„Wetten auf Europa“. Deutsche Bundesregierung als Tea-Party für Europa

Deutschland nutzt die Eurokrise zur auch politisch-dominanten Stellung in Europa. Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 14. März 2014

Und analytisch korrekt sagt George Soros in seinen Ausführungen zur Rettung der Eurozone nicht die AfD ist die Tea-Party Europas – sondern die Merkel-Regierung (mitsamt der SPD).

George Soros und die Euro-Krise: Die letzte Wette des alten Herrn – Merkels Regierung dürfe sich nicht benehmen, wie die Tea-Party Europas (http://www.sueddeutsche.de/politik/george-soros-und-die-euro-krise-die-letzte-wette-des-alten-herrn-1.1908760 externer Link)

Und so nennt Soros in seinem Buch präzise die „deutschen Mythen“: dass etwa Deutschland das Opfer der Eurokrise sei und diese nur durch faule Griechen und italienische Lebenskünstler ausgelöst wurde.

Momentan verhalte sich Deutschland in Europa wie die Tea-Party im US-Kongress, schimpft der Investor: „Dem Land gehe es gut, aber es will nichts an die weniger glücklichen abgeben“. Einen sehr umfassenden und auch präzisen Überblick über genau dieses Verhalten der Bundesrepublik mit ihrer Kanzlerin Merkel im Prozess der politischen Behandlung der Eurokrise – sozusagen von „Gipfel zu Gipfel“ – gibt uns inzwischen auch das Buch von Cerstin Gammelin und Raimund Löw „Europas Strippenzieher“. Die Autoren hatten Einblick in die geheimen Protokolle aus Brüssel – und haben dies – sozusagen in einem recht ausführlichen Protokoll – uns zugänglich gemacht. (https://www.labournet.de/?p=54334) – im folgenden der Einfachheit halber meist zitiert mit „G./L.“

Die Euro-Krise, das wird daraus deutlich, hat Deutschland zur dominanten Macht in der Eurozone und Europa gemacht.

So schreiben Gammelin / Löw: „Seit dem Ausbruch der Krise hat sich die Machtbalance enorm verschoben. Europa hat im Herbst 2013 eine Machtzentrum und eine Telefonnummer. Sie beginnt mit 0049-30….“ (S. 172 ff. (174 f.)

Merkel hat die Chance, diese von Kohl übernommene Währungsunion zu reparieren und zu vollenden. Es ist eine riesige Aufgabe, die auf dem Tisch liegt. (S. 163)

Dennoch war auch im Jahr 2013 schon eine Währungskatastrophe nicht undenkbar. Die zentrale Bankenaufsicht verzögert sich. (vgl. z.B. zuletzt „Zeitbombe Deutsche Bank entschärfen – EU-Kommission versagt bei der Bankenregulierung“ (https://www.labournet.de/?p=51876) Berlin wehrt sich gegen die zentrale Zuständigkeit bei der Abwicklung maroder Banken. Die soziale Lage in den südlichen Ländern ist so fragil, dass jederzeit ein Sturm losbrechen kann. (vgl. z.B. einige der letzten Griechenland-Berichte von Niels Kadritzke: www.nachdenkseiten.de/?p=19916 externer Link sowie www.nachdenkseiten.de/?p=19831 externer Link)

Und man kann inzwischen – nach der Lektüre dieses Buches „Europas Strippenzieher“ auch präzise sagen, dass es nicht ein klarer „autonomer“ politischer Wille von Deutschland-Europa war, den Austritt Griechenlands aus der gemeinsamen Währung (der „Grexit“),dem Euro, zu unterlassen, sondern dass zwei Faktoren dafür wichtig wurden: zum einen China, das deutlich signalisierte, dass bei einem solchen Grad von Unzuverlässigkeit des Euro als Währung, sie sich zurückziehen müssten. Und weiter kam eine „Bilanzierung“ der Troika zu dem Ergebnis, dass nicht nur die Griechen „unheilbar“ wirtschaftlich belastet würden, sondern auch die übrigen Euroländer noch massiv betroffen wären. (vgl. G./L., S.106 f. sowie 96 f.)

