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[Presseschau] EU zu zaghaft gegenüber Orban bei seinem Weg in den Rechtsextremismus

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 8.7.2021  – wir danken!

Wie die Europäische Union bei Demokratie und Rechtsstaat weiter „zerfleddert“ wird, berichtet der Europa-Abgeordnete Daniel Freund (Grüne) nach einem Besuch in Ungarn: (https://danielfreund.eu/ergebnis-meiner-ungarn-reise-kein-zusaetzliches-eu-geld-fuer-orban-ohne-kontrolle/ externer Link). Es bestätigt sich der Verdacht, dass die Mittel aus Brüssel (der Europäischen Union) von Orbans – inzwischen umfassenden Machtapparat – richtig geplündert werden.

Dabei hat die Kommission seit Anfang des Jahres ein angemessenes Mittel dagegen. (https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/europaabgeordneter-ueber-ungarn-kommission-zur-not-wegen-untaetigkeit-verklagen externer Link)

Das Parlament in Europa will also Ungarn – bzw. dem Regime von Orban – rasch das Geld abdrehen – nur es bleibt hilflos gegen über der Kommission, die noch bis Herbst warten will. (https://taz.de/Ungarn-und-die-Rechtsstaatlichkeit/!5780711/ externer Link) Bis dahin soll der Europäische Gerichtshof entscheiden.

Der EU-Abgeordnete Freund (Grüne) erklärt dazu, die EU-Kommission kann und muss die EU-Gelder jetzt unmittelbar streichen, denn sonst werden diese dreistelligen Millionenbeträge der EU in die Abschaffung der Demokratie in Ungarn weiter investiert. Die Auszahlung des Corona-Aufbau-Fonds beginnt nämlich schon Ende Juli.

Dazu kommt noch, dass Victor Orban erstmals von „Reporter ohne Grenzen“ als einer der größten Feinde der Pressefreiheit gebrandmarkt wurde. (https://www.spiegel.de/kultur/reporter-ohne-grenzen-viktor-orban-feind-der-pressefreiheit-a-ef85fd6b-aa08-4a87-8ef7-e893c5fa626b externer Link) Sein recht systematisches Vorgehen zur Beseitigung der Pressefreiheit in Ungarn hat dann Gergely Marton in der TAZ noch breiter aufgezeichnet. (https://taz.de/Feindesliste-der-Pressefreiheit/!5780775/ externer Link) Für die Beurteilung von Reporter ohne Grenzen muss man noch die Erwägung dazu hernehmen, die auch die Europa-Abgeordneten umtreibt: Diesen radikalen Umbau der Medienlandschaft betreibt Orban mit seinem Leitbild einer illiberalen Demokratie (https://www.blaetter.de/ausgabe/2017/august/von-mussolini-bis-orban-der-illiberale-geist externer Link) – und das zieht in Ungarn mit Orban mitten in Europa durch, das eigentlich demokratischen Werten verpflichtet ist. So zeigt Orban den Feinden der Demokratie, wie man mitten in Europa die Pressefreiheit abbaut und damit auch noch in der EU durchkommt. Und wie Orbans Apparat die Medienlandschaft in Ungarn voll in den Griff bekommt wurde zuletzt auch noch beim „Klubradio“ noch durchexerziert. (https://www.dw.com/de/ungarn-die-letzten-tage-des-klubr%C3%A1di%C3%B3/a-56540326 externer Link)

Diese umfassende Kontrolle über die Medien in Orbans Imperium führt auch noch dazu, dass in Ungarn korrupten Politikern keine Konsequenzen drohen. So werden diese Geschichten der Korruption in den verbliebenen freien Medien nie zu Ende erzählt. Die Regierung schweigt – und weil sie nicht einmal dementieren, verpuffen diese Geschichten.(https://taz.de/Feindesliste-der-Pressefreiheit/!5780775/ externer Link)

Und die EU hätte einen ganzen Werkzeugkasten um diese Verletzungen von Rechtsstaat und Demokratie vorzugehen – aber sie tut vorerst nichts – und die EU-Abgeordneten haben als Parlament nicht die Macht die Kommission dazu zu bringen. (https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/europaabgeordneter-ueber-ungarn-kommission-zur-not-wegen-untaetigkeit-verklagen externer Link)

Die Europäische Union ist zu zaghaft Orban auf seinem Weg in den Rechtsextremismus noch durch ein Rechtsstaatsverletzungsverfahren vor dem EuGH politisch aufzuhalten – weil Kanzlerin Merkel der EU die Hände gebunden hat. De facto hat das Europaparlament nicht die Macht Rechtsstaatlichkeit und grundlegende politische Freiheiten gegenüber Ungarn durchzusetzen – es kann nur die EU-Kommission „anregen“ (https://www.deutschlandfunkkultur.de/philosophischer-kommentar-zu-eu-vs-ungarn-aufklaerung-statt.2162.de.html?dram:article_id=428084 externer Link).

