Coronakrise: Autowerke machen dicht [kaum aus Fürsorge]

Coronavirus, die Hetze und der Ausnahmezustand: China im ShitstormObwohl Europa inzwischen zum Zentrum der globalen Corona-Pandemie geworden ist und die Zahl der Infizierten rasant ansteigt, schließen zahlreiche Großbetriebe erst Ende dieser Woche ihre Werke. Für die Manager und die Gewerkschaftsfunktionäre stehen dabei nicht die gesundheitlichen Interessen der millionenköpfigen Belegschaften im Vordergrund, sondern wirtschaftliche Erwägungen. Nachdem die Beschäftigten tagelang gezwungen worden sind, ihre Gesundheit und sogar ihr Leben zu riskieren, damit die Produktion weiterläuft, sollen sie nun durch Zwangsurlaub, das Abfeiern von Überstunden und schlecht bezahlte Kurzarbeit für die Absatzkrise und die Lieferschwierigkeiten der Konzerne bezahlen. (…) Die Sorge um die Gesundheit der Belegschaften kommt in den Reden und Statements der Konzernvorstände entweder gar nicht oder nur am Rande als Alibi vor. (…) Sofortige Stilllegung der Autoindustrie und anderer nicht lebensnotwendiger Großbetriebe! Vor der Wiederinbetriebnahme müssen sie nach dem vollständigen Abklingen der Pandemie gründlich gereinigt werden. Die gesundheitsgefährdenden hygienischen Zustände, wie jahrzehntealte Sanitäranlagen, müssen ein für alle Mal beseitigt werden. Voller Lohnausgleich unter Einbeziehung von Zuschlägen während der gesamten Zeit der Fabrik- und Betriebsschließungen, finanziert aus den Milliardengewinnen der letzten Jahre. Keine Verrechnung von Überstunden oder Anrechnung von Urlaub!...“ Beitrag von Dietmar Gaisenkersting vom 19. März 2020 bei wsws.org externer Link, siehe darin und daraus die Infos zu den einzelnen Herstellern PSA/Opel, VW/Audi, Daimler und BMW. Siehe dazu:

  • Daimler und VW fahren Produktion hoch und fordern Steuer-Milliarden New
    Die ersten deutschen Autokonzerne nehmen nach vier bis fünf Wochen Pause wieder ihre Produktion auf. Gleichzeitig fordern die Autohersteller neue Milliarden aus Steuergeldern, um die Nachfrage anzukurbeln. Obwohl sich in Deutschland nach wie vor täglich rund 2500 Menschen neu mit dem Coronavirus infizieren, begannen Daimler und Volkswagen in dieser Woche wieder mit der Produktion. Bei Daimler sind rund 80 Prozent der 170.000 Beschäftigten seit Anfang April in der einen oder anderen Form von Kurzarbeit betroffen. Nur die Produktion der Luxuskarossen, der neuen S-Klasse, wurde aufrechterhalten. Nun fährt Daimler insbesondere die Antriebs- und Getriebetechnik wieder hoch. Darauf sind nicht nur die Werke in Deutschland, sondern vor allem auch in China angewiesen, wo die Produktion wieder läuft. Daimler-Personalvorstand Wilfried Porth und Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht erklärten stolz, dass in einigen Werken sofort mit drei Schichten gestartet werde, in anderen mit zwei oder zunächst auch nur einer Schicht. Auch bei Volkswagen in China produzieren schon 32 der 33 Werke, die VW dort mit Kooperationspartnern betreibt. Um die Versorgung dieser Werke sicherzustellen, haben