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Haiti: Anhaltende Proteste gegen die Regierung, die Preissteigerungen und die wachsende Gewalt durch die von der Regierung unterstützte Bandenkriminalität

Dossier

Protestbanner der Bewegung "Erhebt Euch" gegen Preissteigung und die Regierung in Haiti„Leve Kanpe“ – Erhebt euch, ist das Motto der aktuellen Protestbewegung in Haiti. Bereits seit Monaten gibt es immer wieder aufwallende Proteste gegen die steigenden Preise, die korrupte Regierung und die fehlende Strategie im Umgang mit gewaltsamen Übergriffen von Banden. Auch Treibstoff ist immer wieder knapp und wird nicht nachgeliefert. Am 22. August 2022 protestierten in der Hauptstadt Haitis‘ Tausende gegen die aktuellen Zustände. In der Hauptstadt Port-au-Prince gab es zahlreiche Versammlungen sozialer Bewegungen und Gewerkschaften. Straßenblockaden mit brennenden Reifen wurden abgehalten. Die Proteste wurden sowohl von der Polizei, die mit Tränengas schoss, als auch von den motorisierten unterstützenden Banden der Regierung Henry angegriffen. Dabei kamen mindestens drei Menschen ums Leben. Die Inflation hat mittlerweile ein Rekordhoch von 29% erreicht. Weitere Infos dazu:

  • Haiti: Von Verzweiflung und Wut. Die Bevölkerung begehrt auf gegen ein korruptes System ‒ und gegen jede Art von Intervention der „Internationalen Gemeinschaft“ New
    Seit Wochen befindet sich Haiti im Aufruhr. Die brutale Erhöhung der Treibstoffpreise war der Auslöser dafür. Wir müssen nicht nur über die Gründe für den Aufstand berichten, sondern vor allem (wieder) deutlich machen, dass die Haitianerinnen und Haitianer zu Recht aufbegehren. (…) Die Straßen sind verlassen, die Stadtviertel verbarrikadiert und die Städte leben im Rhythmus der Demonstrationen, die hier und da in Tumulte umschlagen. Wie bei der Volkserhebung von 2018/19 gegen teure Lebenshaltungskosten und Korruption, Oligarchie und Ungleichheit befindet sich Haiti im Modus peyi lock. Die Plünderung und der Brand eines Lagers des Welternährungsprogramms (World Food Programme – WFP), der größten UNO-Organisation, hat die Internationale Gemeinschaft aufgebracht2. Die Reaktionen schienen schärfer zu sein als beim Massaker in einem Armutsviertel der Hauptstadt Port-au-Prince letzten Juli – über 300 Ermordete. Es stimmt, damals ging es nur um einen weiteren Höhepunkt im Zusammenbruch eines unregierbaren Landes, und die „befreundeten“ Länder waren mit einem weit ernsthafteren und wichtigeren Dossier beschäftigt: der Erneuerung der UNO-Mission vor Ort, deren offensichtlicher Misserfolg ihrer Diskreditierung entspricht. Im Tonfall einesTadels, der an verwöhnte Kinder gerichtet ist, die ihr Spielzeug kaputt gemacht haben, hat das WFP den Angriff und die Zerstörung seines Lagers deutlich verurteilt und betont, die geplünderte Nahrung hätte zehntausende Familien ernähren sollen. Solche Akte seien „inakzeptabel“, versicherte es. Aber sind die Instrumentalisierung des Terrors und bewaffneter Banden, die Systematisierung von Vergewaltigungen, die Straflosigkeit und die bedingungslose Unterstützung einer illegitimen Regierung, die die Gangsterisierung des Staates beschleunigt, nicht genauso inakzeptabel, wenn nicht noch mehr? (…) Mit den Säcken von Nahrungsmitteln verbrannte auch die Illusion, in der sich die Internationale Gemeinschaft wog, nämlich dass all ihre Hilfe sie von ihren Fehlern und ihrer Verantwortung für die gegenwärtige Situation reinwäscht und sie in den Augen der haitianischen Bevölkerung rehabilitiert. Man beklagt so bitter, dass die haitianische Bevölkerung – diese Undankbare – nicht zwischen der UNO als Lieferantin von humanitärer Hilfe einerseits und als Echokammer Washingtons und Bollwerk