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Latein- und Zentralamerika

Süße Früchte, bittere Wahrheit. Etikettenschwindel in deutschen Supermärkten

Dossier

Protest von Oxfam Deutschland "Hey Lidl, mach Dich fit für fair!"Massive Menschenrechtsverstöße auf von der Umweltorganisation Rainforest Alliance zertifizierten Ananas- und Bananenplantagen. Aldi, Edeka, Lidl und Rewe beziehen Bananen und Ananas von Plantagen, auf denen massiv gegen Menschenrechte verstoßen wird. Arbeiter/innen sind hochgiftigen Pestiziden schutzlos ausgeliefert, Gewerkschafter werden unterdrückt und bedroht, Mindestlöhne unterschritten. (…) Der Bericht „Süße Früchte, bittere Wahrheit“ dokumentiert anhand der Bananenindustrie in Ecuador sowie der Ananasindustrie in Costa Rica die dramatischen sozialen und ökologischen Kosten des Anbaus tropischer Früchte für den deutschen Einzelhandel. Hierfür hat Oxfam Plantagen in Ecuador und Costa Rica besucht, mehr als 200 Arbeiter/innen befragen lassen und mit zahlreichen Experten gesprochen…“ Oxfam-Pressemitteilung vom 30. Mai 2016 externer Link und dazu:

  • Bittere Früchte – Ausbeutung in der Landwirtschaft. Dokumentarfilm über die unmenschlichen Bedingungen auf Europas Feldern New
    Der Dokumentarfilm verfolgt die Spuren von Obst und Gemüse aus dem Einkaufswagen zurück zu verschiedenen Anbauflächen in ganz Europa. Die gesamte Lieferkette über ein System, das die menschenverachtende Ausbeutung von Erntehelfern aber auch von Agrarbetrieben beinhaltet, wird offengelegt.
    „Bittere Früchte – Ausbeutung in der Landwirtschaft“ dokumentiert die unmenschlichen Bedingungen, unter denen moderne Lohnsklaven unser tägliches Obst und Gemüse auf Europas Feldern ernten. Die Filmemacher recherchieren das System der Ausbeutung Schritt für Schritt nach und legen offen, wie die Lieferketten vom Feld in den Einkaufskorb funktionieren. Gefragt wird danach, welche Auswirkungen der oft ruinöse Preiskampf der großen Supermarktketten auf die skandalösen Zustände in Europas Anbaugebieten hat.
    Mehrere Erntehelfer in Griechenland, Italien, Spanien, Portugal und Deutschland werden begleitet bei ihrer Ernte von Oliven, Orangen, Erdbeeren oder Blaubeeren – Früchte, die das ganze Jahr über in unserem Einkaufskorb landen. Eine Millionen Wanderarbeiter bestellen Europas Felder. Ihr Status, meist ohne Papiere und ohne jegliche Absicherung, macht sie angreifbar für ausbeuterische Praktiken. Diese Ausbeutung auf Europas Feldern hat System und ist die Regel, nicht die Ausnahme.
    Was können Verbraucher tun? Oft wird schließlich erwartet, dass Obst und Gemüse so billig wie möglich und das ganze Jahr verfügbar sind. Der Dokumentarfilm zeigt auch Lösungen auf und schildert, wie im EU-Parlament – gegen den Widerstand der Wirtschaft – um ein neues europaweites Lieferkettengesetz gerungen wurde, das die Supermärkte stärker in die Verantwortung nimmt. Und er dokumentiert, wie eine Kooperative in Süditalien es trotz allem schafft, faire Orangen zu produzieren und ihren Arbeitern menschenwürdige Bedingungen zu schaffen.“ Video des dt. Dokumentarfilms von 2023 in der arte-Mediathek externer Link – TV-Ausstrahlung am Dienstag, 19. März um 21:55 – Video verfügbar bis 18/06/2024

