Doch noch auf dem Weg zu einer großen politischen Erzählung zu Europa? Wer bewegt politisch wen? Z.B. Varoufakis & Co…

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 11.2.2016

DiEM25Der Peter Grottian wirft sich gekonnt in die Mitte des Geschehens – „gekonnt“ die Erfolge der Rechten ausblendend – dabei fand ich diese „Intervention“ von Sven Giegold zu Varoufakis auch wichtig! Aber besonders interessant fand ich auch, dass Ulrike Guerot – eine Französin in Berlin – als Mitstreiterin von Yiannis Varoufakis in der Volksbühne mit von der Partie war, die mir schon vorher durch ihre kluge Analyse aufgefallen war: „Von der deutschen Normalität zur deutschen Übermacht in der „Grexit-Krise“, dann zur deutschen Ohnmacht in der Flüchtlingskrise war nur ein kurzer Weg“ – Wer erst die Solidarität – für Griechenland – verweigert, kann sie später nicht erwarten. Europa leidet daher unter multiplen Organversagen. Jetzt in der Krise müsste sich Europa deshalb entscheiden, endlich das zu werden, was es sein sollte: eine politische Einheit. Nur genau das scheint derzeit ausgeschlossen. (Vgl. dazu die Seite 1 ganz unten bei https://www.labournet.de/?p=91359 – sowie den Link dann auf der Seite 2 oben noch)

Wer bewegt wen? – Diesseits der Rechten (AfD, Pegida & Co.)?

Das Misstrauen gegen die traditionellen Eliten ist groß und weitverbreitet – in ein aufgeklärtes Handeln bei den sozialen Bewegungen setzt es sich aber immer weniger um (siehe Peter Grottian = weiter unten).

Beginnen wir einmal mit dem großen Starauftritt von Varoufakis mit „seiner“ Diem25 (= „Democracy in Europe-Movement 25“ (http://www.diem25.org externer Link) schon einmal großangekündigt vom parteiübergreifenden „Institut Solidarische Modernisierung“ (ISM): Varoufakis & Co.: Newsletter Institut Solidarische Moderne (http://www.solidarische-moderne.de/newsletter.php?id=46 externer Link) – nachdem „Blockupy“ ihn schon einen Tag vorher (8.2.) – bei freiem Eintritt eingeladen hatte, behielt er sich jedoch das „Wesentliche“ für den 9. Februar (Faschings-Dienstag) für seinen Auftritt bei der Berliner Volksbühne – Eintritt 12.- Euro – (oder auch 6.- vor den Bildschirmen) vor. (http://www.fr-online.de/politik/-diem-25–varoufakis—manifest,1472596,33753604.html externer Link)

Der Europa-Abgeordnete Sven Giegold hatte mit ihm über sein Manifest schon eine Kontroverse – wegen eines politisch zu reduzierten Ansatzes: Diem25 ist gut gedacht – aber (bloß) zu populistisch aufgezogen (http://t.co/nR6Lrs5aAA externer Link).

Ist das die neue Frontstellung – „die“ Politik als Gegner, statt in ihre Reihen weiter „einzubrechen“?

Hier zerfallen dann auch alte Gemeinsamkeiten im Kampf gegen die von Europa verordnete Austerität – auch gegenüber Griechenland. So stoßen sich an dieser politischen „Frontenbildung“ nicht nur Sven Giegold sondern auch Varoufakis sonstige Mitstreiterin Gesine Schwan, zweimalige Bundespräsidentinnen-Kandidatin, denn Gesine Schwan war die einzige vernehmbare sozialdemokratische Stimme, die öffentlich den Kurs der Syriza-Regierung unterstützt hatte. „Wir haben wirklich gemeinsam gekämpft im Sommer“, sagt sie heute.

Aber sie will nicht bei Varoufakis europäischer Initiative „DIEM25“ mitmachen: Bei aller berechtigten Kritik an unbürokratischen Prozessen hält sie es nämlich für falsch, die EU-Bürokratie zur Wurzel allen Übels zu machen. Für Gesine Schwan sind das Problem die politischen Mehrheiten – die müssen geändert werden. (TAZ vom 11.Februar 2016, dazu siehe Gesine Schwans berühmtes Diktum „Wer von der – politischen – Rechtsentwicklung in Europa sprechen will, darf von der Austerität nicht schweigen“. Vgl. dazu ihre Diskussion mit Oskar Lafontaine bei https://www.labournet.de/?p=92963 – die letzten beiden Absätzchen auf der ersten Seite)

Peter Grottian hatte sich jetzt in einem Beitrag in der TAZ „Erstarrte Bewegung“ für eine „perspektivische“ Repolitisierung von ATTAC ausgesprochen, das – außer bei TTIP – keine durchgreifende Mobilisierung erkennen lasse. (siehe den Satz am Anfang): Die Aktivitäten von Attac sind so bunt, dass eine Prioritätensetzung schwer erkennbar ist. („Attac zerfließt“. Die Mischung aus NGO, sozialer Bewegung und Netzwerk: schwierig!: http://www.taz.de/!5272266/ externer Link)

Attac zerfließt – wegen des Fehlens einer großen europäischen Erzählung

Martin Kaul macht das in seiner „Pro“-Position für Varoufakis in der Taz auch deutlich, an was es fehlt: eine große linken Erzählung. So meint Kaul: Varoufakis füllt mit seinem Vorstoß eine Leerstelle, die die europäische Sozialdemokratie hinterlassen hat. Dafür sollte man ihm danken.

Denn wenn es diesem Europa an einem mangelt, dann an einer linken – und das heißt konkret: an einer sozialen, humanistischen und demokratischen – Vision. Dabei sind es doch in Wirklichkeit diese Linken, die inzwischen zum Kitt der europäischen Idee geworden sind.

