Einbürgern für Deutschland: Rechtspopulistische Stimmungsmache stärker als der Gesetzesentwurf für ein neues Staatsbürgerschaftsgesetz

Dossier

Papiere für alle!„… Insbesondere CDU und CSU laufen derzeit Sturm gegen die geplante Reform des Staatsbürgerschaftsgesetzes. (…) Die Konservativen kritisieren vor allem zwei Punkte der Reform: Der Grundsatz der Vermeidung doppelter Staatsangehörigkeiten soll abgeschafft und die Frist, nach der die deutsche Staatsangehörigkeit beantragt werden kann, soll von acht auf fünf Jahre verkürzt werden. Darin ein Verramschen der deutschen Staatsbürgschaft zu sehen, ist weit hergeholt. Noch weiter hergeholt ist der Zusammenhang zur illegalisierten Migration. (…) Die Rede von Pull-Faktoren und Zuwanderung in die Sozialsystem ist also vor allem eines – rechtspopulistische Stimmungsmache. (…) Tatsächlich sind die geplanten Änderungen bei der Einbürgerung nicht so gravierend, wie die Debatte vermuten lässt….“ Artikel von Larissa Schober aus der Jungle.World vom 8. Dezember 2022 externer Link und mehr daraus/dazu:

  • Forderungen nach Schutz vor Diskriminierung für behinderte Menschen in der Migrationspolitik: Gegen rechte Ideologien und für gleiche Menschenwürde! New
    „Anlässlich der am 20. März stattfindenden Integrationsministerkonferenz veröffentlichen der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein und weitere 258 Unterzeichner*innen einen OFFENER BRIEF mit Forderungen nach Schutz vor Diskriminierung für behinderte Menschen in der Migrationspolitik. (…) Unsere Forderungen: – Behinderte Menschen und ihre Angehörigen haben einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung und dürfen nicht nur auf eine freiwillige, auf staatlichem Wohlwollen beruhende Härtefallregelung angewiesen sein. Die Ausnahmeregelung, dass behinderte Menschen die Inanspruchnahme von Sozialleistungen nicht zu vertreten haben, ist wieder einzuführen. – Asylsuchende und geduldete Kinder und Jugendliche (mit Behinderungen) sind – so wie es im Koalitionsvertrag beschlossen wurde – im Regelsystem Sozialgesetzbuch (SGB) zu versorgen.- Für Beziehende von Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ist eine bundesweite ausdrückliche Ausnahmeklausel oder ein gesetzlicher Anspruch auf behinderungsspezifische Sozial-, Gesundheits- und Teilhabeleistungen auf SGB-Niveau zu verabschieden, bis ein Regelzugang zum SGB für alle Menschen von Anfang an ermöglicht wird. – Die symbolpolitische Einführung einer bundesweiten Bezahlkarte zur Abschaffung von Überweisungs- und Bargeldmöglichkeiten für Asylsuchende und Geduldete ist zu verhindern. – Für Unterstützungsstrukturen im Bereich Flucht und Migration sind zusätzliche Fördermittel auf Bund- und Länderebene bereitzustellen, damit sie ihre elementare Arbeit fortführen können. (…) Wir, Verbände – Selbstvertretungsorganisationen von behinderten Menschen (DPOs) und Migrant*innen (MSOs), Wohlfahrtsverbände, Menschenrechtsorganisationen, Anwält*innenverbände, ärztliche und psychotherapeutische Vereinigungen, Forschungsinstitute und weitere solidarische Verbände und Vertreter*innen – treten für Menschlichkeit, Sicherheit, Gesundheit und Selbstbestimmung ein. Wir fordern die Achtung und den Schutz der unveräußerlichen und unantastbaren Menschenwürde – die oberste Verpflichtung aller staatlichen Gewalt – unabhängig vom Herkunftsland (Art. 1 GG). Das verfassungsrechtlich garantierte Gleichheitsgebot „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ (Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG) ist kein „Deutschenrecht“, sondern ein Menschenrecht, das für alle uneingeschränkt gilt. Die menschenrechtlichen Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention, die Deutschland bereits vor 15 Jahren ratifiziert hat, müssen endlich Eingang in die Asyl- und Migrationspolitik finden! …“ Aus dem offenen Brief beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein am 18. März 2024 externer Link von bisher 258 Unterzeichner*innen
  • Bundestag stimmt für Einbürgerungsreform: Schneller zum (Doppel)Pass, aber nur für Junge, Fitte und Fleißige…
    • Bundestag stimmt für Einbürgerungsreform
      Seit Jahren wird darüber diskutiert, jetzt wurde er beschlossen: Das neue Staatsbürgerschaftsgesetz sieht schnellere Einbürgerungen, Mehrstaatigkeit und einige Verschärfungen vor. Die Ampel-Koalition ist zufrieden, CDU/CSU und AfD sind es nicht.
