Kapitalkonformes Ich: Das neoliberale Akkumulationsregime des digitalen Kapitalismus hat einen neuen Subjekttypen erzeugt – das sorgt auch innerhalb der radikalen Linken für Probleme

Effizienz macht hässlich„… Im folgenden zehn Thesen zur Funktionsweise des neoliberalen Subjekts. 1.Das neoliberale Subjekt ist ein Individuum, das keine Gesellschaft kennt oder braucht. Margaret Thatchers Slogan »There is no society, only family« hat sich durchgesetzt. (…) Im Zusammenhang mit Thatchers Diktum gehört auch, Geschichte als Erinnerung an vorangegangene Kämpfe zu entsorgen bzw. als überflüssig zu erklären. (…) 2. Die Reduktion auf die individuelle Existenz hat zur Folge, dass das Individuum zu jeder Tages- und Nachtzeit für sich selbst verantwortlich ist. (…) 3. Auf diese Weise wird durch die Hintertür die Moral wieder eingeführt. Du bist selbst schuld! Scheitern oder Erfolg werden individualisiert und ganz in die Verantwortung des einzelnen gelegt. (…) 4. Gewalt im Sinne von Kontrolle, Herrschaft oder Zurichtung wird unsichtbar gemacht, indem der Rahmen, in dem gelernt oder gearbeitet wird, niemals Gegenstand der Kritik wird. Das System ist quasi alternativlos. (…) 5. Die Leistung des Subjekts besteht darin, sich im Rahmen des Systems bewegen zu können, die Regeln zu kennen und sich darin zu behelfen. In linken Kreisen zeigt sich dieses Denken als Bedürfnis, sich Regeln zu geben, um nicht die Orientierung zu verlieren…“ Artikel von Barbara Imholz in der Jungen Welt vom 29. März 2022 externer Link, siehe auch kurzen Abriss der Punkte 6.-10.:

  • „… 6. Darauf beruht die sogenannte Kompetenzorientierung, bei der es nicht mehr um Vermittlung von Inhalten geht, sondern um Fähigkeiten, innerhalb des Systems handlungsfähig zu sein. Ein Unterrichtsgegenstand darf nicht zweckfrei sein, sondern dient ausschließlich der Nützlichkeit und Verwertbarkeit zur Bewältigung des Lebens, das nennt sich dann Handlungskompetenz. (…) 7. Organisation und Organisierung lernt das neoliberale Subjekt nur scheinbar, da diesem Prozess ja eine Entscheidung vorausgegangen sein muss, was man will und dass man vielleicht etwas will, das im bestehenden System nicht vorgesehen ist. Behauptet wird zwar die Bedeutung von Eigenverantwortlichkeit und Selbstorganisation, allerdings nur im vorgeschriebenen Rahmen. Das unvorhergesehene zu organisieren, steht nicht auf der Tagesordnung. (…) 8. Der neoliberale Typus versucht, einer doppelten Botschaft gerecht zu werden: Genieße und sei diszipliniert. (…) 9. Die Subjektivierung, von der wir hier sprechen, setzt schon im Kindergartenalter ein und läuft dort unter dem Konzept des situativen Ansatzes. (…) Es scheint wichtig zu sein, dass es keine Vorgaben gibt, keine Linie, keine Inputs, Vorträge; je mehr Möglichkeiten der Wahl und selbstbestimmten Gestaltung, desto »hochwertiger« das Angebot. (…) 10. Das neoliberale Subjekt lernt auf diese Weise, dass Formate, Methoden und äußere Gestaltung eine hohe Qualifikation darstellen. In linken Kreisen zeigt sich dies durch schnelle Ermüdung durch inhaltliche Beiträge, denen, wenn sie nicht eingebettet sind in moderative Formen, kein Wert zugebilligt wird. Die Reduktion in Schule und Universität auf »Schmalspurinhalte« führt dazu, dass Theorielosigkeit oder Theoriefeindlichkeit überhand gewinnen…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=199374
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