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Einen „historischen und aggressiven ersten Mai“ befürchtet der französische Inlandsgeheimdienst… Regierungsbesuche werden schwierig – Ablenkung durch Ausländergesetz gesucht

Frankreich: #CasseroladeGenerale: Erneute Versammlungen vor den Rathäusern am 24. AprilEinen „historischen und aggressiven ersten Mai“ dieses Jahres befürchtet der französische Inlandsgeheimdienst, und sagt Demonstrationen erheblichen Ausmaßes bevor. An jenem Tag werden die französischen Gewerkschaften zum nächsten Mal zusammen auf die Straße gehen. Auch, aber nicht nur gegen die umkämpfte Rentenreform. Einen Vorgeschmack darauf erhielten Staatspräsident Emmanuel Macron und mehrere Minister bereits in der ersten Hälfe dieser Woche. Am gestrigen Dienstag, den 25. April verzichtete Macron etwa in Vendôme, zwischen 100 und 200 Kilometer westlich von Paris auf das geplante „Bad in der Menge“ und floh im Hubschrauber zurück nach Paris. In der zentralfranzösischen Stadt traf Emmanuel Macron mit Beschäftigten im Gesundheitswesen zusammen und versprach Verbesserungen auf diesem Sektor, jedoch ohne konkrete Beschlüsse. Sein Gesundheitsminister François Braun hatte am selben Tag mit der Ablehnung von Krankenhausbeschäftigten zu kämpfen…“ Artikel von Bernard Schmid vom 26.4.2023 – wir danken!

Einen „historischen und aggressiven ersten Mai befürchtet der französische Inlandsgeheimdienst… Regierungsbesuche werden schwierig – Ablenkung durch Ausländergesetz gesucht

Einen „historischen und aggressiven ersten Mai“ dieses Jahres befürchtet der französische Inlandsgeheimdienst, und sagt Demonstrationen erheblichen Ausmaßes bevor. (Vgl. bspw. https://www.europe1.fr/politique/info-europe-1-1er-mai-le-renseignement-attend-80000-a-100000-personnes-dans-les-rues-de-paris-4179755 externer Link)

An jenem Tag werden die französischen Gewerkschaften zum nächsten Mal zusammen auf die Straße gehen. Auch, aber nicht nur gegen die umkämpfte Rentenreform. Einen Vorgeschmack darauf erhielten Staatspräsident Emmanuel Macron und mehrere Minister bereits in der ersten Hälfe dieser Woche. Am gestrigen Dienstag, den 25. April verzichtete Macron etwa in Vendôme, zwischen 100 und 200 Kilometer westlich von Paris auf das geplante „Bad in der Menge“ und floh im Hubschrauber zurück nach Paris. (Vgl. https://www.leparisien.fr/politique/macron-a-vendome-le-president-rentre-a-paris-sans-bain-de-foule-25-04-2023-6LR4ZSKAVBHZJCW7DFVT4VBFBI.php externer Link und https://www.youtube.com/watch?v=shRspsnpe5E externer Link und https://www.dailymotion.com/video/x8kekpv externer Link oder https://www.youtube.com/watch?v=y_uKdHRqewc externer Link ) In der zentralfranzösischen Stadt traf Emmanuel Macron mit Beschäftigten im Gesundheitswesen zusammen und versprach Verbesserungen auf diesem Sektor, jedoch ohne konkrete Beschlüsse.

Sein Gesundheitsminister François Braun hatte am selben Tag mit der Ablehnung von Krankenhausbeschäftigten zu kämpfen. (https://www.francebleu.fr/infos/sante-sciences/chu-de-poitiers-monsieur-braun-votre-politique-nous-empeche-de-travailler-la-cgt-interpelle-le-ministre-6306059 externer Link) Und sein Kollege im Bildungsressort, Pap Ndiaye, steckte am Montag Abend nach der Ankunft in Paris in einem Zug fest, weil in der Bahnhofshalle demonstriert wurde; schon im Laufe des Tages hatte er in Lyon feindselige Demonstrationen beobachten müssen. (Vgl. https://www.leparisien.fr/politique/lyon-le-ministre-pap-ndiaye-oblige-de-revoir-le-programme-dun-deplacement-a-cause-des-manifestants-24-04-2023-AGQGZTB6QBEFREPVXEJ7OEHAAE.php externer Link und https://www.bfmtv.com/paris/paris-pap-ndiaye-bloque-momentanement-dans-son-train-en-raison-de-la-presence-de-manifestants-a-la-gare-de-lyon_AN-202304240911.html externer Link)

