Braunschweig und Berlin: Zwei Tote in Polizeigewahrsam im Januar 2023

Dossier

Death in Custody„Die Umstände des Todes eines in Polizeigewahrsam in Braunschweig gestorbenen Mannes bleiben weiter unklar. Die zuständige Staatsanwaltschaft teilte »nd« mit, dass die Todesursache des 38-Jährigen bei einer Obduktion in der Medizinischen Hochschule Hannover nicht festgestellt werden konnte. Die bisherigen Untersuchungen hätten aber keine Hinweise auf »relevante beziehungsweise todesursächliche Gewalteinwirkungen« ergeben. Unabhängige Angaben zu dem Vorfall gibt es bislang nicht. Auf Instagram wurde jedoch am Sonntag das Foto einer intubierten schwarzen Person veröffentlicht, es zeigt angeblich angeblich den Verstorbenen. »Man sieht, er wurde geschlagen«, schreibt der anonyme Verfasser dort. Demnach handelt es sich bei dem Toten um seinen Onkel. Die weiteren Ermittlungen werden wie in derartigen Fällen oft üblich nicht durch die betroffene Polizeistelle, sondern durch die benachbarte Polizeiinspektion in Gifhorn geführt…“ Artikel von Matthias Monroy vom 9. Januar 2022 in Neues Deutschland online externer Link und weitere Informationen:

  • Tod im Polizeigewahrsam: Festgenommener war gar nicht Täter. Ein in Braunschweig auf der Polizeiwache verstorbener Schwarzer Mann war das Opfer New
    „… Im Fall des Schwarzen Mannes, der nach seiner Ingewahrsamnahme durch die Braunschweiger Polizei gestorben ist, gibt es eine Wende. Wie die Braunschweiger Zeitung unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft berichtete, war der Mann mit dem Spitznamen Johnson gar nicht der Täter, sondern das Opfer. Die Ereignisse spielten sich am Neujahrsmorgen 2023 in Braunschweigs Kultviertel ab. Die Polizei wurde in die Kneipe „Charlie Chaplin“ gerufen, wo sie vier durch Pfefferspray Verletzte vorfand. Drei der Verletzten und einige weitere Gäste deuteten nach Auskunft der Polizei auf den 38-jährigen Mamadou B. alias Johnson. „Eine Vielzahl von Zeugen hat ihn als Täter identifiziert“, sagte Polizeisprecher Dirk Oppermann. (…) Nach fast fünf Monaten ist noch immer unklar, warum B. bewusstlos wurde und woran er starb. Körperliche Gewalt, die zu Brüchen oder inneren Verletzungen geführt hätte, schließt die Staatsanwaltschaft aus. B. war bei seiner Ingewahrsamnahme von den Polizisten zu Boden gebracht und zum Streifenwagen geschleift worden. (…) Den langen Untersuchungszeitraum erklärt sie damit, dass es nur wenige Spezialisten für neuropathologische Untersuchungen gebe. Damit ließe sich etwa feststellen, ob B. einen epileptischen Anfall hatte. Überdies müssten diese Untersuchungen aufwendig vorbereitet werden. Klar ist aber inzwischen, dass Mamadou B. nicht Täter, sondern Opfer war. Wie die Auswertung einer Videoaufnahme durch die Staatsanwaltschaft ergeben hat, war es entgegen der Zeugenaussagen nicht B., der das Pfefferspray einsetzte. Vielmehr verletzten offenbar drei junge Männer im Alter von 20, 21 und 26 Jahren B. und andere Gäste. B. sei nicht der eigentliche „Störer“ gewesen. (…) Das Schicksal B.s war nach dem Bericht der Braunschweiger Zeitung auch Gegenstand einer Kundgebung am Samstagnachmittag auf dem Schlossplatz. Die Teilnehmer wollten an den zweifachen Vater aus Guinea erinnern und forderten, die Umstände seines Todes vollständig aufzuklären. „Wir wollen eine Erklärung und verlangen Gerechtigkeit“, wird ein Teilnehmer zitiert. (…) Kritik am Vorgehen der Polizei hatte sich auch daran entzündet, dass Festgenommene, die vermutlich betrunken oder sonst wie unter Drogeneinfluss stehen, nicht ins Krankenhaus eingewiesen, sondern zum Ausnüchtern auf die Wache mitgenommen werden. Das entsprechende „Braunschweiger Modell“ wurde im Sommer 2020 vorgestellt. Nach ihm verfährt die Braunschweiger Polizei noch immer. Polizeisprecher Oppermann wies aber darauf hin, dass an Wochenenden und nach Feiertagen stets ein Arzt im Gewahrsam bereit stehe.“ Artikel von Gernot Knödler vom 23. Mai 2023 in der taz online externer Link, siehe auch:

    • Tot nach Gewahrsam: 38-Jähriger zu Unrecht beschuldigt
      „Im Januar ist ein 38-Jähriger in einer Klinik gestorben, nachdem er in einer Zelle der Polizei Braunschweig bewusstlos geworden war. Doch jetzt ist klar: Der Mann aus Guinea war zu Unrecht beschuldigt worden. Der Ingewahrsamnahme des 38-Jährigen war am Neujahrsmorgen das Versprühen von Pfefferspray in einer Gaststätte vorausgegangen. Die Staatsanwaltschaft hat ermittelt, dass der Verstorbene gar nicht der Täter, sondern ein Opfer der Pfeffersprayattacke gewesen ist. Darüber hatte zunächst die „Braunschweiger Zeitung“ berichtet. (…) Die Ingewahrsamnahme sei nach derzeitiger Einschätzung aber „völlig in Ordnung“ gewesen. „Zwar war der später Verstorbene nicht Täter, sondern Opfer der vorangegangen Pfeffersprayattacke, aber die Ingewahrsamnahme beruhte auf dem unkooperativen und aggressiven Verhalten des 38-Jährigen gegenüber der Polizei, weshalb er zur Vermeidung weiterer Straftaten in Verhütungsgewahrsam genommen wurde“, sagte Wolters auf Nachfrage. (…) Als eine Ärztin dem Mann damals in Polizeigewahrsam Blut abnehmen wollte, soll sie den 38 Jahre alten Mann bewusstlos in der Zelle aufgefunden haben. Er starb zwei Tage später im Krankenhaus. Woran der 38-jährige Mann gestorben ist, ist fast fünf Monate nach seinem Tod allerdings noch immer nicht klar. Es stünden noch die Ergebnisse eines neuropathologischen Gutachtens aus, mit dem etwa mögliche Schäden im Gehirn festgestellt werden könnten. Dass der 38-Jährige an Gewalt gestorben ist, könne aber ausgeschlossen werden, darauf gibt es laut Obduktion keine Hinweise, so die Staatsanwaltschaft. Bei einer Demonstration am Wochenende forderte der Verein für afrikanische Kultur, dass die Todesumstände aufgeklärt werden.“ NDR-Meldung vom 22. Mai 2023 bei Hallo Niedersachsen externer Link
  • Weiter im Artikel von Matthias Monroy vom 9. Januar 2022 in Neues Deutschland online externer Link: „… Eine von der Staatsanwaltschaft angeordnete toxikologische Untersuchung soll herausfinden, ob der Mann, bei dem Betäubungsmittel gefunden worden sein sollen, wegen des Konsums von Alkohol oder Drogen an einer Vergiftung verstarb. Dieses Ergebnis soll in den kommenden Tagen vorliegen. Eine weitere Untersuchung zu möglichen Vorerkrankungen werde »erfahrungsgemäß mehrere Wochen oder gar Monate« dauern, so die Staatsanwaltschaft. Der Mann war am Neujahrsmorgen in einer Gaststätte festgenommen worden, nachdem er nach Polizeiangaben Pfefferspray versprüht und mindestens vier Gäste verletzt hatte. Zeugen hätten den Mann als Tatverdächtigen benannt, gegen die Polizeikräfte soll er Widerstand geleistet haben. (…) Auch in Berlin-Tempelhof starb Anfang des Jahres ein Mann im Polizeigewahrsam. Der 68-Jährige sei am frühen Nachmittag »nach einem andauernden Hausfriedensbruch« eingeliefert worden, nachdem ein Richter einen Anschlussgewahrsam bis zum Ablauf des Tages angeordnet gehabt habe, so die Polizei in der bislang einzigen Pressemitteilung zu dem Vorfall. Gegen 20 Uhr habe eine Polizeiangestellte den Mann bei einem Kontrollgang regungslos im »Verwahrraum« liegen sehen. Dienstkräfte und ein sofort verständigter Notarzt hätten die Reanimation eingeleitet, der Mann sei aber noch vor Ort verstorben. »Nach der ersten Aussage einer Bereitschaftsärztin könnten gesundheitliche Umstände Grund für den Tod sein«, schrieb die Polizei in ihrer Meldung. Eine Obduktion zur Feststellung der genauen Todesursache sei im Institut der Rechtsmedizin der Charité durchgeführt worden, erklärte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Berlin auf Anfrage von »nd«. Demnach sei eine Lungenentzündung in Zusammenhang mit einer Corona-Erkrankung ursächlich gewesen. Der Mann habe außerdem eine Herzerkrankung gehabt. Anhaltspunkte für eine Fremdeinwirkung seien nicht festgestellt worden. Wie in Braunschweig wurde auch in Berlin eine toxikologisch-chemische Untersuchung veranlasst. Die weiteren Ermittlungen zur Todesursache übernahm die Kriminalpolizei der Direktion Süd, zu der auch der Bezirk Tempelhof gehört.“
  • Vergangenen Dienstag ist der 38-jährige #Johnson in Polizeigewahrsam in #Braunschweig gestorben. Er war in der Nacht auf den 01.01. von Polizisten festgenommen worden, eine Ärztin fand ihn bewusstlos in der Zelle, die sie betrat, um Johnson Blut abzunehmen. Laut Staatsanwaltschaft starb er in der Nacht auf Dienstag im Krankenhaus. Im Laufe der Woche soll eine Obduktion die Todesursache von #Johnson klären. Nur wenige Tage nach dem 18. Jahrestag vom Mord an Oury Jalloh erreichen uns wieder einmal Nachrichten, dass eine Person of Color in Polizeigewahrsam ums Leben kommt. Trotz der alltäglichen rassistischen Gewalt, die Schwarze und People of Color erfahren, können wir nicht vertrauen, dass in solchen Fällen die tatsächlich Schuldigen belangt werden. Wir sind in Gedanken bei Johnsons Familie und Freund*innen und bei allen Opfern rassistischer Polizeigewalt und fordern eine sorgfältige Aufklärung der Todesursachen und Konsequenzen für alle Verantwortlichen.“ Thread von Seebrücke vom 9. Jan. 2023 externer Link
  • „#Braunschweig Angehörige des 38jährigen haben sich an die Öffentlichkeit gewandt, der am 03.01.2023 in Polizeigewahrsam zu Tode kam: sie prangern rassistische #Polizeigewalt an…“ Thread von KOP Berlin vom 9. Jan. 2023 externer Link

Siehe auch:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=207712
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