DAK-Gesundheitsreport 2023 u.a. übereinstimmend: Personalmangel macht krank

Dossier

Ausgebrannt. Betriebsräte als Lotsen für Burnout-BetroffeneBeschäftigte in Branchen mit Personalnot und Fachkräftemangel haben ein höheres Gesundheitsrisiko: Ein Viertel leidet unter Schmerzen, ein Drittel hat Schlafstörungen, mehr als die Hälfte ist komplett erschöpft. Überall in Deutschland fehlt Personal.  Das Institut der deutschen Wirtschaft rechnet bis 2030 mit einer Lücke von rund fünf Millionen Fachkräften. Der Krankenstand in Mangelberufen ist bereits heute mit bis zu 7,0 Prozent überdurchschnittlich hoch. (…) Besonders betroffen sind Kranken- und Altenpflegekräfte sowie alle, die in der Kinderbetreuung arbeiten. Die große Mehrheit von ihnen geht selbst krank zur Arbeit und betreibt somit Präsentismus – was das Gesundheitsrisiko noch erhöht…“ DAK-Meldung vom 19. April 2023 externer Link zum DAK-Gesundheitsreport 2023 externer Link : „Gesundheitsrisiko Personalmangel – Arbeitswelt unter Druck“. Siehe dazu weitere:

  • Die Ausgebrannten: Psychische Erkrankungen auf dem Höchststand, v.a. in Kitas und Altenpflege – ver.di erinnert an kollektive Gefährdungsanzeigen New
    • Psychische Erkrankungen auf Höchststand, Beschäftigte in Kitas und Altenpflege besonders belastet
      „Der Arbeitsausfall wegen Depressionen, Ängsten und Belastungsreaktionen hat auch 2023 weiter zugenommen und im Zehnjahresvergleich einen neuen Höchststand erreicht. Wie der aktuelle Psychreport der DAK-Gesundheit zeigt, stieg die Anzahl der Krankschreibungen im Vergleich zum Vorjahr um ein Fünftel. Beschäftigte in Kitas und in der Altenpflege waren besonders belastet. Sie hatten 2023 pro Kopf im Schnitt 5,3 Fehltage aufgrund einer psychischen Erkrankung. Das sind 65 Prozent mehr als im Durchschnitt aller Berufsgruppen. Die meisten Psych-Fehltage wurden von Depressionen verursacht, gefolgt von Belastungsreaktionen und Anpassungsstörungen. „Der weitere Anstieg der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen insbesondere in Kitas und Pflegeheimen ist besorgniserregend“, sagt DAK-Vorstandschef Andreas Storm. „Diese Berufsgruppen kümmern sich unter Druck durch Personalmangel um das Wohlbefinden anderer Menschen und sind dabei selbst hochgradig psychisch gefährdet. (…) „Wir müssen psychische Erkrankungen aus der Tabu-Zone holen“, sagt Andreas Storm. Der Psychreport der DAK-Gesundheit zeige, dass Betroffene heute eher bereit seien, eine Depression beispielsweise anzusprechen und sich Hilfe zu holen. „Wir brauchen Unterstützungen auch am Arbeitsplatz“, betont Storm. „Arbeitgeber sollten Stress und mögliche Belastungen in den Fokus rücken und sich verstärkt mit Fragen der psychischen Gesundheit ihrer Belegschaft beschäftigen.“ Das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) könne helfen, die Widerstandsfähigkeit der Organisation einer Firma zu stärken – und damit auch die der Belegschaft, so Storm. Die DAK-Gesundheit unterstützt Unternehmen im BGM und bietet beispielsweise eine Resilienzberatung mit Vorträgen, Seminaren und Workshops an. Die DAK-Gesundheit ist eine der größten gesetzlichen Krankenkassen Deutschlands und hat für den Psychreport 2024 die Daten von 2,4 Millionen DAK-versicherten Beschäftigten durch das Berliner IGES Institut auswerten lassen.“ DAK-Pressemitteilung vom 5. März 2024 externer Link zum 25-seitigen Psychreport 2024 externer Link vom 15. Februar 2024, siehe dazu auch:
    • Alarmierende Zahlen in DAK Psychreport 2024: Beschäftigte in Kitas und in der Sozialarbeit stark belastet – Politik und Arbeitgeber müssen endlich handeln
