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Swissport: Nicht nur Stimmung des Flughafenpersonals am Boden – steigende Überlastung könnte bald zu spontanen Streiks führen

Dossier

Schweizer Flug Gewerkschaft VPODNeben vielen anderen Ländern ist nun auch die Schweizer Flugindustrie in der Krise. Die Kolleg:innen haben durch die Corona-Pandemie Lohneinbußen hingenommen, Stellen wurden abgebaut, die Arbeitszeiten ausgedehnt, Urlaubstage und Pausenzeiten gestrichen. Wie auch in anderen Fällen haben die Flugunternehmen trotz Personalmangel ordentlich Flugtickets verkauft, deren Abfertigung jedoch mit der geschrumpften Arbeitskapazität nicht zu bewältigen ist. In Zürich mussten Kolleg:innen jetzt in Nachtschichten arbeiten, um Gepäck und Check-Ins zu bewältigen. (siehe hierzu auch den Artikel von Nicola Imfeld am 30. Juni 2022 auf Blick.ch externer Link). Die Kolleg:innen drohen jetzt mit spontanen Arbeitsniederlegungen, sollte der Arbeitsdruck nicht binnen kürzester Zeit nachlassen. Die Gewerkschaft VPOD Luftverkehr hat den Tarifvertrag vorzeitig gekündigt, die Verhandlungen laufen zäh… Siehe weitere Berichte zur Situation in der Schweizer Flugindustrie:

  • Fauler Kompromiss: Kurzstreik am Airport Genf „erkämpft“ nur die Verzögerung des neuen Lohnmodells mit Einkommenseinbußen New
    • Ausstand am Drehkreuz
      Viel ging nicht mehr: Am vergangenen Freitag blieben die meisten Flugzeuge am Airport Genf am Boden. Der Schweizer Gewerkschaftsbund (SGB) hatte die rund 1.000 Beschäftigten zum zweitägigen Streik aufgerufen. Ein Novum sowohl für die Belegschaftsorganisation als auch das Personal – denn erstmals seit Gründung des Flughafens 1922 wurde vor Ort gestreikt. (…) Der Grund für den Streik: Der Verwaltungsrat hatte am Dienstag voriger Woche ein neues Lohnmodell angenommen. Sehr zum Unmut der Beschäftigten, die zumeist im Sicherheitsdienst und bei der Passkontrolle arbeiten. In diesem Modell sollen die jährlichen Lohnanpassungen abgeschwächt werden, was zu faktischen Einkommenseinbußen führt. Nach der Coronakrise konnte sich der Flughafen erholen und einen Betriebsgewinn von 61 Millionen Franken (etwa 62,5 Millionen Euro) einstreichen. Aufgrund dessen akzeptiert die Angestelltengewerkschaft VPOD der SGB die Kürzungsmaßnahmen nicht. Obgleich die Geschäftsleitung des Flughafens versuchte, den Streikenden entgegenzukommen, blieben sie bei ihrem Standpunkt. (…) Um dennoch eine Einigung zwischen der Gewerkschaft und der Geschäftsleitung zu erzielen, schaltete sich Nathalie Fontanet (FDP), Finanzvorsteherin des Kantons Genf, in den Konflikt ein, deren Department die Schirmherrschaft über den Flughafen Genf hat. Die Drohung, dass man den Streik kurz vor Beginn der Sommerferien auch am Samstag weiterführen würde, lag dabei ständig in der Luft, sollte bis 18 Uhr keine Einigung erzielt werden. Die gab es dann: Die Kontrahenten verkündeten einen »Kompromiss«. Was sieht der vor? Keine Rücknahme der »Lohnreform«, nur eine Vertagung des Inkrafttretens. Das heißt? »Das Lohnsystem wird nicht vor dem 1. Januar 2025 geändert«, teilte Gewerkschafter Pouranpir am Freitag abend auf der Homepage der VPOD mit. Bis dahin sollen Arbeitsgruppen mit Mediatoren gegründet werden. Ferner werde eine paritätisch besetzte Kommission gebildet. Ihre Aufgabe wird es sein, sowohl den Interessen der Kapitalseite als auch den Beschäftigten gerecht zu werden. Nur, die VPOD verfehlte ihr Ziel: die Rücknahme der »Reform«. Trotz der faktischen Kapitulation bezeichnete Pouranpir die Einigung als vollen Erfolg…“ Artikel von Kim Nowak in der jungen Welt vom 04.07.2023 externer Link, siehe:
    • Erfolg am Genfer Flughafen
      Der Streik hat sich gelohnt! Das von der Direktion des Flughafens gewünschte neue Lohnsystem wird nicht wie geplant in Kraft treten. Nach dem Streik des Personals des Genfer Flughafens am Freitag, den 30. Juni, wurde eine Einigung erzielt. In Anwesenheit eines unabhängigen Vermittlers werden nun Gespräche über die Lohnpolitik aufgenommen. Es bedurfte eines Streiks, damit die Direktion des Flughafens einer echten Konzertierung zustimmte! Das Lohnsystem wird nicht vor dem 1. Januar 2025 geändert. Angesichts dieses Ergebnisses hat das Personal einstimmig beschlossen, den Streik morgen, am Samstag, den 1. Juli, nicht zu verlängern. Das war nur möglich dank der Entschlossenheit, dee Solidarität und des Muts der Kolleg:innen am Flughafen. Ihr erfolgreicher Kampf ist ein Beispiel für alle Arbeitnehmer:innen des Landes!VPOD-Mitteilung vom 30. Juni 2023 externer Link
  • Schweiz: Über 93% der Pilot:innen stimmen für Streik Ende Oktober – seit April 2022 fliegen sie ohne Gesamtarbeitsvertrag – CEO vom SWISS erhält letzte Chance
    „Seit dem 1. April 2022 fliegen die Piloten der SWISS ohne gültigen Gesamtarbeitsvertrag. Verhandlungen und Gespräche über einen neuen GAV waren bisher erfolglos. Sollten auch die für den 22. und 23. Oktober angesetzten Gespräche mit SWISS-CEO Dieter Vranckx ohne Resultat enden, ist der Pilotenverband AEROPERS bereit, die berechtigten Interessen seiner Mitglieder mit rechtmässigen Arbeitskampfmassnahmen durchzusetzen. Heute morgen endete beim Pilotenverband AEROPERS die Abstimmungsfrist für eine Arbeitsniederlegung (Streik) und eine Vollversammlung. Die Stimmbeteiligung war mit 97.2% überwältigend. Mit 93.7% beziehungsweise 95.9% JA-Stimmen haben die AEROPERS-Mitglieder ein klares Zeichen dafür gesetzt, dass es jetzt einen zeitgemässen Gesamtarbeitsvertrag braucht. Der CEO hat am 22. und 23. Oktober die Möglichkeit den Weg in die gemeinsame Zukunft zu ebnen. Bis dahin wird AEROPERS den Betriebsfrieden wahren. „Wir wollen eine Lösung am Verhandlungstisch. Sollte der CEO jedoch auch diese Gelegenheit ungenutzt lassen, sind wir bereit, die berechtigten Interessen unserer Mitglieder mit rechtmässigen Arbeitskampfmassnahmen durchzusetzen“, sagt Clemens Kopetz, Präsident des Pilotenverbandes. Am 24. Oktober wird AEROPERS über das weitere Vorgehen informieren.“ Stellungnahme des Pilotenverbands AEROPERS vom 16. Oktober 2022 externer Link („SWISS-Piloten geben CEO eine letzte Chance“)
  • Swissport stellt sich weiterhin stur – wilde Streiks nicht ausgeschlossen