gegen jede Veränderung andererseits unterscheidet. Auch staunt man wegen der Ablehnung der Internationalen Gemeinschaft als Ganzes und dass niemand vor Ort all die Grautöne des Neokolonialismus, der Ausrichtung auf das Weiße Haus und der diplomatischen Blindheit unterscheiden will. Ist es so überraschend, dass die verzweifelte und verarmte haitianische Bevölkerung sich erhebt, um ihren Überdruss auszudrücken anlässlich der Ankündigung der Verdoppelung des Preises für Treibstoff, von dem die ganze Wirtschaft abhängt, durch einen Premierminister ohne Mandat und Legitimität?…“ Artikel von Frédéric Thomas in der Übersetzung von Dieter Drüssel und Vilma Guzmán am 11.10.2022 in amerika21 externer Link
  • Neue Massenproteste und Straßenbarrikaden für den Rücktritt der von den USA gestützten Regierung – und Massenausbruch aus Frauengefängnis mit katastrophalen Zuständen
    • Protestierende fordern den Rücktritt der von den USA gestützten Regierung:
    • Ausbruch aus dem Frauengefängnis nahe der Hauptstadt Port-Au-Prince – In Gefängnissen verhungerten 2022 bereits 17 Menschen, weitere könnten folgen
      • „Wie der Leiter der Strafvollzugsbehörde am Montag bestätigte, flohen am vergangenen Donnerstag [22. September 2022] 145 von 230 Insassinnen aus einem Frauengefängnis in Cabaret am nördlichen Stadtrand der Hauptstadt Port-au-Prince. Bei dem Ausbruch wurden demnach drei Polizisten verletzt und ein weiterer getötet. Nach ersten Untersuchungsergebnissen hatte einer der Wachmänner «unvorsichtigerweise den Häftlingsblock geöffnet, als die Wachleute unterbesetzt waren», berichtete Behördenchef Pierre René François. «Die Insassinnen stürzten sich auf die Beamten und überwältigten sie, um fliehen zu können.» Von den 145 entflohenen Frauen wurden drei wieder eingefangen, eine weitere Insassin starb – sie litt den Angaben zufolge an Asthma. (…) Massenausbrüche dieser Art sind in dem von extremer Armut, politischer Instabilität, weit verbreiteter Korruption und massiver Bandengewalt geplagten Karibikstaat nicht ungewöhnlich. Auch die Lage in den Gefängnissen in Haiti ist äußerst prekär. Die Haftanstalten sind überfüllt, es fehlt an Essen, die hygienischen Zustände sind katastrophal. Viele der Gefangenen müssen jahrelang auf ein Gerichtsverfahren warten.“ Meldung von L’Essentiel.Lu vom 27. September 2022 externer Link (“Zwei Tote bei Ausbruch aus Frauengefängnis“)
      • „Am Freitag, den 23. September 2022, sind zwei Gefangene, die wie Tiere in zwei kleinen Zellen im Zivilgefängnis von Petit-Goâve zusammengepfercht waren, verhungert. In einem Zustand großer Schwäche war die Polizeistation nicht in der Lage, die Häftlinge zu ernähren, da die Vorräte an Lebensmitteln seit mehreren Tagen völlig aufgebraucht waren. Es wird festgestellt, dass die Inhaftierten unter unmenschlichen Bedingungen in beengten und überfüllten Zellen dahinvegetieren, während das neue Gefängnis der Polizeistation, das noch nicht eingeweiht wurde, leer ist! Nach Angaben des Gefängnisbeamten war einer der verstorbenen Gefangenen aus Léogâne wegen des Diebstahls eines Elektrokabels inhaftiert, der andere aus dem 5. Gemeindebezirk von Petit-Goâve verbüßte eine Haftstrafe wegen des Diebstahls eines Hahns. Wir weisen darauf hin, dass fünf weitere Gefangene in einem sehr ernsten Zustand sind und in den nächsten Stunden sterben könnten. Ein Aufruf zur Nahrungsmittelhilfe für die Gefangenen von Petit-Goâve wird an die Zentralbehörden gerichtet, da sonst weitere Gefangene verhungern werden. Wir erinnern daran, dass von Januar bis September 2022 17 Gefangene in den Gefängnissen von Les Cayes, Jacmel, Mirebalais und Petit-Goave verhungert sind.“ Artikel von Guyto Mathieu vom 25. September 2022 auf iciHaiti externer Link („Petit-Goâve : 2 detainees die of starvation, 5 others in serious condition”)