Bei einer Umfrage erklärten 56 % ihr Verständnis für Präsidentenbeleidigungen (im Zusammenhang mit den jüngsten sozialen und politischen Auseinandersetzungen). (Vgl. https://www.bfmtv.com/politique/elysee/pour-56-des-francais-les-insultes-vis-a-vis-d-emmanuel-macron-sont-comprehensibles-sondage-bfmtv-elabe_VN-202304240679.html externer Link) In diesem Zusammenhang müssen nun drei Personen, die am Mittwoch voriger Woche (19. April) im elsässischen Sélestat aus Anlass eines anderen präsidialen Besuchs protestiert hatten, im September d.J. wegen „Amtsträger-Beleidigung“ zu einem Strafprozess vor Gericht antanzen.

Dabei war im Zusammenhang mit Emmanuel Macrons Visite in Vendôme ein Anti-Terrorismus-Gesetz aktiviert worden, um Zusammenrottungen zu verbieten, was dann jedoch durch das zuständige Verwaltungsgericht in Orléans aufgeboben wurde. (Vgl. https://www.liberation.fr/checknews/deplacement-de-macron-une-loi-anti-terroriste-de-nouveau-utilisee-pour-interdire-une-manifestation-a-vendome-un-refere-liberte-a-ete-depose-20230425_3F5Z5XKDWFCCNGYJ7TVTQGVLOA/ externer Link und https://www.liberation.fr/checknews/macron-a-vendome-le-tribunal-administratif-suspend-larrete-interdisant-les-manifestations-20230425_Z67XZITOJNERJDYU2Q223UL2NE/ externer Link sowie https://www.larep.fr/orleans-45000/actualites/visite-d-emmanuel-macron-a-vendome-le-tribunal-administratif-d-orleans-suspend-l-arrete-sur-le-perimetre-de-protection_14299870/ externer Link)

Zu den Strategien, mit denen Macron aus der Defensive wieder herauskommen möchte, in welche er sich manövrierte, zählt aber auch ein indirekter doch deutlicher Appell an die extreme Rechte, welche – einmal mehr – zur hauptsächlichen Oppositionskraft aufgebaut oder hochstilisiert werden soll. Sei es auf dem Umweg über die Medien oder auch dadurch, dass man durch das Anschneiden bestimmter Themen einschlägig bekannte Resonanzböden zum Schwingen bringt, um Ressentiments zu mobilisieren.

In seinem Interview bei der Boulevardzeitung Le Parisien vom Montag, den 24. April 23 kündigte Emmanuel Macron etwa an, das Vorhaben der Verabschiedung eines neues Ausländergesetzes zu reaktivieren – schließlich hat es seit 1980 auch erst 29 aufeinanderfolgende Ausländergesetze (Stand: 2022) gegeben, eines alle siebzehn Monate. Hauptsache, dass die Politik aufzeigen kann, dass sie irgendwo noch Handlungsspielräume aufweist, die ihr in Sachen Steuerung der Ökonomie weitgehend abhanden kamen. Im Dezember 22 hatte Macrons Innenminister Gérald Darmanin einen Entwurf dazu aufgelegt. Doch nachdem die Auseinandersetzungen um die Rentenreform unter Beweis gestellt hatten, dass es derzeit keine parlamentarische Mehrheit gibt, weswegen das Reformgesetz ja dann auch ohne Abstimmung der Abgeordneten per Vertrauensvotum durchgesetzt wurde, ließ die Regierung davon zunächst ab. Nun soll das Projekt erneut auf die Tagesordnung gesetzt werden.