      Der Weg zum deutschen Pass wird kürzer und bei Mehrfach-Staatsbürgerschaften werden alle gleichbehandelt. Eine entsprechende Reform des Staatsbürgerschaftsrechts externer Link beschloss der Bundestag am Freitag in Berlin. Unter den 639 abgegebenen Stimmen waren 382 Ja-Stimmen und 234 Nein-Stimmen, bei 23 Enthaltungen. Die Ampel-Fraktionen SPD, Grüne und FDP stimmten in der finalen Abstimmung weitgehend dafür, CDU/CSU und AfD dagegen. Bei den fraktionslosen Abgeordneten, von denen die meisten der Linken oder dem Bündnis Sahra Wagenknecht angehören, war das Bild gemischt. (…) Einbürgerungen werden künftig schon nach fünf statt wie bisher acht Jahren möglich, bei „besonderen Integrationsleistungen“ nach drei Jahren – das können besonders gute Leistungen in Schule oder Beruf oder bürgerschaftliches Engagement sein. (…) Kinder ausländischer Eltern bekommen künftig mit der Geburt die deutsche Staatsbürgerschaft, wenn ein Elternteil hierzulande seit fünf Jahren rechtmäßig wohnt – bisher war das nach acht Jahren der Fall. Zudem können alle Menschen, die Deutsche werden, ihre bisherige Staatsbürgerschaft in Zukunft behalten. (…) bleibt zudem das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung Voraussetzung für eine Einbürgerung. Künftig kommt das Bekenntnis „zur besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft und ihren Folgen, insbesondere für den Schutz jüdischen Lebens, sowie zum friedlichen Zusammenleben der Völker und dem Verbot der Führung eines Angriffskrieges“ hinzu. Die Behörden sollen sicherstellen, dass diese Bekenntnisse ernst gemeint sind. Falls sich später Anhaltspunkte dafür ergeben, dass dies nicht der Fall war, kann die Staatsbürgerschaft binnen zehn Jahren auch wieder zurückgenommen werden. (…)
      Wer den deutschen Pass möchte, muss den eigenen Lebensunterhalt und den von unterhaltspflichtigen Angehörigen selbst bestreiten können. Wer unverschuldet doch auf Sozialhilfe oder Grundsicherung angewiesen war, für den galt bislang eine Ausnahmeregelung. Diese soll es künftig nur noch für bestimmte Gruppen und Fälle geben. Dazu gehören Gastarbeiter, die häufig im Niedriglohnsektor gearbeitet haben, sowie deren nachgezogene Ehepartner. Ausgenommen sind künftig auch Ausländer mit Vollzeitjobs, die innerhalb der letzten 24 Monate mindestens 20 Monate lang gearbeitet haben sowie Ausländer, die als Ehe- oder eingetragener Lebenspartner mit einem minderjährigen Kind und einem vollzeitbeschäftigten Partner zusammenleben. Diese Verschärfung kritisierte die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman. „Viele Alleinerziehende, Menschen mit Behinderung, chronischen Krankheiten und ältere Menschen werden durch das neue Gesetz benachteiligt
      externer Link.“ (…) Die Gewerkschaft Verdi sprach von einer „völlig unnötigen Verschärfung“. Der Deutsche Gewerkschaftsbund DGB erklärte: „Das ist eine unnötige Härte für Menschen, die besonders auf Unterstützung angewiesen sind.“ Beide begrüßten die Reform aber im Grundsatz...“ Meldung vom 21.01.2024 im Migazin externer Link, siehe beispielhaft für die Kritik:
    • djb kritisiert vom Bundestag beschlossene verschärfte Regelung zur Lebensunterhaltssicherung im Staatsangehörigkeitsgesetz
      „Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) begrüßt die vom Deutschen Bundestag beschlossene und im Koalitionsvertrag vereinbarte „Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts“. Einige der Änderungen des Staatsangehörigkeitsgesetzes sind modern und stehen für eine offene Gesellschaft, etwa die Abschaffung des Verbotes der Mehrfachstaatsangehörigkeit sowie die Verkürzung der Voraufenthaltszeit von acht auf fünf Jahre. Doch einige der nun beschlossenen Regelungen verschlechtern die Lage: „Aus frauenpolitischer Sicht ist die Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes in wichtigen Aspekten rückwärtsgewandt. Wir kritisieren – wie viele Sachverständige und Organisationen auch – die Verschärfung der Regelung zur Sicherung des Lebensunterhalts. Sie benachteiligt gerade Frauen und geht von dem klassisch-veralteten