Die Wirtschaft erholt sich sehr langsam. Italien und Frankreich legen ein ums andere Mal negative Zahlen vor. Die Währung kann implodieren unter der Last der Probleme und Europa kann in Währungszonen zerfallen. (G./L., S.166 f.)

So ist es nicht undenkbar, dass die derzeitige Währungsunion – trotz des (bloßen Lippen-?) Bekenntnisses der deutschen Kanzlerin zum Euro („Wenn der Euro scheitert, scheitert Europa“) – volks- und finanzwirtschaftlich kollabiert – und seine Banken, Unternehmen und Bürger in eine neue Ordnung katapultiert (G./L., S. 166 – und weiter auch „Linker Zwist über Euro-Rettung: „An die Wand gefahren“ (https://www.labournet.de/?p=54105)

Ein weiterer Faktor, der die Spaltung in Europa vorantreibt: die Zinsen

Können wir Soros noch genauer auf den Zahn fühlen – bei aller Sympathie für sein Engagement? Die Widersprüche ergeben sich daraus, dass Soros selbst auf die hohen Zinsen Italiens zum Beispiel „spekuliert“ hatte.

Denn gerade dadurch wird deutlich, dass der Euro, der Europa einen sollte, die Länder auseinandertreibt. Durch diese Spaltung ist die Europäische Union einfach nicht mehr diesselbe wie sie es etwa vor der Krise z.B. im Jahr 2007 war, als die Chefs den Lissabon-Vertrag unterschrieben – diese Europäische Union ist so verschwunden.

Aber wie konnten die Zinsen so zum Spaltpilz für Europa werden. Stephan Schulmeister macht uns noch schön darauf aufmerksam, dass bis zum Herbst 2009 es fast 11 Jahre lang keine nennenswerten Differenzen zwischen den Anleihezinsen der Euroländer gegeben hat. (ders. S. 16 – sowie die Abbildung auf der Seite 15 – in seinem Essay „Lernwiderstände der Eliten“ (http://stephan.schulmeister.wifo.ac.at/fileadmin/homepage_schulmeister/files/Lernwiderstand_Schulmeister_01_01.pdf externer Link pdf)

Aber dann gelang es unserer Kanzlerin Merkel den Finanzmärkten klar zu machen, dass dass die Eurozone ein recht wackliges Konstrukt ist, indem sie ein klares Bekenntnis gegen einen festen Zusammenhalt in der Eurozone ablegte – im Landtagswahlkampf 2010 in Nordrhein-Westfalen. Sie verkündete dort, dass die Griechen Bankrott gehen könnten – ohne weiteren Schutz (vgl. Jens Berger, „Stresstest“ S. 207 f. – oder auch noch meine Anmerkung bei www.nachdenkseiten.de/?p=13201#h02 externer Link)

Während jedoch Jens Berger noch meint, diese Äußerung sei rein aus „populistischen“ Wahlkampfunterstützungsabsicht – eben wegen der spezifischen „Befindlichkeiten“ des deutschen Wählers allein – getan worden, ist Robert von Heusinger von dieser Ansicht, die er auch einmal hatte, abgekommen und sieht den Blick weit über die provinziellen Verhältnisse von Nordrhein-Westfalen auf die „Wettbewerbsfähigkeit“ von Deutschland auf den Weltmarkt gerichtet. Durch ihre Äußerung, die Griechen können pleite gehen, hatte sie der „Welt“ – vor allem der „Finanzmärkte“ gezeigt, wie wackelig doch die ganze Konstruktion der Euro-Währungsunion ist – und wenn man – mit Robert von Heusinger – dann auf den Dollar – Euro-Kurs blickt, so bekommt diese Merkel`sche Intervention „ihren“ Sinn für die deutsche Exportwirtschaft auch noch. (siehe Robert von Heusinger, „Ein Hoch auf diese Regierung“ (http://blog.zeit.de/herdentrieb/2010/11/25/ein-hoch-auf-diese-regierung_2557 externer Link)

Nichtsdestotrotz wurden zum „allgemeinen“ Vorteil von Deutschland die Zinsen der Südländer exorbitant nach oben geschickt – wie es Schulmeister auch noch schön grafisch darstellt – in Höhen, die für die Südländer ihre Schulden natürlich immer unbezahlbarer machten.