    „… In wenigen Monaten läuft der Krisen-GAV aus. Für Stefan Brülisauer, Regionalsekretär der Gewerkschaft VPOD, ist klar: «Gibt es bis Ende Jahr keine Lösung, finden im Januar Streiks am Zürcher Flughafen statt.» Auch SEV-Gata-Präsident Hadorn bestätigt work: «Unter den Mitarbeitenden brodelt es!» Die Arbeitsbelastung sei untragbar, viele der Angestellten zerbrächen daran. Wegen der fehlenden Ruhetage sind viele krankgeschrieben. Dass es zu einem wilden Streik in den nächsten Monaten kommen könnte, kann der Gewerkschafter nicht ausschliessen. (…) Swissport ist an knapp 300 Flughäfen rund um den Globus tätig. Der Flugabfertiger gehört zu den Grössten der Branche. Doch ausser dem Sitz und dem «Swiss»im Namen hat der Konzern nichts mehr mit der Schweiz zu tun. Swissport war bei ihrer Gründung 1996 noch Teil der Swissair. Nach deren Grounding im Jahr 2001 wurde Swissport an einen britischen „Heuschrecken“-Fonds verkauft. Und wechselte danach mehrmals die Besitzer. (…) In der Coronakrise kauften US-amerikanische und britische Investoren das Unternehmen. Im vergangenen Jahr beschäftigte es 48’000 Mitarbeitende und fertigte rund 2 Millionen Flüge ab. CEO Warwick-Brady ging in einem Interview mit der «Aargauer-Zeitung» für 2023 von einem Umsatz von drei Milliarden Franken aus.“ Artikel von Darija Knežević vom 2. September 2022 in der WOZ externer Link („Gibt es bis Ende Jahr keine Lösung, wird gestreikt“)
  • Flughafen Zürich: Swissport-Angestellte protestieren mit Buh-Rufen gegen Management – Swissport-Spitze soll bis Mittwoch reagieren
    Mit einem lauten Pfeifkonzert und Buh-Rufen haben am Samstagvormittag rund 200 Swissport-Angestellte am Flughafen Zürich gegen schlechte Arbeitsbedingungen protestiert. Sie verteilten Flyer an Passagiere, auf denen sie für Verständnis für ihre Situation warben. Auf den Betrieb am Flughafen Zürich hatte die Aktion, soweit erkennbar war, keine Auswirkungen. «Die Ansammlung von Mitarbeitenden, die Sie heute wahrnehmen, ist nicht der Grund für allfällige lange Wartezeiten», schrieben die Swissport-Angestellten in dem Flyer, den sie im Terminal 1 den Passagieren in die Hand drückten. Es würden schlicht zu wenig Leute für die Bewältigung des Ferienansturms im Einsatz stehen. Die Mitarbeitenden seien überlastet, die Situation sei eine Zumutung. Vor dem Terminal-Gebäude versammelten sich rund 200 Angestellte mit Trillerpfeifen, Gewerkschaftsfahnen und Karton-Tafeln, auf denen sie ihre Forderung bekräftigen: Bessere Arbeitsbedingungen, ein Gesamtarbeitsvertrag (GAV) auf dem Niveau des früheren GAV. «Kein Krisen-GAV mit Verschlechterungen bei Lohn und Arbeitszeit.» «Kein Krisen-GAV mit Verschlechterungen bei Lohn und Arbeitszeit», forderten sie. Der Krisen-GAV sei immer noch in Kraft, obwohl sich die Luftfahrt nach Corona wieder normalisiert habe. Rund 50 der Demonstrantinnen und Demonstranten zogen schliesslich zum Büro der Swissport-Verantwortlichen, wo sie einen Vorvertrag mit Eckwerten für den neuen GAV deponierten. Die Angestellten fordern, dass das Management diese Eckwerte bis am Mittwoch akzeptiert…“ Meldung vom 23.7.2022 bei SRF externer Link, siehe auch den Tweet von VPOD Schweiz am 23. Juli 2022 externer Link: „Gestern unter grossem Druck Überzeit geleistet – heute vom eigenen Management im Stich gelassen. Das #Swissport-Personal ist wütend und wird weiterkämpfen für gerechte Arbeitsbedingungen #Unionize #FaireLöhne #FaireArbeit #Bodenpersonal
  • ‘Wir sind total am Anschlag‘
