
    In den Häfen wären ähnliche Lohnerhöhungen möglich gewesen. Die jetzt vereinbarten 9,4% in der Entgeltgruppe 6 bei den Vollcontainerbetrieben im laufenden Jahr enthalten allerdings Sonderzahlungen, die nicht tabellenwirksam sind. Wie groß der Anteil der Sonderzahlung ist, wurde bisher nicht berichtet. Für Betriebe, in denen Schüttgut und andere Güter außerhalb von Containern verladen werden, beträgt die Lohnerhöhung im ersten Jahr nur 7,9%. Das könnte jedoch die Mehrheit der Kolleg*innen in den Häfen betreffen. Containerterminals und Containertransport machen weltweit nicht mal ein Fünftel des maritimen Sektors aus.
    Im zweiten Jahr des 24-monatigen Tarifabschlusses soll die Erhöhung der Löhne bei 4,4% liegen, bzw. bei 5,5%, falls die Inflation darüber liegt. Steigt sie über 5,5%, gibt es eine Sonderkündigungsklausel, die eine neue Verhandlung nächstes Jahr ermöglicht. Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen ist eine neue Kampfrunde nächstes Jahr mehr als wahrscheinlich. (…)
    Der Streik kam nicht nur durch die Lieferengpässe, sondern auch durch den Angriff der Polizei in Hamburg in die Schlagzeilen. Diese gewaltsame Attacke galt nicht nur den Hafenarbeiter*innen, sondern allen, die es in der aktuellen Phase wagen, für einen Inflationsausgleich und gegen die wahnsinnigen Teuerungen zu streiken, von denen Energie-, Lebensmittel- und Immobilienkonzerne gerade profitieren.
    Angesichts des polizeilichen Angriffs und der Klagewelle gegen den Streik seitens der Unternehmen ist eine bewusste Offensive im Umgang mit dem Staat und den Gesetzen nötig. Nach dem 48-Stunden Streik Mitte Juli vereinbarte ver.di in einem Vergleich vor Gericht mit den Unternehmen eine sechswöchige Streikpause, die einem Streikverbot gleichkam und die Dynamik abwürgte.
    Gewerkschaften und Kolleg*innen müssen sich gegen härtere Angriffe des Staates und der Unternehmen wappnen und diese konsequent beantworten. Dazu gehört auch, die Reaktionen auf Klagen oder Versuche von Streikverboten in Vollversammlungen der Beschäftigten zu besprechen, demokratisch zu entscheiden und gemeinsame Antworten darauf zu finden.
    Auch gegen Angriffe der Polizei könnten in den kommenden Jahren – nicht nur am Hafen – Sicherheitskonzepte wichtig werden, die durch gewählte Strukturen in den Betrieben und Gewerkschaften erst wirklich wirksam sind. Auch angesichts der vielen Überstunden geht es in den Häfen nicht nur um den Ausgleich der Teuerung, sondern auch um Arbeitsentlastung und Gesundheitsschutz, der die Unternehmen ebenfalls einiges kosten muss.“ Bewertung von Anne Engelhardt, Kassel, am 30. August 2022 bei sozialismus.info externer Link, siehe auch:

  • Tarifergebnis mit Inflationsklausel für Seehäfen: Kräftige Lohnsteigerungen und Inflationsausgleich 
    ver.di und die Beschäftigten an den Seehäfen in Deutschland haben nach vielen Wochen und einigen Streiks in der 10. Tarifverhandlungsrunde mit dem Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) für die rund 12.000 Beschäftigten in den Nordseehäfen ein Tarifergebnis erzielt. Es sieht deutliche Entgelterhöhungen vor und gleicht darüber hinaus die Preissteigerungsrate aus. „Das ist ein sehr gutes Ergebnis. Unser wichtigstes Ziel war ein echter Inflationsausgleich, um die Beschäftigten nicht mit den Folgen der galoppierenden Preissteigerung allein zu lassen. Das ist uns gelungen“, sagte ver.di-Verhandlungsführerin Maya Schwiegershausen-Güth im Anschluss der Tarifrunde.
    Das Tarifergebnis im Detail: Im Einzelnen sieht das Tarifergebnis folgende Regelungen vor: Ab 1. Juli 2022 steigen die Entgelte in Vollcontainerbetrieben in der Ecklohngruppe 6 (inklusive Sonderzahlung) um 9,4 Prozent; in den konventionellen und Stückgut-Hafenbetrieben steigen sie in derselben Referenzlohngruppe (inklusive Sonderzahlung) um 7,9 Prozent. Ab 1. Juni 2023 erhöhen sich die Entgelte in den genannten Betriebsarten um jeweils weitere 4,4 Prozent. Sollte die Preissteigerungsrate darüber liegen, tritt eine Inflationsklausel in Kraft, die eine Preissteigerungsrate bis 5,5 Prozent ausgleicht. Für den Fall einer höheren Inflationsrate haben die Tarifparteien eine Verhandlungsverpflichtung, inklusive eines Sonderkündigungsrechtes, vereinbart. (…)
    Die ver.di-Bundestarifkommission hat bereits eine Beschlussempfehlung für das Tarifergebnis ausgesprochen. ver.di wird nun einen Diskussionsprozess mit den Mitgliedern in den Betrieben über das Tarifergebnis einleiten; am 5. September 2022 wird dann die ver.di-Bundestarifkommission final über das Tarifergebnis entscheiden.“ ver.di-Meldung vom 23.08.2022
  • #WirsindderHafen: Demo in Bremen unterstützt die Verhandlungsrunde in Bremen 
    „Die Hafenarbeiter:innen starten kämpferisch mit ihrer Kundgebung zur neusten Verhandlungsrunde. Sie stehen gegen Krise, Inflation und für Streikrecht. Wir zahlen nicht für eure Krise! Keine Reallohnkürzung! Kein Streikverbot durch die Bosse!..“ Thread mit Fotos von KLASSE GEGEN KLASSE vom 22.8. externer Link und weitere Fotos auf deren Instagram-Kanal externer Link sowie

  • Hafenarbeiter sind »Keyworker«. Nächste Runde um Tarifvertrag an Nordseehäfen. Schiffsstaus trotz Streikpause
    In der Bremer Innenstadt, in Bahnhofsnähe vor dem und im Atlantic Grand Hotel, geht es an diesem Montag früh einmal mehr um den nächsten Tarifvertrag für rund 12.000 Hafenbeschäftigte der Nordseehäfen: Zum mittlerweile zehnten Male treffen die Delegationen der Gewerkschaft Verdi und des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) zusammen, um – vielleicht – den seit Monaten eskalierenden Streit beizulegen. Vor Beginn der Verhandlung demonstrieren draußen vor dem Hotel die Abordnungen der Häfen von Emden, Wilhelmshaven, Bremerhaven, Brake, Bremen und Hamburg ihren Unmut über die fehlende Bereitschaft der Unternehmen, ihnen einen angemessenen Inflationsausgleich zuzubilligen. Die Gewerkschaft betont immer wieder aufs neue, dass die Hafenbeschäftigten »als Teil der kritischen Infrastruktur« in Zeiten der Pandemie und der nachfolgenden Schwierigkeiten durch gestörte Lieferketten als »Keyworker mit ihrer Hände Arbeit den Laden am Laufen gehalten« hätten: Dafür hätten sie »Anerkennung und ihren gerechten Anteil verdient«, zumal etliche der Hafenbetriebe gerade wegen der Störungen in der jüngsten Zeit erhebliche Extragewinne verzeichnen konnten. (…) Knackpunkt der bisherigen Verhandlungen ist vor allem die Laufzeit des neuen Tarifvertrages. Der ZDS beharrt auf einem Abschluss für zwei Jahre, die Gewerkschaft lehnt das kategorisch ab – und erfährt dafür, wie die Beteiligung an bislang drei Warnstreiks gezeigt hat, große Unterstützung ihrer Mitglieder. Eine längere Tariflaufzeit, so Verdi, müsse mit höheren prozentualen Tariferhöhungen auch im zweiten Jahr der Laufzeit gekoppelt werden, andernfalls brauche es eine Inflationsklausel, »die bei Preissteigerungsraten über einen bestimmten Prozentsatz hinaus eine weitere Erhöhung der Einkommen zur Folge habe«. Die jüngsten Angebote des ZDS liefen hingegen darauf hinaus, das Risiko für mögliche Preissteigerungen im zweiten Jahr maßgeblich auf die Beschäftigten zu verlagern. Die aber können nichts dafür, »dass durch die Störung der globalen Lieferketten die Produktivität sinkt«, während gleichzeitig in vielen Containerbetrieben die Einnahmen durch Lagergelder der Reedereien stiegen, »weil die Schiffsanläufe immer schlechter planbar sind«. Einerseits ist festzustellen, dass die gerichtlich verfügte, sechs Wochen dauernde Streikpause nicht dazu beigetragen hat, die Schiffsstaus auf der Nordsee merklich abzubauen – ein klares Zeichen dafür, dass die Streiks nicht schuld sind an dieser Misere (…) Andererseits zeigt sich der Unmut der Hafenbeschäftigten nicht nur in den Warnstreiks und begleitenden Kundgebungen, sondern auch an der enormen Unterstützung, die die von Hamburger Verdi-Vertrauensleuten gestartete Petition gegen die gerichtliche Beschränkung des Streikrechts gefunden hat.“  Artikel von Burkhard Ilschner in der jungen Welt vom 22.8.2022 externer Link (im Abo)
  • „Wir sind der Hafen“: Kundgebung am 22. August zur 10. Verhandlungsrunde in Bremen verdient und braucht unsere Solidarität 
    Im Rahmen der 10. Verhandlungsrunde am 22. August ruft ver.di zu einer unterstützenden Kundgebung ab 9:30 Uhr in Bredenstraße 2, 28195 Bremen auf. Es wird wohl in allen norddeutschen Häfen mobilisiert, der Aufruf war jedoch (bislang?) nirgends bei ver.di zu finden, siehe daher:

    • „Wir sind der Hafen“: Kundgebung am 22. August in Bremen