Rollenbild der nicht arbeitenden Ehefrau aus“, bemängelt Ursula Matthiessen-Kreuder, Präsidentin des djb. Nach geltender Rechtslage ist Einbürgerungsvoraussetzung unter anderem, dass Einbürgerungsbewerber*innen keine Leistungen nach dem SGB II oder XII beziehen dürfen. Eine Ausnahme gilt dann, wenn sie diesen Leistungsbezug nicht zu vertreten haben. Das jetzt vom Bundestag beschlossene Gesetz sieht die Streichung dieser Ausnahme vor. Gleichzeitig werden im neuen Gesetzeswortlaut wenige Personengruppen privilegiert, bei denen der Leistungsbezug auch künftig von vornherein einer Einbürgerung nicht entgegenstehen soll. „Diese Verschärfung wird völlig ohne Not vor allem Frauen den Zugang zur deutschen Staatsangehörigkeit erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen“, führt Dr. Stefanie Killinger, Vorsitzende der Kommission für Öffentliches Recht, Verfassungsrecht und Gleichstellung im djb, aus. Denn pflegende Angehörige, die in der Regel Frauen sind, Rentnerinnen, die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erhalten, aber auch alleinerziehende Mütter, die wegen der von ihnen ausgeübten Care-Arbeit auf ergänzende Leistungen angewiesen sind, tauchen in der vom Gesetzgeber vorgesehenen Liste privilegierter Personengruppen nicht auf. Gerade für alleinerziehende Mütter ist dies ein schwerer Schlag…“ djb-Pressemitteilung vom 19. Januar 2024 externer Link
    • „Das stärkt den rechten Diskurs“ – Nützlichkeit dürfe nicht das Kriterium für Einbürgerungen sein…
      Im Interview von Dinah Riese vom 19. Januar 2024 in der taz online externer Link erklärt die Co-Sprecherin des Forums der Migrant*innen im Paritätischen und Fachbereichsleiterin „Gesellschaft und Prävention“ beim Multikulturellen Forum, Deniz Greschner, warum sie wegen des reformierten Staatsangehörigkeitsrecht keinen Grund zum Feiern sieht: „… Der Bundestag beschließt zwei Gesetze aus dem Bereich Migration. Das Rückführungsverbesserungsgesetz enthält kaum begrüßenswerte Änderungen, das Staatsangehörigkeitsrecht schon – aber auch da haben wir deutliche Kritik. Am Ende des Tages kann man beide Gesetze nicht losgelöst von einem Diskursrahmen betrachten, der sich immer weiter nach rechts verschiebt. (…) Bei den Abschiebeverschärfungen wird massiv in Grundrechte eingegriffen. (…) [Dinah Riese:] Mit der Staatsangehörigkeitsreform wird jetzt aber zum Beispiel der Doppelpass möglich, was Millionen von Menschen den Weg zur Einbürgerung ebnen dürfte. [Deniz Greschner:] Ja, das ist sehr zu begrüßen. Genauso wie, dass Menschen künftig früher eingebürgert werden können. Aber das politische Recht auf Zugang zur deutschen Staatsbürgerschaft wird in Zukunft noch mehr als bisher von der Erwerbsleistung von Menschen abhängen. Menschen, die chronisch krank sind, alleinerziehend oder Angehörige pflegen verlieren ihren Anspruch auf Einbürgerung und sind auf das Ermessen der Behörden angewiesen. Wer nicht „nützlich“ ist, soll sein Recht auf Einbürgerung verwirkt haben? Das trägt nicht zum gesellschaftlichen Miteinander bei, sondern stärkt den rechten Diskurs, den wir seit Monaten, ja Jahren sehen. (… ) Es ist deutlich, wo die Regierung ihren Fokus setzt. Und das erschüttert das Vertrauen rassifizierter Menschen, dass dieses Land sie schützen wird, wenn Vertreibungspläne wie die der AfD jemals Realität werden. (…) [Die Correktiv-Recherche] hat weder in meinem beruflichen noch im privaten Umfeld jemanden überrascht. Menschen, die potenziell von solchen Plänen betroffen sind, warnen seit Jahren vor dieser Gefahr. Rechte Politik und der rechte Diskurs betreffen diese Menschen schon jetzt ganz konkret. Diese Menschen bangen um ihre körperliche Unversehrtheit und ihr Leben – ihre Sorgen kommen aber in der Realität der meisten Politiker*innen kaum vor. Es wäre ihre Aufgabe, diesen Menschen zu zeigen: Ihr habt unsere Rückendeckung, ihr seid sicher in diesem Land. Mit Gesetzen aber, die Geflüchteten ihre Grundrechte verwehren und sie in „nützliche“ und „nicht nützliche“ Ausländer einteilen, wird das kaum gelingen. (…) Es macht mir Hoffnung, dass