die Komponentenwerke von VW in Braunschweig und Kassel bereits am 6. April damit begonnen, die Produktion wieder anzufahren. (…) Ein besonderes Problem von Volkswagen, Daimler und allen anderen Autoherstellern ist die Organisation der weltweiten Lieferketten. VW hat allein in Europa 6500 Zulieferer. Während in China schon seit einigen Wochen wieder gearbeitet wird, ist die Produktion von Komponenten in Italien oder Frankreich noch stark eingeschränkt. Die jetzt geplanten Anläufe seien aber abgesichert, berichtete Daimler-Manager Porth. Dass die Produktion wieder anläuft und die Belegschaften in Lebensgefahr gebracht werden, ist das Ergebnis eines abgestimmten Vorgehens von Autoherstellern, IG-Metall-Betriebsräten und Bundesregierung. Der VW-Gesamtbetriebsrat unter dem Vorsitz von Bernd Osterloh hat bereits vor etwa zwei Wochen eine Betriebsvereinbarung verabschiedet, „die den Rahmen für ein kontrolliertes Hochfahren der Produktion in den Fabriken festlegt“. Der „100-Punkte-Plan zur Pandemiebekämpfung“ gilt für die weltweit rund 630.000 Beschäftigten. (…) Mit anderen Worten, die Konzerne und Betriebsräte arbeiten die Mechanismen aus, mit denen die Beschäftigten zurück an die Arbeit geschickt werden und mit denen die Bundesregierung dann ihre kriminelle Politik begründet, den Lockdown zu beenden, um die Profite wieder zu beleben. Vorsichtshalber haben Betriebsratschef Brecht und Personalvorstand Porth auch gewarnt, dass Arbeiter dennoch ihren Arbeitsplatz verlieren könnten, wenn zumindest mittelfristig die Gewinne nicht wieder sprudeln…“  Artikel von Dietmar Gaisenkersting vom 23. April 2020 bei wsws externer Link
  • Wichtig ist die Aufstockung der unteren Lohngruppen! … und ich mache mir Gedanken über die Corona-Krise„…  Die erste Woche musste ich gemäß den Kurzarbeitsgeldregeln erst mal Überstunden entnehmen. In den Lohnbereichen der westdeutschen Metall- und Elektroindustrie läßt sich damit ganz gut leben. Das Problem liegt eindeutig in den Bereichen, in denen der Lohn eh schon nicht zum Leben reicht. Aber in vielen Dingen muss ich natürlich die Einschätzung von H.S. teilen. Bei meinen Kolleg*innen gab es kurz vor der Schließung keine Stimmung unter den Leuten, die Verständnis für diese Schließung hatte. Im Normalfall kommen viele Kolleginnen und Kollegen noch mit Fieber, Gliederschmerzen und Schnupfen zur Arbeit. Dies liegt einerseits in einer tatsächlich unbegründeten Angst vor Repressionen (es sei denn, Du bist wirklich sehr oft krank) zum anderen aber auch oftmals daran, das die Leute dermaßen geldgierig sind, dass sie ungern in der Nachtschicht auf die Überstunden und den Steueranteil der Zuschläge verzichten. Einen Streik zum Wohle der Gesundheit halte ich mit meinen KollegInnen für völlig unrealistisch…“ Bericht von H., VW-Kollege, (Niedersachsen) am 20.4.2020 (Teil 1) bei Jour Fixe der Gewerkschaftslinke Hamburg externer Link
  • In der Hängematte: Autokonzerne wollen Krisenverluste sozialisieren – Produktion soll wieder anlaufen / Autokrise: Die immer gleichen Fehler? 