Hierdurch wurde diese Spaltung Europas – niedrige Zinsen für die Nordländer und ein Zinsanstieg für die südeuropäischen Länder – unter der Herrschaft der Finanzmärkte deutlich vertieft.

Wie – finanziell – fruchtbar, das für die Bundesrepublik inzwischen ausfiel, macht der aktuelle Gewinn der Deutschen Bundesbank klar: Obwohl das Zinsniveau allgemein nochmals zurückgegangen ist, hat sich der Gewinn der Bundesbank fast verachtfacht – das hat seinen Grund darin, die Bundesbank verdiente kräftig mit südeuropäischen Staatsanleihen – und wurde damit zum Krisenprofiteur. (http://www.fr-online.de/wirtschaft/bundesbank-milliardengewinn-fuer-schaeuble,1472780,26546290.html externer Link)

Und zusätzlich wurde die wirtschaftliche Spaltung Europa noch durch diese unterschiedlich Lohnpolitik vertieft. (Schulmeister,a.a.o., S. 16 – oder vgl. z.B. vor allem auch den Abschnitt „Dennoch weiter sinkende Löhne aus Deutschland“ auf den Seiten 6 f. bei https://www.labournet.de/?p=53716)

Aber jetzt soll mit den Plänen der Großen Koalition auch noch die Gewerkschaftsfreiheit in Deutschland gesetzlich eingeschränkt werden, was selbst die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichtes auf den Plan gerufen hat. (http://www.taz.de/Streit-um-Tarifeinheit/!134503/ externer Link)

Dennoch wurden – jetzt doch noch – die durch das Lohndumping verursachten Exportüberschüssen als Problem für die Eurozone vom neuen Wirtschaftsminister Gabriel anerkannt (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kurswechsel-im-wirtschaftsministerium-bundesregierung-erkennt-exportueberschuss-als-problem-an-1.1904668 externer Link)

Ausbau der Instrumente des neoliberalen EU-Orchsters durch den dritten Pfeiler des neoliberalen Programms – die Regelbindung

Aber der Ausbau des „neoliberalen EU-Orchesters“ geht erst einmal fröhlich weiter (www.nachdenkseiten.de/?p=21044 externer Link).

Und so ist auch das Freihandelsabkommen TTIP wieder nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einer grenzenlosen Bewegungsfreiheit für Investoren – durch Regelbindungen wie das der renommierte Finanzwissenschaftler Stephan Schulmeister ausdrückt ( vgl. z.B. seinen jüngsten Essay „Lernwiderstand der Eliten in einer großen Krise“ (http://stephan.schulmeister.wifo.ac.at/fileadmin/homepage_schulmeister/files/Lernwiderstand_Schulmeister_01_01.pdf externer Link pdf)

Und Schulmeister schreibt dort zu diesem Teil der Lehre der Schule von Chicago, die das wirtschaftspolitische Denken (nach Schulmeister „die wirtschaftspolitische Navigationskarte“) entscheidend geprägt hat: Als drittes Element wird zur generellen Einschränkung des wirtschaftspolitischen Handlungsspielraumes die Regelbindung durchgesetzt. (vgl Schulmeister, S.2)

So entsteht als dritte der von der „Chicago Gang“ entwickelten Komponente der neoliberalen Navigationskarte die Bindung der Geld- und Fiskalpolitik an bestimmte Regeln – das Komplement der Deregulierung der „Märkte“ (vor allem der Deregulierung der Finanzmärkte, die immer mehr alles wirtschaftliche und auch politische Geschehen „dominieren“) – ergänze, damit diese eben vollkommen ungehemmt von Demokratie und Politik sich „austoben“ können.

