Private Sicherheitsdienste und Repression: Kommunen und das harte Vorgehen gegen Jugendliche

Nein zum “Sicherheitsdienstleistungsgesetz” für das private SicherheitsgewerbeAm 12. April 2021 sagte Bundespräsident Frank Walter Steinmeier in einer Rede an Studierende, dass es die Jungen sind, die unser Land für seine Zukunft so sehr braucht und die die Pandemie besonders hart treffe. Er erwähnte die Einsamkeit und die mangelnde Freiheit worunter die Jungen leiden. (…) Anderthalb Jahre konnten Jugendliche nicht feiern. Mit dem warmen Wetter wurden die Partys der Jugendliche ins Freie verlegt. Die Hamburger Polizei tat sich im Vorgehen gegen die jugendliche Partyszene besonders brutal hervor. (…) Es ist nicht zu leugnen, dass feiernde Jugendliche Probleme durch Lärmbelästigungen, Sachbeschädigungen, Vandalismus und Vermüllung mit sich bringen. Die meisten Kommunen reagieren mit privaten Sicherheitsdiensten und Repression darauf. (…) Die Pandemie hat dem Gewerbe die Tür zu den Ordnungsämtern und der Polizei weit geöffnet. (…) Bei jeder Vorstellung der Kriminalstatistiken wird auf die gute Sicherheitslage hingewiesen, geht es jedoch um weitere Einschränkungen der Freiheitsrechte wird genau das Gegenteil propagiert. Das was heute im Sicherheitsbereich als Prävention bezeichnet wird, geht viel zu oft mit Repression einher.“ Artikel von Jürgen Korell und Thomas Brunst vom 10. Juli 2021 – wir danken!

Private Sicherheitsdienste und Repression: Kommunen und das harte Vorgehen gegen Jugendliche

Am 12. April 2021 sagte Bundespräsident Frank Walter Steinmeier in einer Rede an Studierende, dass es die Jungen sind, die unser Land für seine Zukunft so sehr braucht und die die Pandemie besonders hart treffe. Er erwähnte die Einsamkeit und die mangelnde Freiheit worunter die Jungen leiden. (1)

Es waren aber nicht nur die Jungen, die die Pandemie hart traf, von sehr hart wollen wir nicht sprechen, denn sehr hart, traf es jene, die durch die Pandemie den Tod fanden, des Weiteren waren es die Armen und andere Hilfsbedürftige, die kaum eine Erwähnung fanden. Detlef Scheele, Vorstandsvorsitzender der Arbeitsagentur, lehnte die Erhöhung der Hartz-IV-Sätze von 446 Euro auf 600 Euro ab, weil er der Auffassung ist, dass das den Hartz-IV-Empfänger nicht deutlicher zufrieden macht. Die Kostenerstattung für Lern- und Lehrmittel für die Kinder von Hartz-IV-Empfängern sind nicht vorgesehen. Von Armin Laschet über Friedrich Merz und Annalena Baerbock sahen viele Politiker*innen die Kinder in der Pandemie leiden. (2)

Tatsächlich stieg die Zahl der Gewalttaten gegen Kinder während der Pandemie an und offenbarte die Überlastung der Jugendämter und Hilfseinrichtungen ebenso wie die zu großen Schulklassen, zu wenige Lehrkräfte und schlecht ausgestattete Schulen. Die Milliarden Corona-Hilfen flossen jedoch nicht in die Entlastung der Bedürftigen und der Besserstellung von Kindern und Jugendlichen sondern in die Wirtschaft. Der Wirtschaftsmotor muss brummen, koste es, was es wolle. Für die Jugend müssen die Lippenbekenntnisse herhalten. Während die Wiesbadener Staatskanzlei sehr früh mit Luftreinigungsgeräten ausgestattet wurde, muss in den Schulen egal bei welchen Außentemperaturen gelüftet werden.

Die Bundesregierung schuf dann doch noch das Aufholpaket für Kinder und Jugendliche, dass für 2021 und 2022 zwei Milliarden Euro umfasst, davon soll eine Milliarde in die kommerzielle Nachhilfe fließen. (2)

Während der Bundespräsident versuchte, Verständnis für junge Leute zu vermitteln, sieht der Umgang in vielen Kommunen mit den Jugendlichen ganz anders aus. In kaum einer Kommune gab es während der Pandemie Konzepte für Jugendliche und so blieb es nicht aus, dass ein Teil der Jugend sich selbst die Zeit vertrieb, was nicht immer mit einem friedlichen Zusammenleben zu vereinbaren war. 