    • In der Hängematte: Autokonzerne wollen Krisenverluste sozialisieren – Produktion soll wieder anlaufen
      “Volkswagen, BMW und Daimler haben angekündigt, die Produktion wieder hochzufahren. Das Infektionsschutzgesetz oder Verordnungen von Bundes- und Landesregierungen hindern sie nicht daran – ebensowenig wie die Pandemie der Grund für den Stillstand der Bänder war. In der technischen Entwicklung und Verwaltung wurde die Arbeit großteils nie unterbrochen. Es waren und sind die drastischen Nachfragerückgänge vor Corona, die zur Kurzarbeit geführt hatten. Die Unterbrechung der Fertigung von Autos war deshalb hochwillkommen. Ein Audi-Vorstandsmitglied erklärte am 18. März im Focus: »Weltweit eingeschränkte Nachfrage und Lieferengpässe zwingen uns, den Antrag auf Kurzarbeit zu stellen«. (…) Der Produktionsanlauf soll entsprechend der verfügbaren Teile und der Entwicklung in den Märkten »wohlgeordnet« erfolgen – also doch sehr gebremst. Der Vorteil dieses Verfahrens besteht darin, dass für große Teile der Belegschaft weiterhin Kurzarbeit verordnet werden kann – dafür werden dem VW-Konzern für drei Wochen Kurzarbeit etwa 600 Millionen Euro Lohnkosten aus der Arbeitslosenversicherung erstattet. Aber damit nicht genug: Die Autoindustrie ist bei der Bundesregierung mit einem »virtuellen Autogipfel« und bei der EU-Kommission mit ihren Forderungen nach Subventionen und Deregulierung von Sicherheits-, Arbeits-, Klima- und Umweltstandards auf offene Ohren gestoßen. Neben Weil macht sich auch der Ministerpräsident Bayerns, Markus Söder (CSU), für Programme wie die »Abwrackprämie« aus 2009 stark – sie nennen sie nun »Innovationsprämie«. Stefan Wolf, Vorstandsmitglied des Verbandes der Automobilindustrie, spricht in diesem Zusammenhang von 20 Milliarden Euro Staatshilfe und einem Verzicht der Beschäftigten auf den Sommerurlaub. Die Absicht der Eigentümer scheint klar, die »Krisenverluste« der vergangenen Monate mit staatlicher Unterstützung aufzufangen. (…) Die »Big three« Volkswagen, BMW und Daimler haben im zurückliegenden Jahr rund 25 Milliarden Euro Gewinne eingefahren – und die Eigentümer, die Porsches und Piëchs, Quandts und Klattens, die Scheichs von Katar und Kuwait kassieren noch fettere Dividenden.“ Artikel von Stephan Krull in der jungeb Welt vom 17.04.2020 externer Link
    • Autokrise: Die immer gleichen Fehler?
      “… VW will Ende April seine Produktion wieder hochfahren, wie unter anderem der NDR berichtet. Mit Mundschutz und in Emden zunächst nur mit einer Schicht pro Tag und vermindertem Fließbandtempo. Also zunächst nur eine Schmalspurproduktion. Aber wird es überhaupt genug Käufer geben? Auch wenn nun neben den Buchläden auch die Kfz-Händler wieder öffnen werden? Haben die Menschen nicht andere Sorgen? Ist in der Krise und bei all den Lohn- und Gehaltseinbußen der Minderheit, die sich in diesen Tagen überhaupt einen Neuwagen leisten könnte, nicht die Kauflust gründlich vergangen? Da muss natürlich mal wieder die Regierung ran. Kennen wir schon. Abwrackprämie hieß schon 2009 das Zauberwort. Als Antwort auf die Finanzkrise wurde mit ihr die Produktion wieder angekurbelt und manchem ohnehin nicht Darbendem günstig zu einem Neuwagen verholfen. (…) Und haben wir etwas aus all dem gelernt? Ja: Die Abwrackprämie heißt jetzt Öko-Abwrackprämie. Eine solche forderte externer Link zu Beginn der Woche Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Die Autobranche habe eine Schlüsselstellung bei der Ankurbelung der Wirtschaft und mit der Abwrackprämie seien seinerzeit gute Erfahrungen gemacht worden. (…) Vor allem ist es aber Zeit, ein wenig grundsätzlicher über die Zukunft der Autoindustrie nachzudenken, die offensichtlich in einer regelrechten Sinnkrise steckt, für die der massive Dieselbetrug eher Ausdruck als Auslöser ist. In den Absatzzahlen spiegelte sich das bereits viele Monate vor dem ersten bekannten Auftreten des Virus im chinesischen Wuhan wieder…“ Artikel von Wolfgang Pomrehn vom 16.04.2020 bei Telepolis externer Link
    • Siehe auch: [Erklärung] „Die Autoindustrie vor und nach „Corona“: Konversion statt Rezepte von gestern!“
  • [Corona-Krise als “Chance”?] Autobranche will EU-Klimapläne bremsen
  • Wiederanlauf bei VW: Zwickau und Bratislava beginnen ab 20., die übrigen Werke folgen ab 27. April 2020
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=164571
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