Dies scheint jedoch brandgefährlich. Denn nur im Zusammenspiel mit der konservativen Oppositionspartei Les Républicains (LR) könnte das Regierungslager eine parlamentarische Mehrheit erlangen, wie nicht zuletzt die Rentenreform zeigte, bei der es just an einer Zustimmung einer Mehrheit der LR-Abgeordneten fehlte. Darmanin baut darauf, Verschärfungen etwa bei der Verhängung von Ausreiseverpflichtungen und bei Abschiebungen könnten auch bei LR zustimmungsfähig sein. Doch die konservative Partei wählte im Dezember einen neuen Vorsitzenden, Eric Ciotti, der auf mehreren Feldern – „Innere Sicherheit“, Bürgerrechtspolitik, Einwanderung, Islam, nationale Identität – ideologisch einen erklärten Wettbewerb mit der extremen Rechten betreibt. Ciotti hatte im September 2021 erklärt, falls es zu einer Stichwahl um die Präsidentschaft zwischen Macron und dem Rechtsextremen Eric Zemmour käme, würde er für Zemmour stimmen, doch ist ihm Marine Le Pen sozialpolitisch „zu links“, ebenso wie aus Sicht Zemmours.

Würde das Regierungslager eine Zustimmung von LR suchen, könnte es diese bei einer Mehrheit der konservativen Abgeordneten nur finden, indem es den Text auch für die extreme Rechte zustimmungsfähig macht. Dies scheint jedoch zumindest nach dem derzeitigen Stand der Pläne zum Scheitern verurteilt. Denn Macron und Darmanin möchten sowohl neue Härten für straffällige Ausländer und sonstige Ausreisepflichtige einführen als auch dem Arbeitskräftebedarf von Unternehmen etwa im Gaststätten- und Baugewerbe entgegenkommen, indem es die „Legalisierung“ ausländischer Arbeitskräfte im Falle von Arbeitskräftemangel erleichtert. Letzterer Punkt jedoch empört den rechten Flügel von LR ebenso wie den Rassemblement national (RN) und Zemmour, die unisono eine Katastrophe in Gestalt einer „massenhaften Einladung von Illegalen zum Abholen von Aufenthaltstiteln“ heraufbeschwören.

Ob es je zur Annahme eines solchen Entwurfs in naher Zukunft kommt, bleibt derzeit fraglich. Erreicht wird jedoch auf jeden Fall, dass Marine Le Pen als Oppositionsführerin auf der Rechten erneut fest im Sattel sitzt. Am Samstag, den 22. April früh konnte die Chefin der Parlamentsfraktion des RN beim Besuch einer Landwirtschafsmesse in Beaucroissant, in der Nähe von Grenoble, in der Menge baden. Umfragen verkünden ihr, würde am kommenden Sonntag eine neue Präsidentschaftswahl stattfinden, zu der Macron und sie selbst erneut kandidieren, würde sie dieses Mal mit 55 Prozent in der Stichwahl haushoch gewinnen.

Letzte Meldung dazu: An diesem Mittwoch zwischen 12.30 Uhr und 13 Uhr gab Frankreichs Premierministerin Elisabeth Borne eine Pressekonferenz zu ihrem Programm während der kommenden einhundert Tage, für welche Emmanuel Macron in dessen TV-Ansprache am Abend des 17. April Weichenstellungen angekündigt hatte. Dabei erklärte sie in einem Atemzug, es gebe „derzeit keine Mehrheit“ für die Verabschiedung eines neuen Ausländergetzes, weshalb dieses „verschoben“ werden solle; doch im September d.J. solle es erneut auf die Tagesordnung kommen. (https://www.ladepeche.fr/2023/04/26/feuille-de-route-des-cent-jours-emploi-immigration-education-ce-quil-faut-retenir-des-annonces-delisabeth-borne-11159288.php externer Link) Widersprüchlich? Hektischer Aktivismus? Oder doch ein Vorausblick auf eventuelle schmutzige Deals?

Fortsetzung folgt am Freitag…

Artikel von Bernard Schmid vom 26.4.2023 – wir danken!

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=211270
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