  • Regierung in Haiti ignoriert Unmut der Bevölkerung und erhöht erneut Preise – Proteste eskalieren mit Barrikaden, Angriffen, Plünderungen sowie Toten und Verletzten
    Trotz der seit mehreren Wochen andauernden und in den letzten Tagen verschärften Proteste hat die Regierung Haitis angekündigt, die Preise für alle Erdölprodukte drastisch zu erhöhen. Die Entscheidung wurde auf einer Sitzung des Regierungsrats am 13. September getroffen. (…) Die Bevölkerung machte ihrem Ärger Luft, nachdem die De-facto-Regierung von Premierminister Ariel Henry bestätigt hatte, dass eine erhebliche Preiserhöhung für Erdölprodukte bevorsteht, die seit mehreren Monaten im ganzen Land knapp sind oder gar nicht verkauft werden. Überall in Haiti, in Port-au-Prince, Cap-Haïtien (Norden), Les Cayes (Süden), Les Gonaïves, Petit-Goâve, Miragoâne, Jérémie (ein Teil des Südwestens von Haiti) und in mehreren anderen Städten, wurden alle Straßen und Verkehrsadern mit Barrikaden aus brennenden Reifen, großen Steinen, Fahrzeugwracks, Baumstämmen und anderen Trümmern blockiert. Ein Großteil des Großraums der Hauptstadt Port-au-Prince ist noch immer verbarrikadiert, weil die Menschen ihren Unmut über die sich immer schneller verschlechternden Lebensbedingungen in Haiti zum Ausdruck bringen. In Port-au-Prince und in der Provinz wurden Berichten zufolge Privatwohnungen, Unternehmen und öffentliche Büros angegriffen. Am 15. September wurde der Sitz des Staatsfernsehens attackiert externer Link, mehrere Geschäfte und ein UN-Lebensmittellager externer Link geplündert. (…) Im Großraum Port-au-Prince wurden mehrere Tote und Verletzte durch Schusswaffen registriert. Unter den Getöteten befanden sich drei Nationalpolizisten. Seit dem 11. Septembe werden zwei junge haitianische Journalisten in Cité Soleil vermisst, wo sie an einer Reportage arbeiteten. Berichten zufolge wurden sie ermordet und ihre Leichen von bewaffneten Banden verbrannt.“ Meldung vom 19.09.2022 in amerika21 externer Link („Regierung in Haiti ignoriert Unmut der Bevölkerung, Proteste eskalieren“), siehe auch:

    • Regierung ignoriert Unmut der Bevölkerung
      „… Die Bevölkerung machte ihrem Ärger Luft, nachdem die De-facto-Regierung von Premierminister Ariel Henry bestätigt hatte, dass eine erhebliche Preiserhöhung für Erdölprodukte bevorsteht, die seit mehreren Monaten im ganzen Land knapp sind oder gar nicht verkauft werden. Überall in Haiti, in Port-au-Prince, Cap-Haïtien (Norden), Les Cayes (Süden), Les Gonaïves, Petit-Goâve, Miragoâne, Jérémie (ein Teil des Südwestens von Haiti) und in mehreren anderen Städten, wurden alle Straßen und Verkehrsadern mit Barrikaden aus brennenden Reifen, großen Steinen, Fahrzeugwracks, Baumstämmen und anderen Trümmern blockiert. Ein Großteil des Großraums der Hauptstadt Port-au-Prince ist noch immer verbarrikadiert, weil die Menschen ihren Unmut über die sich immer schneller verschlechternden Lebensbedingungen in Haiti zum Ausdruck bringen…“ Artikel von Nachrichtenpool Latein Amerika vom 16. September 2022 externer Link
  • Haitis Proteste halten an: Aktivist:innen und Gewerkschaften blockieren Hafenstädte und zentrale Straßen gegen die Regierung Ariel Henry – trotz Polizeirepressionen 