      Der aktuelle DAK Psychreport 2024 zeigt deutlich, dass sich der Fachkräftemangel und die herausfordernde Arbeitssituation massiv auf die psychische Belastung der Beschäftigten in Kitas und in der Sozialarbeit auswirkt. Damit bestätigt der DAK-Report Untersuchungen der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und der Hochschule Fulda, die durch ihre gemeinsamen Studien in den vergangenen Jahren mehrfach auf die Probleme aufmerksam gemacht haben. (…) Es gibt inzwischen einen Teufelskreis aus Überlastung, Erkrankung, Fluktuation und einer immer dünner werdenden Personaldecke. Zudem lässt sich deutlich zeigen, dass die Arbeitgeber ihrer Arbeitgeberfürsorge oft nicht nachkommen und gesetzlich vorgegebene Instrumente wie beispielsweise die Gefährdungsbeurteilung für psychische Belastung nicht anwenden und Überlastungsanzeigen des Personals nicht bearbeiten. „Der DAK Psychreport zeigt deutlich, wohin diese respektlose Misswirtschaft führt. Die Leidtragenden sind Kinder, Eltern und Beschäftigte. Die Kolleginnen und Kollegen können und wollen diesen Umgang mit ihrer Arbeitskraft, ihrem Engagement und ihrer Gesundheit nicht mehr hinnehmen“ (…) Deshalb rufe ver.di alle Beschäftigten in Kitas auf, sich an der Kollektiven Gefährdungsanzeige von ver.di zu beteiligen. Seit Anfang Februar gebe es die Möglichkeit, den Offenen Brief an die Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) zu unterschreiben. In diesem Offenen Brief werden die Gefährdungen für Beschäftigte und Kinder und die Gründe für die Gefährdungen deutlich benannt und die zuständigen Landesministerinnen und Landesminister aufgefordert, endlich Maßnahmen einzuleiten…“ ver.di-Pressemitteilung vom 07.03.2024 externer Link – siehe dort die Informationen zur Kollektiven Gefährdungsanzeige externer Link
    • Arbeitswelt: Die Ausgebrannten
      „… Immer mehr Beschäftigte können wegen psychischer Erkrankungen nicht arbeiten. (…) Über alle Berufsgruppen hinweg ist die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage, die auf psychische Ursachen zurückgingen, innerhalb der vergangenen zehn Jahre um 52 Prozent gestiegen, steht in dem Report der Krankenkasse, die dafür die Krankschreibungen der bei ihr versicherten 2,39 Millionen Beschäftigten ausgewertet hat. Dabei zeigte sich, dass Angehörige bestimmter Berufsgruppen ganz besonders belastet waren: Wer in Kindertagesstätten oder in der Altenpflege arbeitet, hatte im vergangenen Jahr im Durchschnitt 5,3 Fehltage wegen einer psychischen Erkrankung. Das lag 65 Prozent über dem durchschnittlichen Wert aller Berufsgruppen. (…) Auch Klinikpersonal sei überdurchschnittlich von psychischen Krankheiten betroffen. Der Zusammenhang von Personalmangel in den Kitas, Seniorenheimen und Krankenhäusern, entsprechend hohem Arbeitsdruck und daraus folgender psychischer Belastung sei offensichtlich. Den Betroffenen müsse Unterstützung angeboten werden, so Storm, ohne das weiter zu präzisieren. (…) Während DAK-versicherte Beschäftigte laut des am Dienstag vorgestellten »Psychreports 2024« insgesamt 323 Arbeitsunfähigkeitstage je 100 Versicherten hatten, waren Erzieher und Fachkräfte in der Altenpflege mit 534 bzw. 531 Tagen bezogen auf 100 Versicherte am häufigsten krankgeschrieben. Depressionen waren mit 122 Arbeitsunfähigkeitstagen ganz vorne; sie machten 38 Prozent der Fehltage wegen einer psychischen Diagnose aus. Belastungsreaktionen und Anpassungsstörungen – so werden Reaktionen auf belastende Lebensereignisse bezeichnet – stiegen um 29 Prozent auf 89 Krankheitstage. (…) »Die neuen strukturellen Bedingungen in der Arbeitswelt begünstigen den Anstieg der psychischen Erkrankungen«, stellte der Experte für betriebliches Gesundheitsmanagement, Volker Nürnberg, bei der Studienpräsentation fest…“ Artikel von Gudrun Giese in der jungen Welt vom 7. März 2024 externer Link