      Am 22. August findet in Bremen die zehnte Verhandlungsrunde der Hafenbeschäftigten statt. Lasst uns gemeinsam mit hunderten Hafenarbeiter:innen und Unterstützer:innen ein starkes Zeichen im Kampf gegen die Inflation setzen! Am 22. August findet in Bremen die zehnte Verhandlungsrunde der Hafenbeschäftigten statt. Die Kolleg:innen fordern angesichts der hohen Inflation einen realen Lohnausgleich sowie eine pauschale Lohnerhöhung von 1,20 Euro pro Stunde für alle Beschäftigten unabhängig von der Lohngruppe. Das Angebot der Bosse hingegen liegt selbst für die oberen Lohngruppen letztlich unter der Inflation. Die unteren Lohngruppen wollen sie sogar mit weniger abspeisen. Dass dieser Kampf überhaupt in die zehnte Verhandlungsrunde geht, ist letztlich dem Durchhaltevermögen der Kolleg:innen zu verdanken. In den Häfen herrscht seit Jahren Personalmangel und Überstunden werden dadurch für viele zur Normalität. Deshalb brauchen die Kolleg:innen unsere Solidarität. Sie kämpfen dabei nicht nur für sich selbst, sondern letztlich für uns alle. Die Inflation frisst unser aller Löhne auf. (…) Ein Erfolg der Hafenarbeiter:innen könnte eine Signalwirkung haben an Gewerkschaften und Arbeiter:innen in ganz Deutschland, die in den kommenden Monaten ebenfalls für höhere Löhne kämpfen und streiken werden. Deshalb rufen wir dazu auf, die Kolleg:innen im Hafen am 22. August in Bremen zu unterstützen: mit Solidaritätsbotschaften, aber vor allem damit, dass wir alle gemeinsam in Bremen auf der Straße unsere Unterstützung zeigen! Eine Kundgebung mit Hunderten oder Tausend Menschen wäre ein starkes Zeichen der Hafenarbeiter:innen, das einmal mehr ihre Entschlossenheit in diesem Kampf demonstriert…“ Aufruf der Redaktion von Klasse Gegen Klasse vom 16.8.2022 externer Link, siehe auch:
    • Hafenstreiks: Inflationsmonster stoppen, Vollstreik jetzt!
      Die Streiks an den norddeutschen Häfen sind noch bis zum 26. August ausgesetzt, nachdem sich Gewerkschaftsführung und Unternehmen im Juli auf einen Vergleich geeinigt hatten. Doch in den Verhandlungen zeichnet sich kein annehmbares Ergebnis ab. Also: jetzt einen Gang höher schalten und vom Warnstreik in den Vollstreik gehen. (…)Angesichts dieser Situation ergibt sich die Notwendigkeit, endlich den Spieß wieder umzudrehen: Die letzte der drei Verhandlungsrunden während der “Friedenspflicht” wird am kommenden Montag, den 22. August, in Bremen stattfinden. Aus diesem Anlass organisieren die Beschäftigten eine Kundgebung. Nicht nur die Hafenarbeiter:innen im Kampf selbst, sondern Gewerkschafter:innen und solidarische Unterstützer:innen im ganzen Land sollten dorthin mobilisieren, um ein starkes Zeichen zu setzen: “Wir alle sind der Hafen! Kein Abschluss unterhalb der Inflationsrate!” Eine starke Demonstration von Hafenarbeiter:innen – selbst wenn an dem Tag kein Streik stattfindet, könnten alle, die keine Schicht haben, nach Bremen fahren – mit großer Unterstützung von Arbeiter:innen aus ganz Deutschland und aus den verschiedensten Branchen würde deutlich machen, dass es hier nicht nur um die Lohnforderungen der Kolleg:innen im Hafen geht. Es geht darum, wer die Kosten der Krise bezahlen soll: die Arbeiter:innen, die unter ihr zu leiden haben, oder die Bosse, die weiterhin Profite scheffeln? Es zeichnet sich aber bereits ab, dass es kaum zu einem Angebot kommen wird, das die Kernforderungen der Beschäftigten erfüllt. Darunter fällt nicht nur eine Lohnerhöhung über Inflationsniveau für alle, sondern auch eine Mindesterhöhung von 1,20 Euro für die unteren Lohngruppen, die bisher besonders wenig bekommen. Eine starke Mobilisierung am 22. August nach Bremen würde es auch der Verhandlungskommission ermöglichen, selbst den Druck in der Verhandlung zu erhöhen – und sich über die weiteren Verhandlungsschritte direkt mit den anwesenden Kolleg:innen zu beraten, anstatt sich hinter verschlossenen Türen auf die Argumente der Bosse einlassen zu müssen…“ Beitrag von Dustin Hirschfeld am 18. Aug 2022 bei Klasse gegen Klasse externer Link
  • Seehäfen: Alles auf den letzten Drücker?
    Am 10.08.2022 fand die neunte Verhandlungsrunde für die Lohntarifverhandlungen für die deutschen Seehäfen im ZDS statt. Die ver.di-Verhandlungskommission hatte sich in Hamburg versammelt, um die virtuellen Tarifverhandlungen zu führen. Unser Eindruck: Eine Entscheidung soll erst in der letzten Verhandlungsrunde fallen. (…) Die Verhandlungen gehen am 22.08.2022 in Bremen weiter. Wir haben um eine Übersendung der möglichen neuen Vorschläge des ZDS gebeten, um am letzten Verhandlungstermin endlich voranzukommen und keine erneute Überraschung zu erleben. Dies wurde vom ZDS unverständlicherweise abgelehnt. Wir wollten einfach keine Zeit verlieren. Jetzt liegt es an den Arbeitgebern, ein verbessertes Angebot zu machen. Es gilt: Hopp oder top? Seit Wochen versuchen wir, einen 12-Monatsabschluss zu machen oder einen Weg zu finden, auch bei einem längeren Abschluss die von uns genannten Kriterien umzusetzen. Obwohl dies den Arbeitgebern bekannt ist und mehrfach diskutiert wurde, haben sie bisher keine entsprechenden Vorschläge gemacht. Deshalb ist der 22. August für beide Seiten vorerst die letzte Möglichkeit, ohne weitere Maßnahmen zu einem Tarifabschluss zu kommen. Aber wir sind vorbereitet, die Streikbeteiligung der letzten Monate hat gezeigt, dass wir nicht nur den Mund spitzen – sondern auch pfeifen können!Meldung der ver.di-Bundestarifkommission Seehäfen vom 11.08.2022 externer Link
  • »60 Überstunden pro Monat sind Normalität«: Vertrauensleutesprecherin erläutert den Kampf in den Seehäfen und die Petition für das Streikrecht – Rolf Geffken kritisiert diese
    • »60 Überstunden pro Monat sind Normalität«. Hafenarbeiter kämpfen für bessere Arbeitsbedingungen
      Im Interview von Simon Zamora Martin in der jungen Welt vom 26. Juli 2022 externer Link erläutert Jana Kamischke, Vertrauensleutesprecherin und Kämpferin für einen neuen Flächentarifvertrag für die Seehäfen der Norddeutschen Bucht, warum in den vergangenen Wochen zum ersten Mal seit 44 Jahren die Hafenarbeiter der Norddeutschen Bucht in den Streik getreten sind: „… Wir kämpfen für einen realen Inflationsausgleich von derzeit sieben bis acht Prozent für alle sowie für eine pauschale Lohnsteigerung von 1,20 Euro pro Stunde, damit auch die unteren Lohngruppen eine deutliche Verbesserung bekommen. Die Wut in den Häfen ist groß, weil sich die Arbeitsbedingungen in den letzten Jahren erheblich verschlechtert haben. (…) Die Arbeit wird immer weiter verdichtet, es herrscht Personalmangel. 60 Überstunden und mehr pro Monat sind Normalität. Durch die Automatisierung werden gutbezahlte Arbeitsplätze vernichtet, es entstehen zunehmend prekäre Jobs. Die Gesamthafenbetriebe in Bremerhaven und Hamburg haben neben ihren festen Beschäftigten Hunderte unständige Beschäftigte, sprich: moderne Tagelöhner. Insgesamt bewegen sich Stundenlöhne in einer Spanne zwischen 14 und 28 Euro. Diese Spirale hat sich jahrelang abwärts gedreht. Aber mit der Inflation lassen wir uns das nicht mehr gefallen. (…) Die Arbeitgeber bieten 12,5 Prozent auf 24 Monate, also 6,25 Prozent auf zwölf Monate, und das ausschließlich für Kolleginnen und Kollegen der Containerterminals an. Die Fläche besteht aber auch in weiten Teilen aus konventionellen Betrieben und Automobilumschlag. Die Löhne für die untersten Gruppen sollen lediglich um 2,78 Prozent steigen. Das ist nicht vertretbar. (…) Wir sind bereit, über viele Punkte zu reden. Aber von unserer zentralen Forderung nach einem Inflationsausgleich für alle Beschäftigte lassen wir uns nicht abbringen. Und auch unsere Forderung nach einer Laufzeit von nur zwölf Monaten beziehungsweise ein Sonderkündigungsrecht bei hoher Inflation ist nicht verhandelbar. (…) Als wir am 14. Juli in den 48stündigen Warnstreik gingen, reichten Arbeitgeber wie z. B. die HHLA und Eurogate gemeinsam 17 Anträge auf einstweilige Verfügungen ein, um unseren Protest zu verbieten. In Niedersachsen schmetterte das Arbeitsgericht die einstweiligen Verfügungen ab. In Hamburg soll es laut der zuständigen Anwältin formale Fehler gegeben haben. Daraufhin sicherte Verdi in einer außergerichtlichen Vereinbarung den Arbeitgebern zu, bis zum 26. August nicht mehr zu streiken und in dieser Zeit dreimal mit den Vertretern des Zentralverbandes der deutschen Seehafenbetriebe zu verhandeln. Wir als Tarifkommission wurden vor der Unterzeichnung der Vereinbarung nicht vollständig hinzugezogen und hatten auch Tage danach keine umfassenden Informationen zur Sachlage. Jetzt müssen wir Wege finden, um den Druck aufrechtzuerhalten. Die Petition ist auch ein Versuch, kämpferische Gewerkschaftsarbeit nach vorne zu bringen. Die Zeiten des sozialpartnerschaftlichen Händeschüttelns sind vorbei.“ Siehe dazu:
    • [Rolf Geffken] Sozialpartnerschaft im Hafen – Petition falsches Signal!
