Zeitung gegen den Krieg Nr. 49 zum Antikriegstag, 1. September 2021

Zeitung gegen den KriegIn einer Zeit, in der die westliche Kriegsallianz, darunter die Bundeswehr, Afghanistan fluchtartig verlässt und Zehntausende afghanische Menschen, die dieser Kriegsallianz (und auch humanitären Organisationen) Dienste leisteten, in einem ungewissen Schicksal zurücklassen; (…) in einer Zeit, in der 600 Bundeswehr-Soldaten in Litauen, Lettland, Estland und Polen und damit an der russischen Staatsgrenze stationiert sind und sich damit Deutschland an der westlichen Politik der militärischen Einkreisung Russlands aktiv beteiligt; in einer Zeit, in der 30 Bundewehr-Soldaten aus Litauen kurzfristig zurück kommandiert werden müssen, weil sie vor Ort mit faschistischen Liedern einen Skandal produziert haben; in einer Zeit, in der die USA unter US-Präsident Joe Biden ein westliches Bündnis schmieden, um auf einen Krieg gegen die VR China vorzubereiten; (…) in einer Zeit, in der die Aufrüstung der NATO und der EU beschleunigt vorangetrieben wird; in einer Zeit, in der die zur Wahl am 26. September antretenden Parteien CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne das Ziel der Steigerung der Rüstungsausgaben auf „2-Prozent vom BIP“ vertreten; (…) in einer Zeit, in der die Klimakatastrophe sich immer deutlicher abzeichnet und alle materiellen Mittel auf eine Transformation der Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit konzentrieren müssten, die Aufrüstung jedoch in exakt die entgegengesetzte Richtung weist und das Militär der Klimasünder Nummer eins ist – erscheint diese neue Ausgabe der Zeitung gegen den Krieg (ZgK) Nr. 49 u.a. zu den Themen…“ Siehe alle Infos zur Zeitung und Bestellung sowie als Leseprobe den Artikel „Drama in Kabul und wachsende Kriegsgefahr“ – wir danken!

Drama in Kabul und wachsende Kriegsgefahr

Der zwanzigjährige Krieg in Afghanistan hat eine ganze Region mit Millionen Menschen ins Unheil gestürzt, Gewalt verstärkt, weltweit die Militarisierung der Konflikte angeheizt und die Dynamik der Gewalt beschleunigt. Der Abzug der westlichen Militärs aus dem Land stellt eine schwere Niederlage für die USA, die Nato, die deutsche Regierung und die Bundeswehr dar. Vergleiche mit Vietnam 1975 drängen sich auf. Sie sind nur teilweise richtig. Auch dort erlitt der Westen eine schwere Niederlage. Es siegten jedoch fortschrittliche Kräfte. Im Fall Afghanistan ist die westliche Niederlage verbunden mit dem Sieg einer extrem frauenfeindlichen, reaktionären, gewalttätigen Gruppe.

Für uns ergeben sich drei Lehren aus dem zwanzigjährigen Afghanistan-Abenteuer.

Lehre 1: Das fatale Modell des Afghanistan-Einsatzes wird es auch in der Zukunft geben

Der westliche Krieg um Afghanistan folgte einem klassischen Muster imperialistischer Politik: Man nimmt einen kriminellen Anlass (9/11), besetzt die identifizierte, geopolitisch wichtige Region militärisch, installiert dort eine korrupte Marionettenregierung (Karzai-Ghani) und verfolgt damit letzten Endes machtpolitische und Rohstoffinteressen. Das war so in Vietnam Anfang der 1960er Jahre. Das war so im Irak 1990 und 2002. Bei all dem aktuellen Wehklagen über die „Katastrophe in Afghanistan“ hat der Westen dieser Politik mit keinem Wort abgeschworen. Im Gegenteil. In Mali proben derzeit Frankreich und Deutschland, gestützt von der EU, das nächste Modell imperialistischer Intervention.

Lehre 2: Noch im Rückzug aus Kabul orientiert die US-Regierung auf den großen Krieg

US-Präsident Joe Biden begründete den Truppenabzug aus Afghanistan laut Frankfurter Allgemeine Zeitung (18.8.) wie folgt: Die USA müssten sich jetzt auf „die heutigen entscheidenden Bedrohungen konzentrieren“. Die „wahren Rivalen Amerikas“ seien „Russland und China“. Diese sähen es „nur zu gerne“, wenn Washington seine „Wachsamkeit und Mittel“ auf Afghanistan verschwenden würde. Klarer konnte die Orientierung auf einen großen Krieg kaum formuliert werden.

Lehre 3: Der Afghanistan-Krieg war gegen Russland und China gerichtet. Er war Teil einer  Einkreisungspolitik. Beides wird nach dem Rückzug aus Kabul verstärkt fortgesetzt

Für die Pentagon-Strategen war der Einmarsch in Afghanistan ein zentraler Baustein ihrer Konfrontationspolitik gegen Russland und China. So wie sie bereits in den 1980er Jahren Saudi Arabien und weitere reaktionäre Golfstaaten finanziert und die Vorläufer der Taliban mit modernen Waffen ausgerüstet hatten, damit diese die damalige sowjetische Armee aus Afghanistan vertreiben konnten. Der aktuelle Abzug der westlichen Truppen aus Afghanistan entspricht damit nur einer Frontbegradigung. Dabei ist nicht einmal ausgemacht, ob aus den Taliban-Kämpfern in Kabul nicht am Ende ein westlich orientiertes Regime wird. Schließlich hatte die US-Regierung vor 9/11 mit den Taliban über den Bau einer Erdgaspipeline durch das Land verhandelt.