  • Billige Bananen beruhen auf Ausbeutung. Beschwerde eingereicht: Edeka und Rewe verstoßen gegen Lieferkettengesetz
    Arbeit im giftigen Pestizidnebel, Hungerlöhne, Niederschlagung von Gewerkschaften: Immer wieder haben wir Arbeitsrechtsverletzungen auf Bananen- und Ananas-Plantagen aufgedeckt. Immer wieder haben wir an die Verantwortung der vier großen Supermarktketten appelliert. Doch einige Supermärkte machen weiter wie bisher, vor Ort hat sich kaum etwas geändert. Jetzt reicht‘s: Wir haben Beschwerde nach dem Lieferkettengesetz eingereicht.
    Grillen zirpen, die Sonne scheint auf ein Meer aus riesigen grünen Blättern – Bananenstauden, soweit das Auge blickt. Die Arbeiter*innen auf der Plantage packen gerade die empfindlichen Früchte ein, da ertönt plötzlich ein ohrenbetäubendes Dröhnen: Ein Pestizidflugzeug fliegt tief und versprüht seine Wolke aus Gift direkt über den Köpfen der Arbeiter*innen. „Man versteckt sich unter den Blättern, damit die Flüssigkeit einen nicht trifft“, erzählt ein Arbeiter einer Plantage für Aldi-Bananen in Costa Rica. Ein- bis zweimal pro Woche kommt das Flugzeug – wann genau, weiß niemand. „Sie holen die Arbeiter*innen nicht aus der Plantage, wenn gesprüht wird. Sie sagen den Arbeiter*innen auch nicht Bescheid.“ Auf einer Plantage für Rewe-Bananen in Ecuador läuft es ähnlich: „Heute gab es eine Luftbesprühung per Flugzeug, wir waren alle noch bei der Arbeit“, erzählt ein Arbeiter. „Niemand ist vom Feld heruntergegangen, niemand hat uns Bescheid gesagt. Die Flüssigkeit ist sehr intensiv, nicht mal Masken bekommen wir, um dem starken Geruch nach Gift zu entgehen.“
    Auch auf Plantagen, die Edeka beliefern, berichten Arbeiter*innen: „Manchmal haben sie auch nachmittags um vier Uhr gesprüht. […] Die Arbeiter*innen, die geerntet haben, waren da noch in der Plantage.“
    Warum stellen die Plantagen keine geeignete Schutzkleidung zur Verfügung? Mitverantwortlich für die schlechten Arbeitsbedingungen ist auch der Preisdruck der deutschen Supermärkte: Damit die Marge stimmt, muss das Obst möglichst billig im Einkauf sein. Dieser Preisdruck wird entlang der Lieferkette weitergereicht – bis zu den Arbeiter*innen auf dem Feld. Das zeigt sich auch bei den Löhnen: Der Mindestlohn für Landarbeiter*innen in Costa Rica liegt bei 11.738,83 Colones pro Tag, das entspricht rund 20 Euro. Doch viele Arbeiter*innen auf den Plantagen berichten, dass sie deutlich weniger bekommen – z.B. zwischen 5.000 und 10.000 Colones pro Tag, also zwischen rund 10 und 18 Euro, laut einem Arbeiter, der Aldi-Bananen anbaut. (…)
    Besonders hart trifft es Migrant*innen aus Nicaragua, die häufig über „Contratistas“ angestellt sind. Contratistas lassen sich am besten als Auftrags-Ausbeuter beschreiben:
    „Ich war wie versklavt“, erzählt Walter Montoya, der für einen Contratista auf einer Plantage gearbeitet hat, die an Lidl liefert. „Und nicht nur ich, es gab eine Unzahl von Personen, die versklavt waren. Sie wurden zum Arbeiten geschickt und sie bekamen vielleicht 3000 oder 2500 Colones [rund 9 Euro pro Tag] bezahlt; Personen, denen die Krankenversicherungsbeiträge gestohlen wurden. All das wissen sie [die Firma].” Auch in Ecuador werden die Löhne gedrückt. (…)