      Welches Maß an Sozialpartnerschaft die Beziehungen der Hafenarbeitergewerkschaft zu den Unternehmen geprägt hat, macht Jana Kamischke mit ihrem Hinweis deutlich, daß der ehemalige Leiter der ver.di-Bundesfachgruppe Maritime Wirtschaft Torben Seebold jetzt für die Arbeitgeber mit am Verhandlungstisch sitzt. Seebold hatte sich durch den rasanten Niedergang der gewerkschaftlichen Präsenz unter den Seeleuten und das schließlich praktisch ganz eingestellte Engagement in der Schifffahrt für den Job empfohlen. Noch 1978 hatte die Vorgängergewerkschaft ÖTV unter der Leitung von Siegfried Merten über eine Woche in allen Häfen für 7,5 % Lohnerhöhung gestreikt. Die Arbeitgeber hatten immerhin 6 % angeboten…… „Warnstreiks“ spielten dabei keine Rolle. Die Ursachen für das jetzige „Streikverbot“ sind hausgemacht. Es nützt nichts darüber zu lamentieren. „Schuld“ sind nicht die Arbeitgeber, die offensiv ihre Interessen mit einstweiligen Verfügungen gegen den Warnstreik vertraten. Immerhin wurden ihre Anträge von nahezu allen Arbeitsgerichten abgeschmettert. Nur in Hamburg fehlten angeblich irgendwelche „Formalien“ für den Streikbeschluß, sodas man sich zu einem Vergleich „gezwungen“ sah, der den Streik für a l l e Häfen bis Ende August beendete. Warum hat man dieses Verfahren nicht durchgefochten ? Einstweilige Verfügungen gegen Streiks sind grundsätzlich unverhältnismäßig, weil sie die Streiks endgültig und nicht nur „einstweilen“ beenden. Satzungsfragen, die das Hamburger Gericht als einziges (!) aufwarf sind grundsätzlich nicht geeignet, das Streikrecht einzuschränken. Warum wurden auch die Streiks in Bremerhaven, Emden und Wilhelmshaven beendet, obwohl dort die Anträge abgeschmettert wurden ? Die Gewerkschaft ver.di hat diesen vielversprechend begonnenen Arbeitskampf abgebrochen, bevor er überhaupt richtig begonnen hatte. Die Niederlage hat sie sich selbst zuzuschreiben. Leidtragende sind die Hafenarbeiter. Eine „Petition“ gegen eine selbstverschuldete Niederlage ist nicht die geeignete Antwort darauf. Gegen wen sollte sie sich richten ? Eine geeignete Antwort wäre die Mobilisierung der Hafenarbeiter und sofortige Transparenz über das Zustandekommens des Hamburger Vergleichs sowie personelle Konsequenzen aus diesem Desaster.“ Leserbrief von Rechtsanwalt Dr. Rolf Geffken für die „junge Welt“ zum Interview mit der Vertrauensleutesprecherin Jana Kamischke, die eine Petition gegen den Vergleich unterstützt (per e-mail)(siehe die Petition hier weiter unten)
  • Solidaritätserklärung für die HafenarbeiterInnen vom Zukunftsforum Stuttgart und der VKG
    • Solidaritätserklärung für die HafenarbeiterInnen vom Zukunftsforum Stuttgart
      Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir vom Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften und Metallertreff unterstützen eure Streiks für höhere Löhne. Tariferhöhungen sind bei ca. 8 % Inflation mehr als notwendig und die 1,20 Euro mehr als gerechtfertigt. Wir finden gut, dass ihr eine Festgeldforderung stellt. Auch wir finden dies für sinnvoller, sind doch die Preissteigerungen beim Warenkorb von ärmeren Menschen höher, weil der Anteil für Miete, Mietnebenkosten und Lebensmittel höher ist und genau dort die höchsten Preissteigerungen zu verzeichnen sind. Und ihnen nützen Festgeldforderungen mehr als Prozentforderungen. Wir verurteilen entschieden alle Einschränkungen und Angriffe auf unser Streikrecht sowie alle Polizeimaßnahmen gegen euren Streik. Lasst euch dadurch nicht einschüchtern. Bleibt standhaft. Euer Kampf ist in unser aller Interesse. Wir stehen hinter euch und hinter euren Forderungen von der Unterschriftensammlung: Für die Aufhebung der Friedenspflicht! Keine erzwungene Schlichtung! Lasst die Arbeiter:innen über ihren Streik und ihre Streikstrategien selbst entscheiden! Für das uneingeschränkte Streikrecht für alle Arbeitskämpfe! Keine Polizeimaßnahmen gegen den Streik! Wir wünschen euch viel Erfolg. Wir werden auch in Stuttgart um Unterstützung für die Unterschriftensammlung werben und natürlich unterschreiben. Solidarität ist unsere Stärke! Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften / Metallertreff Stuttgart (Wir sind ein örtliches Forum der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften)Solierklärung veröffentlicht am 22. Juli 2022 bei der VKG externer Link
    • Hafenstreik: Gegen jede Einschränkung des Streikrechts!
      Wir als VKG unterstützen die Streiks der Hafenarbeiter*innen und verurteilen alle Einschränkungen des Streiksrechts sowie Polizeimaßnahmen gegen den Streik. Wir wünschen den Streikenden viel Erfolg. Wir bitten um Unterstützung der Unterschriftensammlung…“ Beitrag und Unterschriftensammlung vom 20. Juli 2022 bei VKG externer Link
  • Faktisches Streikverbot im Hafen – „Ver.di hätte diese Frage ausfechten können und sollen“ – diese hält sich bedeckt

    • Faktisches Streikverbot im Hafen
      „… Zuletzt war im Jahre 1978 in den Häfen gestreikt worden. Dann kamen die Warnstreiks im Frühsommer 2022. Eine geballte Streikfront offenbarte sich. Die Hafenarbeiter waren nicht mehr bereit, sich mit „moderaten“ Lohnerhöhungen abspeisen zu lassen. Vor der Gefahr des Drucks von Streiks auch auf andere Wirtschaftsbereiche hatte vor Jahren schon der damalige Präsident des BDA gewarnt. Er warnte vor allem vor der strukturellen Gegenmacht der Containerbrückenfahrer.
      Nun gibt der Ukrainekrieg den Hafenunternehmern ein zusätzliches Argument für die Einschränkung des Streikrechts. Die von ihnen mit einem Antrag auf  Erlaß einer einstweiligen Verfügung angerufenen norddeutschen Arbeitsgerichte waren mit e i n e r Ausnahme nicht bereit, ihnen zu folgen. Kein Wunder: Einstweilige Verfügungen gegen Streiks sind ganz grundsätzlich rechtlich problematisch: Wird ein Streik abgebrochen, ist er n i c h t „einstweilen“ beendet sondern endgültig und faktisch unwiderruflich. Streiks werden bekanntlich nicht „an- und ausgeschaltet“. Eine „einstweilige Verfügung“ darf dem Antragsteller nicht vollständig zum Erfolg verhelfen ! Tatsächlich hatte auch das Arbeitsgericht Hamburg keine grundsätzlichen Einwände gegen den Hafenarbeiterstreik, aber als einziges Arbeitsgericht zog es eine ganz andere Karte: Der Streikbeschluß der Gewerkschaft sei an bestimmte Formalien gebunden und die hätten nicht vorgelegen. Auf diese Weise zwang das Gericht die Parteien zum Abschluß eines Vergleiches mit dem auf Arbeitskampfmaßnahmen bis Ende August verzichtet wurde. Obwohl a l l e anderen angerufenen Arbeitsgerichte die Anträge der Arbeitgeber zurückgewiesen hatten, wandte ver.di den Streikverzicht auf alle Häfen an und bewirkte damit eine faktische Schwächung der Gewerkschaft und vor allem eine In-Frage-Stellung des Streikrechts insgesamt.