    „… Das Bodenpersonal, sagt sie, fahre auf Abruf Schicht an Schicht weit über das vertraglich abgemachte Arbeitspensum hinaus. Darunter leide das Privatleben enorm. ‚Wir sind total am Anschlag. Erholung ist fast nicht mehr möglich.‘ Für sie sei die Arbeit auf dem Flughafen immer ein Traumjob gewesen. Ob das jetzt unter diesen Bedingungen noch der Fall ist, da ist sich Maya F. nicht mehr so sicher. (…) Daher ist Dampf im System, befeuert auch von der bevorstehenden Ferienzeit. Obschon die Ticketpreise in letzter Zeit gestiegen sind, hält der Preiskampf zwischen den Airlines um die günstigsten Tickets an. Er wird auch auf dem Buckel des Bodenpersonals ausgetragen, Menschen, die im Catering arbeiten, putzen oder die Fluggäste abfertigen. Auch Marvin S.* gehört zum Bodenpersonal. Er schuftet als Rampmitarbeiter, er ent- und belädt die Flugzeuge. Die Zeit für diese Arbeit ist knapp bemessen. Flugzeuge müssen vor allem in Spitzen um die Mittagszeit und am späten Nachmittag innerhalb einer Stunde (oder noch weniger) be- und entladen werden. Mitarbeiter:innen ohne Zusatzfunktionen erledigen diese körperlich harte Arbeit für brutto rund 4500 Franken monatlich, netto liegt die Entschädigung damit knapp über dem Mindestlohn von 4000 Franken. Während der Pandemie mussten die Mitarbeiter:innen zudem Zugeständnisse bei der Arbeitszeit und bei der Schichtplanung hinnehmen: Bei gleichbleibendem Lohn arbeitet das Bodenpersonal ein bis zwei Stunden mehr pro Woche, ausserdem muss es bei der Schichtarbeit enorm flexibel sein. ‚Es kommt regelmässig vor, dass ich von sechs Uhr morgens bis sechs Uhr abends eine Schicht fahre – und dann am nächsten Tag eine Frühschicht habe, also um vier Uhr morgens aufstehen muss‘, sagt Marvin S. Auch die sogenannten Splitschichten hätten zugenommen. Das bedeutet: von morgens sechs bis abends sechs Uhr, sechs Tage pro Woche. Bleibt ein Tag Erholungszeit. ‚Dann erledige ich privat das Notwendigste, und den Rest des Freitags liege ich auf dem Sofa oder schlafe. Erholung ist nicht mehr möglich.‘ (…) Die Gewerkschaften kämpfen für Arbeitsbedingungen wie vor der Pandemie und haben den Krisen-GAV vorzeitig gekündigt. Die ersten Verhandlungsrunden haben keine Einigung gebracht. Im Herbst sollen die Verhandlungen weitergeführt werden. (…) Stefan Brülisauer vom VPOD Luftverkehr sagt, Swissport stelle sich auf den Standpunkt, für einen besseren GAV sei kein Geld vorhanden. «Wir sagen: Das ist nicht unser Problem. Wir fordern mehr Freizeit, mehr Erholungszeit auf dem Lohnniveau von vor der Krise.» Auch das Streikverbot ist für die Gewerkschaften nicht sakrosankt. Sollten von Swissport «fundamentale Regeln» gebrochen werden, «stellen wir die Friedenspflicht infrage». Streiks wären also denkbar. Vorerst aber soll es während des Sommers bei Protestversammlungen bleiben…“
    Artikel von Andreas Fagetti, erschienen am 7. Juli 2022 in der WOZ externer Link
  • Swissport: Gewerkschaften kündigen Krisen-GAV
    Gewerkschaften kündigen den Gesamtarbeitsvertrag und bereiten sich auf Protestaktionen am Flughafen Zürich vor. Der Konflikt mit Swissport ZH und den Gewerkschaften zeichnete sich ab…“ Beitrag von Stefan Brülisauer vom 23.06.2022 bei der VPOD externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=202556
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