Im nordrheinwestfälischen Xanten machte der Stadt der Vandalismus meist durch Jugendliche zu schaffen. Abhilfe sollte ein privater Sicherheitsdienst schaffen. Aufgrund der sinkenden Kosten für die Sachbeschädigungen schien dieses Konzept zu greifen. (3)

Doch der eingesetzte Sicherheitsdienst soll auch seine rechtlichen Befugnisse überschritten haben. Jugendliche seien trotz ihres friedlichen Aufenthalts aus dem Kurpark vertrieben worden und es seien deren Ausweise kontrolliert worden. Bürgermeister Thomas Götz verneinte die Frage, ob der Sicherheitsdienst zur Ausübung hoheitlicher Aufgaben befugt worden sei.

Trotzdem ist immer wieder zu hören, dass gerade gegenüber Jugendlichen das Recht durch private Sicherheitsdienstleister nicht geachtet würde. (4)

In der nordhessischen Gemeinde Kaufungen unterstützte die Sicherheitsfirma Protex das Ordnungsamt bei der Überwachung der Corona-Schutzbestimmung und die Polizei bei der Verhinderung von Straftaten, so Bürgermeister Arnim Roß. Wiederum standen die Jugendlichen im Fokus, die sich in den Abendstunden am Steinertsee nicht an Regeln und Verbote hielten. Der Sicherheitsdienst weise die Jugendlichen daraufhin, es seien aber auch Platzverweise notwendig. Ganz offen wurde der Rechtsverstoß zugegeben. Schließlich führte er ja auch zu keinen Konsequenzen. (5)

Im hessischen Rauheim soll die Firma WISAG die Stadtpolizei unterstützen, denn deren Dienst endet um 22 Uhr. Die Lücke bis sechs Uhr morgens schließt der Sicherheitsdienst. Der Fachbereichsleiter für Zentrale Dienste im Raunheimer Rathaus formulierte die Aufgabe des Sicherheitsdienstes: „Sie sollen die Leute ansprechen und nach Hause schicken.“ Mit anderen Worten soll der Sicherheitsdienst sich durch das Aussprechen von Platzverweisen rechtswidrig verhalten. Dass die Sicherheitsleute nicht immer auf dem rechtlich neusten Stand sind, zeigte auch die vom Landrat verhängte Ausgangssperre. Aufgrund einer Klage musste die Ausgangssperre aufgehoben werden. Die Jugendlichen waren besser informiert, als der Sicherheitsdienst. Sie widersprachen dem Platzverweis. Die Sicherheitsleute schwenkten dann um, weil sich die Jugendlichen vor einem Seniorenheim aufhielten und sie zu viele seien, müssten sie trotzdem gehen. (6)

Die Stadt Bailingen in Baden-Württemberg gibt jährlich über 53.000 Euro für den privaten Sicherheitsdienst aus. Geld, das vielleicht wirkungsvoller in die Jugendarbeit investiert worden wäre. (7)

Anderthalb Jahre konnten Jugendliche nicht feiern. Mit dem warmen Wetter wurden die Partys der Jugendliche ins Freie verlegt. Die Hamburger Polizei tat sich im Vorgehen gegen die jugendliche Partyszene besonders brutal hervor. Im Juni räumte eine Hundertschaft den Stadtpark. Es wurden 35 Platzverweise ausgesprochen und es erfolgten vier Ingewahrsamnahmen. Von Diebstählen, Schlägereien und aggressiver Stimmung war die Rede. Der Berliner tageszeitung (taz) schilderte ein Augenzeuge seinen ganz anderen Eindruck. Die Stimmung sei friedlich gewesen, bis die Polizei gekommen sei und die Menschen üb er die Wiese getrieben habe.

Von der Polizei wurde der Einsatz mit dem Missachten der Abstandsregeln und steigender Aggressivität bei steigendem Alkoholpegel begründet. Laute Musik sei gehört und pyrotechnische Gegenstände gezündet worden. (8)

Selbst der ansonsten nicht als liberal geltenden Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) war das polizeiliche Vorgehen gegen die Jugendlichen zu viel. Deren Hamburger Landessprecher Thomas Jungfer stellt sich auf die Seite der Jugendlichen und forderte den Senat und die Innenbehörde auf, Lockerungsmaßnahmen effektiver zu gestalten und ein Veranstaltungsangebot zu regeln. (9)

Es ist nicht zu leugnen, dass feiernde Jugendliche Probleme durch Lärmbelästigungen, Sachbeschädigungen, Vandalismus und Vermüllung mit sich bringen.

