Daimler in Mettingen: Tödlicher Arbeitsunfall in Halle 7, Kernmacherei, im Oktober 2021

Workers Memorial DayAm Montag in der Frühschicht hat sich in Mettingen wieder ein sehr tragischer Arbeitsunfall ereignet. Ein Kollege wurde bei Einrichtearbeiten in einer Anlage von der Vorrichtung so schwer eingeklemmt, dass er trotz schneller Rettungsmaßnahmen im Krankenhaus wenige Stunden später seinen Verletzungen erlag. Die ersten Gedanken und unser tief empfundenes Mitgefühl gelten den trauernden Familienangehörigen, Freunden und Arbeitskollegen. Es ist immer schrecklich, wenn ein geliebter, geschätzter oder vertrauter Mensch so heftig, so plötzlich aus dem Leben gerissen wird. Trost zu spenden ist daher unsere allererste Pflicht. Das sind wir als Belegschaft jedem Kollegen schuldig, der bei der Arbeit im Betrieb schwer verunfallt und verstirbt. Und trotzdem müssen wir uns auch fragen, warum wir in Mettingen in relativ kurzer Zeit so viele schwere und eben sogar auch tödliche Arbeitsunfälle zu verzeichnen haben…“ Meldung aus Alternative: Belegschaftszeitung Daimler Untertürkheim Nr. 184 vom 28. Oktober 2021 und der Rest dieser Meldung sowie weitere Informationen:

  • Prozess um Arbeitsunfall: Ein vermeidbarer Tod im Daimler-Werk – Mercedes-Benz und der „unheimliche Druck“ standen in Esslingen nicht vor Gericht New
    Ein altgedienter Vorarbeiter wird in Mettingen in einer Maschine zerquetscht. Nun stand der Kollege, der den falschen Knopf drückte, vor Gericht. Welchen Anteil haben er, der Getötete und der Konzern am dem Unfall? (…) Ein Kollege am Bedienpult hatte den falschen Knopf gedrückt. Als Jörg K. aufschrie, war es schon zu spät. Er kam noch ins Krankenhaus, aber die Ärzte konnten nichts mehr für ihn tun. So tragisch endete ein Arbeitsleben, das ganz im Zeichen von Daimler und Mercedes stand. 36 Jahre war Jörg K. für den Autobauer tätig gewesen (…) Nun ist er ein Fall mehr in der Statistik der tödlichen Arbeitsunfälle, die bei Daimler – heute Mercedes-Benz – immer wieder vorkommen. Insgesamt acht gab es nach Unternehmensangaben seit 2020, mal fünf pro Jahr, mal zwei, auch mal gar keinen. (…) Der letzte Fall in dieser traurigen Reihe ereignete sich in diesem Jahr am 13. September. Ein Mercedes-Mitarbeiter wurde in der Vakuumkammer innerhalb der Untertürkheimer Kurbelgehäusefertigung eingeklemmt und erlitt tödliche Verletzungen. Die Ermittlungen zu diesem Unfalltod sind noch nicht abgeschlossen. Dabei geht es um die bisher offenbar ungeklärte Frage, wie die Anlage anlaufen konnte, während sich eine Person im Gefahrenbereich aufhielt.
    Stets kommt die Polizei, um die Umstände zu ergründen, doch nur selten hat ein Unfall ein strafrechtliches Nachspiel wie bei Jörg K. Es endete erst jetzt mit einem Prozess vor dem Amtsgericht Esslingen, zumindest vorläufig. Gegen den Daimler-Mann, der den
    falschen Knopf gedrückt hatte, war wegen fahrlässiger Tötung ermittelt worden.
