Daten von Bundesregierung und Bundesagentur für Arbeit: Leiharbeit ist und bleibt Lohndumping

Dossier

Petition an Bundesvorstand und Tarifkommission Leiharbeit des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB): Gegen Leiharbeit und gegen den Missbrauch von Werkverträgen durch die Unternehmen! Equal Pay durchsetzen - Tarifvertrag Leiharbeit muss weg!„Nahezu zwei Drittel der Leiharbeitskräfte in Vollzeit haben ein Einkommen unterhalb der Niedriglohnschwelle und verdienen weniger als 2.344 Euro pro Monat (61,2%). Der Anteil an Niedriglohnbeziehenden liegt somit mehr als drei Mal über dem Wert in der Gesamtwirtschaft (18,1%). Die Medianentgelte von Leiharbeitskräften (2.083€) liegen 1.433 Euro (-40,8%) unter denen der Gesamtheit an Arbeitskräften (3.516€). Von den knapp 620.000 (619.841) Leiharbeitskräften, deren Daten zum Stichtag 31.12.2021 in die Statistik eingeflossen sind, liegt das Medianentgelt lediglich für 26.091 (4,2%) Beschäftigte in drei Berufshauptgruppen über dem Wert der Gesamtbeschäftigten der Berufshauptgruppe. Für die anderen (593.750 (95,8%)) Beschäftigten liegt das Medianentgelt unter dem Wert der Vergleichsgruppe…“ Nachricht von Susanne Ferschl vom 20. Dezember 2022 bei der Linksfraktion externer Link und mehr daraus/dazu zu 2021 sowie nun für 2022:

  • [Zahlen der Bundesregierung für 2022] Entgelte in der Leiharbeit um bis zu 38,8 Prozent geringer – weshalb sie meist vor der Equal-Pay-Pflicht endet New
    • Entgelte in der Leiharbeit
      Um Entgelte in der Leiharbeit geht es in der Antwort der Bundesregierung (20/10311) auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion (20/10028 externer Link ). Danach waren im Jahr 2022 rund 356.000 beziehungsweise 57,7 Prozent der rund 616.000 sozialversicherungspflichtig vollzeitbeschäftigten Leiharbeitnehmer der „Kerngruppe mit Angaben zum Entgelt“ im unteren Entgeltbereich tätig. Der Median des Bruttomonatsentgelt dieser Leiharbeitnehmer betrug im Jahr 2022 laut Bundesregierung 2. 254 Euro.“ Meldung vom 20.02.2024 beim Bundestag externer Link, siehe die Antwort der Bundesregierung (20/10311) vom 13.2.2024 externer Link und darin u.a. zu den Unterschieden nach Nationalität (entsprechend dem Autor der Anfrage):

      • „… Im Jahr 2022 war der Median des Bruttomonatsentgelts der sozialversicherungspflichtig vollzeitbeschäftigten Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer der Kerngruppe mit Angaben zum Entgelt mit 2 254 Euro um 1 430 Euro bzw. 38,8 Prozent geringer als derjenige von entsprechenden nicht in der Leiharbeit tätigen Vollzeitbeschäftigten mit 3 648 Euro. (…) Im Jahr 2022 war der Median des Bruttomonatsentgelts ausländischer sozialversicherungspflichtig vollzeitbeschäftigter Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer der Kerngruppe mit Angaben zum Entgelt mit 2 054 Euro um 490 Euro bzw. 19,3 Prozent geringer als derjenige von deutschen in der Leiharbeit tätigen Vollzeitbeschäftigten mit 2 544 Euro…“
    • Vor allem „Helfer“ in der Leiharbeit
      Von den im Jahr 2022 rund 1,4 Millionen beendeten Beschäftigungsverhältnissen in der Leiharbeit waren 90 Tage beziehungsweise drei Monate nach Beendigung rund 305.000 oder 22 Prozent der Personen erneut als Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer tätig, rund 521.000 oder 38 Prozent waren außerhalb der Leiharbeit sozialversicherungspflichtig beschäftigt, rund 98.000 oder sieben Prozent waren als Arbeitslose und rund 25.000 oder zwei Prozent als nicht arbeitslose Arbeitsuchende registriert. Diese Zahlen nennt die Bundesregierung in einer Antwort (20/10241 externer Link ) auf Kleine Anfrage (20/9981 externer Link ) der AfD-Fraktion.
      Aus der Antwort geht ferner hervor, dass 2022 die Zahl der begonnenen Beschäftigungsverhältnisse in der Leiharbeit bei rund 1.388.000 und die Zahl der beendeten Beschäftigungsverhältnisse bei rund 1.383.000 gelegen hat.
      Aus bereits vorliegenden Daten für 2023 geht zudem hervor, dass von den rund 803.000 Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern im Juni 2023 rund 56 Prozent eine Tätigkeit auf dem Anforderungsniveau Helfer ausübten, rund 34 Prozent eine Tätigkeit als Fachkraft, rund fünf Prozent eine Tätigkeit auf dem Anforderungsniveau Spezialist und ebenfalls rund fünf Prozent eine Tätigkeit auf dem Anforderungsniveau Experte ausübten.“ Kurzmeldung des Bundestages vom 08.02.2024 externer Link und dazu:

      • Leiharbeit endet meist vor Equal-Pay-Pflicht
        Im Jahr 2022 war fast jedes zehnte begonnene Beschäftigungsverhältnis ein Job in der Leiharbeit. Davon endeten drei Viertel vor dem neunten Monat – also jener Schwelle, ab deren Erreichen der Leiharbeiter das Arbeitsentgelt eines vergleichbaren Beschäftigten erhalten muss. Das meldete AFP unter Berufung auf eine Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf Anfrage aus der Opposition.
        Weitere Zahlen des Ministeriums belegen die prekäre Situation von Leiharbeitern. Etwa ein Drittel (34,6 Prozent) der ehemaligen Leiharbeitnehmer war 90 Tage nach Abgang aus der Leiharbeit nicht erneut beschäftigt. Fast jeder Vierte (22,1 Prozent) war erneut in der Leiharbeit tätig – ein sogenannter Drehtüreffekt. Fast jedes dritte Leiharbeitsverhältnis wurde im Jahr 2022 innerhalb des ersten Monats beendet, etwas über die Hälfte (51,6 Prozent) innerhalb der ersten drei Monate. Insgesamt wurden dem Ministerium zufolge im Jahr 2022 rund 1,38 Millionen Leiharbeitsverhältnisse geschlossen. Jeder dritte Leiharbeiter war demnach in der Verkehr- und Logistikbranche tätig.“ Agenturmeldung in der jungen Welt vom 22.02.2024 externer Link
    • Tarifbindung in der Leiharbeit – Arbeitnehmerüberlassung
      In einer weiteren Antwort der Bundesregierung vom 16.2.2024 externer Link (Drucksache 20/10230) heißt es zudem: „Für die Jahre 2020 und 2022 hat die Abfrage im Tarifregister des Bundes ergeben, dass 49 bzw. 52 gültige Tarifverträge registriert waren, in denen eine Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz für mehr als neun Monate vereinbart wurde und durch die nach spätestens 15 Monaten einer Überlassung mindestens ein Arbeitsentgelt erreicht wird, das in dem Tarifvertrag als gleichwertig mit dem tarifvertraglichen Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitskräfte in der Einsatzbranche festgelegt ist. (…) Mit Stand Januar 2024 sind 223 gültige Tarifverträge im Tarifregister des Bundes registriert, in denen die Höchstüberlassungsdauer auf mehr als 18 Monate ausgeweitet wurde. Die entsprechenden Branchen und die Korridore zu den jeweiligen Höchstüberlassungsdauern können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden…“ Spitzenreiter sind hier Kreditinstitute und privates Versicherungsgewerbe mit einer Höchstüberlassungsdauer von bis zu  540 Monaten (!)
  • Leiharbeit: Beschäftigte zweiter Klasse. Leiharbeitskräfte verdienen bei gleicher Ausbildung häufig schlechter, wie Daten der Bundesagentur für Arbeit zeigen
    Gleiche Arbeit, gleicher Lohn? Für Leiharbeitskräfte gilt das nicht immer. Viele verdienen weniger als die Stammbelegschaft des gleichen Betriebs. Wie groß die Lohnlücke tatsächlich ist, zeigt eine Antwort der Bundesagentur für Arbeit (BA) auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Susanne Ferschl (Linke). Die Daten liegen der FR vor. Demnach lohnt sich die Leiharbeit in der Regel nur für die Unternehmen. Die Leiharbeitskräfte selbst müssen teils deutliche Einbußen beim Gehalt hinnehmen: Ihr mittlerer Bruttolohn lag 2022 bei 2254 Euro. Das Medianentgelt aller sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten betrug dagegen 3646 Euro. Ein Unterschied von 1392 Euro oder 38,2 Prozent. (…) Fast 60 Prozent der Leiharbeitskräfte arbeiten für einen Niedriglohn, wie aus den Daten der Bundesagentur hervorgeht. In der Branche Verkehr/Logistik sind es sogar mehr als 80 Prozent der Leiharbeitskräfte, die ein Gehalt unter der OECD-Niedriglohnschwelle bekommen. (…) Die BA-Daten widerlegen auch ein Vorurteil: Anders als häufig angenommen haben knapp 50 Prozent der Leiharbeitskräfte einen anerkannten