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Abschiebung aus der Klinik in Rickling (SH) nach Suizidversuch erneuert die Forderung nach Verbot von Abschiebungen aus Krankenhäusern

Dossier

Forderung nach Verbot von Abschiebungen aus Krankenhäusern (IPPNW)In Rickling ist eine Frau aus Tunesien mitten in der Nacht aus einer psychiatrischen Klinik abgeschoben worden. Flüchtlingsbeauftragte sind entsetzt. Laut Schleswig-Holsteins Sozialministerium ist rechtlich nichts schiefgelaufen. Der Flüchtslingsbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein und die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche fordern, Abschiebungen aus Krankenhäusern zu verbieten. (…) Es geht um die Nacht zu Donnerstag, in der die Tunesierin Mariem F. aus einer psychiatrischen Klinik in Rickling direkt abgeschoben wurde. Dort war sie Patientin, nachdem sie versucht hatte, sich das Leben zu nehmen. Die Frau sei in Tunesien wegen ihrer Homosexualität verfolgt worden, sagt Dietlind Jochims, die den Fall an die Öffentlichkeit brachte. Der Landesverein für Innere Mission ist Träger der Klinik in Rickling…“ Beitrag vom 04.08.2023 beim NDR Schleswig-Holstein externer Link („Rickling: Abschiebung aus Klinik nach Suizidversuch sorgt für Kritik“) mit Video, siehe weitere Informationen:

  • „Behandeln statt verwalten“: Neues Meldeportal sammelt ab dem Tag der Menschenrechte am 10.12.2023 Fälle von Abschiebungen aus stationärer Behandlung New
    Anlässlich des 75. Jahrestages der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UN am 10. Dezember 1948 kritisiert die ärztliche Friedensorganisation IPPNW die Abschiebung von Geflüchteten aus stationärer Krankenhausbehandlung. Menschen werden in Krankenhäusern und Kliniken aufgrund der Schwere ihrer Erkrankungen behandelt und sollten dort einen besonderen Schutz genießen.
    Das Meldeportal „Abschiebungen im Kontext stationärer Behandlung“ der IPPNW geht zum Tag der Menschenrechte an den Start. Auf diesem Portal im Internet können anonym Fälle von Abschiebungen aus stationärer Behandlung gemeldet werden und medizinisches Personal in Kliniken erhält Information rund um ihre Rechte im Kontext von Abschiebungen: www.behandeln-statt-verwalten.de externer Link
    Abschiebungen sind ein schwerer Eingriff in die medizinische Behandlung: Sie stellen für die Betroffenen eine massive Belastung dar und gefährden den Heilungsprozess. Abschiebungen können zu einer Verschlechterung der gesundheitlichen Situation führen und insbesondere bei psychisch kranken oder traumatisierten Menschen schwerwiegende Folgen haben. Zusätzlich zu den Folgen für die Betroffenen belasten Abschiebungen Mitpatient*innen und Beschäftigte in den Einrichtungen.
    Trotz dieser gravierenden Auswirkungen werden immer wieder Abschiebungen von Geflüchteten aus stationärer Behandlung berichtet. Genaue Zahlen oder ein Register hierzu existieren jedoch nicht. Die Bundesländer Berlin, Brandenburg, Bremen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen verbieten dagegen Abschiebungen aus Krankenhäusern während einer laufenden stationären Behandlung. In den meisten Bundesländern gibt es noch keine Regelungen. Der Deutsche Ärztetag hat mehrfach das Verbot von Abschiebungen aus stationärer Behandlung gefordert. Mit dem nun erreichbaren Portal soll eine Datengrundlage zur Abschiebung aus stationärer Behandlung geschaffen werden, um den Handlungsbedarf zu dokumentieren…“ IPPNW-Pressemitteilung vom 7. Dezember 2023 externer Link
  • Schleswig-Holstein stoppt Abschiebungen aus Kliniken 