      Zunächst kann schon rein juristisch die vermeintliche Satzungswidrigkeit eines Streikbeschlusses keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit eines Streiks haben. Das eine ist organisationsinternes Recht das andere ist das externe Streikrecht selbst. Ver.di hätte diese Frage ausfechten können und sollen. J e t z t sehen sich die Hafenarbeiter mit einer langfristigen Aussetzung des Arbeitskampfes konfrontiert und müssen eine Veränderung des Kräfteverhältnisses zu ihren Lasten hinnehmen, obwohl sie in jeder Hinsicht kampfbereit waren und dies auch in der Öffentlichkeit unterstrichen hatten.
      Schon kommt aus dem Bereich der Politik durch den Hamburger Wirtschaftssenator die Forderung nach einer Schlichtung. Mit Schlichtungsmaßnahmen wäre das Streikrecht noch weiter eingeschränkt und die Schärfe dieses Kampfmittels wäre ihm genommen. Die Einmischung der Politik in die Tarif- und Streikautonomie der Gewerkschaften wird in „Kriegszeiten“ zunehmen, wie die Forderung des Kanzlers nach einer „Konzertierten Aktion“ zeigt…“ Beitrag vom 19.07.2022 von und bei RA Rolf Geffken externer Link, siehe dazu auch:
    • [ver.di] Seehäfen: Weitere Verhandlungen angesetzt
      Nach sieben ergebnislosen Verhandlungsrunden haben die Arbeitgeber des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebe ZDS auf den 48-stündigen Warnstreik am 14. Juli mit einem Gang vor das Arbeitsgericht Hamburg reagiert. Die Tarifparteien einigten sich auf einen Vergleich, der die Arbeitgeber zurück an den Verhandlungstisch holt. Insgesamt drei weitere Verhandlungstermine zwischen ver.di und dem ZDS sollen bis zum Ende dieser Woche vereinbart werden. Die Verhandlungen müssen bis zum 26. August erfolgt sein. Bis zum Abschluss dieser Verhandlungen herrscht zwischen den Tarifparteien Friedenspflicht, das heißt, es wird vorerst nicht gestreikt…“ Update vom 19.07.2022 bei ver.di externer Link – mit keinem Wort weder zur juristischen Bewertung noch zur Polizeigewalt gegen Streikende – auch bei ver.di Hamburg nicht
    • Streikrecht verteidigen. Hafenarbeiter wehren sich gegen gerichtlichen Vergleich, der Arbeitskampfmaßnahmen bis Ende August untersagt. Verdi hält sich bedeckt
      „»Wir sind der Hafen!« hatten mehrere tausend Hafenbeschäftigte skandiert, als sie am vergangenen Freitag im Zuge ihres zweitägigen Warnstreiks durch Hamburg marschierten. Danach war erst einmal Schluss, denn die Gewerkschaft Verdi hat sich auf einen gerichtlichen Vergleich eingelassen, der weitere Arbeitskampfmaßnahmen bis zum 26. August untersagt. Die Reaktion etlicher Beschäftigter folgte am Wochenende: »Gegen jede Einschränkung des Streikrechts!« lautet die Parole einer Onlineresolution, die zunehmend mehr Unterstützer findet. Der Reihe nach: Mehrere Hafenlogistiker hatten am vergangenen Mittwoch, kurz vor dem dritten Warnstreik, lokale Arbeitsgerichte angerufen, um den geplanten Ausstand untersagen zu lassen. Während Gerichte in anderen Städten es ablehnten, so in den Tarifkampf einzugreifen, wurde in Hamburg ein Vergleich mit offenbar überregionaler Wirkung geschlossen: Der Warnstreik durfte stattfinden, es sind aber bis Ende dieser Woche zwischen Verdi und dem Zentralverband Deutscher Seehafenbetriebe (ZDS) drei weitere Verhandlungstermine zu vereinbaren, die bis zum 26. August stattzufinden haben. Und: In dieser Zeit, so das Gericht, dürften keine weiteren Arbeitskampfmaßnahmen durchgeführt werden. Das bedeute eine klare »Einschränkung des Streikrechts«, riefen Hafenarbeiterin Jana Kamischke und ihr Kollege Deniz Askar Dreyer aus Hamburg daraufhin per Internetvideo zum Protest auf – und erzielten ein beachtliches Echo (…)
      Die Hafenwirtschaft frohlockt und mahnt eine baldige Einigung an. Die Deutsche Verkehrszeitung sorgte sich am Montag wegen der Streiks um das Image der deutschen Häfen und drohte zugleich, die Streiks würden die »Automatisierungstendenzen im Umschlag noch verstärken«. Anders die Hafenbeschäftigten: Nicht nur die Sturheit der Kapitalseite, sich der Forderung eines angemessenen Inflationsausgleichs zu verweigern, macht sie wütend. Man dürfe von Gewerkschaftsseite »dem Druck der Unternehmen nicht nachgeben und in die Beschneidung der eigenen Aktionsmöglichkeiten einwilligen«, protestiert der Aufruf gegen die Zwangsfriedenspflicht. Rufe seitens der Politik – wie von Hamburgs Wirtschaftssenator Michael Westhagemann – nach einer Schlichtung schüren den Ärger…“ Artikel von Burkhard Ilschner in der jungen Welt vom 20.07.2022 externer Link (siehe die Petition hier weiter unten)
    • „Wir sind der Hafen!“ Tausende Hafenarbeiter*innen zeigten Stärke – Solidarität mit den Kolleg*innen gegen Repressionen
      „… Wie enorm die Wut vieler Kolleginnen und Kollegen über Inflation und Krisenauswirkungen inzwischen ist, dürfte auch die enorme Beteiligung am Arbeitskampf zeigen. Nicht weniger als 8.000 Kolleg*innen von insgesamt rund zwölftausend Beschäftigten in den Seehäfen nahmen an mehreren Warnstreiks der Gewerkschaft teil. Zu einer Demonstration unter dem Motto „Inflationsmonster stoppen“ kamen am vergangenen Freitag 5000 Menschen – und genau dort ging die Polizei sogar mit Gewalt gegen streikende Kolleg*innen vor. Immer wieder versuchten die Arbeitgeber in den vergangenen Wochen, den Ausstand per Gerichtsurteil zu unterbinden. Dabei scheiterten sie gleich vor den Gerichten mehrerer Städte. Oldenburg, Bremerhaven, Wilhelmshaven sind nur drei Orte, die den Anträgen der Arbeitgeber auf ein Ende der Streikmaßnahmen eine juristische Abfuhr erteilten. Vor dem Arbeitsgericht in Hamburg schlossen nun Ver.di und die Arbeitgeberseite einen Vergleich, den zwar beide als Erfolg feiern, profitieren werden aber vor allem die Bosse. Der bis Samstagmorgen laufende Warnstreik durfte fortgesetzt werden. Weitere Ausstände haben nun aber bis zum 26. August zu unterbleiben. (…)
      In das restriktive Vorgehen gegen die Streikenden passt auch das Vorgehen der Polizei vom Samstag. Als auf der Wiese vor dem Gewerkschaftshaus einer der an der Demonstration Beteiligten einen Böller zündete, nahm die Polizei das zum Anlass, um erst den Kollegen festzusetzen und danach massiv vorzugehen. Als Kolleg*innen die Freilassung forderten, schlug die Polizei – wie man auf kurzen Clips vom Vorfall sehen kann – auf Umstehende ein, trat zu und setzte Pfefferspray oder Tränengas ein. Dann zog sich die Einheit unter den lauten „Wir-sind-der-Hafen“-Rufen der Kolleg*innen zurück. Es sind verstörende Szenen, die sich die Polizei im Umgang mit demonstrierenden Gewerkschafter*innen leistet. Dass Polizist*innen in dieser Art gegen friedliche Streikende vorgeht, zeigt auch, dass der Staat im Klassenkampf keine neutrale Schiedsinstanz ist...“ Beitrag von Steve Hollasky vom 17. Juli 2022 bei der SOL externer Link
  • Streikdemo in Hamburg am 15.07.2022 eskaliert mit Pfefferspray und mehreren Verletzten und Festnahmen – weiterer Hafenarbeiterstreik in Hamburg und Bremen bis zum 26. August verboten – Petition gegen jede Einschränkung des Streikrechts!
    • [Petition] Hafenstreik: Gegen jede Einschränkung des Streikrechts!
      Die Hafenarbeiter:innen aus Hamburg, Bremen, Bremerhaven, Brake und Wilhelmshaven haben sich am Donnerstag, 14. Juli, für 48 Stunden in den Streik begeben. Es ist der längste Streik seit 40 Jahren und seit sechs Verhandlungsrunden ignoriert der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) die Forderungen der Gewerkschaft ver.di, die einen Inflationsausgleich von aktuell circa 7,8 Prozent, eine Gehaltssteigerung von 1,20 Euro pro Stunde und weitere Zuschläge je nach Arbeitsbereich für ein Jahr fordert.