Berufsabschluss. Weitere zehn Prozent haben sogar einen akademischen Abschluss. Die Mehrheit der Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter ist also nicht „ungelernt“. Die BA-Daten zeigen auch: Ein Berufsabschluss oder ein akademischer Abschluss schützen Leiharbeitskräfte nicht vor Niedriglöhnen. Normalerweise sinkt das Risiko, für einen Niedriglohn arbeiten zu müssen, mit einem Abschluss. Bei Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern ist das nicht der Fall: Fast jede zweite Leiharbeitskraft erhält trotz eines Berufsabschlusses einen Niedriglohn.
    Im vergangenen Jahr arbeiteten 811 776 Menschen in der Leiharbeit. Der Anteil der Leiharbeitskräfte an allen Beschäftigten betrug knapp 2,1 Prozent. (…)
    Für die Bundestagsabgeordnete Ferschl ist deshalb klar, dass sich nur durch gesetzgeberisches Handeln etwas ändern wird: „Wenn Arbeit sich lohnen soll, wie die FDP so gern fordert, und die SPD es mit dem versprochenen Respekt für Beschäftigte ernst meint, dann muss der Grundsatz ‚Gleicher Lohn für gleiche Arbeit‘ auch für Beschäftigte in der Leiharbeit gelten.“ Es dürfe nicht länger „Arbeitnehmer zweiter Klasse“ geben, fordert die Politikerin der Linkspartei. „Dafür müssen die Regelungen, die eine Schlechterstellung durch Tarifvertrag erlauben, aus dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz gestrichen werden
    .““ Artikel von Steffen Herrmann vom 01.08.2023 in der FR online externer Link – die Linkspartei fordert deshalb Equal Pay. Die Anfrage noch nicht gefunden
  • Weiter heißt es in der Nachricht von Susanne Ferschl vom 20. Dezember 2022 bei der Linksfraktion externer Link: „… Leiharbeit ist keine Brücke in den 1. Arbeitsmarkt. 90 Tage nach Beendigung des Leiharbeitsverhältnisses sind immer noch 34,0% der Leiharbeitenden arbeitslos. 23,1% finden eine Anstellung in der Leiharbeit und 5,4% in einer geringfügigen Beschäftigung. Nur 37,4% finden einen Arbeitsplatz außerhalb der Leiharbeit. Die Menschen, die in Leiharbeitsverhältnissen beschäftigt sind, sind keineswegs ausschließlich Menschen ohne Berufsabschluss. Ganz im Gegenteil – mehr als 60 Prozent (60,1%) haben einen beruflichen oder akademischen Abschluss. Viele dieser Menschen (45,7%) arbeiten unterhalb ihrer formalen Qualifikation. Die gesetzliche Höchstüberlassungsdauer für Beschäftigte liegt bei 18 Monaten. „Bei einer vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung kann in einem Tarifvertrag der Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche abweichend von der gesetzlich zulässigen Dauer von 18 Monaten eine andere Überlassungshöchstdauer vereinbart werden“. Von den beendeten Beschäftigungsverhältnissen im Zeitraum von April 2021 bis März 2022 wurden 12,4 Prozent erst nach 18 Monaten beendet. Das betrifft 166.000 Leiharbeitskräfte. Besonders ausländische Beschäftigte arbeiten immer häufiger als Leiharbeitskräfte. Von 2016 bis 2022 ist ihr Anteil an den Gesamtleiharbeitskräften von 26,6% auf 43,0% gestiegen. Ausländische Leiharbeitskräfte verdienen noch einmal weniger als deutsche Leiharbeitskräfte. Das Medianentgelt liegt mit 1.863 Euro fast 500 Euro (470€) unter dem von deutschen Leiharbeitskräften. 75,8 Prozent der ausländischen Leiharbeitskräfte erhält einen Lohn unterhalb der Niedriglohnschwelle. Diese Zahlen bewertet Susanne Ferschl zusammenfassend: „Von Leiharbeit profitieren alleine die Unternehmen. Die Beschäftigten aber stecken zwischen Kurz-Einsätzen und Arbeitslosigkeit im Niedriglohn-Sumpf fest und werden in Krisenzeiten als erstes vor die Tür gesetzt…“

Siehe auch:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=207262
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