  • Pharma-Unternehmen haben den Sündenbock für die Rezession gefunden: Der Rekord-Krankenstand (trotz Rekord-Präsentismus) – die Studie und ein Kommentar von Armin Kammrad
    • Studie: Rekord-Krankenstand führte zur Rezession
      „Dass Deutschland im vergangenen Jahr in die Rezession gerutscht ist, wird vielfach mit den weltweiten Krisen begründet. Eine Studie der Pharmaindustrie kommt zu einem anderen Ergebnis: Ohne den rekordhohen Krankenstand wäre die Wirtschaft 2023 gewachsen. Im Schnitt 20 Tage fehlte jeder Arbeitnehmer im Job. Im Jahr 2023 hat der Krankenstand in Deutschland den Rekordwert von 2022 noch einmal übertroffen, was die deutsche Wirtschaft in die Rezession gedrückt hat. Das berichtet die „Rheinische Post“ mit Verweis auf eine Studie des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (VFA): „Erhebliche Arbeitsausfälle führten zu beträchtlichen Produktionseinbußen – ohne die überdurchschnittlichen Krankentage wäre die deutsche Wirtschaft um knapp 0,5 Prozent gewachsen“, heißt es demnach in der noch unveröffentlichten Studie. So aber sei die Wirtschaft um 0,3 Prozent geschrumpft. „Wäre der Krankenstand nicht erneut so hoch gewesen, wären im Jahr 2023 etwa 26 Milliarden Euro zusätzlich erwirtschaftet worden. Anstelle einer milden Rezession hätte es 2023 einen Zuwachs von knapp einem halben Prozent gegeben“, schreiben die Autoren Claus Michelsen und Simon Junker laut dem Bericht. Zudem seien der Krankenversicherung durch den enormen Krankenstand in den vergangenen beiden Jahren fünf Milliarden Euro verloren gegangen, der Krankenstand habe auch zu Steuermindereinahmen von 15 Milliarden Euro geführt. Dabei tragen die einzelnen Branchen unterschiedlich bei. So fallen laut der Studie rund 70 Prozent des Produktionsausfalls aufgrund der Größe der jeweiligen Branchen im Fahrzeugbau, im Maschinenbau, in der Metall-, in der Elektro-, in der Pharma- und in der Chemieindustrie an. In der Metallerzeugung war der Krankenstand mit 6,8 Prozent am höchsten, schreibt das Blatt…“ ntv-Meldung vom 26. Januar 2024 externer Link

      • Wer mehr zu der Argumentation des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (VFA) wissen will, kann sich direkt bei MacroScope Pharma, Ausgabe 01.24 externer Link informieren (inkl. 9-seitige PDF-Ausgabe). Lesenwert dazu aber auch:
      • Interview: Was kostet uns der hohe Krankenstand, Herr Michelsen?
        Im Spiegel online am 26. Januar 2024 befragt Florian Diekmann den Autor Claus Michelsen externer Link der Pharma-Studie u.a. danach, wie plausibel die Studienergebnisse sind und fragt: Bedeuten „Arbeitsausfälle automatisch weniger Wirtschaftsleistung? [Antwort Michelsen:] [Es] gibt da Flexibilitätspuffer. Oft springen etwa Kolleginnen und Kollegen ein und machen Überstunden. Oder die Qualität des Produkts kann angepasst werden – wenn zum Beispiel eine Servicekraft im Restaurant ausfällt, müssen die Gäste vielleicht nur ein bisschen länger auf ihr Essen warten. Das heißt, der Krankenstand überträgt sich nicht eins zu eins auf die Produktion. Wäre das der Fall, hätte uns der hohe Krankenstand im vergangenen Jahr sogar 1,7 Prozent an Wachstum gekostet. Er überträgt sich aber mit einem geringeren Faktor, den wir Ökonomen Elastizität nennen. (…) Wir haben verschiedene Informationen etwa des Bundesgesundheitsministeriums oder des IAB-Forschungsinstituts verwendet und kommen zum Schluss, dass das Verhältnis etwa bei zwei zu eins liegt: Ein Prozentpunkt mehr Krankenstand dämpft die Produktion ungefähr um ein halbes Prozent. Somit ergibt sich konservativ geschätzt das um 0,8 Prozentpunkte geringere Wirtschaftswachstum – das bedeutet übrigens für die Jahre 2022 und 2023 zusammengenommen einen Gesamtverlust von rund 50 Milliarden Euro. (…) Die Industrie ist aus zwei Gründen besonders