    „In Schleswig-Holstein werden keine Menschen mehr abgeschoben, wenn sie stationär in einer Klinik unterbracht worden sind. Das hat Sozialministerin Aminata Touré entschieden. Der sogenannte Rückführungserlass, der die Abschiebung illegaler Einwanderer oder abgelehnter Asylbewerber regelt, wurde angepasst und trat am Donnerstag in Kraft. Anlass ist ein Fall aus dem Kreis Segeberg. Eine Frau aus Tunesien wurde mitten in der Nacht aus einer psychiatrischen Klinik in Rickling geholt und nach Schweden abgeschoben, weil die dortigen Behörden für sie zuständig sind. Die Frau wurde in Rickling behandelt, nachdem sie versucht hatte, sich das Leben zu nehmen. Der Vorfall hatte viel Kritik ausgelöst. (…) „Das, was wir tun können – als Landesebene – ist, den Zeitpunkt zu verschieben“, erklärt Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) gegenüber NDR Schleswig-Holstein. Die Abschiebung würde dadurch zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden. Grundsätzlich lasse sie sich aber nicht verhindern, da die Frage der Rückführung wegen der Zuständigkeit Schwedens europäisches Recht sei, so die Ministerin weiter. „Wenn man sozusagen, die grundsätzliche Rückführung verhindern möchte, dann muss man europäisches Recht ändern.“ (…) Laut Sozialministerium wird ab sofort in Abschiebungsfällen zunächst die Entlassung aus dem Krankenhaus abgewartet. Anschließend werde die Reisefähigkeit erneut durch einen Arzt festgestellt. In Schleswig-Holstein sind laut Sozialministerium in diesem Jahr insgesamt drei Menschen direkt aus Krankenhäusern abgeschoben worden, im vergangenen Jahr ging es um einen abgelehnten Asylbewerber. Ausnahmen bei der Rückführung könne es nach wie vor geben – diese müssten aber gut begründet sein.“ Meldung vom 10. August 2023 beim NDR1 externer Link
  • Abschiebung aus Klinik: Bundespolizei für Nacht- und Nebelaktion in der Kritik
    „Schon bevor Innenministerin Nancy Faeser (SPD) innerhalb der Ampel-Regierung einen schärferen Abschiebungskurs gegenüber nicht anerkannten Geflüchteten umsetzt, agiert manch eine Behörde mit vorauseilendem Gehorsam. Solch ein Beispiel liegt aus dem Kreis Segeberg vor, wo die Bundespolizei in einer buchstäblichen Nacht- und Nebelaktion eine 37-jährige Tunesierin gegen ihren Widerstand aus einer Psychosozialen Klinik in Abschiebegewahrsam genommen hat. Der Fall hat für massive Kritik gesorgt, behördliches Fingerspitzengefühl Fehlanzeige. Die schwarz-grüne Landesregierung kann unterdessen kein Fehlverhalten feststellen. Es geht um Mariem F., die wegen ihrer Homosexualität in ihrem Herkunftsland Tunesien verfolgt wurde und sich deshalb auf die Flucht nach Schweden machte. Da ihr Asylantrag dort allerdings nicht anerkannt wurde, suchte sie 2022 Schutz in Deutschland. Dort hat man sie zunächst in der schleswig-holsteinischen Landesunterkunft Boostedt (Kreis Segeberg) einquartiert. Als ihr dort zu verstehen gegeben wurde, dass man im Zuge der Dublin-III-Verordnung ihre Rückführung nach Schweden plane, beging sie einen Suizidversuch. Daraufhin wurde sie als stationäre Patientin in der unter Regie der Diakonie betriebenen Psychiatrischen Klinik in Rickling (Kreis Segeberg) untergebracht. Wegen völligem Unverständnis über das repressive behördliche Vorgehen hat die Flüchtlingsbeauftragte der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche), Dietlind Jochims, die rabiate Aktion öffentlich gemacht. »Bei uns schrillen alle Alarmglocken, wenn in einer kirchlichen Einrichtung die Patientensicherheit nicht gewährleistet scheint«, sagt die sichtlich aufgewühlte Jochims. Eine Abschiebung aus einer laufenden Behandlung im Krankenhaus sei nach ihren Worten ein Skandal. (…) Die Betroffene befindet sich mittlerweile wieder in Schweden und dort in Abschiebehaft. Sie fürchtet bei einer Überstellung zurück nach Tunesien, dass man sie, basierend auf den § 230 des dortigen Strafgesetzbuches, der Homosexualität unter Strafe stellt, ins Gefängnis steckt. Jochims rechnet für Mariem F. in Tunesien jedenfalls mit »einer Gefahr für Leib und Leben«.“ Artikel von Dieter Hanisch vom 7. August 2023 in Neues Deutschland online externer Link
  • Wir stehen an der Seite unserer Patient*innen und gegen Abschiebungen aus Kliniken! Und wir rufen alle unsere Kolleg*innen in Kliniken auf, sich gegen Abschiebungen zu wehren…“ Tweet von Verein demokratischer Ärzt*innen (vdää*) vom 7. Aug. 2023 externer Link mit Links zu:
    • Ärztliche Bescheinigungen für geflüchtete Patient*innen – worauf ist zu achten?
