Tombola: Arbeitsvermittler verlost Arbeitslose

Ein privater Bildungsträger in Rheinland-Pfalz verlost auf einem Weihnachtsmarkt Dienstleistungen älterer Langzeitarbeitsloser an Firmen. Gewerkschafter sind entsetzt. Es sei doch alles gut gemeint gewesen, sagt das Unternehmen. Das rheinland-pfälzische Bendorf hat einiges zu bieten: mehrere Kirchen, ein Schwimmbad, ein ehemaliges Römerkastell und – nicht zu vergessen – den jährlichen Weihnachtsmarkt. Auf diesem gab es im vergangenen Dezember eine besondere Attraktion: Die Dienstleistungen älterer Langzeitarbeitsloser wurden an Firmen aus der Region verlost. Bei einer Tombola. Klingt nach einer bösen Satire? Ist es aber nicht. Die Aktion hat tatsächlich stattgefunden. Initiiert wurde sie von dem in Bendorf ansässigen Bildungsträger DG Mittelrhein. Also einem privaten Dienstleister. Dieser arbeitet mit dem regionalen Jobcenter bei der Integration älterer Langzeitarbeitsloser im Rahmen des Programms „Perspektive 50plus“ zusammen. Und dabei hat die DG Mittelrhein offenbar ungeahnte Kreativität entfaltet…“ Artikel von Yasmin El-Sharif bei Spiegel online vom 20.01.2013 externer Link

Aus dem Text: „… Anders als bei einer normalen Tombola mussten die Firmen nicht für ihr Los zahlen, auch Nieten gab es nicht. Die DG Mittelrhein wollte schließlich das soziale Firmenengagement belohnen – gemeint ist damit die Bereitstellung unbezahlter Arbeitsplätze für eine kurze Zeit. Rund 30 Unternehmen gefiel das Angebot so gut, dass sie bei der Ziehung mitmachten. Der private Träger betont in einer schriftlichen Erklärung, dass die Langzeitarbeitslosen ihre angebotenen Dienste „ausdrücklich selbst ausgesucht und angeboten“ haben und völlig frei entscheiden konnten, ob sie überhaupt teilnehmen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) gibt sich jetzt entsetzt. Bei der Verlosung handele es sich um eine „menschenverachtende und entwürdigende Aktion“, sagt der DGB-Landesvorsitzende in Rheinland-Pfalz, Dietmar Muscheid. „Was hier als moderne Arbeitsvermittlung verkauft wird, stellt eine Verrohung der Sitten dar. Ein Jobcenter ist keine Lottobude und ein Weihnachtsmarkt kein Sklavenmarkt.“…“

Siehe dazu den Kommentar bei gegen-hartz.de vom 21.01.2013 externer Link : Wie auf einem Sklavenmarkt: Ältere Erwerbslose bei einer Tombola an Firmen „verschenkt“

Was sich derzeit ältere Erwerbslose bundesweit gefallen lassen müssen, passt unter keine Kuhhaut mehr. Unter dem Label „Perspektive 50plus“ starten allerorts Jobcenter zweifelhafte Aktionen, um angeblich älteren Hartz IV Beziehern eine (Re-)Integration auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen. So werden beispielsweise Erwerbslose in Berlin zu speziellen Bauchtanz-Kursen eingeladen, in Brandenburg mit Schrittzählern ausgestattet oder in Nienburg zu sogenannten Rauchentwöhungskursen verdonnert. Nicht selten werden derlei Einladungen auch gleich mit Androhungen von Sanktionen verschickt. (…) Wer jetzt denkt, die Firmen hätten wenigstens einen Obolus oder eine Spende entrichtet, der irrt. „Es gab nicht, wie bei einer normalen Verlosung, Nieten. Alle Lose gewannen. Die Firmen mussten auch nichts für die Lose bezahlen“, berichtet ein Betroffener. „Wir wurden dann als Gewinn vermittelt und mussten Fenster putzen, ohne ein Pfennig Geld dafür zu erhalten. Einen Job habe ich dadurch auch nicht bekommen“. Für den DG Mittelrhein stand von Anfang an fest, kein Geld für ein Los zu verlangen. Schließlich wollte man das soziale Engagement der Unternehmen „belohnen“. Das Engagement beschränkte sich allerdings auf das alleinige „Bereitstellen“ von unbezahlter Arbeit…“

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=23316
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