Und nur wenn für diese Finanzmärkte jegliche konkurrierende oder sie einschränkende „Macht“ beseitigt wurde, können sie – um einen Lieblingsausdruck der Kanzelerin zu verwenden – „marktkonform“ jegliche Demokratie beseitigen.

Bisher waren die Verträge der EU quasi nur freiwillige Selbstverpflichtungen, mit denen sich die Staaten verpflichteten bestimmte Regeln einzuhalten, die rechtlich jedoch – noch – nicht bindend sind. Diese lose Form der neoliberalen Regelbindung ging der Wirtschaft jedoch noch nicht weit genug.

So zieht sich die Handschrift der Wirtschaftslobby und ihr stetig wachsender weiterer Einfluss wie ein roter Faden durch die gesamte EU-Wirtschaftspolitik, die konsequent das Ziel des weiteren neoliberalen Umbaus der Europäischen Union verfolgt.

So braucht nicht besonders erwähnt werden, dass ein wesentliches Merkmal der immer neoliberaler werdenden EU der ständig sich ausdehnende Wirtschafts-Lobbyismus auf allen Ebenen.

Europäische Union verpflichtet sich früh auf das Konzept der Regelbindung – insbesondere bei der Vorbereitung der Währungsunion

So übernahm eben die EU schon früh im Zuge der Vorbereitung auf die Währungsunion dieses Konzept der Regelbindung: in der Fiskalpolitik in Gestalt der Maastricht-Kriterien (vgl. z.B. Stephan Schulmeister, a.a.o.,S. 10 – und weiter dazu die Seite 2 ff. bei dem Beitrag der Nachdenkseiten von Christine Wicht (www.nachdenkseiten.de/?p=21044 externer Link), ausgebaut zum Stabilitäts- und Wachstumpakt und jüngst in Form des Fiskalpaktes noch verschärft – sowie in der Geldpolitik in Gestalt des Statuts der Europäischen Zentralbank (EZB),(Schulmeister, a.a.o., S. 3) was jetzt jüngst das deutsche Verfassungsgericht einzuzementieren versucht hat (vgl. „Streit um EZB-Anleihekäufe: Karlsruhe zweifelt an der Europolitik“ (https://www.labournet.de/?p=52748)

Wenn der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes für diese Entscheidung die „Herrschaft des Rechtes“ beansprucht, so muss man ihm leider korrekterweise entgegenhalten, dass er damit eher zur „Betonfraktion“ des ökonomischen Neoliberalismus a la „Chicago“ gehört. (http://www.taz.de/Debatte-um-Europa/!134370/ externer Link)

Jedoch auch aus dieser Blockierung der EZB-Politik durch die Bundesverfassungsrichter, wo doch die EZB-Politik gerade mit dem OMT-Programm so erfogreich war (siehe zu jenem denkwürdigen 26. Juli 2012 z.B. auch G./L., S.105 f. – aber auch S. 109 f.), sieht Silke Tober mit dem „Dept Redemption Fund“ doch noch einen Ausweg. (http://www.boeckler.de/imk_5016.htm externer Link)

Nur dazu müsste die europäische Politik neuen Mut und Entschossenheit aufbringen, diese bisherigen „dogmatischen“ Pfade doch noch zu verlassen, die gerade Deutschland – immer nur in seinem Interesse – bisher vermissen ließ.

Und dazu sieht es jetzt im Europawahlkampf auch überhaupt nicht aus. Europas Finanzminister können sich zur Zeit nur auf das „Vor-sich-her-schieben“ verständigen, statt Entscheidungen in den dringend anstehenden Fragen – wie z.B. Griechenland, Finanztransaktionssteuer und Pleitebanken zu treffen. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/europas-finanzpolitik-plaudern-statt-beschliessen-1.1909864 externer Link)

Eine Zukunft für unser Gesellschaft ohne eine Bestimmung durch die Finanzmärkte!

