Gesundheitsschutz – Sexarbeit – Spam-Attacken

sex workers rightsArtikel von Berichterstatter*in vom 11.08.2014

In der vergangenen Woche informierten hier (1) Einige protestierende Sexarbeiterinnen über die Einkommensverluste, die viele von ihnen dadurch erleiden, dass die Seite Kaufmich.com den Zugang von potentiellen Kund/inn/en zu ihren Telefonnummern beschränkt. In auffälligem Kontrast zu dem Aktivismus des Seitenbetreibers hinsichtlich der Einführung des „Telefon-Buttons“, mit dem die Beschränkung des Zugangs zu den Telefonnummern durchgesetzt wird, steht seine Untätigkeit in einer Frage, in der wirklich Handlungsbedarf besteht:

Hilflos gegenüber einer Spam-Flut mit Werbung für unsafem Sex

Schon seit längerer Zeit zeigt sich der Seitenbetreiber nämlich als hilflos gegenüber Spam-Attacken: Das Portal Kaufmich.com zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass dort so genannte „Erfahrungsberichte“ gepostet werden können. Die Sexarbeiterinnen können die Kunden bewerten und umgekehrt – sowohl im Hinblick darauf, dass vereinbarte Termine nicht eingehalten wurden als auch im Hinblick auf Zahlungsmoral/Honorar-Prellung als auch bezüglich Ablauf der Treffen (Qualität der Dienstleistung und Verhalten der Kunden).

Die Möglichkeit, diese Erfahrungsberichte zu posten, wird nun schon seit Wochen genutzt, um immer wieder Spam zu posten, mit dem insbesondere für so genannte „AO“-Seiten geworben wird. „AO“-Seiten (AO = alles ohne [Kondom/Schutz]) sind Internet-Seiten, auf denen unsafer heterosexueller Penetrationssex angeboten wird. Kaufmich selbst hat offiziell folgende Policy: „Kaufmich propagiert Safer Sex und untersagt das Angebot und die Nachfrage nach ungeschütztem Verkehr. Dies umfasst GV und AV, Profile, die dies anbieten werden gesperrt. Escorts, die das 100% Safer Sex-Abzeichen auf ihrem Profil haben, bieten auch OV ausschließlich geschützt an. Mitglieder, die diese dennoch nach ungeschütztem Verkehr fragen, werden verwarnt.“ (2)

Trotzdem ist Kaufmich seit Wochen nicht in der Lage, den sog. AO-Spam wirksam zu unterbinden. Insbesondere um Wochenende herum kann es vorkommen, dass die tatsächlichen Erfahrungsberichte unter Unmengen von AO-Werbung untergehen. Entsprechend empört sind einige der von den Spam-Attacken betroffenen Sexarbeiterinnen.

Auch am vergangenen Wochenende war es teilweise wieder so, dass auf einen echten Erfahrungsbericht neun Pseudo-Erfahrungsberichte, in denen nicht über Erfahrungen berichtet wurde, sondern für andere Portale geworden wurde, kamen (s. Screenshot von Sonntag : Die Einträge 1 bis 4 und 6 bis 10 sind Spam; allein der fünfte Eintrag scheint authentisch zu sein).

Nun könnte erwartet werden, dass der Kaufmich.com-Betreiber selbst ein starkes Eigeninteresse hat, dieses unlautere Wettbewerbsverhalten von Konkurrenzunternehmen zu unterbinden. – Tatsächlich scheint er aber nach der Logik zu handeln, alles zu unterlassen, was Kosten verursacht (hier: Spam-Abwehr), und alles zu tun, was Kunden nötigt, kostenpflichtige Premium-Accounts zu buchen (siehe die Telefonnummern-Regelung, über die hier vergangene Woche berichtetet wurde: Premium-Kunden bekommen mehr Telefonnummern angezeigt als Umsonst-Mitglieder).

Fraglich ist allerdings, ob sich dieses Kalkül für den Seitenbetreiber auch nur betriebswirtschaftlich auszahlt, denn: Umso geringer die Funktionalität (der Nutzwert) der Seite und umso mehr Spam, desto geringer der Anreiz, für die Seite auch noch zu zahlen.