      Schon nach den ersten Warnstreiks forderte der Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger, die ihn missfallenden Arbeitsniederlegungen in den Häfen mittels Ausrufung des „nationalen Notstandes“ zu verbieten. Die Logistikunternehmen HHLA und Eurogate klagten gegen den Streikaufruf. Das Arbeitsgericht in Hamburg genehmigte zwar den 48-stündigen-Streik, doch äußerte es Zweifel über die formale Rechtmäßigkeit des Streikaufrufs. Nach einem Vergleich zwischen Klägern und ver.di wird es bis zum 26. August eine Friedenspflicht geben. Als ver.di und Gewerkschaften dürfen wir dem Druck der Unternehmen nicht nachgeben und in die Beschneidung der eigenen Aktionsmöglichkeiten einwilligen. Hamburgs Wirtschaftssenator Michael Westhagemann fordert ein Schlichtungsverfahren, das den Streik abrupt von oben beendet. Dem Hafenstreik werden zahlreiche Hürden in den Weg gestellt, um den Willen der Arbeiter:innen zu brechen. (…)
      Trotz der Einschränkung des Streikrechts haben sich tausende Hafenarbeiter:innen in Hamburg versammelt, um für ihre Forderungen zu streiken. Ein Kollege bei der Firma Eurogate Hamburg sagte diesbezüglich: „Wir gehen auf die Straße, weil das Streikrecht gebrochen worden ist.” Bei der Demonstration kam zur Polizeigewalt und Festnahmen. Die Polizei schlug nach den Hafenarbeiter:innen und ging mit Pfefferspray gegen sie vor. Gerade in Zeiten hoher Inflation ist es notwendig, dass Gewerkschaften für den Erhalt der Lebensstandards der Beschäftigten streiken können. Wir stellen uns daher gegen jede Einschränkungen des Streikrechts, sei es durch juristische oder polizeiliche Maßnahmen. Wir fordern: 1. Die Aufhebung der Friedenspflicht! 2. Keine erzwungene Schlichtung! Lasst die Arbeiter:innen über ihren Streik selbst entscheiden! 3. Für das uneingeschränkte Streikrecht für alle Arbeitskämpfe! 4. Keine Polizeimaßnahmen gegen den Streik. Solidarität mit den Hafenstreiks!Petition zum Mitzeichnen externer Link von Jana Kamischke (ver.di, Hamburger Hafenarbeiterin, Tarifkommissionsmitglied, Vertrauenssprecherin HHLA) und Deniz Askar Dreyer (ver.di, Hamburger Hafenarbeiter, Vertrauensleutesprecher Eurogate Hamburg) – Anzahl der Unterschriften: 1004 (Stand: 18.07.2022, 9:53 Uhr)

    • Polizei setzt Pfefferspray ein: Hafenarbeiterstreik eskaliert – mehrere Verletzte und Festnahmen
      Der heftigste Arbeitskampf der Hafenarbeiter in den deutschen Nordseehäfen seit Jahrzehnten ist zu Ende. Es gab zehn Verletzte und zwei Festnahmen. „Der Warnstreik wurde heute wie geplant beendet und die Arbeit geht wieder los“, sagte ein Sprecher der Gewerkschaft Verdi für den Hamburger Hafen am Samstag der dpa. Zuvor hatten Tausende Arbeiter seit Donnerstagmorgen an allen wichtigen Hafenstandorten den Umschlag von Waren weitgehend lahmgelegt. Bei einer zugehörigen Kundgebung am Freitagmittag in Hamburg ist die Stimmung gekippt, es kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei; die wiederum setzte Pfefferspray gegen die Demonstrierenden ein. Diese Szenen sind auch auf Videos in den sozialen Medien zu sehen. „Wir sind der Hafen“, skandieren Protestler, während sie sich auf die Beamten zubewegen. Nach Angaben der Polizei gab es aus den Reihen der Demonstranten dann auch Flaschenwürfe. Mehrere Verletzte wurden vor Ort behandelt. Fünf Demonstranten und fünf Polizeibeamte wurden bei den Ausschreitungen verletzt, außerdem gab es zwei Festnahmen. Nach Angaben der Polizei hatte ein Teilnehmer einen Böller aus der Menge geworfen…“ Agenturmeldung vom 16.07.2022 bei t-online externer Link, siehe dazu:
    • Hafenstreik gegen Inflation: Angriff durch Polizei und Gerichte
      Am Donnerstag und Freitag traten tausende Beschäftigte der großen deutschen Containerhäfen für 48 Stunden in den Streik. Die Polizei griff die Streikdemo an. Weitere Streiks bleiben bis Ende August gerichtlich verboten. (…) Neben dem juristischen Angriff auf die Streikenden kam es bei der Demonstration am Freitag auch zu Gewalt durch die Polizei. Diese schlug nach den Hafenarbeiter:innen und ging mit Pfefferspray gegen sie vor. Ein Video zeigt wütende Kolleg:innen externer Link , die die behelmten Polizist:innen zurückdrängen. Andere Aufnahmen zeigen, wie Polizist:innen einen Arbeiter bei einer Festnahme grob gegen ein Polizeifahrzeug drücken. Auch unser Korrespondent:innen von Klasse Gegen Klasse wurden von der Polizei angegriffen. Es sind Bilder, wie sie auf den meist friedlich ablaufenden Streiks in Deutschland seit vielen Jahren nicht mehr zu sehen waren. Es veranschaulicht die aufgeladene Stimmung: Hier geht es nicht wie sonst nur um ein paar Prozent mehr Lohn. Hier geht es darum, wer die Krise zahlen soll…“ Bericht von Marius Rautenberg vom 15. Jul 2022 bei Klasse Gegen Klasse externer Link, siehe auch:
    • Massive #Polizeigewalt gegen die Streikenden. Nach einer Festnahme attackierten sie die solidarischen Kolleg:innen mit Pfefferspray und Schlagstöcken. Auch die Presse wurde angegriffen…“ Video von Klasse Gegen Klasse auf Twitter externer Link und weitere Videos unter #hh1507
    • Hafenarbeiter im Norden beenden Warnstreik
      „… Beim Protestzug in der Hansestadt am Freitag gab es zehn Verletzte, nachdem ein Teilnehmer der Kundgebung einen Böller gezündet hatte. Am Rande der Abschlusskundgebung am Besenbinderhof in der Nähe des Hauptbahnhofs hielten Polizisten den Mann fest, der den Böller geworfen hatte, wodurch die Situation eskalierte. Mehrere Hafenarbeiter bedrängten die Beamten. Nach Angaben der Polizei flogen Flaschen aus der Menge der Demonstrantinnen und Demonstranten. Die Beamten setzten Pfefferspray ein. Fünf Polizisten und fünf Demonstranten wurden verletzt. Insgesamt sei die Demonstration aber recht friedlich verlaufen. Laut ver.di nahmen etwa 5.000 Menschen an dem Protestzug vom Hauptbahnhof über den Ballindamm zum Jungfernstieg und dann zum Besenbinderhof teil. (…) Am Donnerstag hatte die Arbeitgeberseite an mehreren norddeutschen Arbeitsgerichten versucht, die Warnstreiks mithilfe von Einstweiligen Verfügungen zu stoppen. Das gelang nicht. Bei der Verhandlung vor dem Hamburger Arbeitsgericht zeigte sich aber, dass das Gericht Zweifel daran hat, ob beim Streikbeschluss der Arbeitnehmer alle Formalien eingehalten wurden. Das Ergebnis: ein Vergleich. Nach diesem Streik sind weitere Arbeitskämpfe bis zum 26. August ausgeschlossen. In Bremen, Oldenburg und Wilhelmshaven wurde der Streik von den zuständigen Gerichten in den ersten Instanzen bestätigt…“ Beitrag vom 16.07.2022 beim NDR externer Link samt Video
    • Das Monster stoppen. Warnstreik der Hafenbeschäftigten: Teilerfolge vor Gericht, machtvolle Demonstration in Hamburg
      Mehrere Versuche, den an diesem Sonnabend früh planmäßig beendeten Warnstreik der Beschäftigten deutscher Nordseehäfen per Gericht verbieten zu lassen, sind am Mittwoch und Donnerstag gescheitert. Dafür haben die Streikenden am Freitag mit einer machtvollen Demonstration in Hamburg ihre Stärke und Entschlossenheit unter Beweis gestellt: Etliche tausend zogen mittags durch die Innenstadt. Wie mehrfach berichtet, sind die Fronten zwischen den Hafenbeschäftigten und ihrer Gewerkschaft Verdi einerseits und dem Zentralverband Deutscher Seehafenbetriebe (ZDS) andererseits nach mittlerweile sieben Verhandlungsrunden verhärtet. Der 48-Stunden-Warnstreik war der dritte innerhalb weniger Wochen, ohne dass sich die Arbeitgeberseite bereit gezeigt hätte, den elementaren Bedürfnissen der Beschäftigten entgegenzukommen: Diese verlangen die Zusicherung eines handfesten Ausgleichs, um das »Inflationsmonster stoppen« zu können (so eine Parole ihres Tarifkampfs) – und sie wollen einen Abschluss für zwölf Monate, um je nach wirtschaftlicher Entwicklung auch im nächsten Jahr tariflich handlungsfähig zu sein. (…) haben mehrere Hafenlogistiker versucht, den jüngsten Warnstreik von Arbeitsgerichten per einstweiliger Anordnung stoppen zu lassen. In Wilhelmshaven, Oldenburg (für den Hafenstandort Brake) und Bremen ist das gründlich misslungen, die Gerichte haben die entsprechenden Anträge zurückgewiesen. In Hamburg wurde der Streit laut gerichtlicher Pressemitteilung vom Donnerstag mit einem Vergleich beigelegt: Zwar durfte der Warnstreik wie geplant durchgeführt werden. Beide Seiten verpflichteten sich aber zu weiteren Verhandlungsterminen – und es darf bis Ende August keine weiteren Arbeitskämpfe geben...“ Artikel von Burkhard Ilschner in der jungen Welt vom 16.07.2022 externer Link