Und wenn Stephan Schulmeister in seinem Essay zu den Lernwiderständen der Eliten meint, dass das neoliberale Weltbild „eigentlich“ schon längst gescheitert sein müsste (= seine Einschätzung von 1996 (= S. 11 f.), so räumt er heute ein, dass sein Hauptfehler – damals – eben war, dass er die Lernfähigkeit der Eliten überschätzt hatte. Und so muss er erkennen, dass selbst die schweren Finanzkrisen die „Marktreligiosität“ keineswegs erschütttern konnten. (ders. S. 12 f.) Und so konnte durch die gewaltige „doppelte“ Spaltung Europas – einerseits bei den stark von einander differierenden Zinsen und andererseits durch die unterschiedliche Lohnpolitik (ders., S. 15 f. (16) -,die wiederum vor allem Soros im Auge hat – dieses Weltbild in seiner Schlichtheit wohl auch noch eher stabilisiert werden – frei nach dem Motto: Macht es doch wie die Deutschen, dann geht es euch gut! (vgl. z.B. dazu „Einen Ausweg nur über die Verteilungsfrage“ auf der Seite 5 f. bei https://www.labournet.de/?p=53716)

Nur das Problem der europäischen Gewerkschaften als unsichere „Kantonisten“ in einem solchen Prozess bleibt bisher auch ungelöst (vgl. die S. 5 „Ergebnis dieser Politik für die Finanzindustrie von Kanzlerin Merkel in Deutschland bleibt ein Rekord an Ungleichheit“ (und folgendes) bei https://www.labournet.de/?p=54334)

Unser Wirtschaftsweiser Peter Bofinger kommt damit jedoch auch noch nicht an das Ziel seiner Wünsche für die Politik, dass wir endlich die Zukunft unserer Gesellschaft nicht mehr durch die Finanzmärkte bestimmen lassen müssen. (http://www.nachdenkseiten.de/?p=20950#h02 externer Link)

Die große Hoffnung für Europa: Wird eine Politik ohne die Bestimmung durch die Finanzmärkte möglich: Ein wichtiger „Lern-Widerstand“ beim deutschen Bürger

Kehren wir noch einmal zu dem Verlauf der Eurokrise und seiner politischen Behandlung durch europäischen Staatenlenker zurück, so bekommen wir noch ein differenziertes Bild zu den „Lernwiderständen“ unserer Eliten, denn die Autoren von „Europas Strippenzieher“ stellen für die politische „Befindlichkeit“ des deutschen Bürgers gegenüber der so offensichtlichen Finanzmarkt-Misere fest:

Zu Hause ärgern sich die Bundesbürger über Kredite an Griechenland, obwohl… wenigstens „theoretisch“ (siehe oben) die Chance auf Rückzahlung besteht – und Deutschland – sauber – an den Zinsen verdient hat. Die Deutschen regen sich aber nicht über die Milliarden von Euro auf, die definitiv in den Bad Banks des eigenen Landes versenkt wurden. Dass die deutschen Steuerzahler allein 70 Milliarden Euro an ihre maroden Banken verloren haben, spielt im Zuge der Europäischen Krise in der Öffentlichkeit überraschend keine Rolle. Nationale Verluste – an die Banken – gelten offensichtlich als hinnehmbar. Drohende Verluste an beinahe bankrotte Nachbarländer dagegen regen die deutsche Seele auf („Verkauft doch eure Inseln“ etc.). Der Euro in Deutschland scheint somit ein anderer zu sein als in Griechenland.

Merkel weiß um die Befindlichkeiten der Bundesbürger – und spielt bisher mit ihnen. (G./L., S. 165 f.)