stark betroffen: Erstens kann sie Arbeitsausfälle in geringerem Maß durch ein Absenken der Qualität ausgleichen – wie es etwa ein Restaurant kann. Zweitens ist der Krankenstand insbesondere in Zweigen wie der Metallbearbeitung oder der Chemie überdurchschnittlich hoch. (…) Wir haben die konjunkturelle Lage berücksichtigt. Die Ergebnisse haben unsere Befunde bestätigt. Allein der Autobranche sind in den vergangenen beiden Jahren 3,5 Milliarden Euro an Wertschöpfung durch den hohen Krankenstand verloren gegangen, im Maschinenbau waren es 3,1 Milliarden Euro…“
    • Kommentar von Armin Kammrad
      Einmal abgesehen vom tatsächlich hohen Krankenstand 2023. Es stellt sich dabei nicht nur die Frage, warum er so hoch ist, sondern auch, warum und wie er sich auf die Wirtschaftsleistung auswirkt. Ich bin kein Ökonom. Aber eindeutig ist, dass hier der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (VFA) nicht überzeugt. Denn er bietet als akzeptable Datengrundlage nur Angaben zum Erfassen des Krankenstandes an. Michelsen versucht nun trickreich beides zu verknüpfen. Doch warum „das Verhältnis etwa bei zwei zu eins“ liegen soll bleibt mysteriös, ermöglicht jedoch die Erfindung der sachfremden Rechnung, dass „ein Prozentpunkt mehr Krankenstand (…) die Produktion ungefähr um ein halbes Prozent“ dämpfen würde. Dass dies Quatsch ist, zeigt aber Michelsen selbst auf, wenn er die Industrie als besonders betroffen einstuft. Doch obwohl im Gaststättengewerbe gar nichts produziert wird, macht Michelsen Erkrankungen im Dienstleistungsbereich zur Produktionseinschränkung, was natürlich die wirklich verantwortlichen der Rezension dadurch entlastet, dass mehr Erkrankungen zusammenkommen. Das Ganze lässt sich noch zu einer Hetze selbst gegen diejenigen verschärfen, die sogar krank zur Arbeit gehen, in dem einfach mal der Durchschnitt bemüht wird, nachdem dann „im Schnitt“ jeder Arbeitnehmer 20 Tage gefehlt haben soll.
      Aber auch ansonsten ist die Pharma-Studie für mich, nicht viel mehr als ein ziemlich frecher Versuch, die wirklich Verantwortlichen für die wirtschaftliche Misere mit untauglichen Mitteln zu schonen. Sowohl der VFA als auch Michelsen im Interview betonen die Bedeutung von Überstunden – neben der Anpassung der Produktqualität – als wichtigen Hebel, dass sich der Krankenstand nicht auf das Wirtschaftswachstum zu negativ auswirkt. Das von Michelsen bemühte Verhältnis von zwei zu eins als Grund, meint offensichtlich in Wahrheit, dass es normal sein soll im Falle von Erkrankung für zwei zu arbeiten. Weil dies die abhängig Beschäftigen nicht können oder auch zu recht nicht wollen, sollen sie nun Schuld am schwachen Wachstum sein? Die deutlich näherliegende Wahrheit ist wohl die, dass die immer mehr erhöhte Ausbeutungsrate der menschlichen Arbeit mehr zu Erkrankungen führt. Zuviel Überstunden sind wahrlich nicht förderlich für die Gesundheit. Klar, gibt es auch Fachkräfteprobleme. Aber was ist mit angemessener Bezahlung bei angemessenen Arbeitsbedingungen? Mein schlichtes Fazit ist deshalb, dass das ungebremste Bestreben nach permanent wachsender leistungsloser Rendite der entscheidende Grund für Überproduktion und Rezension, und Erkrankung der abhängig Beschäftigten ein nicht ganz zufälliges Nebenprodukt (z.B. zu viel Überstunden) ist. Denn man kann es auch mit der Ausbeutung der Arbeitskraft von abhängig Beschäftigten übertreiben. Dieser versteckten Botschaft für mehr – wenn auch schlechtbezahlte – Mehrarbeit und Vernachlässigung der eigenen Gesundheit zugunsten von Profitinteressen, sollte niemand folgen. Eher scheint das Gegenteil angebracht: Gesundbleiben doch deutlich weniger Arbeit – ohne Lohnverzicht natürlich.“ Kommentar von Armin Kammrad vom 27. Januar 2024 – wir danken!