  • »Inflationsmonster stoppen«: Nordseehäfen bis Samstag im 48-stündigen Warnstreik
    • Kampf an der Küste. Beschäftigte in deutschen Nordseehäfen wollen sich nicht abspeisen lassen. Unternehmer versuchen, Warnstreik im Tarifkonflikt zu verbieten
      Seit Donnerstag früh sind etliche tausend Hafenbeschäftigte in deutschen Nordseehäfen erneut im Ausstand – dieses Mal für 48 Stunden, bis Samstag morgen. Es ist der dritte Warnstreik in der aktuellen Tarifrunde und der längste seit mehr als 40 Jahren. Die Auseinandersetzung gewinnt an Schärfe: Mehrere Unternehmen, wie das Hamburger Hafenlogistikunternehmen HHLA sowie dessen Bremer Konkurrent Eurogate, gehen gerichtlich gegen den Arbeitskampf vor, sagte eine Sprecherin des Arbeitsgerichts Hamburg am Donnerstag. Die Männer und Frauen in den Häfen von Emden, Wilhelmshaven, Bremerhaven, Brake, Bremen und Hamburg sind sauer: Sie verlangen einen »echten Inflationsausgleich«, um die laut Verdi »galoppierende Preissteigerung« kompensieren zu können. Die rund 12.000 Beschäftigten in 58 tarifgebundenen Unternehmen von Hamburg, Niedersachsen und Bremen fordern neben diesem mit rund 7,4 Prozent bezifferten Ausgleich eine Entgelterhöhung um 1,20 Euro pro Stunde sowie höhere Jahreszulagen – das aber unbedingt bei einer Tarifvertragslaufzeit von zwölf Monaten. Die Unternehmerseite, der Zentralverband Deutscher Seehafenbetriebe (ZDS), hat zuletzt ein als »final« bezeichnetes Angebot vorgelegt, das sie selbst auf bis zu 12,5 Prozent beziffert – aber verteilt auf zwei Jahre. (…) An diesem Freitag ist in Hamburg eine große Demonstration unter Beteiligung auch aus den anderen betroffenen Häfen geplant. Angeblich sollen ebenso aus den Niederlanden und Belgien einzelne Vertreter jener Hafenbelegschaften anreisen, die sich erst kürzlich auf Initiative der Internationalen Transportarbeiterföderation (ITF) mit dem aktuellen Tarifkampf der deutschen Hafenbelegschaften und ihren Forderungen solidarisch erklärt hatten…“ Artikel von Burkhard Ilschner in der jungen Welt vom 15.07.2022 externer Link
    • Seehäfen: Noch immer keine Einigung – ver.di ruft zu zweitägigen Warnstreiks ab Donnerstagmorgen auf
      „„Wir sind nach wie vor bereit, eine Lösung auf dem Verhandlungsweg zu finden“, betont ver.di-Verhandlungsführerin Maya Schwiegershausen-Güth. Jedoch sei auch heute (13. Juli 2022) bei einem kurzfristig anberaumten Verhandlungstermin erneut keine Einigung mit dem ZDS gelungen. Daher rufe ver.di mehrere tausend Beschäftigte in verschiedenen Seehäfen ab Donnerstagmorgen, dem 14. Juli 2022, zu einem 48-stündigen Warnstreik auf. „Insbesondere vor dem Hintergrund der unsicheren wirtschaftlichen Entwicklung haben wir eine Reallohnerhöhung für alle Beschäftigten auf zwölf Monate gefordert. Auch das jetzt vorliegende Angebot wird dem nur ansatzweise gerecht und ist in der Betrachtung aller Komponenten noch immer ungenügend. Es verteilt das Risiko der Preisentwicklung insbesondere im zweiten Jahr einseitig auf die Schultern der Beschäftigten“, erklärt die ver.di-Verhandlungsführerin. „Das Angebot der Arbeitgeber ermöglicht den Beschäftigten in weiten Teilen keine sichere Zukunftsplanung. Wir brauchen einen Tarifvertrag, der bessere Einkommen sichert, und das für die gesamte Laufzeit des Tarifvertrages. Das vorliegende Angebot aber ist in Summe zu wenig und bietet keine Absicherung für alle Beschäftigten vor Reallohnverlust.“…“ ver.di-Verkehr-Pressemitteilung vom 13.07.2022 externer Link
  • Die ITF-Dockers solidarisieren sich mit den Hafenstreiks in Deutschland für einen Inflationsausgleich: „Die Hafenarbeiter:innen bewegen die Welt – wir machen keine Rückschritte“
    “Die Gewerkschaften des maritimen Sektors mobilisieren Unterstützung für die deutsche ITF-Mitgliedsorganisation ver.di, die in den Hafenbetrieben für einen inflationsgeschützten Tarifvertrag für 12.000 Hafenarbeiter:innen kämpft. Diese Woche versammelten sich Gewerkschaftsführer:innen in London, um ihre Solidarität mit den deutschen Hafenarbeiter:innen nach den jüngsten Streiks zu bekunden. ver.di drängt darauf, dass ein jährlicher, automatischer Inflationsausgleich in einen erneuerten Tarifvertrag mit 58 Häfen und Terminals aufgenommen wird. (…) Der stellvertretende Vorsitzende der TF-Sektion Häfen, Niek Stam, erklärte, dass die ITF und die ETF-Hafenarbeiter:innengewerkschaften, die mehr als 500.000 Beschäftigte vertreten, ver.di in ihrem Streben nach einem inflationsgeschützten Lohnabschluss geschlossen unterstützen. ‚Was die deutschen Hafenarbeiter:innen fordern, ist nicht unvernünftig und auch nicht ungewöhnlich in unserer Branche. Alle Arbeiter:innen haben das Recht, die Löhne, die sie aushandeln, vor der Inflation zu schützen. Stam, der auch Vorsitzender der niederländischen Hafenarbeitergewerkschaft FNV Havens ist, sagte, dass automatische Inflationsausgleichsmechanismen seit Jahrzehnten in wettbewerbsfähigen Hafentarifverträgen wie denen in Rotterdam und Antwerpen existierten. ‚Die Schifffahrts-, Hafen- und Gasunternehmen machen Rekordgewinne und treiben die Preise für alle anderen in die Höhe. Sie sind diejenigen, die einen Großteil dieser Inflation verursachen, nicht die Arbeiter:innen. Warum also sollten die Arbeiter:innen dafür bestraft werden?‘, fragte er. Die Hafenarbeiter:innen bewegen die Welt – wir machen keine Rückschritte. Wir stehen an der Seite unserer ver.di-Schwestern und -Brüder.“ engl. Pressemitteilung der ITF vom 3. Juli 2022 externer Link („German dock workers gain international backing over inflation protection strikes”)
  • Wut an der Waterkant: Beschäftigte in Nordseehäfen im Streik, Tarifangebot »klassische Mogelpackung« 
    „Am Donnerstag ging nichts mehr in den deutschen Nordseehäfen. Seit den frühen Morgenstunden waren die Beschäftigten zu einem 24stündigen Warnstreik aufgerufen. Etliche tausend Arbeiter beteiligten sich an den Ausständen, zu denen die Gewerkschaft Verdi aufgerufen hatte. Zuvor war am Dienstag die vierte Verhandlungsrunde über einen neuen Lohntarifvertrag ergebnislos abgebrochen worden. Der seit Wochen andauernde Tarifkonflikt eskaliert. Denn erstens macht das jüngste Angebot des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) vom Dienstag die Gewerkschaft richtig sauer: Das sei »keine substantielle Verbesserung«, so Verdi-Verhandlungsführerin Maya Schwiegershausen-Güth in einer Pressemitteilung, sondern eine »klassische Mogelpackung«. Zwar würden Beschäftigte in sogenannten konventionellen Betrieben, also überwiegend des Umschlags von Stück- und Massengut, »eine leichte Aufwertung erfahren«. Aber für die Kolleginnen und Kollegen der Vollcontainerbetriebe bedeute das jüngste Angebot eine Verschlechterung gegenüber früheren ZDS-Offerten. Und zweitens haben die Unternehmer zugleich den Druck erhöht, indem sie jetzt von einem »finalen Angebot« sprechen, sich damit faktisch jeder weiteren Verhandlung verweigern – und statt dessen »umgehend (…) ein geordnetes Vermittlungsverfahren« verlangen. Verdi fordert eine Erhöhung der Stundenlöhne um 1,20 Euro bei einer Tariflaufzeit von zwölf Monaten. Darüber hinaus geht es Verdi um einen »tatsächlichen Inflationsausgleich«. (…) Der ZDS nannte auch diesen Streik »unverhältnismäßig«, manche Zeitungen hauten in dieselbe Kerbe, bescheinigten Verdi eine »starre Haltung« und warnten vor »fatalen Folgen« eines Streiks in den Seehäfen. Für die Gewerkschaft könnte das indes eine Chance bedeuten, den Druck im Tarifkonflikt zu erhöhen: Es seien gerade die Containerbetriebe in den Häfen, so Verdi, die schon jetzt mit hohen Lagergelderlösen von den aktuellen Lieferkettenstörungen profitierten. So gesehen, dürften weitere Staus und Verzögerungen nicht allein die logistischen Lagerprobleme in den Terminals zunehmen lassen, sondern den Firmen auch höhere Umsätze – und Gewinne – bescheren.“ Artikel von Burkhard Ilschner in der Jungen Welt vom 24. Juni 2022 externer Link, siehe auch:

    • Tarifrunde Seehäfen: ver.di zieht positive Bilanz der Warnstreiks
      Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) zieht im Tarifkonflikt mit dem Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) eine positive Bilanz der 24-stündigen Warnstreiks an deutschen Seehäfen, die heute Morgen (24. Juni 2022) mit Beginn der Frühschicht beendet wurden. „Insgesamt haben sich rund 8.000 Kolleginnen und Kollegen an den Warnstreiks beteiligt. Das ist ein ganz starkes Signal an die Arbeitgeber, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und ein deutlich verbessertes Angebot vorzulegen“, sagte ver.di-Verhandlungsführerin Maya Schwiegershausen-Güth. Das zuletzt vorgelegte Angebot der Arbeitgeber habe im Vergleich zum vorhergehenden keine substanzielle Verbesserung enthalten und sei deshalb für ver.di nicht annehmbar gewesen. Warnstreiks hatte es in den Seehäfen Emden, Bremerhaven, Bremen, Brake, Wilhelmshaven und Hamburg gegeben…“ Pressemitteilung vom 24.06.2022 externer Link
    • Hafen-Streiks: 24 Stunden im Kampf gegen die Inflation
      Am Donnerstag legten tausende Beschäftigte der großen deutschen Seehäfen die Arbeit nieder. Sie fordern 14 Prozent mehr Lohn. Nach den Streiks in der Stahlindustrie ist es die bisher wichtigste Antwort der Arbeiter:innenklasse in Deutschland auf die Folgen des Krieges. Erstmals seit 40 Jahren sind die Beschäftigten der großen deutschen Häfen im Streik. Nach einem ersten Warnstreik vor zwei Wochen sind sie gestern in Hamburg, Emden, Bremerhaven, Bremen, Brake und Wilhelmshaven für 24 Stunden in den Ausstand getreten. Laut der Gewerkschaft ver.di liefen die Terminals nur im Notbetrieb. In Hamburg kamen bis zu 4.000 Streikende zu einer Demonstration zusammen. Die Polizei stoppte die Versammlung mehrmals wegen des Abbrennens von Pyrotechnik und Böllern…“ Bericht von Marius Rautenberg vom 24. Jun 2022 bei Klasse gegen Klasse externer Link
    • Slalom auf den Containerflächen. Seehäfen-Tarifverhandlungen bei vollen Stellflächen und vielen Schiffen auf Nordsee-Reede
      Artikel von Ulf Buschmann vom 16. Juni 2022 in ver.di-Publik externer Link
  • Vom Stau zum Streik. Tarifverhandlung Seehäfen: Lieferkettenprobleme sorgen für Mehrbelastung, Tausende im Ausstand
    „In den Nordseehäfen war die Spätschicht am Donnerstag eine Etappe im Arbeitskampf. Tausende Beschäftigte folgten in Emden, Wilhelmshaven, Bremerhaven, Bremen und Hamburg einem Aufruf der Gewerkschaft Verdi zum befristeten Warnstreik. Anlass war die dritte Verhandlungsrunde über einen Tarifvertrag für die rund 12.000 Beschäftigten, zu der sich am Freitag in Hamburg Verdi und der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) trafen. Bei Redaktionsschluss lag noch kein Ergebnis vor. Der ZDS – dessen Mitglieder zu beträchtlichem Teil teilstaatliche Unternehmen sind – hatte den Warnstreik zuvor als »verantwortungslos« bezeichnet; und viele Medien beteten das wegen der kritischen Lage in und vor den Häfen unkritisch nach. Die Hafenbeschäftigten indes sehen das eindeutig anders. Die Lieferkettenprobleme des ZDS bedeuten für sie anhaltenden Arbeitsstress. Sie erwarten ein angemessen verbessertes Angebot. Mit dem engagierten Ausstand wurde das unterstrichen.  (…) Die Zustände machen die Hafenbeschäftigten sauer – und entsprechend kampfbereit. Die Situation fordert ihnen seit langem 50 und mehr Überstunden pro Monat ab. Ungeachtet dessen haben während der Pandemie mehrere große Hafenbetreiber Rationalisierungsmaßnahmen angekündigt, um Einsparungen in zweistelliger Millionenhöhe durchzudrücken, bei denen Personalabbau und »betriebsbedingte Kündigungen« ausdrücklich nicht ausgeschlossen wurden. Die Tatsache, dass dieselben Hafenbetreiber ständig steigende Umsätze und Gewinne verzeichnen – seit kurzer Coronadelle im Frühjahr 2020 boomen im Seehandel Frachtraten und Reedereiprofite –, trägt nicht dazu bei, die Laune der Arbeiter zu heben. Natürlich ist den Verdi-Mitgliedern klar, dass jeder Ausstand die angespannte Lage in Häfen und vernetzten Lieferketten weiter zuspitzt. Deshalb nannte Gunnar Appelt, Verdi-Sekretär für die Häfen in Wilhelmshaven und Bremerhaven, den Warnstreik im Lokalsender Radio Jade einen Beginn »in homöopathischen Dosen«. Zwar könne der Konflikt, wenn’s gar nicht weiterginge, auch in unbefristeten Erzwingungsstreik münden: »Soweit muss es aber nicht kommen«, mahnte Appelt die Arbeitgeberseite.“ Artikel von Burkhard Ilschner in der jungen Welt vom 11. Juni 2022 externer Link
  • Ein Vorbild für ALLE: Hafenstreik für den Inflationsausgleich!
    Am Donnerstag begaben sich Hafenarbeiter:innen aus unterschiedlichen Städten in den Warnstreik im Rahmen von Tarifverhandlungen. (…) Die höchste Inflation seit 40 Jahren bringt ein ebenso altes Phänomen erneut hervor: Erstmals seit 40 Jahren legen große Teile der Hafenarbeiter:innen Deutschlands ihre Arbeit nieder. Am gestrigen Donnerstag wurden mehrere Häfen in Hamburg, Bremen, Bremerhaven und Wilhelmshaven zur Spätschicht mit einem Warnstreik lahmgelegt. Die 12.000 bei der Gewerkschaft ver.di organisierten Beschäftigten möchten damit in diesem Logistiksektor zur dritten Runde in den aktuellen Tarifverhandlungen ihre Macht zeigen.
    Gründe dafür liegen in der extremen Überlastung in und nach den letzten zwei Jahren Pandemie und die Verteuerung des Lebens durch die hohe Inflation. Die Stimmen der Beschäftigten, wie sie im Beitrag von Buten un Binnen externer Link zu hören sind, drücken die Empörung über die Lage aus, aber auch die Entschlossenheit ihre Forderungen zu erkämpfen. Auf die Frage hin, wieso sie streiken, antworteten zwei der Beschäftigten: “Weil wir die komplette Pandemie über jeden Tag hierher gekommen sind und gearbeitet haben. Alle Preise steigen an, warum nicht auch unsere Löhne?” und “Wir reißen uns, Entschuldigung, die Ärsche auf und werden nur in den Hintern getreten.”
    Die Gewerkschaft ver.di verlangt für die Beschäftigten unter anderem einen „tatsächlichen Inflationsausgleich“ sowie eine Erhöhung der Stundenlöhne um 1,20 Euro. Darauf bieten die Unternehmer als Reaktion bislang zwei Erhöhungsschritte in diesem und im nächsten Jahr von 3,2 und 2,8 Prozent und Einmalzahlungen von insgesamt 600 Euro an. Besonders dreist erscheint das Angebot der Bosse, da sie sich während der Pandemie nach dem Einbruch Mitte 2020 und den enormen Profiten in 2021 Boni auszahlen ließen, während die Beschäftigten des essentiellen Sektors nichts von den Profiten abbekamen. (…)
    Die mediale Hetze im Sinne der Arbeitgeber:innen gegen die Hafenarbeiter:innen ließ nicht lang warten und so sammeln sich die Vorwürfe gegen die Beschäftigten, angeblich verantwortungslos zu sein. Die BILD wirft den Beschäftigten vor, der weltweiten Störung der Lieferketten voranzutreiben und spricht von einem “Super-GAU”. Die Absurdität dahinter besteht eben darin, dass der Containerstau seit Jahren nicht aufhört, die Beschäftigten umso härter schuften müssen und die Unternehmer die Profite einsacken. Der Betriebsratsvorsitzende der Containerterminals Burchardkai in Hamburg, Christian Baranowski, erklärt dies in einem Interview beispielhaft aus der täglichen Erfahrung: “Ein Kollege muss an einen Container, da stehen zwei andere drauf. Für die muss er dann erst mal Platz finden, irgendwo. Wenn er dann zurückkommt und der Container, den er braucht, eigentlich frei sein müsste, steht schon wieder der nächste drauf. So geht es hin und her. Das ist extrem frustrierend, wir kommen einfach nicht voran.”…“ Beitrag von Liam Figueroa und Marius Rautenberg vom 10. Jun 2022 bei Klasse gegen Klasse externer Link
  • Klarstellung zum Warnstreik in den deutschen Häfen von RA Rolf Geffken
    Die zum Teil etwas naiven und von historischer Unkenntnis geprägten Berichte über den Warnstreik in den deutschen Häfen bedürfen in 5 Punkten der Klarstellung:

    1. Es ist unrichtig, daß zum ersten Mal seit 1978 wieder Warnstreiks in den Häfen stattgefunden hätten. Warnstreiks oder andere Arbeitsniederlegungen hat es auch in jüngerer Vergangenheit gegeben.