Katarina Barley (SPD) Vizepräsidentin des Europaparlamentes: Orban tritt die wichtigsten Grundsätze der Demokratie mit Füßen – dass Macht zeitlich befristet sein muss und Regierende einer wirksamen Kontrolle unterliegen müssen. (https://taz.de/Katarina-Barley-ueber-Rechtspopulismus/!5777805/ externer Link)

In Polen, Ungarn und Slowenien sind wir bei der Unabhängigkeit der Justiz und der Pressefreiheit längst über den Punkt hinaus nur einzelne Maßnahmen herauszugreifen – was das Beispiel Ungarn deutlich zeigt: Die Medien sind komplett in der Hand der regierungstreuen Stiftung Kesma. Das Wahlrecht ist so modifiziert, dass Orban im Verhältnis zu den Stimmen überproportional Sitze im Parlament erhält. Inzwischen hat er an allen entscheidenden Stellen Posten mit Getreuen besetzt, die dann auch solange im Amt bleiben, bis eine Nachfolge mit Zwei-Drittelmehrheit gewählt wird. Dieses Verfahren gilt auch für ein Komitee aus drei Personen, das den Haushalt genehmigen muss.

Lehnt dieses Komitee zweimal ab, kann der Präsident Orban Neuwahlen ausrufen. Orban behält so seinen politischen Einfluss, selbst wenn er die nächsten Wahlen verlieren sollte. Und auch das Verfahren durch die neue Rechtsstaatlichkeitsverordnung, die eigentlich sogar finanzielle Sanktionen möglich macht, ist weniger scharf (oder konsequent) ausgefallen, als es das Parlament vorgesehen hatte: Die Mitgliedstaaten haben es unter dem Druck der polnischen und ungarischen Regierungen eingeschränkt, so dass nur Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit erfasst werden können, die sich auf das europäische Budget auswirken…

Bei Minderheitenrechten – wie z.B. auch bei der Instanbul-Konvention (https://www.humanrights.ch/de/ipf/menschenrechte/familie/dossier/internationale-ebene/istanbul-konvention/ externer Link) – wird es dann noch schwieriger.

Aber dafür bleibt dann noch das Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH. (https://www.tagesschau.de/ausland/europa/eu-vertragsverletzungsverfahren-101.html externer Link)

Das dauert zwar etwas länger – aber man es eben auch tun. Daher unser Druck auf die Kommission hier auch zu handeln. Die Kommission ist hier viel zu zögerlich. Mehr als zehn Jahre hat sie Orban bei seinem Treiben schon zugeschaut – bisher auch gedeckt durch die konservative Parteienfamilie der EVP… Zwar sind inzwischen jetzt die Worte schärfer geworden, aber die Taten lassen immer noch auf sich warten. (https://taz.de/Katarina-Barley-ueber-Rechtspopulismus/!5777805/ externer Link)

Warum die EU weiter den Rechtsstaat „schreddern“ lässt – dank Merkel Die EU-Kommission ergreift aber auch jetzt allenfalls zu hilflosen Gesten, die das „System“ Orban nicht tangieren (https://www.tagesschau.de/kommentar/ungarn-kritik-eu-101.html externer Link), während der entscheidende Schritt – von Merkel unterbunden – jetzt nicht unternommen wird!

Das Tragische an dieser Geschichte ist jedoch, dass gerade die Kanzlerin Merkel – jetzt ehrenvoll von der EU verabschiedet – bei ihrem Schmieden von Kompromissen, Orban und den Polen auch noch zugesichert hatte, wenn sie dem zur Krisenüberwindung wichtigen EU-Finanzpaket (https://www.deutschlandfunk.de/eu-sondergipfel-erleichterung-ueber-einigung-auf-corona.1773.de.html?dram:article_id=480938 externer Link) zustimmen, hat die Kanzlerin den notorischen Rechtsstaatsverletzern Polen und Ungarn zugesichert, dass jetzt erst einmal nichts unternommen wird. (https://www.tagesschau.de/kommentar/ungarn-kritik-eu-101.html externer Link)

So wurde Orbans Zustimmung zum Corona-Hilfsfonds einfach sehr teuer erkauft!

Mei, aber so „unterminiert“ Orban auch noch die gemeinsame europäische Handlungsfähigkeit („Souveränität“) – auf was man alles achten muss…. Einstimmigkeitsprinzip bei außenpolitischen Entscheidungen der Europäischen Union – fördert auch noch den Einfluss Chinas auf Europa

Der deutsche Bundesaußenminister Heiko Maas tritt eindringlich für die Abschaffuing des Einstimmigkeitsprinzips der Europäischen Union bei außenpolitischen Entscheidungen ein. (https://www.deutschlandfunk.de/maas-veto-bei-aussenpolitischen-eu-entscheidungen-abschaffen.1939.de.html?drn:news_id=1267251 externer Link)

Wir können uns nicht von denen in Geiselhaft nehmen lassen, die die EU-Außenpolitik durch ihre Vetos lähmen – wie zuletzt Ungarn bei einer geplanten EU- Nahost-Resolution (https://www.swr.de/swraktuell/radio/nah-ost-konflikt-eu-vize-parlaments-praesidentin-barley-reagiert-mit-unverstaendnis-auf-ungarns-veto-100.html externer Link) – oder auch einer gemeinsamen Stellungnahme der EU zum Sicherheitsgesetz für Hongkong – wieder blockiert durch Ungarn (https://www.spiegel.de/ausland/ungarn-verhindert-eu-erklaerung-zu-hongkong-a-91c73b10-d631-4a59-898e-e7e45bef6dd9 externer Link), um dafür aber für China Ungarn zum „Einfallstor“ für eine große chinesische Universität zu machen (https://www.dw.com/de/ungarn-protest-gegen-chinas-fudan-universit%C3%A4t-in-budapest-geht-weiter/a-57777911 externer Link)

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=191688
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