    • Interessant dazu ein Tortendiagramm zur Frage „Ich habe trotz Krankheit gearbeitet“:
      56,9 % sagten: manchmal oder selten
      26,6% sagten: häufig oder sehr häufig
      16,5% sagten: nie
      Die Grafik ist im Beitrag von Luisa Billmayer und Anne-Kathrin Dippel vom 07.12.2023 bei ZDFheute externer Link: „BKK-Gesundheitsreport: Erkältungen führen zu Rekord bei Krankentagen“, die Daten aus einer Studie der Techniker Krankenkasse externer Link (2022): Präsentismus in einer zunehmend mobilen Arbeitswelt
    • Siehe dazu auch unser Dossier: „Negativrekordwert“: 2022 höchster Krankenstand seit einem Vierteljahrhundert
  • 3. Quartal 2023: Ungewöhnlich viele Fehlzeiten, insbesondere wegen Depressionen und Angststörungen, Jahreshöchstwert absehbar
    • Krankenstand: Erneuter Anstieg der Psych-Fehltage
      DAK-Gesundheit analysiert als erste große Kasse die Krankschreibungen für das 3. Quartal 2023 • Fast ein Viertel mehr Fehltage wegen Depressionen und Angststörungen
      Von Juli bis September 2023 gab es für ein Sommerquartal ungewöhnlich viele krankheitsbedingte Arbeitsausfälle in Deutschland. Der Krankenstand lag im 3. Quartal 2023 mit 5,0 Prozent über dem schon sehr hohen Niveau des Vorjahresquartals mit 4,7 Prozent. Im Durchschnitt hatte jeder und jede Beschäftigte fast fünf Fehltage – obwohl es keine Sommergrippewelle gab. Verantwortlich für den weiterhin sehr hohen Krankenstand war vor allem ein erneuter Anstieg bei den psychischen Erkrankungen. Laut Fehlzeitenanalyse der DAK-Gesundheit gab es rund ein Viertel mehr Fehltage wegen Depressionen oder Angststörungen als im Vorjahresquartal. Die Kasse erwartet bis zum Jahresende insgesamt einen neuen Höchststand mit durchschnittlich über 20 Fehltagen pro Kopf. DAK-Vorstandschef Andreas Storm warnt vor einem Teufelskreis durch den erhöhten Krankenstand und wachsenden Personalmangel. „Die Nachwirkungen der Pandemie, die Unsicherheit in Deutschland durch die vielen Krisen in der Welt: Das alles belastet die Psyche der Menschen zunehmend“, sagt Andreas Storm, Vorstandschef der DAK-Gesundheit. „Dazu kommt, dass viele Branchen durch Personalmangel unter besonderem Druck stehen (…)
      Prognose: Weit mehr als 20 Fehltage pro Kopf zum Jahresende
      Die DAK-Gesundheit prognostiziert – bedingt durch die anstehende Erkältungssaison – noch stärker steigende Fehlzeiten im 4. Quartal und einen neues Jahreshöchstwert. „Aufgrund unserer Analyse gehen wir davon aus, dass wir 2023 zum ersten Mal seit vielen Jahren insgesamt auf deutlich über 20 Fehltage pro Beschäftigte und Jahr kommen werden“, sagt Andreas Storm. Der stark erhöhte Krankenstand treffe Deutschland in Zeiten eines steigenden Personalmangels und sei eng mit diesem verknüpft. Firmen und Betriebe in Deutschland sollten auch im eigenen Interesse verstärkt auf den Gesundheitsschutz ihrer Mitarbeitenden achten und Ressourcen ins Betriebliche Gesundheitsmanagement investieren…“DAK-Meldung vom 1. November 2023 externer Link, siehe auch andere:
    • Krankenkassen verzeichnen Rekordhoch bei Krankschreibungen
      „Es gab keine Sommergrippe-Welle und fast keine Corona-Fälle mehr, dennoch verzeichnen die Krankenkassen einen Rekord bei Krankenschreibungen. Woran liegt das?