    „Seit dem 22. August gehen zehntausende Haitianer:innen unter dem Motto „Aufstehen für eine andere Unabhängigkeit“ in verschiedenen Teilen des Landes auf die Straße und fordern den Rücktritt des De-facto-Premierministers und amtierenden Präsidenten Ariel Henry. Die Demonstrierenden haben kritisiert, dass sich die wirtschaftliche, politische und soziale Krise im Land während des letzten Jahres seiner Regierungszeit verschärft hat. Am Mittwoch, den 7. September, gingen zehntausende Bürgerinnen und Bürger in der Hauptstadt Port-au-Prince und in anderen Großstädten auf die Straße, um gegen die weit verbreitete Unsicherheit, die gravierende Treibstoffknappheit, die hohen Lebenshaltungskosten und die Abwertung der Landeswährung Haitianischer Gourde gegenüber dem US-Dollar zu protestieren. In Port-au-Prince organisierten die Protestierenden Straßenblockaden mit brennenden Reifen, Steinen und Lastwagen. Sie führten eine große Kundgebung von der Champs-de-Mars über Delmas nach Pétion-ville durch und marschierten an 11 Geschäftsbanken und an Straßen vorbei, die zu Henrys Amtssitz führten, und riefen Slogans wie „Ariel, du musst gehen! Raus, Ariel!“ (…) Im Norden und Süden des Landes legten Demonstrierende verschiedene Küstenstädte wie Jérémie, Les Cayes, Miragoâne, Petit-Goâve, Jacmel, Port-de-Paix und Cap-Haïtien lahm und verurteilten bandenbedingte Entführungen und Morde, steigende Preise für lebenswichtige Güter und grundlegende Dienstleistungen sowie die akute Treibstoffknappheit. „Wenn es Ärger zwischen rivalisierenden Banden gibt, leiden die Menschen. Die Haitianer:innen haben gegen Entführungen, Unsicherheit und Bandengewalt protestiert. Die Menschen protestieren gegen die hohen Lebenshaltungskosten und gegen die Regierung Henry. Die Aktivierung der Banden ist Teil einer Strategie, um die haitianische Bevölkerung davon abzuhalten, auf die Straße zu gehen“ (…) In mehreren Städten wurden die Demonstrierenden von der Polizei gewaltsam unterdrückt. Polizeibeamte setzten Tränengas, Gummigeschosse und Wasser ein, um die Menschenmenge zu zerstreuen. Nach Berichten lokaler Medien wurden in Port-au-Prince bei der polizeilichen Repression mindestens eine Person getötet und zwei verletzt. Es gibt unbestätigte Berichte über Verletzte aus den Städten Jérémie, Las Cayes und Jacmel, wo Demonstranten mit der Polizei zusammenstießen. Zu Beginn der Woche, am Montag, den 5. September, waren Mitglieder verschiedener sozialer Organisationen und Gewerkschaften sowie Bürgerinnen und Bürger unter anderem in Port-au-Prince, Cap-Haïtien und Gonaïves auf die Straße gegangen, um bessere Lebensbedingungen zu fordern. (…) Seit zwei Wochen fordern die Haitianerinnen und Haitianer eine neue Übergangsregierung, die einen Fahrplan zur Lösung der politischen Krise in Haiti und zur demokratischen Erneuerung der Führung des Landes aufstellt und umsetzt. Mehrere Gewerkschaften, soziale Bewegungen und politische Plattformen haben gewarnt, dass sie die Proteste in den kommenden Tagen verstärken werden, bis ihre Forderungen erfüllt sind. (…) Nach der Ermordung von Jovenel Moïse haben sich über 70 Gewerkschaften, soziale Organisationen, Volksbewegungen und politische Parteien zusammengeschlossen und die Kommission zur Suche nach einer haitianischen Lösung für die Krise (CRSC) gegründet, um eine Antwort auf die politische Krise des Landes zu finden. Am 30. August 2021 erzielten sie einen Konsens und unterzeichneten eine Vereinbarung über eine plausible, volksnahe, demokratische Übergangsformel aus der Krise. Es wurde beschlossen, dass eine Übergangsregierung mit einem neuen Interimspräsidenten und einem neuen Interimspremierminister an der Spitze das Land zwei Jahre lang regieren, es von der sich vertiefenden institutionellen Krise, die durch die PHTK-Regierung verursacht wurde, erholen, die Gesellschaft wieder aufbauen und dann Wahlen für die nächste Regierung organisieren sollte…“ (engl.) Artikel von Tanya Wadhwa vom 8. September 2022 bei Peoples Dispatch externer Link („“The Haitian people need a socialist state,” says journalist Jean Waltès Bien-Aimé”).