nun Tausende auf die Straße gehen. Dennoch fehlte die Empörungswelle, als die Ampel im vergangenen Jahr der massiven Entrechtung Geflüchteter an den EU-Außengrenzen zugestimmt hat. Als der Kanzler erklärt hat, Deutschland müsse endlich mehr abschieben. Als CDU-Chef Friedrich Merz sagte, nicht Kreuzberg sei Deutschland, sondern Gillamoos. Jedes dieser Ereignisse sorgte dafür, dass der rechte Diskurs von der AfD weiter in die Mitte wandert. Es ist längst an der Zeit für einen starken Schulterschluss gegen rechts. Aber es reicht nicht, nur gegen die AfD zu sein. Solche rassistischen Pläne müssen strukturell bekämpft werden, auf allen politischen Ebenen.“
  • „Schmerzhafte Kompromisse“: Ampel-Fraktionen beenden Streit über Einbürgerung 
    Eigentlich hätten die neuen Gesetze zu Einbürgerungs- und Abschiebungserleichterungen längst in trockenen Tüchern sein sollen. Doch die Ampel-Parteien meldeten in letzter Minute noch Gesprächsbedarf an. Jetzt wurden „schmerzhafte Kompromisse“ geschlossen. (…) Sowohl die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts als auch das Gesetz „zur Verbesserung der Rückführungen“ könnten damit im Januar im Bundestag beschlossen werden. (…) Die Grünen und Abgeordnete der SPD-Fraktion hatten Ausnahmeregelungen gefordert, damit Behinderte und Menschen, die unverschuldet arbeitslos geworden sind, auch dann eingebürgert werden könnten, wenn sie Sozialleistungen in Anspruch nehmen. (…) Beim Anspruch auf Einbürgerung werde es keine Ausnahmen geben, hieß es aus Koalitionskreisen. „Aber es wird weiterhin möglich sein, dass Personen mit Behinderungen oder andere Menschen, die es schwer haben, ihren Lebensunterhalt selber zu verdienen über die Härtefallklausel im Ermessen eingebürgert werden“, sagte die FDP-Innenpolitikerin Ann-Veruschka Jurisch…“ Beitrag vom 20.12.2023 im Migazin externer Link („Ampel-Fraktionen beenden Streit über Einbürgerung und Abschiebung“)
  • Einbürgerungsreform: ver.di lehnt eiskalte soziale Auslese der FDP ab, Paritätischer warnt vor Diskriminierung
    • Einbürgerungsreform: ver.di lehnt eiskalte soziale Auslese der FDP ab
      Mit Sorge begleitet die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) die heutigen, (6. Dezember 2023) voraussichtlich abschließenden Beratungen der Fraktionsspitzen der Ampelfraktionen zur anstehenden Staatsangehörigkeitsreform. Grundsätzlich begrüßt ver.di die beabsichtigte Reform mit kürzeren Anspruchsfristen und einer Akzeptanz der Doppelstaatsbürgerschaft. Allerdings will die FDP an anderer Stelle das Gesetz schärfer formulieren, als im geltenden Recht bisher vorgesehen, und unverschuldet in Not geratene, lange in Deutschland lebende Migrantinnen und Migranten von Einbürgerungen de facto ausschließen. „Es ist völlig inakzeptabel, dass die FDP künftig Menschen, die unverschuldet in eine soziale Notlage kommen – etwa Alleinerziehende, Menschen mit Behinderungen oder pflegende Angehörige – von Einbürgerungen faktisch ausschließen will“, kritisiert Rebecca Liebig, ver.di-Bundesvorstandsmitglied und dort für Migrationspolitik zuständig. Bislang sei es geübte Praxis, dass Eingewanderte, die viele Jahre in Deutschland hart gearbeitet haben, auch dann eingebürgert werden, wenn sie während ihres Einbürgerungsantrages durch unvorhersehbare Ereignisse, wie Scheidung, Jobverlust oder Pflegefälle in der Familie, ihrer Arbeit nicht vollumfänglich nachkommen können. „Das will die FDP ändern. Sie betreibt damit eiskalte soziale Auslese“, so Liebig. „Wir erwarten als Gewerkschaft, dass SPD und Grüne das verhindern!“ Betroffen wären etwa viele Alleinerziehende mit kleinen Kindern, die durch eine Scheidung zeitweise nicht Vollzeit arbeiten könnten. Besonders schlimm träfe es Beschäftigte im Niedriglohnbereich, die zudem vom Arbeitgeber überhaupt keine Vollzeitjobs angeboten bekommen…“ Pressemitteilung vom 06.12.2023 externer Link
    • Reform Staatsangehörigkeitsrecht: Paritätischer warnt vor Diskriminierung
      Die geplanten Verschärfungen der Anforderungen an die Lebensunterhaltssicherung treffen viele Menschen hart.
