Auf Vorlage des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung: Provider Spacenet klagt vorm EuGH

Zeig der Vorratsdatenspeicherung die Rote KarteWir drücken die Daumen, wenn am 13.09.2021 die mündliche Anhörung zur Klage des Internetproviders SpaceNet AG und des Verbandes der Internetwirtschaft (eco) und ein Parallelverfahren der Telekom Deutschland GmbH gegen die Vorratsdatenspeicherung vor dem europäischen Gerichtshof (EuGH) beginnen. Dort soll überprüft werden, ob die deutschen Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung gegen die EU-Grundrechte-Charta verstoßen. (…) Auch SpaceNet und der eco Verband halten die Vorratsdatenspeicherung für unverhältnismäßiges Sicherheitstheater, das uns alle gefährdet und zwar ohne jeden Nutzen: Denn die versprochenen Ziele (Terrorabwehr, Bekämpfung schwerster Verbrechen) können damit nicht erfüllt werden. (…) SpaceNet beruft sich auf den Schutz von Privat- und Familienleben (Art. 7), den Schutz der personenbezogenen Daten (Art. 8), die Berufsfreiheit (Art. 15), die unternehmerische Freiheit (Art. 16) und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Art. 52) nach der EU-Grundrechte-Charta…“ Beitrag von Julia Witte vom 13.09.2021 bei Digitalcourage externer Link mit Verweis auf mögliche Folgen für deren/unsere Verfassungsbeschwerde, siehe nun das Urteil und Hintergründe:

  • Urteil des EuGH (Große Kammer) vom 20. September 2022: Aktuell in Deutschland geltende Vorratsdatenspeicherung widerspricht den Grundrechten der EUNew
    „… In den verbundenen Rechtssachen C‑793/19 und C‑794/19 betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) mit Entscheidungen vom 25. September 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Oktober 2019 (…) [hat das EuGH] für Recht erkannt: Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) in der durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 geänderten Fassung ist im Licht der Art. 7, 8 und 11 sowie von Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass er nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, die – präventiv zur Bekämpfung schwerer Kriminalität und zur Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten vorsehen; er nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, die es zum Schutz der nationalen Sicherheit gestatten, den Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste aufzugeben, Verkehrs- und Standortdaten allgemein und unterschiedslos auf Vorrat zu speichern, wenn sich der betreffende Mitgliedstaat einer als real und aktuell oder vorhersehbar einzustufenden ernsten Bedrohung für die nationale Sicherheit gegenübersieht, sofern diese Anordnung Gegenstand einer wirksamen, zur Prüfung des Vorliegens einer solchen Situation sowie der Beachtung der vorzusehenden Bedingungen und Garantien dienenden Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle sein kann, deren Entscheidung bindend ist, und sofern die Anordnung nur für einen auf das absolut Notwendige begrenzten, aber im Fall des Fortbestands der Bedrohung verlängerbaren Zeitraum ergeht; zum Schutz der nationalen Sicherheit, zur Bekämpfung schwerer Kriminalität und zur Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit auf der Grundlage objektiver und nicht diskriminierender Kriterien anhand von Kategorien betroffener Personen oder mittels eines geografischen Kriteriums für einen auf das absolut Notwendige begrenzten, aber verlängerbaren Zeitraum eine gezielte Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten vorsehen; zum Schutz der nationalen Sicherheit, zur Bekämpfung schwerer Kriminalität und zur Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit für einen auf das absolut Notwendige begrenzten Zeitraum eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung der IP‑Adressen, die der Quelle einer Verbindung zugewiesen sind, vorsehen; – zum Schutz der nationalen Sicherheit, zur Bekämpfung der Kriminalität und zum Schutz der öffentlichen Sicherheit eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung der die Identität der Nutzer elektronischer Kommunikationsmittel betreffenden Daten vorsehen; – es zur Bekämpfung schwerer Kriminalität und, a fortiori, zum Schutz der nationalen Sicherheit gestatten, den Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste mittels einer Entscheidung der zuständigen Behörde, die einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle unterliegt, aufzugeben, während eines festgelegten Zeitraums die ihnen zur Verfügung stehenden Verkehrs- und Standortdaten umgehend zu sichern. Diese Rechtsvorschriften müssen durch klare und präzise Regeln sicherstellen, dass bei der Speicherung der fraglichen Daten die für sie geltenden materiellen und prozeduralen Voraussetzungen eingehalten werden und dass die Betroffenen über wirksame Garantien zum Schutz vor Missbrauchsrisiken verfügen…“ Aus der Urteilsbegründung des EuGH zu C‑793/19 und C‑794/19 vom 20. September 2022 externer Link

Siehe dazu im LabourNet Germany folgende Dossiers:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=193375
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