  • „Am Montag, den 22. August, gingen Tausende Haitianerinnen und Haitianer im ganzen Land auf die Straße, um gegen die grassierende Unsicherheit, die chronische Bandengewalt und die steigenden Lebenshaltungskosten zu protestieren. Die Protestierenden forderten den Rücktritt des Ministerpräsidenten und amtierenden Präsident Ariel Henry mit der Begründung, dass sich die wirtschaftliche und soziale Krise in dem Karibikstaat unter seiner Führung verschärft hat. In der Hauptstadt Port-au-Prince hielten Mitglieder verschiedener zivilgesellschaftlicher Organisationen, Volksbewegungen, Gewerkschaften und Oppositionsparteien eine Großkundgebung ab, bei der sie die Treibstoffknappheit und die steigenden Preise für unverzichtbare Güter und grundlegende Dienstleistungen verurteilten. Protestierende blockierten Straßen mit brennenden Reifen in und um die Hauptstadt. Die haitianische Zentralbank meldete, dass die Inflation 29 % und damit ein Zehnjahreshoch erreicht hat. In Cap-Haïtien setzten sich die Bürgerinnen und Bürger vor die Banken, um gegen die Abwertung der Landeswährung, des haitianischen Gourde, gegenüber dem US-Dollar zu protestieren, der in diesem Jahr bereits fast 40 % seines Wertes verloren hat. Hunderte von Menschen mobilisierten auf den Straßen und kritisierten die Unfähigkeit der Regierung Henry, die Unsicherheit zu bekämpfen oder die notwendigen Bedingungen für die Durchführung von Wahlen zu schaffen. Sie verurteilten auch die internationale Gemeinschaft, insbesondere die USA, die UNO, die OAS und die Core Group, weil sie in Haiti eine Marionettenregierung eingesetzt haben und sich weiterhin in die inneren Angelegenheiten des Landes einmischen (…) Auch in anderen großen Städten wie Petit-Goâve, Miragoâne, Les Cayes und Jacmel fanden Demonstrationen und Märsche gegen die weit verbreitete Unsicherheit, die politische Instabilität und die Krise der Lebenshaltungskosten statt. Die Mobilisierungen fielen mit dem 231. Jahrestag des Sklavenaufstands von 1791 zusammen, der einen langen Kampf für die Unabhängigkeit Haitis von Frankreich im Jahr 1804 auslöste. Die Demonstranten zogen durch die Straßen und skandierten Slogans wie „Erhebt euch für eine andere Unabhängigkeit“ (…) Die Behörden reagierten auf diese sozialen Proteste mit gewaltsamer Unterdrückung. In Port-au-Prince schoss die Polizei Tränengas auf die Protestierenden, um sie von der Autobahn Delmas 40 zu vertreiben. Eine Gruppe bewaffneter Anhänger:innen der Regierung Henry eröffnete daraufhin das Feuer auf Protestierende an der Delmas 38. Nach Angaben der Plattform für nationale Mobilisierung wurden mindestens zwei Menschen getötet und mehrere verletzt. Nach Berichten von Radio Resistance organisierten Mitglieder verschiedener sozialer Organisationen und Gewerkschaften am Dienstag, den 23. August, ein Sit-in vor dem Ministerium für Handel und Industrie, um die Situation anzuprangern. Außerdem forderten sie den Rücktritt von Handelsminister Ricarden Saint Jean. Seit 2018 befindet sich Haiti in einer akuten sozialen, politischen, institutionellen und wirtschaftlichen Krise. Die Situation hat sich seit der Ermordung des haitianischen De-facto-Präsidenten Moïse im Juli 2021 noch verschlimmert. Nach seiner Ermordung haben bewaffnete Banden zunehmend die Kontrolle über das Staatsgebiet übernommen. Die Regierung hat wiederholt behauptet, dass sie Unterstützung braucht, um die Polizei gegen die kriminellen Banden zu bewaffnen. Zivilgesellschaftliche Organisationen und Volksbewegungen haben jedoch behauptet, dass die Regierung und die Polizei mit den Banden zusammenarbeiten, um die Bürger:innen und die öffentlichen Ressourcen zu plündern. Einem UN-Bericht vom Februar zufolge sind die Entführungen im Jahr 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 180% gestiegen. Die Kämpfe zwischen rivalisierenden Banden haben Hunderte von Toten und Tausende von Vertriebenen gefordert. Auch schwere Fälle von sexueller Gewalt gegen Frauen und Mädchen sowie die Rekrutierung von Jungen durch Gangs wurden gemeldet. Einem aktuellen Bericht des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten zufolge sind allein im Großraum Port-au-Prince fast 1,5 Millionen Menschen in von Gangs kontrollierten Vierteln gefangen. Die Organisation warnte, dass sich die Lage weiter verschlechtert, da die zunehmende Gewalt Menschen und Kinder von nahrhaften Lebensmitteln, Trinkwasser und angemessener medizinischer Versorgung fernhält. Nach Angaben des Welternährungsprogramms hungert fast die Hälfte der haitianischen Bevölkerung, etwa 4,4 Millionen Menschen, und benötigt lebenswichtige Hilfe. Artikel von Peoples Dispatch, veröffentlicht am 25. August 2022 externer Link („Haitians mobilize against insecurity and high cost of living”).
