Wir werden an Neupack ein Exempel statuieren – koste es, was es wolle!

Kommentar von Dieter Wegner vom 29.06.2013

Solidarität mit den Streikenden bei Neupack

Bei der Art wie die IG BCE-Führung Streiks führt, dürfte es weitere Jahrzehnte dauern, ehe die Belegschaft einen Tarifvertrag hat

„Dieser Kampf hat sich gelohnt – eine neue Zeit beginnt!“  So lautet die Überschrift im Streik-Info 62 der IG BCE-Führung und ist ein Zitat von Ralf Becker, dem Leiter des IG BCE-Bezirks Nord. Vielleicht wird es bei der Belegschaft zum geflügelten Wort wie schon der Satz des Vorsitzenden der IG BCE, Michael Vassiliadis: Wir werden an Neupack ein Exempel statuieren – koste es, was es wolle!

Was nicht erwähnt wurde in dem Streikinfo, ist die Ausgangsforderung: Wir wollen einen Tarifvertrag. Von diesem Ziel hat  sich die Gewerkschaftsführung stillschweigend verabschiedet. In einem Info der IG BCE vom 26.6. schreibt Ralf Becker: „Damit bricht für die Arbeitnehmer eine neue Zeit bei Neupack an. Nach nun sieben Monaten des wohl längsten und härtesten Arbeitskampfes der jüngeren deutschen Geschichte kann ich sagen: Der Kampf hat sich gelohnt“.

Wahrscheinlich wird dieser „längste und härteste Arbeitskampf“ wohl nicht im Guinness-Buch der Rekorde aufgenommen, da die Prüfer eine andere Rechnung vornehmen dürften: Der Streik begann am 1. November 2012, am 24. Januar wurde er von der IG BCE-Führung in einen Flexi-„Streik“ umgewandelt, der kein Streik mehr war sondern ein (fast) normaler Arbeitseinsatz der bisher Streikenden. Sie haben vom 24. Januar an dem widerspenstigen Sozialpartner der IG BCE wieder die Lager gefüllt und die (damals noch) 30 polnischen Streikbrecher angelernt. Aber so normal war der Arbeitseinsatz wiederum auch nicht, denn es hagelte für die Stammbelegschaft Abmahnungen, fristlose Kündigungen und es gab jede Menge Mobbing. Es war für die Reingeschickten der Stammbelegschaft viel schlimmer als vor dem 1. November, ihrem Streikbeginn. Aber darüber kein Wort im Streikinfo.

Die KollegInnen waren vor sieben Monaten angetreten, um einen kollektiven Vertrag zu erkämpfen, jetzt erhalten sie eine Betriebsvereinbarung mit Regelungsabreden.  Sie warten jetzt erst mal pragmatisch ab, wieviel für sie dabei rausgesprungen ist, wenn  jeder und jede von ihnen die Schreiben des Arbeitgebers erhält.

Eine Kollegin berichtete, sie wisse schon, wieviel sie mehr bekomme: Sie sei bei Packer II eingestuft worden, bekäme jetzt 9,50 Euro also 30 Cent mehr. Eine der Streikbrecherinnen, die auch Packer II eingestuft worden sei, erhalte 10,10 Euro: „Das ist doch wieder Nasenfaktor! Und nach sieben Monaten 30 Cent mehr, für mich hat es sich nicht gelohnt!“

Bild I: Streikbeginn am 1.11.2012: Wir werden an Krüger ein Exempel statuieren - koste es was es wolleBild II: Flexi-"Streik" ab 24.1.2013: Die Lager werden gefülltBild III:Der Tiger ist im Büro von Krüger Jun. als Bettvorleger gelandet(Bilder: AB)

Bild I: Streikbeginn am 1.11.2012: Wir werden an Krüger ein Exempel statuieren – koste es was es wolle
Bild II: Flexi-„Streik“ ab 24.1.2013: Die Lager werden gefüllt
Bild III:Der Tiger ist im Büro von Krüger Jun. als Bettvorleger gelandet
(Bilder: AB)

Aber der 24. Januar, als sie wieder reingeschickt wurden zum Lager füllen, hat sich in ihren Köpfen eingeprägt: Sie schufen den Begriff Flexi-Verarschung. Genau so haben sie in Erinnerung, daß das Schreiben, in dem sie verlangten, daß die Streikführung in ihre Hände  übergehen sollte, nicht mal beantwortet wurde. Sie hätten gewußt, wie ein Flexi-Streik wirklich zu führen ist, Krüger hätte niedergestreikt werden können.

Was im Streikinfo 62 ebenfalls fehlt, ist die Auskunft über die Maßregelungsklausel, ihren Betriebsratsvorsitzenden Murat Günes und andere Kollegen betreffend!

Auf der Mitgliederversammlung am Freitagnachmittag wurde der Belegschaft mitgeteilt, daß es keiner Urabstimmung bedarf, weil es ja nicht um einen Tarifvertrag ging!

Was wird die „Neue Zeit“ bringen? Dutzende von KollegInnen sind überflüssig. Wen wird Krüger jetzt loswerden wollen? Welche von den polnischen StreikbrecherInnen, die einen Vertrag bis März 2014 erhielten? Oder welche von der Stammbelegschaft, deren Nasen ihm nicht passen?

Die Streikenden waren angetreten, um kollektives Recht für sich zu erstreiten – jetzt erhalten sie Einzelarbeitsverträge, wie sie sie schon vor dem 1. November hatten. Sie haben nicht nur für  Verbesserungen für sich gekämpft, indem sie einen Tarifvertrag erstreiten wollten, sondern sie setzten sich damit gleichzeitig für eine Stärkung ihrer Gewerkschaft ein, deren politische Grundlage Tarifverträge sind. Die Rettung ihres Sozialpartners war der IG BCE-Führung aber wichtiger als ihre eigene politische Grundlage.

Es war eine Lehrstunde nicht nur für die Verlierer des Kampfes, die Belegschaft,  sondern auch für die engagierte und interessierte Gewerkschaftsöffentlichkeit.

Dieter Wegner  (aktiv im Soli-Kreis Neupack) 29.06.2013

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