      Der Paritätische Gesamtverband begrüßt im Wesentlichen die geplante Modernisierung des Staatsangehörigkeitsgesetzes, warnt aber ausdrücklich vor der Verabschiedung der ebenfalls im Gesetzentwurf enthaltenen Verschärfungen im Hinblick auf die Anforderungen an die Lebensunterhaltssicherung. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, erklärt dazu:
      „Politische Rechte dürfen nicht vom Einkommen oder einer Vollzeittätigkeit abhängig gemacht werden. Das Einbürgerungsrecht ist dafür da, die demokratische Teilhabe der Menschen zu fördern und sicherzustellen, die bereits seit Längerem in Deutschland leben. Mit der geplanten Verschärfung der Anforderungen an die Lebensunterhaltssicherung werden Menschen nach Wirtschaftlichkeitskriterien auf reines Humankapital reduziert. Dieses Gesetz bedeutet eine massive Diskriminierung von Menschen mit Behinderung oder Pflegebedürftigkeit und ihren Angehörigen. Viele Menschen werden betroffen und teilweise dauerhaft von der Möglichkeit, sich einbürgern zu lassen, ausgeschlossen sein. So können zum Beispiel viele Menschen mit einer chronischen Erkrankung oder Behinderung und ihre pflegenden Angehörigen ihren Lebensunterhalt nicht (vollständig) sichern oder in Vollzeit arbeiten. Sie werden voraussichtlich besonders hart von dieser Regelung betroffen sein, was einen Verstoß gegen die UN Behindertenrechtskonvention darstellt. Andere Gruppen, wie alleinerziehende Elternteile werden auf unbestimmte Zeit von einer Einbürgerung ausgeschlossen. Außerdem wird mit dem Entwurf ein überholtes Familienbild belohnt, bei der eine geteilte Kinderbetreuung und die damit einhergehende Teilzeitbeschäftigung beider Elternteile nicht vorgesehen ist. Dies steht eklatant im Widerspruch mit der sonst im Gesetzentwurf prominenten Betonung der Gleichbehandlung von Mann und Frau. Und auch ältere Menschen, die nicht im Rahmen eines Abwerbeankommens nach Deutschland gekommen sind und ihren Lebensunterhalt nicht vollständig sichern können, werden von dieser Gesetzesverschärfung erfasst, die eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung darstellt. Die Umsetzung dieser Pläne wären ein echter Rückschritt und das Gegenteil einer zeitgemäßen und gerechten Einbürgerungspolitik.““ Pressemitteilung vom 06. Dezember 2023 externer Link
  • Kundgebung in Berlin am 30.11. des Bündnisses „Pass(t) uns allen”: Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts: historische Chance nicht verpassen!
    „PRO ASYL sowie weitere Organisationen des Bündnisses „Pass(t) uns allen”  fordern anlässlich der ersten Lesung des Gesetzes zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts am Donnerstag die Abgeordneten auf, die zahlreichen Einschränkungen in dem Entwurf zurückzunehmen. Das Recht auf Einbürgerung muss an die Realitäten einer vielfältigen und demokratischen Migrationsgesellschaft angepasst werden. Hierzu veranstaltet das Bündnis am 30. November eine Kundgebung vor dem Bundestag.
    „Die Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts ist ein lange überfälliger Schritt, den wir begrüßen. Jedoch geht der Gesetzentwurf an vielen Stellen an der Lebensrealität vieler Menschen und an der Behördenpraxis vorbei. Die Abgeordnete haben jetzt die Aufgabe, die unnötigen Hürden in dem Entwurf zu beseitigen, damit das Gesetz tatsächlich seinem selbst gesteckten Ziel einer echten Modernisierung gerecht wird“, sagt Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von PRO ASYL.