      Deutschland steuert in diesem Jahr auf Rekordzahlen bei Krankmeldungen zu. Das geht aus Daten der mitgliederstärksten Krankenkassen hervor, die der Düsseldorfer Rheinischen Post vorliegen. Nach Angaben der DAK-Gesundheit lag demnach der Krankenstand im dritten Quartal mit 5 Prozent über dem bereits sehr hohen Niveau von 4,7 Prozent im Vorjahreszeitraum. Im Schnitt hatte jeder DAK-versicherte Beschäftigte damit in dem Quartal fast fünf Fehltage, obwohl es keine Sommergrippe-Welle gab und das Corona-Infektionsgeschehen nahezu zum Erliegen gekommen war. Auch wenn der Kasse noch keine abschließenden Zahlen für Oktober vorlagen, prognostizierte DAK-Vorstand Andreas Storm Rekordwerte bis Jahresende.
      Die Techniker Krankenkasse registrierte laut Zeitung einen Krankenstand von 5,10 Prozent in den ersten zehn Monaten des Jahres, wie es hieß. Im Vorjahreszeitraum waren es mit 5,17 Prozent ähnlich viele. Die meisten Fehltage seien auf Erkältungskrankheiten wie Grippe, grippale Infekte oder Bronchitis zurückzuführen, gefolgt von psychischen Diagnosen und Krankheiten des Muskelskelettsystems, wie zum Beispiel Rückenschmerzen.
      Auch bei der Barmer dokumentierte man laut Angaben der Rheinischen Post zuletzt einen erhöhten Krankenstand. In den ersten zehn Monaten im Jahr 2023 seien rund sechs Millionen Krankengeld-anspruchsberechtigte Versicherte mindestens einmal krankgeschrieben gewesen. „Das entspricht einem Zuwachs von rund zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum“, teilte die Kasse mit
      …“ Agenturmeldung vom 25.11.2023 in der Berliner Zeitung online externer Link – und wer ist schuld:
    • Generation Z bei der Arbeit; Junge Beschäftigte fallen immer häufiger aus
      Im vergangenen Jahr haben unter 30-jährige Arbeitnehmer so viele Krankenscheine eingereicht wie nie zuvor. Vor allem die Zahl der Fehltage wegen seelischer Beschwerden nahm zu.
      Im Jahr 2022 haben sich Berufstätige unter 30 Jahren im Schnitt knapp dreimal arbeitsunfähig gemeldet – mehr als je zuvor. Das ergab eine Untersuchung der AOK Rheinland/Hamburg in Zusammenarbeit mit dem Institut für Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF-Institut), ausgewertet wurden dafür die Daten von mehr als 300.000 berufstätigen Versicherten unter 30 Jahren. Im Mittel wurden Krankenscheine im Jahr 2022 demnach über eine Zeit von 6,8 Kalendertagen ausgestellt, zusammengerechnet fielen junge Beschäftigte somit im Schnitt rund 19 Kalendertage aus…“ Beitrag vom 23.11.2023 im Spiegel online externer Link
  • »Viele schleppen sich ohne Kraft zur Arbeit«: Die Erschöpfungsepidemie – ein Weckruf für die Arbeitswelt
    • Die Erschöpfungsepidemie – ein Weckruf für die Arbeitswelt. Eine aktuelle Studie zur Erschöpfungssituation in Deutschland zeichnet ein alarmierendes Bild
