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Argentinien: Mercedes-Benz und Tasselkraut doch endlich unter Mord-Anklage im Fall der „verschwundenen“ Gewerkschafter

die Verschwundenen von Mercedes-Benz ArgentinienAm Montag hat das Berufungsgericht in San Martín, einem Vorort von Buenos Aires, den früheren Produktionsmanager Juan Ronaldo Tasselkraut unter Anklage gestellt – 45 Jahre nach der Tat und jahrzehntelangen Bemühungen der internationalen Menschenrechtsbewegung. (…) Erst im April dieses Jahres, also 45 Jahre nach den Morden, hatte die Provinzrichterin Alicia Vence, nachdem sie über 10 Jahren die umfangreichen Akten in San Martín versenkt hatte, Tasselkraut freigesprochen und sich damit über sämtliche Zeugenaussagen hinweggesetzt. Der frühere Produktionschef hatte sich von einem der früheren Richter, der seinerzeit die Junta-Mitglieder verurteilt hatte und seitdem als Rechtsanwalt tätig ist, vertreten lassen. Nicht nur die Opfer, sondern auch die Staatsanwaltschaft und das Menschenrechtsbüro legten Einspruch ein. Mit Erfolg, da das Urteil am Montag von drei Berufungsrichtern aufgehoben und Tasselkraut unter Anklage gestellt wurde. Er habe, so das Urteil, aktiv an der Freiheitsberaubung von Héctor Ratto und dem Verschwindenlassen des Arbeiters Diego Núñez mitgewirkt…“ Artikel von Gaby Weber vom 13. Oktober 2022 in overton-magazin.de externer Link („Mercedes-Benz endlich unter Mord-Anklage“) – siehe auch die Vorgeschichte und nun den Fortgang:

  • Wunder gibt es doch: Morde an den argentinischen Mercedes-Gewerkschaftern werden durch Obersten Gerichtshof Argentiniens verhandelt New
    Am vergangenen Mittwoch hat der Oberste Gerichtshof Argentiniens seine Entscheidung externer Link bekannt gegeben: Das Verfahren gegen den früheren Mercedes-Manager Juan Ronaldo Tasselkraut wird eröffnet – fast 50 Jahre nach den Morden an den 14 Betriebsaktivisten. „Besser spät als gar nicht“, so der ehemalige Betriebsrat Eduardo Fachal, der das Massaker überlebt hatte. (…) Mit der höchstrichterlichen Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens gab es doch ein Wunder. Sowohl die deutsche Justiz als auch der Supreme Court der USA hatten dies abgelehnt und wirtschaftliche Interessen wichtiger als die Menschenrechte erachtet. Die Aussage eines Opfers – in diesem Fall des nachweislich gefolterten Häftlings Ratto – dürfe der Aussage eines Beschuldigten nicht gleich gesetzt werden, monierten die Richter, es stehe nicht Aussage gegen Aussage. „Das Prinzip Aussage gegen Aussage bedeutet Straflosigkeit“, hatte der Vertreter der Kläger, Rechtsanwalt Fernando Almejud vom Menschenrechts-Sekretariat vor Gericht argumentiert. „Die Repression geschah im Geheimen, ohne richterliches Zutun. Sie war illegal. Daher muss die Aussage des Opfers höher bewertet werden als die des Täters.“ Das Gericht schloss sich dieser Auffassung an.
    Nun wird es einen öffentlichen Strafprozess gegen Tasselkraut geben. Ob der Angeklagte jemals einen Tag im Gefängnis verbringen wird, ist mehr als fraglich. Er ist inzwischen über 70 Jahre alt und wird, falls er verurteilt wird, Hausarrest beantragen. Er besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft, und die Daimler AG wird ihn sicher nicht fallen lassen. Im Oktober sind Präsidentschaftswahlen, und die Vorwahlen gewann der Ultrarechte Javier Milei, dessen rechte Hand ist bekennende Bewunderin der Militärdiktatur und hat sich wiederholt gegen die juristische Aufarbeitung dieser Verbrechen ausgesprochen. Trotzdem: Mit dieser Entscheidung wird das deutsche Traditions-Unternehmen zumindest symbolisch auf der Anklagebank sitzen; es hat sich bis heute für seine damalige Tatbeteiligung nicht entschuldigt.“ Artikel von Gaby Weber vom 27. August 2023 in overton-magazin.de externer Link – wir gratulieren!
  • Morde an Mercedes-Gewerkschafter vor dem Obersten Gerichtshof Argentiniens
    Nachdem der US Supreme Court den Fall wegen wirtschaftlicher Interessen nicht verhandeln ließ, ging es um ihn am Mittwoch vor der Corte Suprema in Buenos Aires. (…) Vor 21 Jahren hatten die Hinterbliebenen der 14 ermordeten MBA-Gewerkschafter im selben Gebäude Strafanzeige erstattet. Seitdem denken argentinische Juristen darüber nach, ob man das Verfahren eröffnen soll, das heißt, ob man Tasselkraut vor ein Gericht stellen soll. Am Mittwoch ging es also nicht um den materiellen Sachverhalt an sich, sondern nur um juristische Fragen, nämlich darum, ob die Aussage eines Opfers – in diesem Fall ein nachweislich gefolterter Häftling – der Aussage eines Beschuldigten gleich zu setzen sei, also Aussage gegen Aussage steht. „Das Prinzip Aussage gegen Aussage bedeutet Straflosigkeit“, so der Vertreter der Kläger, Rechtsanwalt Fernando Almejud vom Menschenrechts-Sekretariat. „Die Repression geschah im Geheimen, ohne richterliches Zutun. Sie war illegal. Daher muss die Aussage des Opfers höher bewertet werden als die des Täters.“ (…)
    Im Oktober 2002 erstatteten die Hinterbliebenen in Buenos Aires Strafanzeige gegen DaimlerChrysler und ihre Komplizen in Gewerkschaft und Militär. Vier Jahre später stellte die Staatsanwaltschaft gegen Daimler und Co ein, da die Firma zwar schuldig sei („culpable sin causa“), aber konkrete Täter nicht hätten ermittelt werden können. Das Verfahren wurde an das Provinzgericht nach San Martín abgegeben, wo es 15 Jahre lang schlummerte. Am Ende stellte die Richterin Alicia Vence die Ermittlungen ein, da der Zeugenaussage von Ratto die Aussage Tasselkrauts gegenüberstand und in ihren Augen Beweise fehlten. Doch Ende letzten Jahres hob das Berufungsgericht das Urteil auf. Der Manager rief den Obersten Gerichtshof an, um einen Prozess zu vermeiden. Darum ging es am Mittwoch. (…)
    Die argentinische Corte Suprema wird ihre Entscheidung in den nächsten Wochen verkünden. Man hat es nicht eilig, es sind ja erst 46 Jahre seit den Morden passiert. Ob Tasselkraut jemals auf der Anklagebank sitzen wird, ist fraglich. Er besitzt die doppelte Staatsbürgerschaft, und Berlin liefert Deutsche nicht aus. Die deutsche Justiz hat in dieser Sache bereits ihre Ermittlungen gegen ihn eingestellt. Und Untertürkheim stellt seinem tatkräftigen Produktionschef sicher ein lauschiges Plätzchen zur Verfügung. Daimler hat sich bis heute nicht entschuldigt.“ Artikel von Gaby Weber vom 29. April 2023 in overton-magazin.de externer Link

Grundinformationen zum Fall

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=214723
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