Entsprechend gereizt ist die Stimmung unter den Kolleginnen: Eine Sexarbeiterin, die das oben erwähnte „100 % Safer Sex“-Logo in ihrem Profil hat, schreibt: „Ist ja widerlich und unverschämt zugleich, ausgerechnet auf meinem Profil, Werbung für AO zu machen! […]. Was geht denn hier ab bitte? Jetzt bin ich tatsächlich wütend! So eine ekelerregende Masche! Kotz! :-( :-( :-(“ (3)

Mehrarbeit drückt Stundenlohn

Eine andere Sexdienstleisterin schreibt: „Ich bin hier nur noch am SPERREN der AO Werbung und 50 Euro Sex Flates, die unsere Erfahrungsberichte verschandeln. Am Wochenende ist es ganz besonders heftig!! Land unter sozusagen!! Alleine gestern und heute habe ich sage und schreibe weit über 140 von diesen widerlichen Anzeigen geblockt. Das artet mittlerweile richtig in Arbeit aus, wenn Frau ihr Profil schützen möchte, weil KM mit dem Löschen überhaupt nicht mehr hinterherkommt! DER BLÖDSINN MUSS AUFHÖREN!!“ (4)

Besonders anstrengend an diesen Fake-Berichten ist für die Sexarbeiterinnen, dass anscheinend zahlreiche Kunden diese nur oberflächlichen lesen und gar nicht bemerken (wollen), dass es sich um Spam / Werbung für konkurrierende Portale handelt. Sie lesen nur „AO“ und behelligen dann die jeweilige Profilinhaberin mit Anfragen danach…

Viele Kolleginnen machen sich daher die Mühe und die Arbeit (was unter dem Strich logischerweise den Stundenlohn nach unten drückt, denn bezahlt wird von den Kunden nur die Dauer der Treffen und nicht die Vor- und Nacharbeit) in ihren Blog-Einträgen zu betonen, dass das, was sie in ihren Profilen schreiben tatsächlich gilt. So schrieb am Montag eine Kollegin unter der Überschrift „Fiese Spammer in der Erfahrungsliste! Achtung!“:

„Kurze Info, neuerdings machen sich anscheinend irgendwelche Scherzkekse über die Erfahrungsberichtseite her und müllen diese mit dubiosen und Fakeberichten zu. Aber keine Chance, bei mir ist es nach wie vor 100 % Safersex!“ (5)

Die Untätigkeit des Seitenbetreibers ist umso erstaunlicher, als er den Eindruck zu erwecken versucht, die Seite sei nicht eingerichtet worden, um an der Sexarbeit mitzuverdienen, sondern aus mildtätigen Beweggründen gegenüber den Sexarbeiterinnen: „Unser Credo ist es, das Image dieser besonderen Profession zu verbessern, indem wir deutlich machen, dass selbstbestimmte Entscheidungen die Grundlage dieser persönlichen Dienstleistung sind, genauso wie gegenseitiger Respekt und Wertschätzung.“ (6) Die ganze Seite wird als „Community“ dargestellt: „Verständnis ist für uns die Basis einer funktionierenden Community, mit zufriedenen Dienstleistern und eben solchen Kunden. Dazu gehören einerseits fundierte Branchenkenntnisse, aber vor allem ein enger Draht zur Community selbst mit einem offenen Ohr für die Belange aller Mitglieder.“ (7)

Mit dem „Gemeinschaftsfrieden“ (der „Sozialpartnerschaft“) ist dort zurzeit allerdings nicht weit her: (Ökonomische) Interessensunterschiede zwischen dem Seitenbetreiber, den Kunden und den Sexarbeiterinnen brechen auf.


(1) https://www.labournet.de/branchen/dienstleistungen/sex/protestierende-sexarbeiterinnen-ausgesperrt-arbeitskampf-bei-einem-grosen-deutschsprachigen-portal-fur-sexuelle-dienstleistungen/

(2) http://servicecenter.de/index.php?kaufmich/Knowledgebase/Article/View/607/104/verwarnungen. – GV = vaginaler Geschlechtsverkehr; AV = analer Geschlechtsverkehr; OV = Oralverkehr (was aber nur Oralsex mit aktiven Kunden, aber nicht Lecken bei den Sexarbeiterinnen meint; Sexarbeiterinnen, die sich von ihren Kunden lecken lassen, dürfen diesen Service also anbieten, ohne dass Dental Dams benutzt werden müssen. – Unter diesen Umständen von „100 % Safer Sex“ zu sprechen, ist auch etwas zweifelhaft).

(3) http://www.kaufmich.com/Tesoro69/blog/Was_ist_DAS_denn_fuer_eine_FRECHHEIT_

(4) http://www.kaufmich.com/DieKurtisane/blog/DAS_KANN_ES_NICHT_MEHR_SEIN__________AO_WERBUNG_UND_SEX_FLATES_VERSCHANDELN_DIE_PROFILE_UND_DANN_NOCH_DAS_NEUE_TELEFONSYSTEM___ Siehe auch: http://www.kaufmich.com/HoneyBenz/blog/ACHTUNG_ACHTUNG_FAKER_UND_SPAMVERTEILER_UNTERWEGS.

(5) http://www.kaufmich.com/Yoursecret79/blog/Fiese_Spammer_in_der_Erfahrungsliste__Achtung__

(6) http://www.kaufmich.com/about/mission

(7) Ebenda

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=63356
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