    2. Richtig ist, daß erstmals seit 1978 ein r i c h t i g e r Streik in den Häfen im Bereich des Möglichen liegt.
    3. Die Ausgangslage unterscheidet sich heute gegenüber derjenigen von 1978 grundlegend: Während damals die Hafenunternehmen 6 % mehr an Lohnerhöhungen angeboten hatten und die Gewerkschaft ÖTV gerade einmal 7 % gefordert hatte, fordert die Gewerkschaft ver.di heute bis zu 14 %, während die Arbeitgeber 2,8 % bei einer Laufzeit von 24 Monaten anbieten: 6 : 7 gegenüber 14 : 2,8….. Das offenbart einerseits den gewaltigen Nachholbedarf der Hafenarbeiter heute und andererseits die Position der Stärke auf Seiten der Arbeitgeber heute.
    4. Während 1978 an dem Streik 16.000 Hafenarbeiter in Hamburg, Bremen, Bremerhaven, Kiel und Lübeck teilnahmen, dürften aktuell an einem Arbeitskampf maximal 4000 Hafenarbeiter in Bremerhaven, Hamburg und Wilhelmshaven teilnehmen: Die Automatisierung und Digitalisierung der Hafenarbeit hat längst ihren Tribut gefordert. Während sich die Umschlagsmengen vervielfacht haben, konnte die Zahl der Beschäftigten drastisch reduziert werden: Die Gewinne der Hafenunternehmen sind explodiert.
    5. Vom stellvertretenden Vorsitzenden der Gewerkschaft ÖTV Siegfried Merten wurde später berichtet, der Streik 1978 sei a u c h aus organisationspolitischen Gründen erfolgt: Unter den Hafenarbeitern liefen bereits Diskussionen, eine eigenständige Hafenarbeitergewerkschaft zu gründen, weil man sich innerhalb der ÖTV zunehmend als „Aussenseiter“ fühlte. Der gut organisierte Streik gab Merten Recht: Er verhalf den Hafenarbeitern innerhalb der Gewerkschaft zu neuem Selbstbewußtsein und vergrößerte ihr Gewicht. Seit dem aber ist seit mindestens zwei Generationen eine Hafenarbeiterschaft herangewachsen, die über wenig Streikerfahrung verfügt und sich an die Spaltung der Hafenarbeiter in unterschiedliche Beschäftigtengruppen längst gewöhnt hat. Solidarität wurde in den letzten 40 Jahren für viele Hafenarbeiter zum Fremdwort.“Kommentar von Rolf Geffken vom 10.06.2022 (per e-mail)
  • Hafenstreik in Hamburg: „Der Vorstand hat sich einen Bonus ausgezahlt, wir bekamen nichts“
    „Es ist ein beinahe historisches Ereignis: Seit mehr als 40 Jahren streiken die Hamburger Hafenarbeiter erstmals wieder. Im Interview mit t-online fordert ein Betriebsrat mehr Wertschätzung: „Wir laufen hier bei 120 Prozent“, sagt er. (…) Alle sind sich einig: Die von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gestellten Forderungen sind nicht gierig, sondern gerechtfertigt. Nach Angaben der Gewerkschaft haben sich rund 1200 Beschäftigte versammelt, es ist ein Meer an neonfarbenen Warnwesten. Vor Ort sprach t-online mit dem Konzernbetriebsratsvorsitzenden der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), Christian Baranowski. (…) Wir bekommen von den Arbeitgebern keine Wertschätzung mehr. Das hat mit der Corona-Krise angefangen. Damals wurde uns gesagt, wir versorgen Deutschland. Dann hat sich der Vorstand einen Bonus ausgezahlt, wir bekamen nichts. Später gab es mal Pressemeldungen, dass wir alle so viel Geld verdienen und viel Urlaub machen – die Arbeitgeber haben dazu geschwiegen. Das hat die Stimmung bis auf den Boden gedrückt. Das letzte Angebot der aktuellen Tarifrunde hat dazu geführt, dass alle Kollegen wirklich die Schnauze voll haben. Es hätte nicht so weit kommen müssen, keiner macht gerne Krawall. Aber jetzt reicht es, und deswegen gehen wir auf die Straße. (…) Die Transportketten sind komplett außer Tritt. Also seit zwei Jahren arbeiten die Kollegen hier laufend daran, diese Rückstände aufzuholen. Wir haben immer gearbeitet, egal unter welchen Umständen. Und wir haben immer alles gegeben. Es ist ja so: Die Arbeitgeber verdienen Geld mit jedem Container, der hier lagert. Die haben nichts dafür getan, dass die Situation besser wird, sondern machen sich die Taschen voll. Wir laufen hier bei 120 Prozent, das ist extrem anstrengend. (…) Ein durchschnittlicher Hafenarbeiter hier macht im Monat circa 50 bis 60 Überstunden, die fast alle am Wochenende. Also ist er fast jedes Wochenende da, um den Betrieb am Laufen zu halten. Weil der Platz eng wird, werden die Arbeitsbedingungen immer schwieriger. Mal ein Beispiel: Ein Kollege muss an einen Container, da stehen zwei andere drauf. Für die muss er dann erst mal Platz finden, irgendwo. Wenn er dann zurückkommt und der Container, den er braucht, eigentlich frei sein müsste, steht schon wieder der nächste drauf. So geht es hin und her. Das ist extrem frustrierend, wir kommen einfach nicht voran.
    [Ein Hafenarbeiter verdient rund 60.000 Euro pro Jahr im Schnitt, das sind etwa 10.000 mehr als der Durchschnitt der deutschen Arbeitnehmer. Von der Inflation werden alle getroffen. Warum fordern die Hafenarbeiter nicht nur einen Inflationsausgleich, sondern darüber hinaus noch mehr Lohn?]
    Das stimmt soweit mit den 60.000 Euro. Dazu gehört ja aber auch, dass wir hier gut organisiert sind und die Lohnabschlüsse immer mit den Arbeitgebern zusammen gemacht haben, da haben ja beide Seiten unterschrieben. Die haben ja trotzdem massive Gewinne gemacht, es war ein Geben und Nehmen. Deswegen haben wir seit 44 Jahren nicht gestreikt. Wir haben uns immer einigen können. Das Lohnniveau kommt nicht von ungefähr und es ist eine harte Arbeit. Ja, die Löhne sind höher als anderswo, aber auch gerechtfertigt. (…) Natürlich haben wir auch Eskalationsstufen, das wird dann besprochen werden. Vielleicht streiken wir dann mal zwei, drei Tage statt nur ein paar Stunden. Eine Urwahl und ein richtiger Streik wäre dann wirklich die letzte Stufe. So weit sind wir aber noch lange nicht.“ Interview von Gregory Dauber vom 09.06.2022 bei t-online.de externer Link
  • ver.di ruft zu mehrstündigen Warnstreiks in Seehäfen auf
    „Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ruft im Tarifkonflikt mit dem Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) mehrere tausend Beschäftigte in verschiedenen Seehäfen für Donnerstag, den 9. Juni 2022, zu mehrstündigen Warnstreiks auf. „Das von den Arbeitgebern bislang vorgelegte Angebot ist völlig unzureichend“, sagte ver.di-Verhandlungsführerin Maya Schwiegershausen-Güth. „Als Teil der kritischen Infrastruktur haben die Beschäftigten in den letzten Jahren durchgehend gearbeitet, sind an Belastungsgrenzen gegangen und haben als Keyworker der Lieferketten mit ihrer Hände Arbeit den Laden am Laufen gehalten. Sie haben Anerkennung und ihren gerechten Anteil verdient.“ Angesichts einer hohen Belastungssituation und kontinuierlich steigender Preise erwarteten die Beschäftigten ein deutlich besseres Angebot, das echte Würdigung und Wertschätzung ausdrücke. Die Tarifverhandlungen werden Freitag, 10. Juni 2022, 10 Uhr in Hamburg fortgesetzt. ver.di fordert für die rund 12.000 Beschäftigten in den 58 tarifgebundenen Betrieben in Niedersachsen, Bremen und Hamburg eine Erhöhung der Entgelte um 1,20 Euro pro Stunde sowie einen tatsächlichen Inflationsausgleich. Zudem fordert ver.di die Erhöhung der jährlichen Zulage für Vollcontainerbetriebe um 1.200 Euro sowie eine Laufzeit des Tarifvertrags von 12 Monaten.“ ver.di-Pressemitteilung vom 8. Juni 2022 externer Link und die erste Erfolgsmeldung vom gleichen Tag externer Link: Seehäfen: Staus und Streiks
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=201677
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