  • Drei Menschen wurden bei den Protesten getötet, mehrere verletzt
    „Drei Menschen wurden getötet und mehrere verletzt, als tausende haitianische Bürgerinnen und Bürger am Montag auf die Straße gingen, um den Rücktritt von Ministerpräsident Aeriel Henry zu fordern, weil er es versäumt hat, etwas gegen die steigenden Lebenshaltungskosten, die Bandenkriminalität, die politische Instabilität und die schwere Lebensmittel- und Treibstoffknappheit zu unternehmen. Angeführt vom Nationalen Mobilisierungsraum (EMNA) und dem haitianischen Oppositionsführer Jean Charles Moïse starteten die Protestierenden eine „beispiellose Bewegung“ und skandierten: „Wenn Aeriel nicht geht, werden wir sterben“. Einige Demonstrant:innen trugen schwarze und rote T-Shirts, auf denen „Erhebt euch“ und „endepandans“ (Unabhängigkeit) stand. Die Demonstrationen begannen in Port-au-Prince und weiteten sich später auf andere Großstädte aus, darunter Cap-Haitien, Les Cayes, Jacmel, Petit Goâve und Delmas, wo es nach Angaben der EMNA zwei Todesopfer gab. Eine andere Schätzung ergab jedoch drei Todesopfer. Mit brennenden Reifen, Straßenblockaden und Steinwürfen wurden die Städte zum Stillstand gebracht, und die Protestierenden gerieten mit der Polizei aneinander, nachdem Kugeln und Tränengasgranaten abgefeuert worden waren, um die Menschenmenge zu zerstreuen. (…) Die chronische Bandenkriminalität hat dazu geführt, dass die Regierung weite Teile des Landes nicht mehr unter Kontrolle hat. Nach der Ermordung von Präsident Jovenel Moïse im letzten Jahr, nach der Henry die Macht übernahm und versprach, die Unsicherheit zu bekämpfen, haben auch tödliche Zusammenstöße und Entführungen deutlich zugenommen…“ Meldung von Statecraft, erschienen am 23. August 2022 externer Link („Haiti: 3 Dead as Thousands Protest Against “Alarming” Inflation, Crime“).
  • „Kein Benzin mehr“
    In Haiti sind wegen der anhaltenden Treibstoffknappheit Proteste ausgebrochen. Angeführt von Motorradtaxis (Bild) wurden in der Hauptstadt Port-au-Prince Barrikaden aus brennenden Reifen errichtet. Nach Angaben der haitianischen Nachrichtenagentur Alterpresse wurden aus verschiedenen Stadtteilen auch Steinwürfe und Schüsse gemeldet. Der nationale Koordinator der Antikorruptionsbrigade, Sonson Dumé, kritisierte, dass die Entscheidung des Staates, den Ölmarkt in Haiti zu liberalisieren, die Ursache für die anhaltende Treibstoffknappheit sei.“ Meldung der jungen Welt vom 15. Juli 2022 externer Link
  • Siehe zuvor auch unser Dossier: Generalstreik und Proteste gegen Entführungen und Gewalt in Haiti
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=203845
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