    „Das Bündnis ‚Pass(t) uns allen‘ fordert, die historische Gelegenheit zu nutzen, das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht umfassend zu modernisieren, das Gesetz im parlamentarischen Verfahren nachzubessern und an die Realitäten einer vielfältigen und demokratischen Migrationsgesellschaft anzupassen. Dazu gehört neben der Rücknahme der vorgesehenen Verschärfungen und der Möglichkeit, mehrfache Staatsangehörigkeiten zu besitzen, eine unbürokratische Einbürgerung für alle, die ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben sowie ein uneingeschränktes ius soli“, erklärt Olga Gerstenberger, Geschäftsführerin von With Wings and Roots e.V. und Koordinatorin des Bündnisses.
    Einschränkungen – zu viele bleiben außen vor
    Konkret kritisiert das Bündnis, dass mit dem neuen Gesetz nun auch Personen, die unverschuldet in die Lage geraten sind, ihren Lebensunterhalt nicht sichern zu können – wie zum Beispiel viele Alleinerziehende, Rentner*innen, Menschen mit Behinderungen und ihre pflegenden Angehörigen – das Recht auf Einbürgerung vorenthalten wird. Durch diese Änderung wird eine Anspruchsregelung durch eine Härtefallregelung ersetzt, die absehbar nur in wenigen Fällen greifen wird. Von unnötiger Härte zeugt zudem, dass an der Passbeschaffungspflicht für die Einbürgerung festgehalten wird, ohne gesetzliche Alternativen zu ermöglichen. So werden Staatsbürger*innen aus autokratischen Staaten, wie zum Beispiel Syrien oder Iran, weiterhin dazu gezwungen, in die Botschaft ihres Verfolgerstaates zu gehen, um dort den Pass zu beantragen…“ Pro-Asyl-Pressemitteilung vom 28.11.23 externer Link zur Kundgebung in Berlin am 30.11. – 10 Uhr am Platz der Republik / Wiese vor dem Bundestag

  • Reform des Staatsangehörigkeitsrechts: Einbürgerung (nur) als Belohnung für „harte Arbeit“?
    • Licht und Schatten bei der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts
      Für Geflüchtete ist sie ein letzter Schritt in eine dauerhafte Sicherheit – die Einbürgerung. Jetzt soll das Einbürgerungsrecht reformiert werden. Einer herabgesetzten Voraufenthaltszeit und der Hinnahme der Mehrstaatigkeit stehen aber hohe Hürden bei der Lebensunterhaltssicherung gegenüber. Notwendige Verbesserungen für Geflüchtete fehlen. (…) Neben den überlangen Verfahrensdauern scheitern viele Einbürgerungen bisher aber auch an hohen Voraussetzungen, deren Notwendigkeit schon vielfach in Frage gestellt wurde.
      Weil dem so ist, hat die Bundesregierung bereits im Koalitionsvertrag externer Link ein »modernes Einbürgerungsrecht« angekündigt. Am 19. Mai 2023 hat das Bundesinnenministerium einen Gesetzesentwurf externer Link vorgelegt, der diesem Ziel Rechnung tragen soll. Nun hat das Kabinett am 23. August 2023 hierzu einen Kabinettsbeschluss externer Link gefasst. Als nächstes äußert sich der Bundesrat, bevor der Bundestag das Gesetz berät. Tatsächlich sind darin einige Verbesserungen vorgesehen (…) Dass die Voraufenthaltszeit herabgesetzt und die Mehrstaatigkeit zugelassen wird, ist vollumfänglich zu begrüßen. PRO ASYL kritisiert aber einige weitere beabsichtigte Änderungen (siehe hierzu auch die ausführliche Stellungnahme von PRO ASYL externer Link). Während man zunächst den Eindruck gewinnen könnte, dass sich nach der Reform viel mehr Menschen, die sich schon lange dem deutschen Staat zugehörig fühlen, einbürgern lassen können als zuvor, werden durch die Hintertür weitere Voraussetzungen so eng gefasst, dass eine deutsche Staatsangehörigkeit für viele ein Ding der Unmöglichkeit wird. Das gilt besonders in Bezug auf die Voraussetzung der Sicherung