Die meisten Kommunen reagieren mit privaten Sicherheitsdiensten und Repression darauf. Das südhessische Darmstadt geht einen anderen Weg. Die Stadt hat die massiven Einschränkungen für Jugendliche wahrgenommen und setzt auf die Kommunikation mit jungen Menschen. Die Darmstädter Polizei verzichtet dabei weitgehend darauf, Zusammenkünfte aufzulösen. Zurückhaltung und Deeskalation ist das Ziel. Dabei soll das 2004 gestartete Projekt V.I.P.eers (Very Important Peers) helfen. Jugendliche und junge Erwachsene mit entsprechendem Training suchen Kontakt zu Gleichaltrigen um Beziehungen aufzubauen. Den Teams soll es insbesondere in Krisenzeiten so gelingen, zwischen Konfliktparteien zu vermitteln. (10)

Die Verbände des privaten Sicherheitsgewerbe fordern schon lang mehr Befugnisse. Ein erster Schritt in diese Richtung war die Verlagerung der Zuständigkeit vom Wirtschafts- zum Innenministerium auf Bundesebene. Bislang war der Einsatz des privaten Sicherheitsgewerbe in der Gewerbeordnung geregelt. Nun soll das Sicherheitsdienstleistungsgesetz (SDLG) her und unwillkürlich drängt sich die Parallele zu den Polizeigesetzen auf. Vielfach arbeiten die Privaten aufgrund von Kooperationsverträgen schon mit der Polizei zusammen. Die Pandemie hat dem Gewerbe die Tür zu den Ordnungsämtern und der Polizei weit geöffnet. Der Gesamtumsatz des Sicherheitsmarktes betrug 2018 – 8,76 Mrd. Euro und die Branche hofft auf Steigerung.

Angeblich soll das neue SDLG für mehr Sicherheit und eine höhere Qualität sorgen. Tatsächlich führt es zu einer Aushöhlung hoheitlicher Aufgaben des Staates, beklagt die Bundestagsabgeordnete der Linken, Ulla Jelpke zurecht. Ebenso ist der Eingriff in das staatliche Gewaltmonopol zu befürchten. Es kann davon ausgegangen werden, dass mit dem neuen Gesetz den privaten Sicherheitsdiensten zumindest in Teilen Eingriffsrechte erlaubt werden, die weit über die sogenannten Jedermannsrechte hinausgehen. 

Bei jeder Vorstellung der Kriminalstatistiken wird auf die gute Sicherheitslage hingewiesen, geht es jedoch um weitere Einschränkungen der Freiheitsrechte wird genau das Gegenteil propagiert. Das was heute im Sicherheitsbereich als Prävention bezeichnet wird, geht viel zu oft mit Repression einher.

Artikel von Jürgen Korell und Thomas Brunst vom 10. Juli 2021

Quellennachweise:

  1. https://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Frank-Walter-Steinmeier/Reden/2021/04/210412-Semesterbeginn.html externer Link
  2. Konkret 7/21, „Ein Herz für Kinder“ von Ruth Oppl 
  3. https://rp-online.de/nrw/staedte/xanten/xanten-privater-sicherheitsdienst-zahltsich-laut-der-verwaltung-aus_aid-46352003 externer Link
  4. https://rp-online.de/nrw/staedte/xanten/welche-rechte-hat-ein-privater-sicherheitsdienst_aid-35672011 externer Link
  5. https://www.kaufungen.eu/Schnellnavigation/Startseite/Sicherheitsdienst-am-Steinertsee-weiterhin-notwendig.php?object=tx,2655.5&ModID=7&FID=2655.2672.1 externer Link
  6. https://www.fnp.de/lokales/kreis-gross-gerau/raunheim-ort888561/wie-der-sicherheitsdienst-vom-ende-der-ausgangssperre-ueberrascht-wird-90461682.html externer Link
  7. https://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.frommerner-schiefersee-beliebter-treffpunkt-bleibt-im-fokus-der-citystreife.516a3c98-6ba8-4fb3-8ebb-453995467628.html externer Link
  8. https://taz.de/!5777384/ externer Link
  9. https://taz.de/Jugendliche-in-der-Pandemie/!5778015/ externer Link
  10. https://www.uffbasse-darmstadt.de/partys-im-park-jugendarbeit-statt-vorhaengeschloss/ externer Link

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Siehe auch im LabourNet Germany:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=191768
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