Die Orientierung auf einen großen Krieg läuft auf hohen Touren. Die Politik der Einkreisung Russlands und Chinas wurde in den letzten Jahren beschleunigt. Siehe die Manöver Defender 2021 und die Stationierung von rotierenden Nato-Verbänden in Osteuropa. Diese Politik findet seit einiger Zeit auf hoher See ihre Ergänzung: Siehe die gesteigerte Präsenz westlicher Kriegsschiffen vor der chinesischen Küste. Der ehemalige US-Admiral James G. Stavridis schreibt offen und ohne Widerspruch aus Washington, dass ein Krieg gegen China vorbereitet wird und dass dabei der Auslöser „Auseinandersetzungen um Taiwan und um verschiedene Inseln im Süd- und Ostchinesischen Meer“ sein könnten.

So wie der Afghanistan-Krieg ein Krieg des Westens und nicht allein ein US-Krieg war, so ist heute die Militarisierung der Welt  gemeinsame westliche Politik. Das allgemeine Ziel, 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung auszugeben, ist der gemeinsame Nenner dieser Kriegsvorbereitungen. CDU/CSU, SPD, FDP und AfD unterstützen dieses Ziel. Die Grünen äußern zwar formal Bedenken. Gleichzeitig treten sie für eine besonders aggressive Politik gegenüber Russland und China ein.

In diesen Wochen wird mit Recht der zynische Umgang der deutschen Regierung mit den afghanischen Hilfskräften kritisiert. Gleichzeitig gibt es bei den politisch Verantwortlichen eine große Angst vor einer neuen Welle mit hunderttausenden afghanischen Flüchtlingen. Es entstehen neue Grenzzäune und neue Mauern, so in der Türkei, um Flüchtlinge abzuwehren. In Wirklichkeit gibt es einen engen Zusammenhang zwischen der Politik von Waffenexporten und militärischen Interventionen und dem wachsenden Heer von Flüchtlingen. Wer Kriege sät, wird Flüchtlinge ernten.

Vor diesem Hintergrund ist eine Friedenpolitik vor allem von zwei Elementen bestimmt:

Notwendig sind erstens ein menschenwürdiger Umgang mit den Geflüchteten, ein Ende der Politik „Festung Europa“ mit Tausenden Ertrunkenen im Mittelmehr und die vollständige Integration der Geflüchteten in die Gesellschaft. Zweitens benötigen wir eine Politik der Abrüstung und Entspannung, des Abzugs der US-Atombomben von deutschem Boden und ein Ende von Rüstungsexporten und Rüstungsproduktion. Es ist Zeit für ein neues Friedensprojekt Europa und für die soziale und ökologische Gestaltung der Transformation.

Das zwanzigjährige Desaster in Afghanistan zeigt deutlich: Eine solche Friedenspolitik ist notwendiger denn je. Grundlage dafür ist eine sozial-ökologische Weltinnenpolitik.

Artikel von Reiner Braun, Michael Müller und Winfried Wolf aus der Zeitung gegen den Krieg Nr. 49 zum Antikriegstag, 1. September 2021 – wir danken!

(Siehe zum Hintergrund im LabourNet das Dossier: Abzug aus Afghanistan: Die NATO beendet ihren 20-jährigen Krieg am Hindukusch und lässt ihr Einsatzgebiet in katastrophalem Zustand zurück)

Infos zur Zeitung und Bestellung

  • Ausgabe 49 der ZgK nun zum Download New
    Am heutigen Mittwoch, den 25. August, geht die neue „Zeitung gegen den Krieg“ zum Antikriegstag in den Druck und steht auch ab sofort zum gratis-Download als pdf-Datei externer Link zur Verfügung
  • Themen der Zeitung:
    • Die westliche Politik der militärischen Eskalation und die ständige steigende Kriegsgefahr
    • Militär, Klima und Bundestagswahl
    • 80 Jahre Überfall auf die Sowjetunion, der allein in diesem Land 27 Millionen Menschenleben forderte
    • Die EINKREISUNGSPOLITIK der Nato gegenüber Russland und China wird unter Jo Biden intensiviert
    • Die notwendige sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft und ihr Zusammenhang mit der Friedenspolitik
  • Autorinnen und Autoren der neuen ZgK-Ausgabe: Reiner Braun, Christine Buchholz,  Angelika Claußen, Sevim Dagdelen, Joachim Guillard, Claudia Haydt, Heike Hänsel, Barbara Heller, Martin Hoffmann, Kristine Karch, Marion Küpkers, Michael Müller, Ulrich Sander, Bernhard Trautvetter, Ann Wright, Antje Volllmer, Winfried Wolf  
  • Acht Seiten im Zeitungsformat // Bezugspreise wie folgt (jeweils zuzüglich Porto & Verpackung): bei Bestellungen von 1 – 99 Ex.: 25 Cent je Ex. / bei Bestellungen ab 100 Ex: 15 Cent je Ex.
  • Bestellungen bitte möglichst über dieses Online-Formular externer Link oder unsere Website externer Link
  • Vertrieb ab Dienstag, 25. August 2021

Siehe auch im LabourNet: Antikriegstag 2021 am 1. September

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=192828
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