    Schließlich erwirkte die Staatsanwaltschaft Stuttgart einen Strafbefehl über acht Monate Haft auf Bewährung. Der junge Familienvater, eingesetzt in einer Art Springer-Pool, legte Einspruch ein, es kam zur Verhandlung. Publikum gab es keines, niemand hatte von dem ungewöhnlichen Prozess erfahren. (…) Der Daimler-Werker habe sich nach eigenem Bekunden mit der gefährlichen Maschine kaum ausgekannt und sich daran nicht wohl gefühlt, er hätte sie nie in Gang setzen dürfen. Selbst in der Verhandlung konnte er anhand eines Fotos des Bedienfeldes nicht sagen, welche Tasten er hätte drücken sollen. (…) Weitere Zeugenaussagen hätten verdeutlicht, dass den Verunglückten „ein weit überwiegendes Verschulden traf“. Eine Mitverantwortung sah am Ende auch das Gericht, wie ein Sprecher erläuterte. Jörg K. hätte sich nicht in die Maschine hinein begeben dürfen. Gegen 3000 Euro, zu zahlen an eine  Hilfsorganisation für krebskranke Kinder, wurde das Verfahren eingestellt. Das Veto der Nebenkläger spielte keine Rolle. (…) In der Verantwortung sahen die Nebenkläger indes nicht nur den Mitarbeiter, sondern auch das Unternehmen. Am Tag des Unfalls habe ein „unheimlicher Druck“ geherrscht, referiert der Anwalt Julien, der Aufenthalt im Innenbereich der Maschine sei „von oben“ geduldet worden. Es habe keine Sicherung dagegen gegeben, elektronische Schlösser seien erst nach dem Unglück ausgegeben worden. Auch andere Verfahrensbeteiligte hatten den Eindruck, dass der Arbeitsschutz nicht allzu streng gehandhabt wurde. Zweifel daran hörten die Hinterbliebenen auch von Kollegen ihres Vaters; doch diese hätten offenbar nicht offen reden können. Mercedes-Benz indes stand in Esslingen nicht vor Gericht. Man habe zunächst „in alle Richtungen“ ermittelt, sagt die Staatsanwaltschaft, aber für eine Verantwortlichkeit von Vorgesetzten oder ein „Organisationsverschulden“ hätten sich keine ausreichenden Anhaltspunkte ergeben. Die Hinterbliebenen können das nicht nachvollziehen. Sie erwägen nun straf- und zivilrechtliche Schritte gegen den Konzern – und suchen über ihren Anwalt den Kontakt zu Angehörigen anderer Unfallopfer. (…) Auch örtliche Betriebsräte hatten bei einer ersten Begehung den Eindruck, die Anlage habe einen hohen Sicherheitsstandard. Doch der „Faktor Mensch“ müsse mit bedacht werden, mahnten sie in der Belegschaftszeitung „Alternative“ – keineswegs ein Organ von Rechten, sondern von Arbeitnehmervertretern, denen der Kurs der IG Metall zu sanft ist. Der fragliche Schlitten laufe mit 1,3 Metern pro Sekunde viel zu schnell, monierten sie. Zudem müsse technisch überwacht werden, dass sich niemand im Gefahrenbereich befinde. Die Firmenvertreter hätten jedoch nur von der modernen Maschine geschwärmt und sich stur gestellt, hieß es enttäuscht…“ Artikel von Andreas Müller und Peter Stolterfoht vom 04.12.2023 in der Stuttgarter Zeitung online externer Link („Prozess um Arbeitsunfall: Ein vermeidbarer Tod im Daimler-Werk“, paywall)
  • Weiter aus der Meldung in Alternative: Belegschaftszeitung Daimler Untertürkheim Nr. 184 vom 28. Oktober 2021 :
    „… Sind unsere Sicherheitsstandards doch nicht ausreichend? Sind die technischen Sicherheitseinrichtungen an den Anlagen wirklich so „ausgereizt“, dass die Kollegen vor den Gefahren der Anlage und auch  unter Berücksichtigung des Faktors „Mensch“ maximal geschützt sind.
    Eine erste Arbeitsplatzbegehung von uns Betriebsräten und den Führungskräften haben ergeben, dass die Anlage in der Kernmacherei einen hohen Sicherheitsstandard hat. Aber trotzdem haben sich in der Diskussion auch erste Ideen für weitere Verbesserungen der technischen Sicherheitsvorkehrungen ergeben.
    Besonders kritisch und auch mit erheblichen Gefährdungen versehen, sind Anlagen im sogenannten Handbetrieb, vor allem wenn sich Kollegen im Verfahrbereich der Maschine befinden. Deshalb wollen wir von der Werkleitung, dass die Schutzmechanismen auf diese Gefährdung hin systematisch untersucht werden und mögliche Verbesserungen umgesetzt werden. Die notwendigen Mittel müssen frei gegeben werden.“ Siehe auch ganz kurz:
  • Unfall in Esslingen-Mettingen: Mann nach Arbeitsunfall gestorben
    Am Montagvormittag hat sich in einer Firma im Esslinger Stadtteil Mettingen ein schwerer Arbeitsunfall ereignet. Ein Arbeiter kam dabei ums Leben. Bei einem schweren Arbeitsunfall am Montagvormittag ist ein Arbeiter ums Leben gekommen. Nach Angaben der Polizei war der 57-Jährige zusammen mit weiteren Arbeitern an einer Maschine in der Gießerei einer Firma in der Emil-Kessler-Straße beschäftigt. (…) Die Kriminalpolizeidirektion Esslingen hat zusammen mit Beamten des Arbeitsbereichs Gewerbe und Umwelt sowie Mitarbeitern des Gewerbeaufsichtsamts die Ermittlungen aufgenommen.“ Meldung vom 26.10.2021 in der Esslinger Zeitung online externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=196202
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