Und anscheinend auf Grund dieser „Erkenntnis“ gab sie die Devise für Europa aus, „Chacun sa merde“ („Jedem seine Scheiße“), wie der enttäuschte Sarkozy festhielt. (G./L., S. 62) – auch wenn die Vertreter der deutschen Delegation dann eine etwas dezentere Version daraus „fabrizierten“: „Ein jeder kehr` vor seiner Tür, und rein ist jedes Stadtquartier“ (Goethe)

Und den Standpunkt im Interesse der „vorherrschenden“ Wirtschaftsmacht Deutschland konnte so gut in ihr Weltbild von der „schwäbischen Hausfrau“ – diesem deutschen Denkfehler angepasst werden. (vgl. Jens Berger, „Die schwäbische Hausfrau als Kardinalfehler deutschen Denkens“: http://www.heise.de/tp/artikel/36/36405/1.html externer Link)

Da eine Politik für Europa – wie sie dann auch wieder Soros sich vorstellt – auf der Grundlage derartiger Befindlichkeiten überhaupt nicht vorangebracht werden kann, kam Robert von Heusinger die „spontane“ Idee, entmachtet die nationalen Parlamente. Ihm fiel dafür Keynes Werk über den Versailler Vertrag in die Hände, dessen klarsichtige „Nicht“-Perspektive für Europa durch die Berücksichtigung der nationalen „Sieger“-Befindlichkeiten Europa schon einmal in den Abgrund geführt hatte. (http://blog.zeit.de/herdentrieb/2011/06/13/entmachtet-die-nationalen-parlamente-in-der-eurokrise_3161 externer Link)

Nur derartige Ideen hatte auch – nur umgekehrt „marktkonform“ regelgebunden – die Kanzlerin Merkel auch schon, indem sie den „Defizit-Sündern“ in der EU einfach das Stimmrecht entziehen wollte. Es gelang ihr jedoch – glücklicherweise muss man sagen – nicht damit durchzukommen. Den Sarkozy jedoch hatte sie schon überzeugt.

Und jetzt gibt es neue Signale aus dem Europaparlament, das sich doch noch deutlicher gegen die Euro-Krisen-Regierungs-Chefs in Position zu bringen gedenkt. (vgl. dazu den Abschnitt „Welche Rolle kann sich das Europaparlament in dieser Krise noch erkämpfen?“ auf der Seite 1 f. bei https://www.labournet.de/?p=52278)

Jedenfalls will das Europa-Parlament nach einem ausführlichen Bericht über die Tätigkeit der Troika an die Abschaffung der Troika machen, die bisher gerade auch als bürokratischer Arm den Euro-Regierungs-Chefs – und natürlich vorneweg der deutschen Bundeskanzlerin – das Instrument zur Durchsetzung der Spar-Austeritätspolitik diente: „Schuld“ an der oktroierten Misere war dann eben immer die – so schlecht konkret fassbare – Troika. Und es wäre zu wünschen, dass die Kritik an der Troika: Sparen statt Wachstum, zu viel Diktat, zu wenig Transparenz dann in der nächsten Zeit auch zu einer Änderung der so sozial schädlichen „regelgebundenen“ Austeritätspolitik führen kann. (http://www.sueddeutsche.de/politik/abschlussbericht-eu-parlament-will-troika-abschaffen-1.1911472 externer Link)

Adam Smith als der schärfste Kritiker solcher Regelbindungen – Eine Abschaffung des demokratischen Mißtrauens

Gegen eine solche – jetzt sogar im Grundsatz festgemauerte – Interessenwahrnehmung zugunsten der Wirtschaft hatte doch schon der „Ur-Vater“ alles marktwirtschaftlichen Denkens auf`s schärfste verdammt: „Jeder Vorschlag für ein neues Gesetz oder eine andere Form der Regulierung des Handelns, der von den Kapitalisten vorgebracht wird, sollte immer mit größter Vorsicht angehört und niemals angenommen werden, bevor er lange und sorgfältig untersucht worden ist, und zwar nicht nur mit größter Genauigkeit, sondern auch mit größtem Mißtrauen. Er kommt von einer Gruppe von Menschen, die zumeist ein Interesse daran haben die Allgemeinheit zu täuschen und sogar zu unterdrücken – und sie entsprechend auch schon bei vielen Gelegenheiten getäuscht und unterdrückt haben.“ (vgl. auf der Seite 5 in der Mitte bei https://www.labournet.de/?p=52278)

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=55249
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