Stets kompromissbereit: Die Gewerkschaften, der Unternehmenserfolg und das kostbare Gut Arbeitsplatz.

Banner mit der Aufschrift "Klassenkampf statt Sozialpartnerschaft"Betriebsräte wollen Stellen erhalten und sich für den Erfolg »ihres« Betriebs einsetzen – ein unlösbarer Widerspruch. Deutsche Unternehmen überbieten sich in Sachen Arbeitsplatzabbau sowie Entlassungen und blamieren damit die Gewerkschaften, deren Vertreter in Gestalt der Betriebsräte immer wieder Lohnsenkungen zur Arbeitsplatzsicherung mit den betreffenden Chefetagen vereinbart hatten. Und was machen die Gewerkschaftsführungen? Sie betätigen sich weiterhin ungerührt als Lobbyisten für den Erfolg deutscher Unternehmen, obwohl deren Erfolgsstrategien unmittelbar den Gegensatz zu den geschätzten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen hervortreten lassen. So veranstaltete die IG Metall jüngst eine Industriekonferenz, auf der sie nicht mit dem Einsatz für die von ihr vertretenen abhängig Beschäftigten, sondern mit der Forderung nach einem »neuen Realismus in der Industriepolitik« Punkte machen wollte. Der verlange ein Eingreifen des Staates – allerdings nicht zum Wohle der Beschäftigten, die immer wieder unter die Räder kommen, sondern der Unternehmen, die schwere Not leiden…“ Artikel von Suitbert Cechura in der jungen Welt vom 24. Oktober 2025 externer Link und mehr daraus:

  • Weiter aus dem Artikel von Suitbert Cechura in der jungen Welt vom 24. Oktober 2025 externer Link: „… Der Maßstab, der hier angelegt wird, hat natürlich seine Systemnotwendigkeit: Wenn sich die Lufthansa mit ihren Konkurrenten in Sachen Rendite vergleicht, dann zeigt sich darin, dass alle Unternehmen als Anlagesphären von Kapital gelten und von ihren Geldgebern hinsichtlich der Rendite verglichen werden, die die jeweilige Anlage erbringt. Deshalb gilt eine geringe oder auch nur mittelmäßige Rendite als Sachzwang, der jede Entlassung von Beschäftigten zur Kostensenkung rechtfertigt, sofern keine Alternativen zur Verfügung stehen. Das ist ein Urteil, das jeder Wirtschaftsexperte oder -journalist der BRD sofort einleuchtend findet. Erstaunlich ist aber, dass sich dem auch Gewerkschafter nicht verschließen. Hier setzt eben der »Realismus« ein, der die Teilnehmer einer Marktwirtschaft verbindet und sie nun einmal auf das festlegt, was in dieser Gesellschaft gilt. (…)
    Die Gewerkschaften befinden sich also in einem Zwiespalt: Einerseits sind sie am Erfolg des Unternehmens interessiert, damit Arbeitskräfte überhaupt gebraucht werden, andererseits haben sie in Rechnung zu stellen, dass diese in der betrieblichen Erfolgskalkulation prinzipiell als einzusparender Faktor vorkommen. Das ist angesichts der aktuellen Massenentlassungen die Herausforderung: Der Gewinn des Unternehmens soll gefördert werden, das spricht gegen hohe Abfindungen, die Kollegen brauchen aber möglichst hohe Abfindungen, denn die Einmalzahlungen können einen dauerhaften Verlust der Einkunftsquelle Arbeit nicht ersetzen. Und auch für die Restbelegschaft zeigt sich der Widerspruch: Sie bieten ihre Arbeitskraft notgedrungen zu schlechteren Konditionen an, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Der Verzicht auf Lohnbestandteile, um überhaupt noch über ein Einkommen zu verfügen, also den Status eines »Arbeitsplatzbesitzers« zu erhalten, schränkt die Lebensqualität der Beschäftigten ein. So zeigt sich das Erpressungsverhältnis, in dem sich die Menschen bewegen, deren einzige Einkommensquelle der Verkauf ihrer Arbeitskraft ist, in seiner ganzen Wucht. (…)
    Der Schwerpunkt der deutschen Gewerkschaften liegt auf der Betriebsratsarbeit, das heißt, sie wollen an der Gestaltung des Geschäftserfolgs der jeweiligen Firma mitwirken. Das führt dazu, dass sie bei den Maßnahmen dafür – wie Einsparungen beim Lohn durch Rationalisierung oder Entlassung – gefragt sind. Sie bewegen sich damit in dem Zwiespalt zwischen der Basis der Beschäftigung – dem Erfolg des Betriebs – und der Sorge ihrer Mitglieder um ihr Einkommen. (…)
    Doch mit der Parteinahme für den eigenen Betrieb stellen sich die gewerkschaftlichen Betriebsräte auch gegen den Erfolg anderer Unternehmen und von deren Belegschaft. Schließlich geht der Erfolg einer Firma auf dem Markt in der Regel auf Kosten anderer. (…)
    Die Führungen der DGB-Mitgliedsorganisationen wollen von dem Ausgangspunkt ihrer Gründung – dem Gegensatz von Kapital und Arbeit – nichts mehr wissen. Sie pflegen die Sozialpartnerschaft ganz so, als ob sie mit dem Unternehmen ein gemeinsames Interesse verbinden würde. Und so ist es ja auch, sie haben wie die Unternehmensleitung ein Interesse am Erfolg, der die Basis dafür bildet, dass überhaupt Lohnarbeiter beschäftigt werden. Sie werden allerdings immer wieder darauf gestoßen, dass dies keinen gemeinsamen Nutzen hervorbringt und keine wirkliche Gemeinsamkeit stiftet. (…)
    Kritische Gewerkschafter kritisieren mit Recht diesen Kurs und fordern mehr Kampf und weniger Rücksichtnahme auf den Gewinn von Unternehmen. Frohlockt wird, wenn sich an der Basis etwas rührt oder kleine Erfolge zu vermelden sind. Das soll immer der Beweis sein, dass »etwas geht«, wenn man bloß kämpft. Doch auch größere Erfolge werden an der grundsätzlichen Situation nichts ändern, die mit der Abhängigkeit vom Kapital gegeben ist. Das spricht nicht gegen den gewerkschaftlichen Kampf und das Anliegen, ihn voranzutreiben. Doch sollten sich die Kämpfer den Hinweis auf die Grenzen dieses Kampfes nicht ersparen – und auch nicht darauf, dass eine ernstgemeinte Interessenvertretung diese Grenzen zu sprengen hätte.“
  • Siehe vom Autor auch: Rezession – ein Grund, Alarm zu schlagen? Das Wachstum lahmt – und wir alle sollen uns Sorgen um „unsere“ Wirtschaft machen. Warum eigentlich?
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=231516
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