      „… In der Mitte eines Großraumbüros steht ein Schreibtisch, der mit Aktenbergen und Papierstapeln überhäuft ist. Dort sitzt Thomas, ein Beamter in mittleren Jahren, mit einem Ausdruck der Verzweiflung auf dem Gesicht. Er starrt auf einen Stapel Formulare und seufzt tief. Thomas ist erschöpft, so wie mehr als die Hälfte der deutschen Arbeitnehmer*innen. Das ergibt eine aktuelle Studie, die im Auftrag des Beratungsunternehmens Auctority durchgeführt wurde. Sie zeichnet ein alarmierendes Bild von der Erschöpfungssituation in Deutschland. Mehr als die Hälfte der Befragten gibt an, sich erschöpft zu fühlen. Besonders auffällig ist der Zusammenhang zwischen der Erschöpfung und dem Arbeitsleben. Menschen im Alter von 30 bis 49 Jahren, oft in der Hochphase ihrer beruflichen Karriere, sind am stärksten betroffen. Die Arbeitsbelastung wird von vielen als Hauptursache für ihre Erschöpfung genannt. Mehr als 40 Prozent der Menschen glauben, dass die Erschöpfung in Zukunft noch zunehmen wird. Von den Erwerbstätigen sind Angestellte am stärksten betroffen (65 Prozent), gefolgt von Beamt*innen (58 Prozent) und Arbeiter*innen (55 Prozent). (…) Ein weiteres Problem, das in der Studie identifiziert wurde, ist die sinnlose Arbeit. Viele Menschen, ganze 40 Prozent der Befragten, empfinden ihre Arbeit als bedeutungslos und unproduktiv. Das gilt insbesondere für unsere Beamtinnen und Beamten. Sie sind zwar nicht die insgesamt erschöpfteste Gruppe, aber die, die am stärksten unter als sinnlos empfundener Arbeit leidet. Das gaben über 65 Prozent von ihnen an. (…) Dabei glaubt nur ein Viertel der Berufstätigen, ihre Erschöpfung überhaupt wieder loswerden zu können. In einer Zeit, in der Menschen in einer immer schnelllebigeren und stressigen Umgebung arbeiten, müssen wir ernsthaft darüber nachdenken, wie wir die Belastungen reduzieren können. Um angesichts extremer Arbeitsverdichtungen und wachsender Belastungen zu verhindern, dass Arbeit krank macht, setzt ver.di auf gesetzliche Regelungen und auf einen besseren betrieblichen Gesundheitsschutz…“ ver.di-Meldung vom 14. September 2023 externer Link zur 8-seitigen ver.di-Broschüre externer Link „Aktiv gegen Überlastung und Gefahren“
    • »Viele schleppen sich ohne Kraft zur Arbeit«. Bayern: Zahl der Krankschreibungen erreicht laut DAK neue Höchstwerte
      „…Schon im vergangenen Jahr stiegt der Krankenstand sprunghaft an: von vier auf 5,5 Prozent. Und dieser Trend hält an. Die DAK hat die Hintergründe erforschen lassen. Es ist der stark zunehmende Stress, der insbesondere durch den Personalmangel erzeugt wird, genauer: dadurch, dass die Chefs von den Beschäftigten trotz Personalmangels und unbesetzter Stellen dennoch die gleiche oder sogar eine höhere Leistung erwarten. Die drei dominierenden Krankheitsursachen sind Atemwegserkrankungen, insbesondere bedingt durch Covid-19 und Grippe, Muskel-Skelett-Erkrankungen und psychische Erkrankungen. Davon abgesehen, dass viele Beschäftigte erkältet zur Arbeit gehen und ihre Kollegen anstecken, schmälert Stress die Widerstandskräfte, erhöht die Anfälligkeit zum Beispiel auch für Bandscheibenschäden und insbesondere das Risiko, an psychischen Erschöpfungssyndromen und Depressionen zu erkranken. Viele schleppen sich zur Arbeit, obwohl sie keine Kraft mehr haben, brechen dann völlig zusammen, sind verzweifelt. Die Arbeitsbedingungen sind in vielen Bereichen nahezu unerträglich geworden, insbesondere in der Pflege.
      [Während Unternehmen teilweise traumhafte Profite einfahren, ist es um die geistige Gesundheit der Lohnabhängigen so schlecht bestellt wie lange nicht mehr. Was treibt die Menschen um?]