des Lebensunterhalts und der diesbezüglichen Ausnahmen. Ohne Verweis im Koalitionsvertrag scheint sich hier eine »Nützlichkeitsdebatte« auf das Staatsangehörigkeitsrecht niedergeschlagen zu haben. (…) PRO ASYL ist entsetzt über die geplante Abschaffung der bisherigen Regelung zum Absehen von der Lebensunterhaltssicherung durch eigene Erwerbstätigkeit, die vorsieht, dass ein Bezug von (ergänzenden) Sozialleistungen unschädlich ist, wenn dieser Bezug »nicht zu vertreten« ist. Nach dem Gesetzentwurf soll der Bezug von (ergänzenden) Sozialleistungen künftig nur noch bei drei Fallgruppen unschädlich sein: Erstens bei Gastarbeiter*innen und Vertragsarbeitnehmer*innen, zweitens bei Personen, die in den letzten 24 Monaten 20 Monate vollzeitbeschäftigt waren und dennoch auf Sozialleistungen angewiesen sind, und schließlich bei Ehegatt*innen oder eingetragenen Lebenspartner*innen von Personen aus den beiden vorgenannten Gruppen, wenn sie mit einem minderjährigen Kind in familiärer Gemeinschaft leben. Zahlreiche Personengruppen, die von der bisherigen Ausnahmeregelung erfasst waren, würden so über lange Zeiträume und in manchen Fallgestaltungen sogar für ihr ganzes Leben von einem Anspruch auf Einbürgerung ausgeschlossen werden…“ Pro Asyl-Meldung vom 23.08.2023 externer Link
    • Historische Möglichkeit eines wirklichen Richtungswechsels verpasst
      Anlässlich des heute im Kabinett beschlossenen Gesetzentwurfs begrüßt PRO ASYL die Modernisierung des Staatsangehörigkeitsgesetzes, kritisiert jedoch den fehlenden Mut zu einem tatsächlichen Kurswechsel
      Dazu Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von PRO ASYL: „Die Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts ist ein seit vielen Jahren überfälliger Schritt, der zu begrüßen ist. Jedoch geht der Kabinettsentwurf an vielen Stellen an der Lebensrealität geflüchteter Menschen und an der Behördenpraxis vorbei.“ PRO ASYL begrüßt die Herabsetzung der Voraufenthaltszeiten auf fünf bzw. bei besonderen Integrationsleistungen drei Jahren für die Einbürgerung sowie die Hinnahme von Mehrstaatlichkeit. Jedoch stehen diesen Verbesserungen Verschärfungen und verpasste Chancen für weitere Verbesserungen gegenüber, die ihrerseits dafür sorgen werden, dass die geplante Einbürgerungsoffensive ins Leere laufen wird. PRO ASYL kritisiert vor allem die verschärften Anforderungen an die Lebensunterhaltssicherung und die fehlenden Regelungen zur Passbeschaffung für Geflüchtete…“ Pressemitteilung vom 23.08.2023 externer Link
  • Referentenentwurf des BMI zur Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes mit überfälligen Verbesserungen, aber zum Teil auch erheblichen Verschärfungen 
    Das BMI hat zum Wochenende einen Referent*innenentwurf zu den geplanten Änderungen im Staatsangehörigkeitsgesetz vorgelegt.
    Darin sind einige längst überfällige Verbesserungen bei der Einbürgerung vorgesehen, die auch schon durch die Medien gegangen sind – vor allem die regelmäßige Verkürzung der Voraufenthaltszeit von acht auf fünf Jahre und die Möglichkeit der doppelten Staatsangehörigkeit. Daneben sind aber zum Teil auch erhebliche Verschärfungen enthalten – z. B. zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit von Kindern.
    Besonders drastische Auswirkungen wird die geplante Verschärfung bei der Pflicht zur Lebensunterhaltssicherung gegenüber der jetzigen Rechtslage entfalten. Auch Menschen mit unverschuldetem Leistungsbezug, also Menschen mit Behinderung, Rentner*innen, Alleinerziehende, Kranke, prekär Arbeitende, pflegende Angehörige usw., sollen keinen Anspruch mehr auf Einbürgerung haben.