      Mit dieser Handreichung wollen wir eine praktische Hilfestellung geben, um die Begleitung von Patient*innen, die in aufenthaltsrechtlicher Unsicherheit leben, zu erleichtern…“ Handreichung externer Link aus Gesundheit braucht Politik 1/2020| Sonderbeilage
    • Empfehlungen für heilberuflich Tätige in Abschiebesituationen
      Durch die verschärfte Gesetzgebung im Asylpaket I und II werden auch in Heilberufen Tätige wieder zunehmend mit Abschiebungen kranker Flüchtlinge konfrontiert. Viele Ärztinnen und Ärzte, Schwestern, Pfleger und TherapeutInnen geraten in einen schwierigen Konflikt, wenn sie sich zwischen Patientenwohl und vermeintlicher Staatsräson entscheiden sollen. Es besteht große Unsicherheit und Hilflosigkeit, sich in einer solchen schwierigen Situation adäquat zu verhalten. Diese Handreichung bietet Hilfe an…“ Handreichung vom Arbeitskreis Flüchtlinge und Asyl der IPPNW externer Link
  • Keine Abschiebungen aus dem Krankenhaus: Der Arbeitskreis Geflüchtete und Asyl bittet um Mithilfe
    Als Arbeitskreis Geflüchtete und Asyl der IPPNW beschäftigen wir uns seit einigen Jahren vertieft mit dem Komplex Abschiebungen und Gesundheit und haben verschiedene Materialien zu diesem Thema erstellt.
    Mit Besorgnis beobachten wir, dass inzwischen auch Krankenhäuser keine sicheren Orte mehr für alle Menschen sind. In der Vergangenheit kam es wiederholt zu Rückführungsmaßnahmen im Kontext einer stationären Behandlung. Um die Problematik besser zu verstehen und Maßnahmen zu entwickeln, um ihr effektiver vorbeugen zu können, haben wir vor einigen Monaten begonnen, diese Ereignisse zu recherchieren. Denn bisher gibt es keine systematische Erfassung für das Bundesgebiet.
    Wir haben darüber hinaus begonnen, uns auch an unsere Kolleg*innen direkt zu wenden. Im Rahmen einer bundesweiten Befragung von Krankenhäusern und psychiatrischen Einrichtungen systematisieren wir Daten zu Rückführungsmaßnahmen (durchgeführten und abgebrochenen) aus dem stationären Kontext zwischen den Jahren 2016-2022. Wir möchten den Ablauf, die Muster und Kommunikationsdefizite erforschen und das medizinische Personal ermutigen, sich selbstbewusst am Wohl der Patient*innen zu orientieren und seine Rechte im Umgang mit Behörden zu kennen.
    Als Ärztinnen und Ärzte wissen wir, dass solche Vorfälle nicht nur die betroffenen Menschen (re)traumatisieren, sondern auch die Mitpatient*innen und nicht zuletzt das medizinische Personal schwer verunsichern und belasten können. Sie sind unvereinbar mit den ethischen und medizinischen Grundsätzen, an denen sich ärztliches Handeln orientieren muss. Auch der Deutsche Ärztetag hat 2017 bekräftigt, dass geflüchtete Menschen in stationärer Behandlung nicht reisefähig sind und dementsprechend nicht abgeschoben werden dürfen. (Drucksache, Nr. Ib – 134 ).
    Sollten Ihnen Fälle bekannt sein, freuen wir uns über eine Rückmeldung mit den Angaben zur Person, Diagnose, Vorerkrankungen und Behandlungsstand in anonymisierter Form. Sollten Sie Interesse nach einem fachlichen Austausch oder anderen Unterstützungsmöglichkeiten haben, wenden Sie sich gern an uns unter jurema(at)ippnw.deAufruf bei IPPNW externer Link (ohne Datum aber offenbar von 2023)
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=214169
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