      Die Ursachen und mitspielenden Faktoren sind hochkomplex. Hier kann ich nur stichpunktartige Hinweise geben. Die Welt, wie wir und unsere Eltern sie noch kannten, die Wirtschaftswunderzeit, all das ist vorbei. Das erzeugt Unsicherheit und Angst. Es stellen sich für jeden einzelnen viele Fragen: Kann ich noch mithalten mit all den Veränderungen am Arbeitsplatz und im gesamten Leben? Wie sieht die Zukunft aus? Was soll aus mir, meinen Kindern, meinen Enkeln werden? Muss ich mich darauf einstellen, dass ich trotz Arbeit, wenn ich die überhaupt noch schaffen kann, Abstriche an meinem Lebensstandard machen muss? Muss ich mit 75 noch arbeiten, z. B. Regale im Supermarkt auffüllen? Obwohl mein Rücken total kaputt ist? Muss ich mich mit Medikamenten vollpumpen? Diese Welt, wie sie seit Jahrzehnten durch die kapitalistische Industrie zerstört wird, die zunehmenden Kriege, Flüchtlinge, Dürren, Hungerkatastrophen, all das treibt Menschen auch hierzulande in eine Stimmung der Überforderung und Hoffnungslosigkeit. Dazu passt, dass sich immer mehr Vorgesetzte wie kleine absolute Fürsten geben, dass überall die Rücksichtslosigkeit zunimmt. (…)
      Was fehlt, ist eine starke linke Kraft, eine starke linke Bewegung in unserem Land und auch weltweit. Eine für die gebeutelten und verängstigten Menschen glaubhafte Alternative. Es fehlt an einer Vorstellung von einem anderen Zusammenleben, einer solidarischen und menschlichen Art zu leben und zu arbeiten. An einer Vorstellung, dass nicht der materielle Wohlstand, sondern Zeitwohlstand, das liebende Miteinander, gemeinsames Essen und Trinken, die Sorge füreinander, dass das die entscheidenden Punkte sind, die uns glücklich machen können. Gewendet auf den Arbeitsplatz: dass wir unsere Gedanken und Gefühle miteinander besprechen, uns öffnen, uns austauschen und untereinander absprechen, wie wir den Zumutungen des Kapitals schon im kleinen gemeinsam entgegentreten können…“ Interview von Hendrik Pachinger in der jungen Welt vom 12.09.2023 externer Link mit Wolfgang Hien 
  • Fehlzeiten wegen Depressionen & Co. stark gestiegen: Mehr Arbeitsausfälle im 1. Halbjahr 2023 – 48 Prozent der Berufstätigen häufig gestresst
    „Personalmangel, Nachwirkungen der Corona-Pandemie, Inflation und Teuerung, soziales Ungleichgewicht: Die psychischen Belastungen bei Berufstätigen haben in den ersten Monaten dieses Jahres drastisch zugenommen. Laut Daten der KKH Kaufmännische Krankenkasse sind die Fehlzeiten wegen seelischer Leiden vom ersten Halbjahr 2022 auf das erste Halbjahr 2023 um 85 Prozent gestiegen – so stark wie nie in der jüngeren Vergangenheit. Demnach kamen in den ersten sechs Monaten dieses Jahres auf 100 KKH-Mitglieder 303 Ausfalltage. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 164 Tage. „Diese Entwicklung ist alarmierend, denn wir haben schon jetzt fast das Niveau des gesamten Jahres 2022 erreicht“, sagt KKH-Arbeitspsychologin Antje Judick. „Mit Blick auf die Jahre zuvor liegen wir sogar schon über dem Durchschnitt.“ (…) Neben dem Fehlzeitenhoch registriert die KKH auch eine Zunahme der Krankheitsfälle aufgrund seelischer Leiden. So stieg die Arbeitsunfähigkeitsquote (AU-Quote), also die Zahl der Krankschreibungen im Verhältnis zu den berufstätigen Mitgliedern, im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund 32 Prozent. „Der besonders starke Zuwachs bei den Fehlzeiten deutet darauf hin, dass es zunehmend schwere, langwierige Fälle von psychischen Erkrankungen gibt“, sagt Antje Judick. (…) Am häufigsten diagnostizierten Ärzte hingegen akute Belastungsreaktionen und Anpassungsstörungen. Sie machen mit aktuell 41 Prozent nicht nur die Mehrheit aller psychisch bedingten Krankschreibungen aus. Hier stieg die AU-Quote auch am stärksten an (plus 42 Prozent). „Dies zeigt wiederum, dass immer mehr Arbeitnehmer*innen unter ungewöhnlichem Druck, großen Belastungen und Dauerstress stehen“, erläutert Judick. Besonders betroffen seien Beschäftigte in sozialen Berufen wie in der Alten- und Krankenpflege, in der Kinderbetreuung sowie im Verkauf. Eine forsa-Umfrage im Auftrag der KKH bestätigt den hohen Stresslevel bei Erwerbstätigen: So fühlen sich 90 Prozent von ihnen zumindest gelegentlich gestresst, rund die Hälfte davon sogar häufig oder sehr häufig. (…) Jede*r sechste Berufstätige leidet unter stressbedingten Angstzuständen…“ KKH-Pressemeldung vom 9. August 2023 externer Link

Siehe zum Thema auch:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=211035
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