    Anschreiben an die Verbände: https://t1p.de/eucpi
    Referentenentwurf: https://t1p.de/w0sf4
    GGUA im Kurzformat zum Referentenentwurf: Bundesregierung will keinen Anspruch mehr auf Einbürgerung für Menschen mit Behinderung,
    Rentner*innen, Alleinerziehende, Kranke, prekär Schuftende, pflegende Angehörige usw., Stellungnahme vom 22.5.2023: https://t1p.de/5hh4w “ Aus dem Thomé Newsletter 17/2023 vom 28.05.2023 externer Link
  • Staatsangehörigkeitsrecht: Die Pass-Pläne der Koalition. Die Pläne der Bundesregierung zur Vereinfachung der Einbürgerung werden konkret
    „… Aktuell kann sich einbürgern lassen, wer seit acht Jahren in Deutschland lebt, ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht hat und eine Reihe weiterer Voraussetzungen erfüllt. Dazu gehören unter anderem Sprachkenntnisse, die selbstständige Sicherung des Lebensunterhalts und ein erfolgreich absolvierter Einbürgerungstest. Wer sogenannte besondere Integrationsleistungen vorweist, etwa ein besonders gutes Sprachniveau oder gute schulische oder berufliche Leistungen, kann sich nach sechs Jahren einbürgern lassen. Wer den deutschen Pass hat, hat dann alle Rechte eines deutschen Staatsbürgers, kann etwa auch den Bundestag wählen. (…) SPD, Grüne und FDP haben im Koalitionsvertrag vereinbart, die Hürden für die Einbürgerung zu senken. Sie wollen die Wartezeit bis zur möglichen Einbürgerung von acht auf fünf Jahre senken, bei besonderen Integrationsleistungen auf drei Jahre. An den weiteren Bedingungen für eine Einbürgerung will die Koalition im Kern nichts ändern, etwa dass die Betroffenen ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten. Zudem sind Erleichterungen für die sogenannte Gastarbeitergeneration und eine Zulassung des sogenannten Doppelpasses geplant. (…) Die vielen Ausnahmen sorgen dafür, dass nach Angaben des Bundesinnenministeriums 2021 bei mehr als zwei Dritteln der Einbürgerungen (69 Prozent) die sogenannte Mehrstaatigkeit zugelassen wurde. Die Koalition will deshalb den Doppelpass künftig generell erlauben. (…) Der Doppelpass ist der Analyse zufolge im Großteil Europas zulässig. Neben einzelnen Ländern wie Österreich, Estland oder den Niederlanden gehört Deutschland mit der bisherigen Pflicht zur Aufgabe der anderen Staatsbürgerschaft eher zur Ausnahme.“ Erläuterungen von Corinna Buschow vom 21. Mai 2023 im MiGAZIN externer Link
  • Weiter im Artikel von Larissa Schober aus der Jungle.World vom 8. Dezember 2022 externer Link: „(…) Faesers Entwurf sieht vor, dass die Staatsbürgerschaf bereits nach fünf Jahren und in begründeten Ausnahmefällen, wie beispielsweise bei herausragenden beruflichen Leistungen, schon nach drei Jahren erworben werden kann. Außerdem soll der Grundsatz wegfallen, dass die bisherige Staatsangehörigkeit aufgegeben werden muss, wovon bisher etwa 40 Prozent der Antragsstellenden betroffen sind; Antragsstellende aus der Schweiz, EU-Staaten und Ländern wie dem Iran, die eine Entlassung aus ihrer Staatsbürgerschaft verunmöglichen, waren schon bislang von diesem Grundsatz ausgenommen. (…) In Deutschland macht sich Arbeitskräftemangel immer stärker bemerkbar, es ist mittelfristig auf Migration angewiesen. Oder wie die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) es ausdrückte: »Das Boot war noch nie voll, jetzt ist es leer.« Auch bei zwei anderen Gesetzesvorhaben, die zusammen mit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts das im Koalitionsvertrag vereinbarte »Migrationspaket« bilden, geht es in erster Linie um den Standortvorteil Deutschlands. So sollen Fachkräfte leichter nach Deutschland kommen können. Vorgesehen ist unter anderem, dass Menschen künftig über ein Punktesystem, das vor allem ihre beruflichen Qualifikationen bewertet, nach Deutschland einwandern können, auch wenn sie hierzulande noch keinen Arbeitsplatz haben. Unter anderem die Industrie- und Handelskammer hatte eine solche Reform gefordert, weil vielen Unternehmen derzeit Fachkräfte fehlen. Der Bundestag soll sich Anfang des kommenden Jahres mit den Änderungsvorhaben befassen. Bereits am Freitag vergangener Woche beschlossen wurde das sogenannte Chancen-Aufenthaltsrecht. Gemäß dem Gesetz können geduldete Flüchtlinge, die zum Stichtag am 31. Oktober 2022 mindesten fünf Jahre im Deutschland gelebt haben und nicht straffällig geworden sind, innerhalb von 18 Monate ein langfristiges Aufenthaltsrecht beantragen, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen (Sprachkenntnisse, eigener Lebensunterhalt, sicherer Identitätsnachweis) dafür erfüllen. (…) Von der Maxime, Menschen nach Nützlichkeitskriterien zu sortieren, weicht keines der Gesetze ab. (…) Entgegen den Befürchtungen der Unionsparteien wird sich in der deutschen Einwanderungspolitik wohl kaum allzu viel ändern.“

Siehe auch zum Thema:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=206951
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