»Was heute in der Euro-Zone geschieht, war voraussehbar«

Quelle:  Interview von Daniel Behruzi in junge Welt vom 08.09.2012 externer Link

Gespräch mit Wolfgang Däubler. Über die Ursachen der Krise in Europa, die Rolle der Gewerkschaftsspitzen bei den »Hartz-Reformen« und die Gefährdung der Tarifautonomie in Griechenland.     Aus dem Text:

“…Wie beurteilen Sie das Verhalten der Gewerkschaften in dieser Frage?
Das ist ein Punkt, an dem ich gründlich zu kauen habe. Um es klar zu sagen: Nach meinem Eindruck haben sie nicht genug getan, sondern im Gegenteil die Bundesregierung noch unterstützt. Man hat bei der Leiharbeit durch Abschluß von Tarifverträgen mitgemacht und so einen Lohnabstand zu den regulär Beschäftigten von durchschnittlich 30 Prozent festgeschrieben. Man wolle das Feld nicht den »Christen« überlassen, war die Parole. Doch gewann man durch die DGB-Verträge praktisch keine Mitglieder, weil sie ja auch nicht viel besser waren als die Tarife der »Christen«. Ob die Ausbeutung auf der Basis eines von der »christlichen« Tarifgemeinschaft CGZP oder vom DGB ausgehandelten Vertrags erfolgt, ist für die Betroffenen ziemlich gleichgültig. Man hat nie ernsthaft in Erwägung gezogen, wegen der fehlenden Tariffähigkeit der »Christen« zu klagen, obwohl das auch schon vor vielen Jahren gute Chancen gehabt hätte. Das ist im Grunde erstaunlich, weil die hiesigen Gewerkschaftsspitzen traditionell viel Vertrauen in die Arbeitsgerichtsbarkeit setzen und lieber einen Prozeß als einen Streik führen. Man kann vermuten, daß es da einige Zusagen gegenüber der Bundesregierung gab. Erst nach Jahren, als deutlich wurde, daß Leiharbeit auch die Arbeitsplätze der eigenen Mitglieder gefährdet, hat man sich um eine Korrektur bemüht. Selbst jetzt hatte man noch Schwierigkeiten, das Verfahren gegen die CGZP mit zu betreiben. Bei Hartz IV sah es nicht viel besser aus. (…)  Die Gewerkschaften müssen in der Lage sein, sich wirksam zu wehren. Die deutsche Wirtschaft braucht kooperative Arbeitskräfte – ohne sie würde kein Profit mehr fließen. Dieser Stärke sollte man sich sehr viel stärker bewußt sein. Ohne Ingenieure, Krankenschwestern und Piloten, aber auch ohne Reinigungskräfte und ohne Polizisten läuft bei uns nichts. Selbst hierzulande wird die Geduld der abhängig Beschäftigten irgendwann ein Ende haben
.“

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=8845
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