    Mutige Gewerkschaften
    Viele Arbeiter*innen wollen sich gegen die Missstände wehren und organisieren sich gewerkschaftlich. Doch dafür braucht es Mut, denn wer gegen das Unternehmen aussagt, riskiert viel: „Ich habe viele Kolleg*innen, die entlassen wurden, nur weil sie mit mir einen Kaffee oder ein Getränk getrunken haben“, berichtet der Gewerkschafter Cristino Hernández von einer Plantage eines Aldi-Lieferanten. „Sie bekommen keine Arbeit mehr, weil Gewerkschaften nicht geachtet werden.“ (…) Auch Familienangehörige von Gewerkschaftsmitgliedern sind von den Verstößen gegen die Vereinigungsfreiheit betroffen, berichtet ein Arbeiter eines Lidl-Lieferanten: „Wenn Familienmitglieder von mir auf der Plantage arbeiten wollen, werden sie abgelehnt. Dann wird einem gesagt: ‚Wenn Sie wollen, dass Ihr Bruder, Ihr Vater oder Ihr Neffe hier arbeitet, müssen Sie aus der Gewerkschaft austreten.‘“ Trotz dieser widrigen Bedingungen kämpfen Gewerkschaften in Ecuador und Costa Rica weiter für die Rechte der Arbeiter*innen. Das führt inzwischen sogar dazu, dass sie Morddrohungen erhalten externer Link. (…)
    Welche Supermärkte Verantwortung übernehmen – und welche nicht
    Wir sind mit allen großen Supermarktketten seit Längerem im Austausch und bieten ihnen an, den Kontakt zu Gewerkschaften und Arbeiter*innen vor Ort zu vermitteln. Denn zu ihrer Sorgfaltspflicht nach dem Lieferkettengesetz gehört, dass sie dafür sorgen, dass die oben beschriebenen Menschenrechtsverletzungen nicht mehr passieren. Dazu müssen sie sich mit den Betroffenen austauschen. Und sie haben die Macht, etwas zu verändern, denn die vier großen Supermarktketten beherrschen 85 % des deutschen Lebensmittel-Einzelhandels. Auf Bananenplantagen aller vier großen Supermärkte – Aldi, Edeka, Lidl und Rewe – haben Gewerkschaften vor Ort Menschenrechtsverletzungen festgestellt und sich darüber bei den Supermärkten beschwert. Wie sollte ein Supermarkt auf solche Beschwerden reagieren? Der erste Schritt ist eigentlich ganz einfach: Mit den Beschwerdeführerinnen in den Austausch zu gehen. Aldi und Lidl haben das getan: Sie haben sich den Vorwürfen gestellt und verhandeln inzwischen mit Gewerkschaften und Zulieferern. Anders Edeka und Rewe: Sie wollen lieber weiter Augen und Ohren verschließen und an die Magie der Audits und hübschen Siegel glauben. (…)
    Wie geht es jetzt weiter?
    Das BAFA als Kontrollbehörde muss jetzt unseren Hinweisen auf Verstöße gegen das Lieferkettengesetz nachgehen. Es darf nicht folgenlos bleiben, wenn einzelne Unternehmen wie Rewe und Edeka gegen das Gesetz verstoßen, während andere ihre gesetzlichen Pflichten ernst nehmen. Wir erwarten, dass das BAFA den Unternehmen konkrete Anweisungen geben wird und klar formuliert, welche Anforderungen es an Prävention und Abhilfe bei Menschenrechtsverletzungen gibt. Wenn Unternehmen ihre Pflichten nicht erfüllen, kann das BAFA Bußgelder verhängen: bis zu 2 % des Jahresumsatzes…“ Umfangreicher Bericht bei Oxfam externer Link mit vielen Videos (ohne Datum, doch vom November 2023), siehe auch:

    • Beschwerde eingereicht: Missachten Edeka und Rewe das Lieferkettengesetz?
      Hilfsorganisationen werfen den Supermarktketten Rewe und Edeka vor, gegen das Lieferkettengesetz zu verstoßen. In einer Beschwerde ist von Hungerlöhnen und fehlendem Arbeitsschutz auf Plantagen die Rede.
      Mehrere Hilfsorganisationen haben beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) Beschwerde nach dem Lieferkettengesetz gegen Edeka und Rewe eingereicht. Beide Supermarktbetreiber arbeiteten mit Zulieferern zusammen, denen die Organisationen schwere Menschenrechtsverletzungen vorwerfen, heißt es in einer heute veröffentlichten Mitteilung. Getragen wird die Beschwerde unter anderem von Oxfam, der ecuadorianischen Gewerkschaft der Plantagenarbeiter (Astac), dem katholischen Hilfswerk Misereor sowie dem European Center for Constitutional and Human Rights. Die Handelsketten weisen die Anschuldigungen zurück. Bei der Beschwerde gehe es um Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen auf Bananen- und Ananasplantagen von Zulieferern in Ecuador und Costa Rica, so die Organisationen. So sollen die Arbeiterinnen und Arbeiter dort zu Hungerlöhnen beschäftigt worden sein. Zudem hätten sie arbeiten müssen, während die Plantagen mit potenziell giftigen Pestiziden eingesprüht wurden. Den Organisationen zufolge wurden Gewerkschaftsmitglieder entlassen oder sogar misshandelt, wenn sie sich gegen die Missstände wehrten. Die Beschwerde stützt sich dabei auf Erfahrungsberichte von Plantagenarbeitern und Gewerkschaften sowie eigene Recherchen in den Produktionsländern…“ Beitrag vom 03.11.2023 in tagesschau.de externer Link
  • Beitrag von 2022: Unsere Ananas aus Costa Rica. Deutsche Supermärkte machen Profit mit miserablen Arbeitsbedingungen
  • Beitrag von 2017: [Fyffes in Honduras und Costa Rica] Jetzt bei Aldi Druck machen: Menschenrechte vor Profit – ein Appell an Aldi 
  • Beitrag von 2017: Gewerkschaft aus Ecuador fordert von Lidl endlich Einhaltung der Verpflichtung zu besseren Arbeitsbedingungen auf Bananenplantagen
  • „Süsse Früchte, bittere Wahrheit – Die Mitverantwortung deutscher Supermärkte für menschenunwürdige Zustände in der Ananas- und Bananenproduktion in Costa Rica und Ecuador“
    Die Oxfam-Studie von Franziska Humbert und Frank Braßel vom Mai 2016 externer Link
  • Hey Lidl, mach Dich fit für fair!
    Wir lieben tropische Früchte. Doch was oft wirklich in den süßen Dingern steckt – z.B. Ausbeutung und giftige Pestizide –, schmeckt uns gar nicht! Lidl lohnt sich – aber für wen? Lidl zählt zu den vier Supermarktgiganten in Deutschland. Doch in puncto Verantwortung beim Anbau von Bananen und Ananas hat Lidl großen Nachholbedarf…“ Kampagnenseite mit der Möglichkeit, den Protest von Oxfam Deutschland „Hey Lidl, mach Dich fit für fair!“ externer Link zu unterstützen
  • Bitterer Lohn für süße Früchte. Oxfam befragt Erntearbeiter in Costa Rica und Ecuador. Neue Studie beschreibt die Gründe für günstige Südfrüchte
    Billig, billiger, Discounterware: Die Lebensmittelanbieter Edeka, Lidl, Aldi, Rewe und Metro beherrschen den deutschen und beträchtliche Teile des europäischen Marktes. Täglich bieten sie auch frisches Obst aus Übersee an, zu immer günstigeren Preisen. Dass irgendjemand unter diesem Preisdumping leidet, muss jedem klar sein, der sein Gehirn nicht vor der Schiebetür abgibt…“ Artikel von Harald Neuber in telepolis vom 31.05.2016 externer Link

Siehe zum Thema im LabourNet Germany auch:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=99020
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