Sie betreiben in Griechenland die Volksapotheken und sie schmieren in deutschen Flüchtlingsheimen die Butterstullen für Geflohene. Sie sind es die den europäischen Laden am Laufen halten. Aus einstigen Staatszersetzern sind längst Staatenretter geworden. Eines aber fehlt diesen Helden des Alltags: eine große Erzählung, die ihnen gerecht wird. (http://www.taz.de/!5275838/ externer Link)(Bitte, vergesst gleichzeitig den Furor der „Contra“-Position von Jan Feddersen, die nicht einmal die Fakten kennt – und Jens Bisky in der „Süddeutschen“ macht es ihm im faktenlosen Denunzieren auch noch nach: mit seiner Quintessenz: Im Jahr 2025 wird niemand mehr „DIEM25“ kennen – (aber den Schießbefehl der Petry?)!)

Muss deshalb also der „repräsentative Absoutismus“ (Wolf-Dieter Narr) die sozialen Bewegungen nicht mehr ernstnehmen. (Vgl. hierzu auch Peter Grottian in dem „JungeWelt-Link“ auf der Seite 8 ziemlich oben („Die vollen Hosen des Herrn Gabriel“ bei https://www.labournet.de/?p=92963)

Besteht also das demokratische Problem darin, dass zwar der Verdruss an dieser repräsentativen Demokratie gewaltig angewachsen ist (siehe AfD mit Pegida & Co.), aber die außerparlamentarischen Bewegungen daraus keinen Honig ziehen können?

Sind die rechten „Bewegungen“ mit vereinfachten Verschwörungstheorien und politischer Hetze einfach „besser“, d.h. erfolgreicher?

Oder hat etwa die rechte Bewegung (AfD nebst Pegida) deshalb ihre Nase vorn, weil sie mit Verschwörungstheorien – laut August Bebel „der Antisemitismus ist der Sozialismus der blöden Kerls“ – mit einfachen Erklärungen so gut hantieren gelernt hat – und damit in die Parlamente will (statt nur außen vor zu bleiben). (http://www.taz.de/Kolumne-Bestellen-und-Versenden/!5272335/ externer Link)

Und der „Cicero“ gibt sich – wie wohl andere auch – dafür her, das Sprachrohr dieser Vereinfacher zu sein. (http://www.taz.de/Kolumne-Gott-und-die-Welt/!5270843/ externer Link)

Und die zunehmende inhumane Radikalisierung der AfD mit Schießbefehlen auf Flüchtlinge wird jetzt im Rahmen der Meinungsfreiheit auch noch gerichtsfest. (http://www.sueddeutsche.de/bayern/gerichtsentscheidung-petry-hausverbot-peinliche-niedrlage-fuer-augsburgs-oberbuergermeister-1.2857576?reduced=true externer Link)

Und CSU – Seehofer versucht dieser staatsterroristischen Aggressivität der AfD mit Polemiken über die „Herrschaft des Unrechts“ (das Augsburger Urteil meinte er damit nicht) hinterherzulaufen. (http://www.sueddeutsche.de/news/politik/migration-seehofer-vorwurf-der-herrschaft-des-unrechts-sorgt-fuer-aerger-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-160210-99-608427 externer Link)

Oder ist es nicht doch politisch „fruchtbarer“ mit dem Sozialethiker Friedhelm Hengsbach „außerparlamentarisch“ die soziale Problematik den Parteien – und insbesondere dem Versagen der Sozialdemokratie – in die Schuhe zu schieben.

Für Hengsbach ist die Große Koalition – ganz banal gesagt – ein Gift, das die offene Auseinandersetzung über Verteilungsfragen und über die politischen und ökonomischen Folgen der Zuwanderung „betäubt“. (http://www.ksta.de/wirtschaft/interview-mit-friedhelm-hengsbach–die-afd-ist-eine-diffuse-protestarena-,15187248,33723610.html externer Link)

Gäbe es mehr Umverteilung von oben nach unten, dann müssten die Benachteiligten die Zuwanderung nicht so fürchten.

Christoph Butterwegge, der Sozialpolitiker meint sogar, wir sind mit dieser Polarisierung der Gesellschaft zu immer größerer Armut bei gleichzeitig steigenden Flüchtlingszahlen zurück auf dem Weg ins Mittelalter. (https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/auf-dem-weg-ins-mittelalter externer Link, vgl. auch in dem Abschnitt „Woher kommt das viele Geld, das vor allem die Spekulation anheizt….“ auf der Seite 6 unten bei https://www.labournet.de/?p=92963 – insbesondere den Schluss dieses Abschnittes auf der Seite 7)

Vielleicht können die deutschen sozialen Bewegungen doch einfach noch etwas mehr von den Südeuropäern lernen, die sich vor allem an den jeweiligen Interessen der Menschen ausrichten

So konnten – nach Griechenland – auch in Spanien und Portugal neue politische Bewegungen in die Parlamente einziehen – anstatt nur Parlaments-„Bashing“ zu betreiben. (https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2016/februar/spanien-und-portugal-der-linke-aufbruch externer Link, siehe dazu eventuell weiter noch den Abschnitt „Neue – jetzt praktische – Frontstellung in der EU: Der Norden gegen den Süden“ auf der Seite 2 bei https://www.labournet.de/?p=91359 – sowie noch auf der Seite 5 f. den Abschnitt „Podemos feiert die Geburt eines neuen Spanien“)

Insoweit bleibt weiter die zentrale Frage, inwieweit aus dieser – ökonomischen und politischen – Krise ein für alle Europäer gemeinsames Narrativ doch noch entstehen kann?

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=93062
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